Das Ende des Internet – was der Club of Rome zu erwähnen vergaß

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die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt

Am Montag, dem 8.5.2012 hat der norwegische Klimaexperte Jørgen Randers für den Club of Rome die neueste Prognose für die Entwicklung der Welt in den nächsten 40 Jahren vorgelegt. Er erwartet einen weltweiten Temperaturanstieg, schwere Unwetter und Missernten für die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Dafür soll das Bevölkerungswachstum geringer ausfallen als von der UN erwartet. Das mag richtig oder falsch sein, in jedem Fall fehlt der wichtigste Aspekt – wie schon in allen früheren Prognosen des Clubs.

Der Club of Rome war vor vierzig Jahren schlagartig weltbekannt geworden, als er die Studie The Limits to Growth herausgab, die sich mit den Grenzen des Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums befasste. Eine Arbeitsgruppe des M.I.T. unter Leitung von Donella H. Meadows und Dennis L. Meadows hatte ein Weltmodell (World3) entwickelt, um die Interaktion zwischen Bevölkerungsentwicklung, Nahrungsmittelproduktion, Rohstoffvorräten, Umweltverschmutzung und Industrieproduktion von 1900 bis 2100 zu ermitteln. Jørgen Randers war damals Mitte zwanzig und fungierte als Klimaexperte der Gruppe. Natürlich musste das Modell die Entwicklung von 1900 bis 1972 korrekt wiedergeben, sonst wäre es offensichtlich falsch gewesen. Die Arbeitsgruppe justierte das Modell so lange, bis es diese Nagelprobe bestand. Was sagte das Weltmodell aus? In den meisten untersuchten Szenarien stiegen alle Parameter bis ca. 2030 exponentiell an, um in den folgenden Jahrzehnten um so steiler abzustürzen. Das sogenannte Standardmodell ging davon aus, dass die Menschen keine besonderen Vorkehrungen für künftige Gefahren treffen würden. In diesem Fall begrenzten die Rohstoffvorräte das Wachstum. Wenn man die Vorräte vergrößert, nimmt die Umweltverschmutzung überhand. Wenn man beide Faktoren in den Griff bekommt, wächst die Zahl der Menschen so stark an, dass die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr Schritt hält.

Die Botschaft der Autoren war eindeutig: Die Grenzen des Wachstums seien in Sicht. Weder die Industrieproduktion noch die Bevölkerung könnten weiter beliebig wachsen. Nur mit rigorosen Maßnahmen vor der Jahrtausendwende sei eine stabile Konfiguration zu erreichen. Die Reaktionen der Öffentlichkeit reichten damals von Erschrecken bis Unglauben. Das Buch The Limits to Growth wurde in viele Sprachen übersetzt und erreichte Millionenauflagen1.

Es lag in Trend der damaligen Zeit, aber es setzte zum ersten Mal das Mittel der Computersimulation ein. Dadurch erzielte es den Anschein der Objektivität und Genauigkeit. Natürlich ist jedes Computermodell ist nur so gut wie seine Vorgaben, und die waren teilweise fehlerhaft. So unterschätzten die Autoren die Rohstoffvorräte bei kritischen Ressourcen wie Erdöl oder Gold, die wichtigen Metalle Germanium, Gallium und Indium dagegen hatten sie nicht untersucht. Gerade diese Rohstoffe drohen aber jetzt wirklich knapp zu werden2.

Trotzdem stimmt die tatsächliche Entwicklung der Bevölkerungszahlen, der Nahrungsmittelerzeugung und der Industrieproduktion bis ca. 2005 sehr gut mit dem Standardmodell von 1972 überein3. Vermutlich ist es also nicht ganz falsch. In einem 2004 veröffentlichten Buch (Limits to Growth – The 30-Year Update4) betonten die Autoren noch einmal das Problem des Absturzes der wichtigsten Parameter nach einem überschießenden Wachstum. Auch ihr aktualisiertes World3-Modell zeigte ganz ähnliche Ergebnisse wie schon 1972.

Die Wirkung des CO2-Ausstoßes auf das Klima war dabei aber noch kaum berücksichtigt. Dieses Versäumnis hat Randers in dem aktuellen Bericht nachgeholt. Interessanterweise hat ein Großteil der Presse den neuen Bericht ausgesprochen kühl aufgenommen. „Der Club of Rome malt die Zukunft seit Jahren in düsteren Farben – und irrt regelmässig“, schrieb etwa Hansjörg Müller in der Basler Zeitung5. Keinem der Kommentatoren ist aber aufgefallen, was in allen Berichten tatsächlich fehlt.

Die Wissensgesellschaft

Die moderne westliche Industriegesellschaft beruht zum beträchtlichen Teil auf dem schnellen Fluss großer Mengen an Daten. Ohne komplexe Steuerung ist die Industrie nicht mehr konkurrenzfähig. Technische Informationen werden vielfach nur noch in digitaler Form abgelegt und wissenschaftliche Veröffentlichungen erschienen immer weniger auf Papier. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit kann fast jeder von seinem Schreibtisch aus auf das gesammelte Wissen der Menschheit zugreifen. Auch für die sozialen Beziehungen wird das Internet immer wichtiger. Wir können engen Kontakt mit Menschen halten, die Tausende von Kilometern entfernt auf einem anderen Kontinent leben.

