Dlei Fliegen mit einel Klappe

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Am 13.12. hat die chinesische Raumsonde Chang’E-2 erfolgreich einen nahen Vorbeiflug am Asteroiden 4179/Toutatis absolviert. Der wissenschaftliche Wert dieses Missionsteils mag begrenzt sein, aber dennoch ist es eine phänomenale Leistung.

Diese Bildsequenz, aufgenommen aus Abständen zwischen 93 und 240 km über einen Zeitraum von 15 Sekunden, muss kurz nach dem Vorbeiflug entstanden sein. Laut Bildaufschrift entstanden die Aufnahmen zwischen 16:30:09 und 19:30:24 Beijing-Zeit, d.h., GMT+8 h.

Sequence of Toutatis images snappend in a 15 sec time frame at relative distances between 93 and 240 km. source Xinhua, chinanews.com, CNSA

Die Qualität der Aufnahmen ist nicht gerade umwerfend. Das liegt daran, dass die eigentlich an Bord vorhandene hochauflösende Kamera für einen solchen Einsatzzweck wie diesen (Schappschüsse bei einem schnellen Vorbeiflug) nicht gedacht ist. Sie soll hochaufgelöste Aufnahmen von der Mondoberfläche bei gleichbleibender Orbitalgeschwindigkeit von einer konstant zum Nadir ausgerichteten Sonde liefern.

Dafür nimmt man zweckmäßigerweise einen Zeilensensor. Den aber kann man bei einer Aufnahmen, wo sich das Objekt rasend schnell von der Sonde weg bewegt, gar nicht verwenden. Außerdem wäre das Sichtfeld einer hochauflösenden Kamera wahrscheinlich zu klein gewesen, denn bei einem sehr engen Vorbeiflug reicht schon eine kleine Ungenauigkeit in der Navigation, und die Kamera zielt daneben. Hier wurde offenbar ein System eher bescheidener Abbildungsqualität, aber mit einem rechteckigen Sensor und einem weiteren Sichtfeld verwendet. Bei der Nachbearbeitung kamen dann noch einmal kräftig Artefakte hinzu. Das Ganze sieht eher so aus wie eine Webcamaufnahme, aber keine besonders gute.

Vielfach wird berichtet, der Minimalabstand habe 3.2 km betragen. Das aber erscheint mir zweifelhaft. Erstens ist die Zeit der ersten Aufnahme gleich der, die verbreitet in der Berichterstattung als Moment der größten Annäherung genannt wird, also 8:30:09 GMT (=16:30:09 Beijing-Zeit). Demnach wäre also der Minimalabstand 93 km, wie im obigen Bild vermerkt. Zweitens erscheint mir ein Minimalabstand von 3.2 km reichlich knapp, wenn man bedenkt, dass der Längsdurchmesser des Atseroiden bereits 4.5 km beträgt. Das Problem ist nicht so sehr die Kollisionswahrscheinlichkeit, sondern die erforderliche Zielgenauigkeit. Drittens gibt es im Bildmaterial zum Vorbeiflug auch die folgende Aufnahme, in der der Punkt der größten Annäherung der Trajektorien, nicht der Raumsonden, vermerkt ist. Das ist in etwa analog zum Problem des Minimalabstands zwischen windschiefen Geraden, wenn Sie sich an Ihre Schulzeit erinnern.

Darunter steht der aktuelle Erdabstand, mit der Einheit “Tausend Meter”=km. Phantastisch genau, wenn man bedenkt, dass selbst die aktuellen Ephemeriden der Himmelskörper deutlich größere Fehler enthalten dürften als den Submeterbereich.

(Wussten Sie übrigens, dass 79.213673% aller Statistiken eine Genauigkeit der Ergebnisse vortäuschen, die von den Daten gar nicht geliefert wird. Und dass 82.9% aller statistischen Angaben einfach nur frei erfunden sind?)

