Ein Haus für Morgen

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Ein Gespräch mit Siegfried Grätsch.

Herr Grätsch ist Vorstandsmitglied des Vereins „Rumänien-Arbeitsgruppe-Hemmingen – Ein Haus für Morgen“. Ich sprach mit Ihm über die Arbeit des Vereins.

 

 

Stefan Ohm: Wie lange ist “Ein Haus für Morgen” bereits in Rumänien tätig?
 
Siegfried Grätsch: Seit 1992 sind wir mit Hilfsprojekten in Rumänien engagiert. Anfänglich hatte sich eine kirchliche Initiativgruppe mit dem Namen „Rumänien-Arbeitsgruppe Hemmingen“ gebildet. Ab 1998 wurde der gemeinnützige Verein „Rumänien-Arbeitsgruppe Hemmingen  – Ein Haus für Morgen“e.V. gegründet. Gleichzeitig gründeten engagierte rumänische Freunde ebenfalls einen Verein gleichen Namens (Ház a Halnapért).
 
Stefan Ohm: Warum fiel die Wahl auf Rumänien?
 
Siegfried Grätsch: Nach der Wende in Rumänien im Jahre 1990 wurde in den deutschen Medien ausführlich über die Situation (behinderter) Waisenkinder von Rumänien berichtet. Viele Herzen waren geöffnet und die spontane Hilfs- und Spendenbereitschaft war enorm. So war es auch in Hemmingen, am Rande von Hannover gelegen. Einige der aktivierten Mitglieder der Rumänien-AG kannten das Waisen- und Straßenkinder-Problem schon aus Entwicklungsländern. Der große Vorteil von Hilfsaktionen in Rumänien war der, dass dieses Land nicht so weit von Deutschland entfernt war und so leichter – als in Ländern anderer Kontinente – überprüfbar war, wie die Spenden ziel- und zweckentsprechend eingesetzt werden. Rumänien hatte zu damaliger Zeit den eindeutigen Charakter eines Entwicklungslandes, obwohl das aus EU-politischen Gründen nicht akzeptiert wurde. In unserem Hilfsgebiet befand sich damals mit fast 500 Waisenkindern das drittgrößte Waisenhaus Rumäniens.
 
Stefan Ohm: Was genau sind die Ziele des Vereins und was konnte bisher umgesetzt werden?
 
Siegfried Grätsch: Überall in der Welt benötigen Kinder und kranke Menschen Hilfe. Wir haben uns für die Region um die Stadt Cristuru Secuiesc in Siebenbürgen entschieden und wollen dort einen kleinen, aber konkreten Beitrag leisten. Damit Kinder gar nicht erst auf der Straße landen, errichten wir mit unseren bescheidenen Mitteln „Familienhäuser“ für Waisenkinder. Von Beginn war es unser Ziel, am Ort die Kinder aus dem Massenheim zu holen und in familienähnlichen Verhältnissen in Liebe und Geborgenheit aufwachsen zu lassen. Konfessionelle und ethnische Grenzen lehnen wir ab. Andere private Initiativgruppen haben unser Konzept teilweise aufgegriffen. Unsere „Familienhäuser“ sind zum Modell  geworden. Das bereits erwähnte große Waisenhaus am Ort existiert nicht mehr. Unsere Hilfsmaßnahmen kommen aber nicht nur Waisenkindern zu gute. Seit 1992 senden wir jährlich mindestens einen Transport mit Hilfsgütern nach Cristuru Secuiesc. Der von uns angestellte rumänische Geschäftsführer und zwei Pastoren organisieren die Verteilung der Spenden an bedürftige Menschen.

Seit drei Jahren besteht eine „Nachmittagsschule“ für sozial benachteiligte Kinder als Fördereinrichtung und arbeitet mit viel Erfolg. Wir haben weiterhin dazu beigetragen, dass seit 2001 mit Unterstützung des Nds. Posaunenwerks der Ev. Landeskirche ein Musikprojekt für Kinder eingerichtet werden konnte. Der Posaunenchor hat inzwischen in der Region ein großes Ansehen erworben. Die Einrichtung eines Traktorenrings und die Unterstützung von Krankenhäusern sind weitere Hilfsmaßnahmen.
 
Stefan Ohm: Hat sich die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und staatlichen Stellen vor Ort seit dem Beitritt Rumäniens zur EU 2007 verändert?
 
Siegfried Grätsch: Zurzeit ist die Veränderung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationen nach dem EU-Beitritt noch nicht endgültig zu beurteilen. Die Anweisungen und Forderungen der EU wirken häufig nicht ernsthaft und konkret. Es wird ein konsolidierter  Regierungshaushalt von der EU gefordert. Das führt zu Verringerung und Streichungen von Sozialmaßnahmen. Die Zusammenarbeit mit der rumänischen Kinderschutzbehörde ist sehr hilfreich und natürlich auch notwendig.
 
Stefan Ohm: In welchem Maße leistet die EU Unterstützung für arme Regionen in Rumänien?
 
Siegfried Grätsch: Die EU-Unterstützungen in armen Regionen zeigen keine große Kenntnis von dortigen Lebensverhältnissen. Die EU stellt erhebliche Mittel zur Verfügung. Die große Frage in diesem Zusammenhang ist, ob die Maßnahmen daraus nicht eher zu Abhängigkeiten führen, statt zu „Hilfe zur Selbsthilfe“.
 
Stefan Ohm: Welche Pläne bestehen für die kommenden Jahre?
 
Siegfried Grätsch: Für die nahe Zukunft haben wir den Wunsch, unsere Einrichtungen mit Hilfe des rumänischen Staats und weiterer Spendenfreudigkeit der Mitglieder unseres Vereins zu erhalten und weiter ausbauen zu können. Vor allem für die Nachmittagsschule wollen wir uns verstärkt einsetzen.
 
Stefan Ohm: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.                        

Der nächste Eintrag wird ein Bericht von Herrn Grätsch über die Arbeit des Vereins vor Ort sein.

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

2 Kommentare

  1. Lob

    Ich muß Dir jetzt mal ein dickes Lob aussprechen, Stefan. Du hast theamtisch so unterschiedliche Beiträge, das ist immer wieder interessant zu lesen. Bei Diesem Beitrag fielen mir die Fernsehaufnahmen von diesem Waisenhäuser ein, die kurz nach Öffnung des Eisernen Vorhangs aufgenommen wurde. Das waren jämmerliche Zustände, was da mit den Kindern gemacht wurde. Gut, daß sich da ein paar Leute dafür engagieren und viel bewegen.

  2. Vielen Dank

    Das hört man gerne. Freut mich, dass es dir gefällt.
    Dir und allen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr.

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