Deshalb bezeichnet man die heutige Lebensweise oft als Informations- oder Wissensgesellschaft. Diese Gesellschaftsform ist historisch einmalig. Menschen sind jetzt weltweit vernetzt und sind online in verschiedenen Gruppen gleichzeitig aktiv. Das kann beispielsweise ihr Facebook-Freundeskreis sein, ein berufsbezogenes Netzwerk und eine Gruppe von Sammlern historischer Modelleisenbahnen. Entfernungen spielen für die Kommunikation kaum noch eine Rolle. Hinter diesem scheinbar einfachen System steht aber eine komplexe, anfällige und ressourcenfressende Technologie. Der Energieverbrauch der Server, Switches, Basisstationen und Endgeräte liegt in der Größenordnung von 10% des gesamten Stromverbrauchs – Tendenz steigend. Die Fabriken für moderne Halbleiterprodukte arbeiten fast alle für den Weltmarkt, und ohne Weltmarkt können sie nicht bestehen. Intel hat gerade bekanntgegeben, dass vermutlich schon in fünf Jahren nur noch drei große Unternehmen die Investitionskosten für neue Halbleiterwerke (Fabs) stemmen können. Schon heute kostet der Aufbau einer Fab 5 Milliarden US$, in einigen Jahren wird selbst dieser gewaltige Betrag nicht mehr reichen.

Nehmen wir einmal folgendes Szenario an:

  • Der Ölpreis steigt weiter an. Der weltweite Transport von Waren kommt damit immer teuer.

  • Nach mehreren Missernten macht eine deutliche Lebensmittelteuerung die Menschheit insgesamt ärmer.

  • Die Preise für wichtige Rohstoffe für die Elektronik verzehnfachen sich.

Damit würden Computer, Laptops, Server und Netzwerkbauteile fast unbezahlbar und der Absatz sinkt dramatisch. Die Fabs für die Chipproduktion und die Werke für die Glasrohlinge der Flachbildschirme werden unrentabel, die Produktion wird angehalten. Die Fabriken können aber nicht für längere Zeit stillgelegt werden. Hightech-Komponenten altern rapide und schon nach zehn Jahren wäre es praktisch unmöglich, die Produktion wieder anzufahren. Man müsste die Fabs komplett neu errichten, das würde aber mehrere Hundert Milliarden US$ verschlingen. Wenn es aber immer schwieriger wird, defekte Bauteile zu ersetzen, fallen immer größere Bereiche der Infrastruktur aus. Dann wäre auch bald das auf elektronischen Speichermedien aufgezeichnete Wissen verloren. Eine CD-R oder DVD-R hält vielleicht zehn Jahre und sie braucht ein passendes Abspielgerät zum Auslesen. Schon heute sind viele Bandspulen und Bandkassetten aus der Frühzeit der EDV unleserlich geworden, weil es weltweit keine Abspielgeräte mehr gibt. Selbst die Aufzeichnungen über die Codierverfahren fehlen teilweise.

Wenn die Verstärker der optischen Unterseekabel nicht mehr regelmäßig alle zehn bis fünfzehn Jahre ersetzt werden können, wird das weltweite Internet zusammenbrechen oder in viele kleine regionale Netze zersplittern.

Deutschland baut seine Stromversorgung derzeit so um, dass nur eine komplexe und überregional vernetzte Steuerung die Versorgung sichern kann. Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser oder Stadtwerke setzen an kritischen Stellen hochempfindliche Informations- und Regelsysteme ein. Die Autoren einer Studie, die 2011 die Folgen eines länger dauernden, regionalen Stromausfalls untersucht, schrieben dazu6:

„In modernen, arbeitsteiligen und hochtechnisierten Gesellschaften erfolgt die Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen durch ein hochentwickeltes, eng verflochtenes Netzwerk Kritischer Infrastrukturen … Diese sind aufgrund ihrer internen Komplexität sowie der großen Abhängigkeit voneinander hochgradig verletzbar.“

Das Ende der Wissensgesellschaft

In der Studie ging es um Stromausfälle von Tagen oder Wochen. Ein Jahre dauernder Ausfall der Produktion von Hightech-Produktion im Weltmaßstab würde das Ende der Informationsgesellschaft bedeuten. Es ist Zeit, dass sich jemand über dieses Problem Gedanken macht, anstatt negative Zukunftsprognosen mit der Bemerkung abzubügeln, dass ja bisher noch alles gut gegangen ist. Das gesammelte Wissen ist der größte Schatz der Menschheit. Aber er ist empfindlich und verderblich. Wenn wir keine Vorsorge treffen, verlieren wir ihn noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts.

[1] Meadows DL, Meadows DH, Zahn E, Milling P (1972) Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. DVA Stuttgart

Anmerkung: In der deutschen Ausgabe sind andere Autoren genannt als in der amerikanischen Originalausgabe. Statt Jørgen Randers und William W. Behrens III erscheinen hier die beiden deutschen Mitglieder des Forschungsteams Erich Zahn und Peter Milling.

[2] Europäische Kommission (2010) Critical Raw Materials for the EU.
URL: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/raw-materials/files/docs/report-b_en.pdf

[3] Turner G (2008) A comparison of The Limits to Growth with 30 years of reality. Global Environmental Change 18 (3) 397–411

[4] Meadows DH, Randers J, Meadows DL (2004) Limits to Growths – The 30-Year Update. Chelsea Green Publishing, White River Junction, VT, USA.

[5] Müller H (2012) Und immer wieder Weltende. Basler Zeitung.

[6] Petermann Th. et al. (2011) Was bei einem Blackout geschieht. Folgen eines langandauernden und großräumigen Stromausfalls. edition sigma, Berlin

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www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

23 Kommentare

  1. Resilienz

    vielen Dank für diesen Artikel. Genau dieses Problem versuche ich ebenfalls immer wieder anzusprechen. Es ist wirklich überraschend, mit welchem Optimismus (oder vielleicht eher Naivität?) die allermeisten Verantwortlichen an dieses Themenfeld herangehen. Natürlich ist IT in den letzten Jahren exponentiell leistungsfähiger und stetig billiger geworden – aber auch die Abhängigkeiten wachsen exponentiell.