Flyby geometry and point of closest approach of the trajectories, source: Xinhua, chinanews.com, CNSA

Was die Mission Chang’E-2 so cool macht, sind nicht die aktuellen Bilder vom Toutatis-Vorbeiflug. Es ist einfach die Gesamtheit und die Vielfalt der Dinge, die mit dieser Sonde gemacht wurden. Zunächst einmal die Mondkartierung, wobei mit Sicherheit bereits Vorarbeit für die Landemission Chang’E-3 geleistet wurde, die schon 2013 weich in der Regenbogenbucht landen soll. Danach war noch genügend Treibstoff in den Tanks, um zum Lagrange-Punkt-2 des Erde-Sonne-Systems zu fliegen.

Dies kostet mindestens so viel wie ein Einschuss von einer niedrigen Mondbahn in eine parabolische Mondflucht. Wenn man den Lagrangepunkt 1 oder 2 im Erde-Mond-System erreicht, kommt man von dort fast ohne zusätzlichen Treibstoffverbrauch in einen der instabilen Lagrangepunkte im Erde-Sonne-System, weil eine stabile Mannigfaltigkeit zumindest zeitweise die beiden Regionen verbindet. Vom Erde-Sonne-Lagrangepunkt 2 kommt man ohne großen Aufwand in eine erdbahnähnliche heliozentrische Bahn, auf der ein Körper langsam von der Erde weg driftet.

Schematic Overview of the Chang'E-2 Mission, source: Xinhua, chinanews.com, CNSA

Die Chinesen haben also mit dieser einen Sonde gelernt und am lebenden Objekt geübt, wie man eine Mondsonde, ein Observatorium im ESL2-Punkt und eine interplanetare Sonde betreibt, obwohl ihre Sonde eigentlich nur als Mondsonde richtig funktioniert. Jetzt haben sie eine Masse eigener Erfahrungen und Daten, auf denen sie aufbauen können.

Zum Vergleich: Die Europäer  schaffen es dieses Jahrzehnt wohl nicht, auch nur irgendeine eigene Hardware auf dem Mond zu landen. Die von den Deutschen propagierte Mondpolsonde wird vor 2019 nichts, und sie erhält keine Unterstützung durch die ESA. Selbst wenn sie irgendmal etwas werden soll, dann wird man dazu zwangsläufig Daten der Amerikaner, Japaner, Inder und Chinesen brauchen, um den Landeort zu charakterisieren. Wir selbst haben es nach dem Technologiedemonstrator SMART-1 nicht mehr geschafft, eine einzige weitere eigene Forschungssonde zum Mond zu senden.

So geht Hochtechnologieförderung auf europäisch. Ich melde mich schon mal für einen Chinesischkurs an.


Nachtrag: Einführung in die Bahnmechanik naher Vorbeiflüge

Die Lektüre der Kommentare zu diesem Artikel, aber auch der Berichterstattung in der Presse, legt nahe, dass es zu den bahnmechanischen Aspekten naher Vorbeiflüge von Raumsonden an kleinen Himmelskörpern erhebliche Verständnislücken gibt, zu deren Schließung oder zumindest Verkleinerung ich hiermit beitragen möchte.

Ein Vorbeiflug erfolgt, indem sich die Bahnen von Raumsonde und Asteroid kreuzen. Dann sind zu einem bestimmten Zeitpunkt die Positionen identisch, oder zumindest fast, auf jeden Fall, wenn man die Abstände auf astronomischen Skalen betrachtet. Die Geschwindigkeitsvektoren unterscheiden sich jedoch stark in Richtung und Betrag. So auch hier, wo der Betrag der vektoriellen Differenz der Geschwindigkeitsvektoren bei 10.73 km/s liegt.

In guter Näherung kann man das Problem in den Stunden oder Tagen um die nahe Begegnung herum linearisieren, das heißt, man kann über hinreichend kurze Zeiträume hinweg die Trajektorien von Asteroid und Raumsonde als gerade Linien betrachten und reduziert so das Problem auf das zweier windschiefer Geraden, was die Anschauung etwas vereinfacht.

