Stadtbild und soziale Segregation in den Städten Afrikas

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Das Stadtbild vieler afrikanischer Städte ist geprägt vom kolonialen Erbe und dem hohen Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte. Slum- und Squattersiedlungen legen sich wie ein Gürtel um das europäisch geprägte Stadtzentrum. Viele dieser armen Wohnviertel bilden in sich abgeschlossene Areale, die durch ethnische Segregation charakterisiert sind. Im Artikel der vergangenen Woche (Verstädterungsprozesse in Afrika) wurden diese Strukturen und die sozioökonomischen Probleme beispielhaft am Beispiel Nairobi (Kenia) näher betrachtet. Dieses Beispiel wird an dieser Stelle fortgesetzt, um sowohl das Stadtbild als auch ethnische Segregation darzustellen.  

Slum- und Squattersiedlungen

Der Unterschied zwischen Slum- und Squattersiedlungen liegt im Ausgangszustand zum Zeitpunkt der Entstehung. Squattersiedlungen, charakterisiert durch Wellblechhütten und einfach errichtete Häuser, entstehen meist illegal und unkontrolliert am Stadtrand. Die Wohneinheiten und -strukturen erfüllen nur unzureichend die Grundbedürfnisse der Bevölkerung und sind nicht in ein Planungskonzept der Stadtverwaltung –  soweit überhaupt vorhanden –  eingebunden.
Als Slumsiedlungen werden Wohngebiete bezeichnet, die sich häufig nahe am Stadtkern befinden und sich durch unterschiedlichste Faktoren (z.B. hohes Bevölkerungswachstum, Arbeitslosigkeit, etc.) zu einem Slumgebiet entwickeln. Die Unterscheidung dieser beiden Wohnsiedlungsformen ist allerdings nicht trennscharf und so werden Slumsiedlungen als Squattersiedlungen bezeichnet und umgekehrt.
Den Stadtkern, der in vielen Städten Afrikas europäische Einflüsse aufweist, umschließt eine Zone aus dicht besiedelten Slum- und illegalen Squattersiedlungen, in der große Teile der Bevölkerung beherbergt sind. Die Wohnverhältnisse in diesen Vierteln sind häufig desolat, da sie einen Mangel an notwendigen Infrastruktureinrichtungen (Elektrizitätsleitungen, Wasser- und Abwasserversorgung, etc.) und eine schlechte sanitäre Verhältnisse aufweisen. Viele dieser Siedlungen bilden einen in sich abgeschlossenen Bereich und werden daher auch als Dörfer in der Stadt bezeichnet. Das Leben in diesen „Dörfern“ wird von eigenen Normen und Gesetzen bestimmt, auf die die Stadtverwaltung häufig nur wenig oder keinen Einfluss hat.  
Auch in Nairobi legen sich Slum- und illegalen Squattersiedlungen wie ein Gürtel um das Stadtzentrum (siehe Abbildung 1). Ende der 1990er Jahre lebten etwa 50 % der Einwohner Nairobis in diesen Slum- und Squattersiedlungen. Vor allem Slums weisen sehr hohe Werte bei der Bevölkerungsdichte (ca. 30.000 Einwohner/km2) auf, bedingt durch das hohe Bevölkerungswachstum und eine starke Landflucht in den vergangenen Jahrzehnten. Die größten Slumgebiete Nairobis befinden sich jedoch im Nordosten, wo sich auch das älteste Slumgebiet Nairobis befindet, das den Namen „Mathare“ trägt.

 


Abbildung 1: Lage der Slums in Nairobi (Quelle: Wikipedia)

In Mathare leben geschätzte 250.000 Menschen. Abwasserkanäle und Elektrizitätsleitungen sind nicht oder nur notdürftig vorhanden. Besonders das Fehlen von sanitären Einrichtungen zieht schwere Folgeschäden in Form von Seuchen und Krankheiten nach sich.  
Die Stadtverwaltung Nairobis strebt unterschiedliche Methoden zur Lösung der Überbevölkerung und Armut an. Einerseits werden sog. „Slum Clearing“ Aktionen zur Verringerung des Städtewachstums durchgeführt, in denen gefährdete Wohnzüge beschlagnahmt oder zerstört werden. Andererseits wird versucht, die Slumbewohner zur Mitwirkung bei „Hilfe zur Selbsthilfe“ Projekten (Infrastruktur- und Häuserbau), die meist von ausländischen Organisationen durchgeführt werden, zu motivieren. Diese Aktionen und Programme dienen den Slumbewohnern gleichzeitig auch als Beschäftigungsquelle und sind notwendig, da die armen Stadtviertel häufig sehr hohe Arbeitslosenraten aufweisen.