    Nun bin ich kein prinzipieller Pessimist, ich glaube, dass wir IKT dringend benötigen werden, um mit den Problemen der Zukunft zu Rande zu kommen (ich arbeite selbst in diesem Umfeld). Es ist auch durchaus möglich, dass es uns gelingt in der Zukunft robustere IT-Systeme zu bauen, die weniger kritische Rohstoffe benötigen. Das ist denkbar. Dennoch sollten wir uns bei weitem mehr Gedanken zum Thema Resilienz von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen machen.

    Aber nicht nur wird das Thema meist ignoriert, es wird fallweise geradezu ins Gegenteil verkehrt. Denken wir beispielsweise an die “Singularitäts”-Fantasten/Sektierer um Kurzweil & Co, die einen heute sehr häufig zu beobachtenden Fehler begehen: sie verkennen, dass das, was sie beschreiben, zwar eine mögliche Zukunft darstellt, aber eben nur *eine* mögliche. Die vielen anderen sind mindestens so wahrscheinlich (darunter etliche katastrophale). Warum gerade diese eine (aus deren Sicht positive) Entwicklung neben den vielen anderen möglichen die Zukunft darstellen soll, können sie natürlich nicht vernünftig begründen. Die Unsicherheiten sind viel zu groß, die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Systeme viel zu komplex und unklar um nennenswert zuverlässige Prognosen stellen zu können.

    Meist wird einfach (ohne plausible Erklärung) angenommen, dass alles schon so weitergehen wird und eine stetige exponentielle Verbesserung mit exponentiellem Wachstum der Normalfall ist. Obwohl eher das Gegenteil plausibel zu sein scheint.

    (Übrigens ist meiner Ansicht nach gerade auch in Deutschland und Österreich ist die Lage überraschend: Denn einerseits erleben wir täglich irrationale Panik-Wellen zu jeder undenkbaren Gefahr neuer Technologien, z.B. Gentechnologie, “Handystrahlung” etc. Andererseits laufen genau dieselben Bürger, die ohne jede vernünftige Begründung “gegen Gen” sind, mit grenzenlosem Optimismus in eine reichlich unklare digitale Zukunft.)

    Wesentlich mehr Diskurs wäre aus meiner Sicht daher unbedingt angebracht. Resilienz von Systemen aller Art muss ein Kern-Designkriterium werden, nicht nur kurzfristige Effizienzgewinne.

  2. Ein bisschen weniger Internet

    fände ich sehr schön. Man hätte endlich wieder Zeit für sein Bücherregal. Jede Menge echtes(!) Wissen, dessen Speichertechnik bei pfleglicher Haltung praktisch unbegrenzt hält.

  3. Zivilisationcrash durch tiefe Depression

    Ohne ständige Investitionen kann tatsächlich alles den Bach heruntergehen – das ist ja die Hauptaussage von Thomas Grüter’s Beitrag: Die Infrastruktur z.B. für das Internet und die IT-Infrastruktur, aber auch für vieles andere muss ständig erneuert und angepasst werden. Wenn plötzlich das Geld dafür fehlt, auch niemand mehr in die Chip-Produktion investiert, weil einfach das Geld fehlt, dann gehts wirklich den Bach runter und es wird sehr schwierig sich davon wieder zu erholen. Da hat Thomas Grüter absolut recht.
    Dieser Gedanke ist allerdings nicht völlig neu. Er wird in der Peak-Oil-Szene – bei den Leuten also, die glauben ohne Öl geht nichts – mit grosser Konstanz vertreten. Allerdings sehen die Peak-Oil-Leute die Achillesferse unserer Gesellschaft natürlich nicht in der IT und im Internet, sondern in der Abhängigkeit beispielsweise unserer Nahrungsmittelproduktion von landwirtschaftlichen Maschinen. Diese laufen nur mit Ölderivaten. Fallen sie aus, wird weniger Nahrung produziert und Millionen verhungern. Auch ein mögliches Szenario auf das man sich vorbereiten müsste – wenn Vorbereitung tatsächlich entscheidend helfen würde. Ob die Hungernden (wegen dem Absinken der industriellen Nahrungsmittelproduktion) dann noch ihren PC einschalten können oder sie letzte Anweisungen für das Überleben über ihr Handy herunterladen können macht möglicherweise keinen entscheidenden Unterschied. Die Wissensgesellschaft macht nicht sofort satt und füllt keine hungrigen Mägen.

  4. Guter Beitrag

    Dass so etwas tatsächlich passieren könnte, ist den meisten Menschen nicht klar. Stattdessen protzen sie mit ihrem neuen Smartphone und erwarten sich, dass sie in einem Jahr ein noch besseres, schnellers, leistungsfähigeres und auch noch günstigeres erwerben können. Das ist doch irre.
    Den Menschen ist auch nicht klar, was dann passieren würde. Was ist mit den Megacities? Was glauben Sie, was da abgehen würde? Woher kommen die Lebensmittel? Klar, aus dem Supermarkt.
    Und das Wissen der Welt? Ich würde vielen Leuten anraten, wichtige Bücher zu kaufen! Die unzähligen Informationen auf Milliarden von Festplatten könnten im Extremfall rasch komplett nutzlos werden.

  5. @ Grüter

    *clapclapclap*

    Als die Bibliothek in Alexandria verloren ging, war das zwar ärgerlich, aber verschmerzbar. Es war ja “nur” Information, die “techne” antiken Welt war nicht direkt betroffen. Die Schiffe fuhren weiter, die Flaschenzuüge funktionierten nach wie vor.

    “IT” ist anders – Information und Technologie sind nicht mehr zu trennen. Das ist eigentlich trivial, mir aber erst bei der Lektüre klar geworden…

    Eieiei – das kann ja heiter werden. Zurück an die Flaschenzüge, üben wir schon mal, wie es sich anfühlt, die Welt damit zu stemmen.