In aller Regel ist es so, dass der Asteroid sich der Raumsonde entweder von außen kommend, also mit einer Geschwindigkeitskomponente in Richtung Sonne, oder von innen kommend, mit einer Geschwindigkeitskomponente von der Sonne weg nähert. In jedem Fall ist es so, dass die Blickrichtung von Raumsonde zu Asteroid bis ganz kurz vor der nahen Begegnung fast genau konstan bleibt. Dann erfolgt eine sehr rasche Drehung um fast genau 180 Grad, woraufhin die Blickrichtung schnell wieder einen fast unveränderten Wert annimmt, nun aber in entgegengesetzter Richtung zum Anflug.

Je näher der Vorbeiflug ist, desto höher die erforderliche Winkelgeschwindigkeit in den wenigen Sekunden, während denen die Blickrichtung kippt. Man ist da sehr schnell bei Drehraten, die jede Satellitenhardware überfordern. Da muss man entweder die Vorbeiflugentfernung erhöhen oder aber im Zeitraum der größten Annäherung auf Beobachtungen verzichten.

Hinzu kommt, dass auch die Beleuchtungssituation sich zwischen Annäherung und Entfernung komplett ändert. Wenn der Asteroid sich von weiter draußen nähert, ist er in der Annäherung unter einem kleinen Phasenwinkel zu sehen, d.h., gut beleuchtet. Nach dem Vorbeiflug ist der Phasenwinkel dann ziemnlich genau 180 Grad minus dem Phasenwinkel beim Anflug, dann ist er schlecht beleuchtet, man sieht nur eine schmale Sichel und hat vielleicht auch noch mit Blendung durch die Sonne zu rechnen.

Wenn der Asteroid sich aber von innerhalb der Raumsondenbahn ändert, ist es genau umgekehrt. Dann ist er im Anflug schlecht zu sehen, aber nach der größten Annäherung gut beleuchtet. Genau dieser Fall ist bei Chang’E-2 und Toutatis gegeben. Da man in der Annäherung eh nichtviel sieht und dann auch das Problem der erforderlichen hohen Rotationsraten bewältigen müsste, macht es Sinn, die Annäherungsphase komplett auszuklammern und Beobachtungen erst dann durchzuführen, wenn der Asteroid sich wieder entfernt. Dann schaut man weg von der Sonne, sieht den Asteroiden gut beleuchtet und kann die Raumsonde auch weitgehend inertial ausgerichtet halten.

Im Folgenden einige Grafiken zur Bahngeometrie.

Orbit of Asteroid 4179/Toutatis in Solar System, source: Michael Khan/ESA

Zunächst einmal die Gesamtsituation im Sonnensystem. Die Positionen von Asteroid und Planeten am 13. Dezember 2012 um 8:30 UTC sind markiert. Chang’E-2 befindet sich etwa 7 Millionen km von der Erde entfernt, auf einer Bahn, die der Erde nachläuft (alle Planeten und auch der Asteroid laufen entgegen dem uhrzeigersinn um) und mit einem Sonnenabstand, der etwas mehr as der Sonnenabstand der Erde ist. Man sieht hier bereits, dass Toutatis von innen kommend die Erdbahn kreuzt.

 Close-up of asteroid 4179 Toutatis orbit on 13 December 2012, source: Michael Khan/ESA

Hier ist das innere Sonnensystem vergrößert dargestellt. Man sieht wieder, wie Toutatis die Erdbahn von innen nach außen kreuzt.

Evolution of Sun and Earth Distance for Asteroid 4179/Toutatis in December 2012, source: Michael Khan/ESA

Und zu guter Letzt die Abstände von 4179/Toutatis zur Sonne und zur Erde. Ganz unzweifelhaft kommt Toutatis von innen und entfernt sich von der Sonne. Wie gesagt, der Sonnenabstand von der Raumsonde Chang’E-2, die auf einem “Trailing Orbit” der Erde mit wachsendem Abstand folgt, ist etwas größer als der aktuelle Sonnenabstand der Erde. Am 13.12. muss es gerade etwas mehr als 1 AU gewesen sein.

Gut, das muss jetzt mal reichen.

Ich denke, es ist klar, dass das Bildmaterial, was man oben und auf der verlinkten Webseite sieht, einen gut erleuchteten Asteroiden zeigt und deswegen aus der Phase unmittelbar (=in den Sekunden und Minuten) nach der größten Annäherung stammen muss.