Soziale Segregation in den afrikanisch tropischen Städten

Soziale Segregation bedeutet die räumliche Trennung von Einwohnern in soziale, religiöse oder ethnische Gruppen. Die ethnische Segregation ist im Stadtgebiet Nairobis stark ausgeprägt. Sie ist darauf zurückzuführen, dass Nairobi von Europäern mit einem geringen Anteil asiatischer Einwohner konzipiert wurde. Aufgrund des Sicherheitsbedürfnisses der weißen Minderheit während der Kolonialzeit, wurde die afrikanische Bevölkerung aus bestimmten Stadtteilen Nairobis verdrängt. Während dieser Zeit bildeten noch Asiaten, vorwiegend Inder, große Anteile an der  Bevölkerung des Stadt- und Handelszentrums. Die Europäer lebten als geschlossene Minderheit im Norden Nairobis. Die Rassentrennung dieser Zeit ist noch heute spürbar, wenn auch die Grenzen mit der Zeit durchlässiger geworden sind, da sich die Sozialstruktur Kenias stark verändert hat. Die neu entstandene farbige Führungsschicht Nairobis ist, wie auch der indische Bevölkerungsanteil, in das europäische Viertel nachgerückt. Die asiatische Bevölkerungsgruppe ist auch gegenwärtig noch vorwiegend im Stadtzentrum lokalisiert.
Auch innerhalb der afrikanischen Bevölkerung besteht noch eine ethnische Segregation, da Nairobi im Siedlungsbereich mehrerer afrikanischer Stämme entstanden und gewachsen ist. Zu diesen Stämmen gehören auch die Kikuyu, der in Kenia bevölkerungsreichste Volksstamm, der sich vor allem im Westen Nairobis niedergelassen hat. Der Ostteil der Stadt wird beherrscht von den Kamba und im Nordwesten ist die Volksgruppe der Luo lokalisiert.
Diese ethnische Segregation ist für diejenigen Zuwanderer von Vorteil, die ebenfalls den dort ansässigen Stämmen angehören, da sofort soziale, familiäre und ökonomische Kontakte zur städtischen Bevölkerung bestehen. Zuwanderer, die keinem dieser Volksstämme angehören, erleben häufig soziale oder ökonomische Ausgrenzungen.

Entwicklungsstrategien

Seit der Unabhängigkeit von den Kolonialherrschern 1963 haben die afrikanischen Länder in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft unterschiedliche Entwicklungsstrategien angewandt, um dem Bevölkerungswachstum, der vorherrschenden Armut und vor allem dem Hunger ein Ende zu bereiten sowie die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Viele Entwicklungsprojekte hatten häufig die Städte als Ziel, die sich zu Entwicklungsmotoren der afrikanischen Länder entwickeln sollten.
In den fünfziger Jahren wurde eine Entwicklung der Importsubstitution angestrebt. Ein „Wachstum durch Industrialisierung“ galt als hilfreiches Konzept der Armutsbekämpfung. Durch „Community Development“ (= lokale Entwicklung auf dörflicher oder städtischer Ebene) sollten die erzielten Fortschritte allen Ebenen zuteil werden. Die afrikanischen Regierungen erhofften sich durch eine erfolgreiche Industrialisierung die Schaffung von Arbeitsplätzen und somit eine Erhöhung des Lebensstandards. Doch diese Hoffnungen wurden durch verfehlte Planung, dem Fehlen von Kapital und Know-how, Korruption, Kriegen und einem starken Bevölkerungswachstum zunichte gemacht.
In der 1970er Jahren entwickelte sich schließlich die Grundbedürfnis-Strategie, deren hauptsächliches Ziel die Bekämpfung von Armut und Hunger war. Die Menschen sollten auf diese Weise mit dem Lebensnotwendigsten versorgt werden (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnraum, medizinische Versorgung usw.). Die Grundbedürfnisstrategie gilt als Vorläufer heutiger „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Strategien, die im Vordergrund vieler aktueller Entwicklungshilfeprojekte stehen. Da es in vielen afrikanischen Ländern nicht zu einer Verringerung der Massenarmut gekommen ist, konzentrieren sich Entwicklungsprojekte heute stärker auf definierte Zielgruppen. Ein Beispiel für ein solches Projekt ist in Nairobis Slumgebiet „Mathare“ vorzufinden. Mit deutscher Hilfe und der Unterstützung der kenianischen Regierung entstand ein Programm zur infrastrukturellen Sanierung der Slumsiedlung. Finanziell unterstützt wird das Projekt von der deutschen „Kreditanstalt für Wideraufbau“. Auf diese Weise entstehen notwendige Infrastruktureinrichtungen (u.a. asphaltierte Straßen und Wege, Straßenbeleuchtungen, Sammelstellen für Abfälle) und mehrstöckige Häuser für insgesamt 20.000 Haushalte.

Fazit

Das Stadtbild und die Entwicklung der afrikanischen Städte südlich der Sahara sind geprägt von starkem Bevölkerungswachstum, sozioökonomischen Problemen und einer starken ethnischen Segregation. In den Slum- und Squattersiedlungen herrschen zumeist starke Armut und eine Unterversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Einrichtungen. Obwohl bisher viele Anstrengungen seitens der afrikanischen Regierungen und der internationalen Gemeinschaft vorgenommen wurden, um die Armut zu verringern, weisen die meisten Entwicklungsstrategien und -projekte bisher nur geringe Erfolgsquoten auf. Vor allem in den Städten potenzieren sich die Probleme einer ausbleibenden Entwicklung. Es bleibt zu hoffen, dass diese geringen Erfolge nicht durch die aktuelle Finanzkrise zunichte gemacht werden.

Verwendete Literatur

BÄHR, J. 2001: Entwicklung der Weltbevölkerung  an der Schwelle zum 21.Jahrhundert. IN Geographische Rundschau 2/2001, S.45 – 54.
HEINEBERG, H. 2006: Grundriss allgemeine Geographie: Stadtgeographie (3. Auflage). UTB: Stuttgart.
MANSHARD, W. 1977: Die Städte des tropischen Afrika. Gebr. Borntraeger Verlagsbuchhandlung: Stuttgart.
MANSHARD, W.; MÄCKEL, R. 1998: Umwelt und Entwicklung in den Tropen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt.
The Alan Guttmacher Institute (Hrsg.): Sharing Responsibility; Woman, Society and Abortion Worldwide, New York 1999.
UN, United Nations:
World Population Monitoring, 1999, Population Growth Structure and Distribution, New York 1999.

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

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