  6. Schwarzmalerei und Obsoleszenz

    Sicherlich ist die IT-Infrastruktur ein wichtiger Punkt für weltweite Produktivität. Aber das hier mögl. Verlust des menschl. Wissens an die Wand gemalt wird, find ich dann doch etwas übertrieben.

    Speichertechniken wie der Milipede können immense Datenmengen auf mechanische nichtvolatile Weise speichern ohne die Nachteile von flüchtigen Speichermedien wie HDD, Flash, DVD…

    Zudem muss man mal sehen, dass der Grossteil des heutigen Webtraffics Medientraffic ist (Musik, TV-Streaming, Pornographie etc.) Gesellschaftsnotwendig ist ein Grossteil des Web nicht. Sich informieren kann man auch immer noch mit ISDN Geschwindigkeit, wenn man einen Werbeblocker installiert hat und eine Website von 1-2 MB auf einen Bruchteil an Grösse schrumpft.

    Aber solche Schwarzmalerei ist mir immer noch lieber als die Singularity-Phantasien eines Ray Kurzweil. Denn Forschungsgrossprojekte wie Human Brain Project oder CERN kommen nur mit Supercomputern, riesigen und schnellen Datenspeichern aus und sind schon jetzt noch kaum finanzierbar. Für die Wissenschaft stellt ihr Szenario deshalb wirklich ein Problem dar, aber die ganze Wissensgesellschaft seh ich nicht in Gefahr. Letztlich werden wir bei Bevölkerungsexplosion nur mit steigender Produktivität die Probleme weiter eindämmen können. Dass nach der Nanotechnologie noch Femto und Pikotechnologien entwickelt werden halt ich momentan für träumerisch. Auch die Technologie kommt irgendwo an Grenzen der technologischen Finanzier- und Machbarkeit und physik. Gesetze lassen sich nicht aushebeln.

    Ein weiterer Punkt der mir bei der Analyse untergeht ist geplante Obsoleszenz. Viele elektronische Geräte könnten weitaus langlebiger gebaut werden, manche Drucker sind vom Hersteller zum vorzeitigen Tode programmiert, auf Motherboards und Platinen werden nur billige elektrochemische ELKOs (Kondensatoren) verbaut, die nach wenigen Jahren den Geist aufgeben. Software kann wesentlich ressourcen-sparsamer geschrieben werden.

    Das Hauptproblem bei der ganzen Futurologie und Szenarien ist und bleibt leider, dass Spezies Mensch nur aus gemachten Fehlern lernt, die Vorhersage dieser Fehler ist meist ungenügend bzw. sind Interessen der jetzigen Generation eben wichtiger als die der nächsten in der Klimapolitik… Es scheint doch mehr ein gesellschaftspolitisches Problem zu sein, dass sich nur weltweit angehen lässt, und ohne Internet und Bildung wird es hier keinen gemeinsamen Nenner zw. den Völkern geben.

  7. Datenspeicher

    Es ist Zeit, dass sich jemand über dieses Problem Gedanken macht, anstatt negative Zukunftsprognosen mit der Bemerkung abzubügeln, dass ja bisher noch alles gut gegangen ist. Das gesammelte Wissen ist der größte Schatz der Menschheit. Aber er ist empfindlich und verderblich. Wenn wir keine Vorsorge treffen, verlieren wir ihn noch vor dem Ende dieses Jahrhunderts

    Dummerweise konkurriert diese Prognostik mit der hohen Verfügbarkeit von Datenspeichern heutzutage.

    Gerade heute ist das Risiko eines globalen Wissenverlustes gering oder: minimal – am Zuvorgegangenen gemessen.

    Steifen Sie ruhig mal ab, das Wissen an sich scheint zurzeit und der Zeit anhemessen bestmöglich verbreitet: Yes, we can.

    MFG
    Dr. Webbaer (Grüße auch an die werte Ehedame ausliefernd, zusammen schaffen wir’s)

  8. Schwarzmalerei

    @Michael Ruttor Ich schliesse mich deinen Anmerkungen weitgehend an; ich denke, das sind sehr richtige Beobachtungen. Allerdings ist es weniger das Datenvolumen, das mir Sorgen bereitet. Denn wirklich relevante Information im Sinne wissenschaftlichen Wissens etc. könnten wir immer noch rechtzeitig ausdrucken; und Exabyte an Pornographie ist sicherlich für das Überleben unserer Gesellschaft nicht von größter Bedeutung.

    Was man allerdings nicht unterschätzen sollte, ist die Tatsache, dass praktisch alle gesellschaftlichen Prozesse heute IT-gestürtzt ablaufen. Das betrifft alle Finanztransaktionen, Supply Chains (Lebensmittel, wirtschaftliche Güter, …), die gesamte Verwaltung: in Österreich jedenfalls gibt es keine gedruckten Akte mehr, alles ist in Datenbanken, die Energieversorgung und industrielle Produktion ist auch ohne Smartgrids völlig von IT Systemen abhängig, denken wir nur an industrielle SCADA Systeme, Logistik (Warenverkehr, Schiffe, LKWs, …), Verkehrsleitsysteme z.B. Flugüberwachung, Medien: Fernsehen, Radio etc. wird oder wurde digitalisiert, Telefonie: es gibt keine leicht wartbaren “analogen” Telefonie-Systeme mehr, ist alles 100% IP-basiert oder jedenfalls von Elektronik und Software abhängig, Medizinische Geräte und Spitalsmanagement, …

    Ich will nicht langweilen, man könnte die Liste noch lange fortsetzen. Viele dieser Systeme bauen auf der Verfügbarkeit relativ billiger Hard und Software auf.

    Vergessen wir weiters ein anderer äußerst wichtiger Aspekt: Die Welt wird bis Mitte des Jahrhunderts auf 8-10 Milliarden Menschen anwachsen, das ist + 1-2x China zusätzlich. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Lebensmittelproduktion von heutigem Stand weg verdoppelt werden muss; auch Energieversorgung ist bekanntlich ein riesiges Problem.