An die drei Kilometer Minimalabstand zwischen Asteroid und Raumsonde glaube ich nach wie vor nicht; ich gehe davon aus, dass da einfach ein Missverständnis vorliegt. Zu diesem Punkt lasse ich mich gerne belehren, aber das weiter oben Gesagte zur relativen Geometrie halte ich für ziemlich felsenfest begründet.

 


Minimalabstand nachgerechnet: 59 km?

Die 3.2 km Minimalhöhe über dem Asteroiden am Punkt der größten Annäherung werden zwar überall genannt, kommen mir aber nach wie vor reichlich chinesisch spanisch vor. Zumindest möchte ich mal nachrechnen, und zum Glück haben die chinesischen Kollegen alle dazu erforderlichen Daten geliefert, und zwar gleich im allerersten Bild, das ich oben verlinkt habe.

Zuerst definiere ich mal ein Referenzkoordinatensystem. Dessen Urspruing kann ich dorthin legen, wo ich will. Ich positioniere ihn in der Chang’E-2-Sonde. In diesem Koordinatensystem scheint der Asteroid mit 10.73 km/s auf einer geraden Linie vorbeizuflitzen. Wie schon erwähnt, die Annahme der Linearität ist bei Zeiträumen von weniger als einer Minute auf einer heliozentrischen Bahn absolut akzeptabel.

Die Bildsequenz beginnt um 9:30:09 UTC und endet 15 Sekunden später. Am Anfang ist der Abstand von Chang’E-2 93 km, am Ende 240 km. Der Asteroid hat dabei in meinem raumsondenfesten Referenzsystem 15 s * 10.73 km/s = 161 km zurückgelegt. Jetzt habe ich also ein Dreieck, dessen drei Seiten definiert sind, siehe die folgende Skizze:

 Computation of flyby distance from Chang'E-2 to Toutatis by simple trigonometry, source: Michael Khan

Da gibt’s dann nicht mehr viel zu deuteln, die Geometrie ist da schon komplett festgelegt. Zwangsläufig muss, wenn die zitierten Daten stimmen, der Zeitpunkt der größten Annäherung 6.7 s zuvor stattgefunden haben, Toutatis hat von diesem Punkt zum Zeitpunkt der ersten Aufnahme in der Sequenz 72 km zurückgelegt. Der Minimalabstand von Chang’E-2 zu Toutatis ist auch gezeigt, auch dieser Wert ergibt sich zwingend und eindeutig aus den anderen Daten zu … 59 km!

 

Wer es nicht glaubt, soll bitte nachrechnen, ich bin für Vorschläge und Korrekturen jederzeit offen. Wie da allerdings eine Minimalhöhe von 3.2 km möglich sein soll, ist mir schleierhaft. Das wäre, wenn ich den mittleren Radius des Asteroiden hinzuzähle, immer noch weniger als 6 km, also eine ganze Größenordnung weniger als das, was sich zwingend aus den genannten Daten ergibt, die die Geometrie des Vorbeiflugs komplett festlegen. Klar mögen in den Daten in der Bildsequenz Rundungsfehler in den Zeiten und Abständen vorkommen. Die Sekunden sind jeweils zu ganzen Zahlen aufgerundet. Aber selbst wenn ich da etwas großzügig bin – aus den 59 km wird nie weniger als 6 km.

 

Irgendwo kann also etwas nicht stimmen. Das kann durchaus an meiner Rechnung stimmen – falls ja, sehe ich es nicht, und es ist auch angesichts der Einfachheit des geometrischen Problems nicht offenkundig. So etwas ist Stoff aus der neunten Klasse.

Also ist nicht ausgeschlossen, dass der Fehler anderswo liegt. Aber wo?

