Also doch – Kurzfristige, lokale Methanzyklen auf dem Mars

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Um im Weltall wissenschaftliche Rätsel zu finden, muss man nicht sehr weit weg gehen. Schon an unserem Nachbarplaneten Mars wird man fündig. Hauptakteur ist das Methan, eine Verbindung von einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen. Das war die einhellige Meinung der Teilnehmer an einem Workshop zum Thema “Methan auf dem Mars” im November 2009, und daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Im Jahr 2004 wies das Instrument PFS (Planetary Fourier Spectrometer) an Bord des ESA-Marsorbiters Mars Express Spuren von Methan in der Marsatmosphäre nach. Die gemessene Methankonzentration zeigte lokale Variationen und befand sich im Bereich von maximal einigen zehn ppb (parts per billion). Dies ist eine geringe Konzentration und deswegen auch nicht einfach nachzuweisen. Es ist aber sehr wohl signifikant, wenn man die vorhandene Gesamtmasse des in die Atmosphäre entlassenen Methans betrachtet und eine plausible Quelle für diese beträchtliche Menge sucht.

Im Jahr 2009 machte eine Veröffentlichung einer von Michael Mumma geleiteten Gruppe am Goddard-Zentrum für Astrobiologie der NASA Furore. In dieser Veröffentlichung wurden nicht nur Vorhandensein und lokale Variation atmosphärischen Methans am Mars bestätigt. Es wurde zudem auch noch ein Aufbau von Methan-plumes (“Fahnen”, also lokalen Zunahmen der Konzentration) über sehr kurze Zeitskalen postuliert – deutlich weniger als ein Marsjahr. Es muss also auf dem Mars wirksame Prozesse geben, die über kurze Zeit hinweg beträchtliche Mengen an Methan freisetzen. Dazu auch noch andere wirksame Prozesse, die das Methan kurzfristig wieder abbauen.

Sehr mysteriös, das. Mechanismen, die die beobachtenen Mengen an Methan freisetzen, kann man sich vorstellen. Alle diese Theorien bedürfen der Anwesenheit größerer Mengen flüssigen Wassers, das man auf dem Mars bisher vergeblich sucht, wie im oben verlinkten Bericht zum Workshop beschrieben. Welche Mechanismen aber für den schnellen Abbau verantwortlich sein sollen, ist noch viel mysteriöser. Photolyse durch solare UV-Strahlung kann die Beobachtungen nicht erklären. Damit allein würde das Verschwinden Jahrhunderte dauern, nicht Monate. Diese Frage ist noch völlig offen.

Die bisherigen Beobachtungen durch Marsorbiter und spektroskopische Messungen an irdischen Observatorien stießen auch auf Zweifel. Gerade an einem gewissen anderen NASA-Zentrum, von dem aus robotische Mars-Sonden betrieben werden, machten sich Manche inoffiziell über “Mumma and his farting rocks” lustig.

Allerdings hat nun ausgerechnet ein Mars-Rover dieses NASA-Zentrums, und zwar der Riesenbrummer Curiosity, mit seinem Instrumentenpaket SAM (“Sample Analysis at Mars”), das ein GC-MS und ein Laserspektrometer umfasst, an seinem Landeort im Krater Gale über einen Zeitraum von 20 Monaten hinweg eine deutliche Zunahme der lokalen atmosphärischen Methankonzentration nachgewiesen (NASA-Webartikel vom 16.12.2014). Also ist die Diskussion darüber, ob es einen kurzperiodischen Methanzyklus gibt, vom Tisch. Die Diskussion darüber, warum es diesen Zyklus gibt, schaltet dagegen einen Gang hoch.

Curiosity hat zudem organische Verbindungen im untersuchten Gestein nachgewiesen, wie bereits von einigen Wochen berichtet wurde. Details über Art und Menge der Verbindungen sind aber rar, weil die exakten Messungen durch das Verhandensein von Chlorverbindungen behindert werden, die mit den organischen Verbindungen reagieren. Perchlorate wurden bereits 2008 vom Phoenix-Lander im hohen Norden in Bodenproben entdeckt. Zudem muss man bei solchen Entdeckungen sehr vorsichtig sein, weil immer die Möglichkeit der Kontamination des Fundorts mit von der Erde eingeschlepptem Material besteht. Inzwischen scheint aber Zuversicht vorzuherrschen, dass zumindest ein Teil des gefundenen Materials wirklich vom Mars stammt.

Ferner wurden in Mineralien enthaltene Wassermoleküle gefunden. Deren Deuterium/Wasserstoff-Verhältnis konnte von SAM gemessen werden – wenn mann einen GC-MS vor Ort hat, kann man damit sehr genau die Isotopenverhältnisse bestimmen. Im Laufe der Jahrmilliarden ist das D/H-Verhältnis angestiegen, weil Wasserstoffatome leichter sind als Deuteriumatome und deswegen schneller in den Weltraum entweichen können und so der Marsatmosphäre verloren gehen. Man kann also, wenn man Kristallwasser in einem Hydrat findet, das Alter dieses Wassers bestimmen. Im Krater Gale war vor Jahrmilliarden ein See. Die gefundenen Wasserspuren haben ein D/H-Verhältnis, das nur halb so groß ist wie das der heutigen Atmosphäre, aber dreimal so groß wie der Wert bei irdischem Wasser. Wenn dieses Isotopenverhältnis auf dem Mars anfangs dem der Erde entsprach, müsste es also schon recht lange nach der bewegten Jugend des Mars gewesen sein, dass dieser Fels nass wurde und dass im Krater Gale flüssiges Wasser existierte.

Im Licht dieser Entdeckungen kommt dem neuen ESA-Marsorbiter gesteigerte Bedeutung zu. Dieser wird im Januar 2016 gestartet und soll mit seinem Spektrometer über mehrere Marsjahre hinweg die globale Verteilung der Spurenelemente in der Atmosphäre messen. Das wird hochinteressant.

Toll, wie komplementär die internationale Marsforschung funktioniert.

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

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