    Was hat das jetzt mit dem oben gesagten zu tun? Ganz einfach: die Idee, dass wir einfach (falls die IT ausfällt) wieder auf “Flaschenzüge” und Schreibmaschinen zurückgreifen erscheint mir naiv zu sein. Denn diese alten Technologien bieten nicht die Effizienz und Leistungsfähigkeit auf verschiedensten Ebenen an, die wir dringen benötigen um diese Herausforderungen für knapp 10 Milliarden Menschen zu meistern.

    Bisher wurden die durch IT erzielten Effizienzsteigerungen hauptsächlich zu neuen Produkte, Wirtschaftsawachstum und höhere Unternehmensprofite umgesetzt. In der Zukunft werden wir diese Möglichkeiten aber benötigen um unsere Ressourcen besser zu managen, landwirtschaftliche Flächen zu betreiben, Energie effizienter einzusetzen, Prozesse effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten, um nur ein paar Beispiele zu geben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir im Anthropozen leben. Wir Menschen sind die dominante geologische Kraft geworden; eine Verantwortung der man global begegnen muss. Lokale politische Prozesse sind daher zunehmend irrelevant. Nur der globale Dialog zählt. Dieser aber lässt sich mit alten Technologien einfach nicht aufrecht erhalten. Meiner Ansicht nach.

    Dies alles setzt allerdings, und da stimme ich wieder mit Michael überein, eine andere IT voraus; eine die sich eben nicht durch halbjährige Produktzyklen definiert. Denn ich bin ebenfalls der Ansicht, dass wir wesentlich langlebigere und wartbare Produkte bauen könnten. (Der Bedarf an seltenen Erden und anderen Rohstoffen wird die Industrie vermutlich demnächst ohnedies dazu zwingen).

  9. IT

    @Alex

    Dies alles setzt allerdings, und da stimme ich wieder mit Michael überein, eine andere IT voraus; eine die sich eben nicht durch halbjährige Produktzyklen definiert.

    Merksatz: IT ist nicht dafür da soziale Probleme zu lösen.

    Ansonsten, selbstverständlich wird die IT, die was die Kodierung zu Daten und deren nachfolgende Aggregation oder Abstraktion zu Daten betrifft, der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, rein technisch oder technologisch, voraus sein wie bspw. die PIRATEN der LINKSPARTEI oder das Huhn dem Ei.

    Man kann es so oder so drehen, aber die Verfügbarkeit von Kodiervermögen bei anschließender Abstraktion wird Muffel wie Töffel bald in und eigen sein.

    Wie die Modernen Gesellschaften hier nachhinken und/oder antizipieren werden ist eine andere Sache.

    Der Club of Rome (CoR) ist hier genauso armselig unterwegs wie er früher unterwegs war – und bspw. ein Erdölende zwischen 1990 und 2000 nahegelegt hat.

    MFG
    Dr. Webbaer

  10. Das Ende der Globalisierung + Nixon

    Das Niedergangsszenario, das Thomas Grüter hier entwirft, ist plausibel. Doch anders als Thomas Grüter sehe ich die Hauptgefahr eines schweren wirtschaftlichen Einbruchs nicht darin, dass Internet und digitale Technologien im Niedergang generell nicht mehr verfügbar wären und damit das Wissen verlorenginge. Vielmehr bedeutet ein globaler wirtschaftlicher Niedergang – wie er beispielsweise durch eine schnell abfallende Ölproduktion eingeleitet werden könnte – das Ende der Globalisierung. Das Internet ist nur das Filestück der technischen Globalisierung. Mindestens so wichtig ist der Güteraustausch, denn die Arbeitsteilung ist nun nicht mehr nur auf eine Region beschränkt sondern global. Wenn also die Lieferungen aus China ausfallen, dann sind auch die Autobauer in Deutschland am Arsch, denn sie brauchen vielleicht einen bestimmten Werkstoff oder ein Teil, das jetzt nur noch in China hergestellt wird. Wenn ein Transmissionsriemen der Globalisierung – wie das Öl und damit der Gütertransport – ausfällt, dann steht – wegen den gegenseitigen Abhängigkeiten und der Arbeitsteilung – sehr schnell alles still. Da nützt es auch nichts, wenn es in bestimmten Regionen – nehmen wir Deutschland – eine weiterhin funktionierende IT-Infrastruktur gäbe und jedermann in D bei Bedarf auf google-Deutschland und die Wikipedia zugreifen könnte.
    Längerfristig würde es, wenn der Welthandel einbricht, zu einer Relokalisierung der Wirtschaft kommen, allerdings auf einem sehr viel tieferen Niveau als vor der Krise und zudem mit langer Übergangs- und Wiederaufbauzeit. Bis die jetzt von den USA nach China ausgelagerten Industriezweige in den USA wieder aufgebaut wären, könnte es Jahre dauern.

    Im übrigen wäre ein Ende des Internets nur das Ende einer Informations-, Kommunikations- und Arbeitsform, die noch recht jung ist. Wenn man kurz vor dem Ende des Internet alle Wikpedia-Artikel ausdruckt und vieles mehr, dann ist man immer noch etwas besser dran, als man das zu Beginn der 1990er Jahre war, als das Internet geboren wurde.

    So gesehen warnt uns Thomas Grüter hier vor der Wiederkehr des digitalen Steinzeitalters. Er warnt uns vor solch schrecklichen Zeiten wie sie noch in den 1970er-Jahren herrschten, als beispielsweise Richard Nixon US-Präsident war (schreckliche Vorstellung).