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

13 Kommentare

  1. Geplant waren 15 km Abstand

    Wie ich hier berichtet hatte, war eine Vorbeiflugdistanz von 15 km geplant; dass es 3 km wurden (wie das genau bestimmt worden ist, weiß ich auch nicht, aber alle chinesischen Quellen stimmen darin überein), war ein Zufall. Es wurde in einer Sondersendung des chinesischen Fernsehens auch ein deutliches schärferes Bild eines Teils der Toutatis-Oberfläche aus 47 km Abstand gezeigt, allerdings nur als Hardcopy – warum das bislang nirgends im Original im Web aufgetaucht zu sein scheint, jedenfalls dem Teil, den die Google Picture Search abgreifen kann, bleibt genau so rätselhaft wie die Tatsache, dass China weder im Vorfeld noch in ca. 40 Stunden nach dem erfolgreichen Encounter ein Sterbenswörtchen darüber verlor.

  2. Lost in translation?

    10.73 km/s bei einem Minimalabstand von 15 km führen zu einer Winkelgeschwindigkeit, mit der die Kamera nachgeführt werden müsste, von 41 Grad/s. Bei noch geringeren Abständen mommen nochmals höhere Werte heraus, aber wie auch immer, beides scheint mir hochgradig unplausibel und inkonsistent mit dem Machen Brauchbaren Bildmaterials.

  3. Selbstgeknetet?

    Vielleicht stimmt ja mein erster Gedanke beim Betrachten dieses Bilds, und die Kartoffel ist selbstgeknetet 😉

    Ist jedenfalls mysteriös, das Ganze. Hoffentlich kein Prototyp für die zukünftige Informationskultur der chinesischen Raumfahrt.

  4. Was die kleine Kamera konnte

    Auffällig ist, dass bisher nur die Anflug-Sequenz und die geheimnisvolle Nahaufnahme vorliegen, aber keinerlei Bilder, die Toutatis im Gegenlicht zeigen, während sich Chang’e 2 wieder entfernte: Daraus könnte man schließen, dass eine schnelle Verstellung der Kamerarichtung technisch nicht möglich war. Schließlich diente die Kamera eigentlich nur dazu, das korrekte Entfalten der Solarzellen zu dokumentieren; eine aufwändige Montierung hat sie sicher nicht, und die Lage des ganzen Spacecrafts mal eben schnell zu ändern, war wohl auch nicht drin.

    Wie man auf die angestrebten 15 km Minimaldistanz kam, ist m.W. nirgends erklärt worden (wie es überhaupt das Encounter offiziell bis 2 Tage danach gar nicht gab: dass es stattfinden würde, hatten sich zunächst Astronomen aus der optischen Bahnverfolgung der Sonde zusammen gereimt, bevor es chinesische Wissenschaftler auf internationalen Tagungen heimlich zugaben) – es könnte aber den Zweck gehabt haben, die Masse des Asteroiden durch die Bahnablenkung zu bestimmen.

    Dass man nun 5-mal näher heran kam, dürfte dies sogar erleichtern. Nach Erfahrungen der Vergangenheit vermute ich mal, dass Wissenschaftler des Projekts darüber im kommenden Jahr auf internationalen Planetenforscher-Tagungen berichten werden; ‘in der Szene’ werden sie jedenfalls schon jetzt gefeiert. Auch von Chang’e 2 werden wird vermutlich noch was hören: Zwar ist der Treibstoff alle, so dass keine weiteren Manöver mehr drin sind, aber man will mit der Sonde offenbar noch in möglichst großer Distanz kommunizieren.

  5. Sprachkurse

    Wozu ein Chinesischkurs? – Nach dem einen Blick zu schliessen, den ich mal auf die englische Ausgabe dieses Blogs geworfen habe, scheinen Sie des Japanischen mächtig zu sein, also würde es doch reichen, bei den Japanern nachzufragen, oder?

  6. Das war auch einfacher raus zu finden

    Khan hat natürlich völlig recht mit seiner nachgetragenen Analyse – aber zu dem Schluss kann man auch viel einfacher kommen: Das Bild mit der höchsten Auflösung entstand um 16:30:05, die bekannte Bildreihe von 16:30:09-24, steht ja jeweils drauf. Aber meine Schlussfolgerung dürfte auch stimmen: Es gab wohl schlicht keine technische Möglichkeit die Ausrichtung der (vermutlich eh fest montierten) Mini-Kamera bzw. des ganzen Spacecraft schnell genug zu drehen, so dass man sich entschied, nur Bilder mit niedrigem Phasenwinkel zu machen, in diesem Fall hat nach dem C/A. Auf Bilder einer Toutatis-“Sichel” dürfen wir uns diesmal also nicht freuen, na ja, dafür hat’s solche ja reichlich von der Radar-Kampagne.