  11. Globalisierung des Wissens statt Arbeit

    In einer perfekten Welt läd man sich den Bauplan eines Geräts runter und druckt es mit einem 3D-Drucker aus. Es muss nicht am anderen Ende der Welt produziert und teuer verschifft und geflogen werden, der Star Trek Materialisierer erreicht uns hoffentlich vor dem 23. Jhdt.

    Die Relokalisierung/Dezentralisierung der Wirtschaft wie Martin Holzherr schreibt scheint mir alternativlos, zumal die jetzige globale Arbeitsteilung hauptsächlich durch Arbeitskostengefälle hervorgerufen wird, die Produkionsweisen können überall mit jedem Personal und ein paar eingeflogenen Lenkern aufrecht erhalten werden. Brauchen wir eine globale Finanzindustrie (grösstenteils scheinbar zur Steuerflucht statt für Investitionen und Kreditvergabe), Flugverkehr, Warenströme und Logistik oder sind das Auswüchse wie der hochredundante Medientraffic im Internet der Blüten treibt. Sicherlich brauchen wir für Dinge wie Halbleiter Fabs nach wie vor globales gemeinsames Wirtschaften, aber der Chinese muss keinen BMW fahren und zwischen 5 versch. dt. Apfelsorten in seinem Supermarkt wählen können.

    Neben nachhaltiger Energieproduktion muss ich Deutschland/Europa auch als rohstoffarmes Land auf recyclebare und langlebige Produkte konzentrieren. Mit solchen Produkten kann man aber im momentanen Verschwendungswahn von Smartphones mit 4-Kern-Prozessoren kein profitables Unternehmen betreiben. Die Produkte die wir eigentlich brauchen sind nicht profitabel zu produzieren, ein Galgenwitz, so ähnlich wie das 3-Liter-Auto vor ein paar Jahren. Wir müssen nicht zurück zu Flaschenhzügen, aber auf das was wirklich gebraucht wird, nur läuft das den Imperativen und Wachstumswahn des glob. Kapitalismus und Wachstums-Mantra der Politiker momentan völlig entgegen und ohne harte Lektion bin ich auch wenig optimistisch.

    Die Internetwirtschaft und Globalisierung haben wir erst seit 2 Dekaden, die Menschheit lernt nur auf Zeitskalen von Generationen. Bevor hier also wirklich eine Änderung der gesell. und ökonom. Verhaltenweisen zu erwarten ist, werden noch Jahrzehnte einhergehen, wenn uns Peak-Oil & Co. nicht schon viel früher treffen.

    Es gibt ja einige die meinen das Internet wird sich in seiner Funktionsweise immer mehr dem menschl. Hirn angleichen, das kein Speicherapparat ist, sondern eher eine Such- und Regelsystem ähnelt, lernt und intelligente Ideen hervorbringt. Hoffen wir also, das mit Hilfe des Internet und eines globalen Bewusstseins die Einsichten erzeugt werden können, die in der Historie von den Osterinseln über die Maya bis zur grossen Depression nicht geleistet werden konnten. Kein Organismus/Wirtschaftssystem wächst unendlich und ungeregelt, dass machen nur Parasiten und Tumore…

  12. Im Gleichgewicht ohneRessourcenverbrauch

    Der Hintergrund der Grüterschen Ende des Internet-Vision bildet der Club of Rome-Bericht: The Limits to Growth. Viele missverstehen diese Studie als Bündel von schwarzmalerischen Prognosen und behaupten gar, diese Prognosen seien längstens widerlegt (Zitat: Der Club of Rome (CoR) ist hier genauso armselig unterwegs wie er früher unterwegs war – und bspw. ein Erdölende zwischen 1990 und 2000 nahegelegt hat).

    Doch die Studie The Limits to Growth macht gar keine Prognosen, sondern entwirft statt dessen mehrere Szenarien zur Entwicklung von Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ressourcenerschöpfung.
    Zwei der drei Haupt-Szenarien gehen aber von exponentiellem Wachstum aus und enden im Systemkollaps, sogar wenn man z.B. die verfügbaren Ressourcen verfünffacht. Nur das dritte Szenario mit schon bald sistierendem Wachstum führt zum Happy End – einer stabilisierten Welt. Heute befinden wir uns immer noch sehr nah am BAU-Szenario des Berichts und für diese Buisness as Usual Szenario prognostiziert der Bericht einen Kollaps Mitte dieses Jahrhunderts.

    Doch so einen Kollaps muss es aus mehreren Gründen nicht geben:
    1) Wie die Studie richtig festhält, kann es exponentielles Wachstum nicht unbeschränkt geben. Doch die Wachstumsverlangsamung kann auch spontan zustande kommen in Form einer weichen anstatt einer harten Landung. Bestes Beispiel ist die Bevölerungsentwicklung. 1963 nahm die Bevölkerung noch m 2.19% zu, jetzt nur noch um 1% und 2050 wird es wohl weniger als 9 Milliarden Menschen geben.
    2) Höhere Industrieproduktion bedeutet nach dieser Studie immer mehr Verschmutzung. Doch technische Verbesserungen könnten nicht nur zu etwas weniger Verschmutzung führen sondern eventuell sogar zu einem Prozess, der überhaupt keine Umweltverschmutzung mehr nach sich zieht.
    3) Höhere Industrieproduktion bedeutet nach dieser Studie immer mehr Ressourcenkonsum. Doch es ist eine fast 100%-ige Rezyklierung aller verbrauchten Stoffe denkbar, so dass es gar keine neuen Ressourcen mehr braucht.

    Die Gegenvision zu The Limits of Growht, nämlich Cesare Marchettis 10^12 – A check on the carrying capacity of Earth, die er schon Ende der 1970er-Jahre schrieb, kommt zum Schluss, dass sehr viele Menschen auf der Erde leben könnten, wenn sie ihre Städte zu Orten vollständiger Rezyklierung machen würden. So vollständig, dass kein Rückgriff auf externe Ressourcen mehr nötig wäre.