  7. Mindestabstand 59 km?

    Ich bitte um Beachtung des zweiten Nachtrags zu meinem Artikel, aus dem sich ergibt, dass die Behauptung des minimalen Vorbeiflugabstands im niedrigen einstelligen Kilometerbereich sich mit anderen im Zusammenhang mit dem gezeigten Bildmaterial von chinesischer Seite genannten Daten reibt. Ich bitte um Verifizierung der Berechnungen.

    Wer feststellt, dass ich Unrecht habe, darf mir das unverblümt sagen. Wer dagegen feststellt, dass ich Recht habe, darf mir auch sagen, dass meine Rechnung viel zu kompliziert ist und er oder sie selbst das nicht nur schon immer meinte, sondern dass man es auch viel einfacher hätte herausfinden können. 😉

  8. Einfache Rechnung? Aber gerne …

    Wir haben drei Datenpunkte Distanz Sonde/Asteroid, alle aus den in die beiden Bilder geschriebenen Zahlen:

    16:30:05 47 Kilometer (das Bild aus CCTV)

    16:30:08 93 Kilometer (1. Bild aus der Montage)

    16:30:24 240 Kilometer (letztes Montage-Bild)

    Trägt man das in ein lin/lin-Diagramm ein, kommt man auf eine Distanz nahe 0 km ungefähr um 16:30:01.

    Damit sind die 3.2 km ausgesprochen plausibel.

  9. Rechnen geht anders

    Wenn schon eine Rechnung angekündigt wird, dann erwarte ich auch eine.

    Erstens hat das erste Bild aus der Montage den Zeitstempel 16:30:09, nicht 16:30:08. Denselben Zeitstempel hat es auch in einem anderen Bild, wo nur diese Ansicht dargestellt wird. Da gehe ich auch mal davon aus, dass das so gemeint ist, wie es mehrfach steht.

    Zweitens existiert keine Gerade, die diese beiden Datenpunkte verbindet und zu früheren Zeiten extrapoliert, einen Nulldurchgang bei 16:30:01 hat. Nicht einmal annähernd. Das habe ich ja gerade im zweiten Nachtrag vorgerechnet. Im Gegenteil, man kommt auf einen Mindestabstand von 59 km.

    Es sei denn, jemand entdeckt einen Fehler in meinen Annahmen oder der numerischen Berechnung oder aber die Gesetze der ebenen Trigonometrie wurden seit Drucklegung meines Bronstein verändert. Welcher der drei Punkte trifft zu?

    In der Tat, wenn man dieses ominöse Bild aus einem angeblichen Abstand von 47 km einbezieht, dann knickt die Kurve, die die beiden anderen Punkte verbindet, nach unten ab und man erhält einen Nulldurchgang.

    Das wäre dann ein wirklich interessantes Verhalten, weil es üblicherweise genau andersherum geht (und aus geometrischen Gründen auch gar nicht anders gehen kann), die Entfernungskurve bei einem nahen, schnellen Vorbeiflug hat ab einer gewissen Zeit nach dem Punkt der größten Annäherung eine konstante Steigung; die Steigung nimmt nahe dem Punkt der größten Annäherung aber ab, nicht zu, und am Zeitpunkt der größten Annäherung ist die Steigung genau Null.

    Das muss auch so sein, weil nämlich vor der größten Annäherung, wenn man in der Zeit weiter zurück geht, die Entfernung wieder ansteigt, symmetrisch zur Situation nach der größten Annäherung.

    Hier also soll es umgekehrt sein, da nimmt die Steigung der Entfernungskurve sogar zu, wenn man auf der Zeitschiene auf den Punkt der größten Annäherung zuläuft. Dolles Ding.