  13. Lasst uns denn einApfelbäumchen pflanzen

    Mit diesem Titel hat Hoimar von Ditfurth seinen Ausblick auf die bevorstehende Apokalypse infolge von Überbevölkerung, Atomkrieg und Umweltzerstörung überschrieben.
    Dieser Titel ist ein abgewandelter Ausspruch Martin Luthers : “Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich doch heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.” .
    Doch eigentlich geht es mir hier nicht um die Apokalypse – darum ging es Ditfurth und Luther, beides geborene Apokalyptiker – , sondern um das Gegenteil: das Geheimnis des Lebens. Nicht des Lebens an und für sich, sondern um das Geheimnis des biologischen Lebens. Zugleich möchte ich die Gedanken von Michael Ruttor’s Kommentar “Globalisierung des Wissens statt Arbeit” aufnehmen, der von lokaler Produktion mit wissengesteuerten 3D-Druckern schreibt und damit den Ursprung einer Welt voraussieht, in der Wissen Materie formt und zwar ohne menschliche Intervention.

    Nun gehts los: Ein winziger Apfelbaumsamen kann einen grossen, prächtigen Baum hervorbringen mit vielen Früchten, mit Wurzeln, Stamm und – geben wir es doch zu – recht komplexem Aufbau. Durchaus vergleichbar mit einer vom Menschen geschaffenen Maschine, ja in vielem jeder vom Menschen geschaffenen Maschine um vieles überlegen. Und alles kommt aus einem Samen. Dort – in diesem Samen – steckt doch genau ein Wissen, das Materie formt. Neben der nötigen DNA im Samen genügt ein kleiner Energie-und Grundstoffvorrat – und fertig ist der Lebensquell. Selbst ein verheerender Waldbrand, der alle Bäume vernichtet, vernichtet oft nicht alle Samen, nicht alles Wissen – und schon bald geht es wieder los und alles spriesst.

    Auch die Technik der Zukunft kann und wird Eigenschaften besitzen, die wir heute nur von biologischen Organismen kennen. Eine Box – nennen wir sie life capsule, oder besser noch tech capsule oder gar civilisaiton capsule – könnte schon bald (in einigen Dezennien) alles Wissen und alle mäeutischen Hilfsmittel enthalten, um eine ganze im Keim angelegte Technologie zu reproduzieren inklusive sich selbst (die nächste tech capsule). Damit wäre Technologie aussähbar. Wie Samen auf ein Feld könnte man Tech-Capsules ins Universum aussäen und damit unsere Galaxie in einer Form der Tech-Panspermie befruchten mit unsere Technik und Zivilisation. Thomas Grüter’s Angst vor dem plötzlichen Absterben wäre damit vollkommen vom Tisch und wenn schon müsste man Angst vor zu viel selbst gestreuten Invasoren haben – wer weiss schon, wie die weiter evolvieren.

    Das mag vielen als SciFi-Vision erscheinen. Doch wie Michael Ruttor erwähnt, gibt es jetzt schon Vorläufer einer solchen bio-analogen Technologie. Und natürlich haben schon andere das Potential eines Tech-Bootstrapping erkannt, zum Beispiel für die Kolonisierung des Mondes oder Marses. In Affordable, Rapid Bootstrapping of Space Industry and Solar System Civilization liest man:

    It has become feasible to bootstrap a self-sustaining, self-expanding industry at reasonably low cost. Simple modeling was developed to identify the main parameters of successful bootstrapping. This indicates that bootstrapping can be achieved with as little as 12 metric tons (MT) landed on the Moon during a period of about 20 years. The equipment will be teleoperated and then transitioned to full autonomy so the industry can spread to the asteroid belt and beyond. The strategy begins with a sub-replicating system and evolves it toward full self-sustainability (full closure) via an in situ technology spiral. The industry grows exponentially due to the free real estate, energy, and material resources of space.

  14. Noch ein Aspekt – Die Rolle von China

    China hat bei einigen seltenen Erden einen Großtel der Bodenschätze.
    Dies bedeutet in Verbindung mit dem Staatskapitalismus der chinesichen Regierung eine weitere Verschiebung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse Richtung China und eine Verschärfung der der bereits heute existierenden Abhängigkeit.

  15. Ende der Informationsgesellschaft

    Vielen Dank für die vielen spannenden und durchdachten Kommentare. Ich will hier nicht Pessimismus, Buße und Umkehr predigen, ich weise nur auf Probleme hin, die man besser in Angriff nimmt, ehe sie zu groß werden.

    @Webbaer
    Leider können Daten auch dann verloren gehen, wenn sie in unzähligen Kopien vorliegen. Ich empfehle dazu den sehr informativen Wikipedia-Artikel Bücherverluste in der Spätantike.

    @Michael Ruttor.
    Das Millipede-Projekt speichert zwar mechanisch, aber das Schreiben und Auslesen verlangt Hochtechnologie. Selbst wenn die Speichermedien lange halten, wäre ihr Inhalt ohne passende Elektronik nicht zugänglich. es wäre natürlich super, wenn das Internet mithilft, rechtzeitig Ideen zu entwickeln, wie man die kommenden Engpässe meistert und die Informationsgesellschaft weiterführen und ausbauen kann.

    @Martin Holzherr
    Es ist eine sehr spannende Idee, eine ganze Zivilisation sozusagen in ein Samenkorn zu packen, das zu geeigneter Zeit und unter geeigneten Bedingungen keimt und reift. In der Foundation-Trilogie verfolgt Isaac Asimov eine ähnliche These. Die Foundation soll hier die schnelle Entstehung eines neuen Reichs sichern, wenn das Alte (schicksalhaft) zerfällt. Ich habe aber Zweifel, ob das funktioniert. Der Zivilisationskeim kann nur reifen, wenn die geistigen und materiellen Grundlagen vorhanden sind, und das könnte schwierig werden.

  16. Interessante Diskusion!

    Herr Grüter weist zu Recht darauf hin, dass Internet, Prozessoren und Datenspeicher essentiell und lebensnotwendig sind, für die Welt des 21. Jahrhunderts. Gleichzeitig sind es anfällige High-Tech Produkte, welche komplexe Infrastrukturen und Produktionsprozesse erfordern.
    Der erste Bericht des Club of Rome aus den 70ger Jahren hat in der Retrospektive aber aufgezeigt, wie anpassungsfähig Produktions und Herstellungsprozesse auf Engpässe reagieren können. Auf diese Anpassungsfähigkeit würde ich bei der wertvollen Ressource ‘Wissen’, dessen Speicherung, Verteilung und Zugriff auch setzen. Das Problem ist Greifbar für jeden Einzelnen – wer hat noch nie wertvolle persönlichen Daten verloren? Erst recht gilt das für Unternehmen und Behörden. Hier besteht eine gewaltige Nachfrage nach Redundanz und langfristiger Sicherheit.

    Der Nachweis einer flexiblen Reaktion auf den akuten Engpass ‘nachhaltiger (=klimaneutraler) Energien’ steht noch aus. Hier wird es schwieriger.* Das Problem des Klimawandels ist zwar seit Durban 2011 international auf breiter Front erkannt und anerkannt, aber es trifft eben weniger den Einzelnen direkt, sondern erst nachfolgende Generationen, dazu auch noch regional unterschiedlich. Hier greifen marktwirtschaftlich Anpassungsmechanismen offensichtlich nicht. Auch einsichtige Politker haben es schwer etwas zu verkaufen was für die meisten Menschen doch recht abstrakt und erstmal teuer zu sein scheint.

    Ein Engpass billiger fossiler Energien würde zweifellos zu einer ‘Delokalisierung/Dezentralisierung’ sowie zu einem Paradigmenwechsel in Richtung Langlebigkeit statt Obdoleszenz führen. Angesichts gewaltiger Kohlevorkommen in Ländern wie China und Brasilien könnte das aber für das Klima zu spät kommen.

    *http://www.withouthotair.com/

    PS:

  17. IT ist Kandidat

    Die IT ist tatsächlich ein Kandidat, der das globale System zu Fall bringen kann. Immerhin ist sie eben die moderne Technologie er Informationübertragung und Steuerung von Prozessen.

    Dabei aber ist es nicht besonders interessant, welche der vielen Szenarien wohl am wahrscheinlichsten zuerst eintritt.
    Wenn es sich ergeben sollte, dass ein Szenario anfängt real zu werden, lassen die anderen um so weniger auf sich warten – die ganze Struktur funktioniert in etwa selbsttragend und fällt auch etwa zur gleichen Zeit zusammen.

  18. @Grüter

    Wissen kann auch heutzutage im “IT-Zeitalter” verloren gehen, die modernen Datenspeicher haben eine Verfallszeit und das Kopieren benötigt spezielle Gerätschaft, aber es scheint völlig klar, dass einem allgemeinen kulturellen Rückbau ein Verlust an “Datenwissen” vorangehen muss? Und falls ja, wäre dann die Frage der Speicherung von Wissen nicht ohnehin nachrangig? BTW: Es gibt keine Ideologie zurzeit, die sich gegen die Datenspeicherung an sich wendet, der radikale Islam geht hier am weitesten, aber auch er hat letztlich keine grundsätzlichen Probleme mit der Datenhaltung an sich (wenn wir mal Bilder und Texte, die Rechtgläubigen missfallen müssen, außer Acht lassen).

    MFG
    Dr. Webbaer (der Ihre Beobachtung zum zweifelhaften Nutzen der IT-gesteuerten Simulation zu schätzen weiß)

  19. *

    ‘(…) aber es scheint völlig klar, dass ein allgemeiner kultureller Rückbau einem Verlust an “Datenwissen” vorangehen muss?’

    Argh, eine Vorschau wäre nett, mfg

  20. @ Martin Holzherr

    “Wenn man kurz vor dem Ende des Internet alle Wikpedia-Artikel ausdruckt…”

    Um Himmels willen! Darauf soll die Menschheit im Notfall bauen? Dann doch lieber ein seriöses Lexikon neu auflegen. (In den Kommentaren kam gelegentlich der Begriff “Bildung” vor.)

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  22. Ein großer Teil des Datenvolumens im Internet besteht bei näherer Betrachtung aus Daten, die nur in ihrem Internetkontext überhaupt Sinn ergeben (wie z. B. Metadaten über Serverzugriffe oder E-Mails), belanglosem Foren- und Leserkommentarspalten-Geplapper, extremistischer Propaganda jeglicher Couleur, Computerspielen, Videos (davon das meiste seichte Unterhaltung). Qualitativ hochwertige Texte, also solche, die auch nach dem Untergang der Internet- und Computerzivilisation für das Fortbestehen der Menschheit wichtig sind, finden sich allein schon aus Urheberrechtsgründen kaum jemals im Netz (bei den wenigen Ausnahmen handelt es sich bezeichnenderweise zumeist um Programmierlehrbücher – aber wer braucht die in einer Post-Peak-Oil-Welt ohne Mikroelektronik?), sondern liegen natürlich wie eh und je in gedruckter Form vor. Und Bibliotheken lassen sich bekanntlich auch ganz ohne Computer betreiben – lediglich die Verwaltung der Buchtitel wird dann wieder umständlicher.

    Dass wir Internet-Insassen die Bedeutung des Internets für das menschliche Leben auf diesem Planeten grotesk überschätzen ist wohl menschlich-allzumenschlich…