    Ich kann nicht beurteilen, was es mit der Aufnahme auf sich haben soll, die angeblich aus einer Entfernung von 47 km gemacht werden soll. Die Chinesen werden schon wissen, warum sie dieses Bild nicht genau so publik machen wie die anderen. Ich kann nur wiederholen, dass die Berechnung – nicht Behauptung! – aus den in den offiziell publizierten Bildern zeigt, dass der Minimalabstand keineswegs im einstelligen Kilometerbereich gewesen sein kann.

    Wenn die Größe des Objekts bekannt ist – und das ist bei Toutatis der Fall – dann kann aus einer Aufnahme, wenn die Kameradaten bekannt sind (auch das ist hier der Fall), und wenn das Objekt komplett abgebildet ist, durch Zählen der Pixel sehr einfach und unmissverständlich auf den Abstand geschlossen werden. Da die Chinesen fast 2 Tage über den Bildern gebrütet haben, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gingen, werden sie ja wohl wenigstens diese Daten richtig hinbekommen haben.

    Falls die Daten nun aber richtig sind, dann ist ein Minimalabstand von 3.2 km (bzw. Radius < 6 km) nicht möglich. Das ergibt sich schnell, wenn man wirklich nachrechnet. End of the matter.

  10. Alles eine Frage des Glaubens (zur Zeit)

    Wenn die Vorbeiflugsdistanz deutlich von de facto 0 km abweichen würde, lägen die drei Entfernungspunkte gegen die Zeit aufgetragen auf einer näherungsweise U-förmigen Funktion, d.h. der mittlere wiche deutlich nach unten ab, wie sie ja auch selbst ausführen – sie liegen aber ziemlich gut auf einer Geraden (die “8” statt der “9” war ein Tippfehler, aufgemalt habe ich es mir richtig).

    Dabei liegt der mittlere Punkt nun um rund 10 km über der Geraden, eine Abweichung von rund 10%. Aber ist die schlimm? Wenn man bedenkt, dass die Chinesen z.B. die Sekunden auf ganze Zahlen gerundet haben, nein, denn schon wenn bespielsweise das mittlere Bild eher um 16:30:10 statt um :09 entstanden wäre, lägen die drei Entfernungen exakt auf einer Geraden.

    Derartige numerische Ungenauigkeiten, ob bei den Zeiten oder Entfernungen, scheinen mir eine einleuchtende Erklärung zu sein und würden alle Bilder, Zahlen und die überall behauptete minimale C/A-Distanz unter einen Hut bringen. Ihrer Formel mit den 59 km C/A-Distanz folgend wäre aber die Distanz bei der 16:30:05-Aufnahme 67 km statt der angegeben 47 km gewesen, ein viel krasserer Widerspruch, den man nicht weg diskutieren kann.

    Es kommt also letztlich darauf an, welche der Handvoll Zahlen aus China man für bare Münze nimmt und welche man ignoriert – und dass der C/A um 16:30:09 gewesen wäre, wie Xinhua schreibt, halten wir ja beide für einen offensichtlichen Irrtum. (Interessant auch die Diskussion im UMSF-Forum zum selben Thema.)

    Lassen wir uns einfach überraschen, was eines Tages auf einer Konferenz an härteren Zahlen präsentiert werden wird. Und vielleicht taut das chinesische Mondprogramm ja auch irgendwann auf und rückt die Rohbilder samt Metadaten heraus – dann gibt es kein Halten mehr …

  11. Nachprüfen ist besser als Glauben

    Also, wenn die Aufforderung zum Glauben erfolgt, weil eine gemachte Behauptung sich der Plausibilität entzieht, dann entfernen wir uns doch ein bisschen sehr weit vom wissenschaftlichen Prozess. Wir sind hier aber immer noch in den kosmologs, deswegen rechne ich weiter nach.

    Hier ist der Abstand zwischen Sonde und Asteroid über der Zeit von der engsten Begegnung aufgetragen, für eine Relativgeschwindigkeit von 10.73 km/s und zwei angenommene Minimalabstände, einen sehr nahen und einen, der eine Größenordnung darüber liegt.

    Wir sehen da mehreres.

    Erstens ist die Abstandsangabe von 240 km für den Zeitpunt etwa 22 Sekunden nach der größten Annäherung mit ziemlicher Sicherheit richtig. Ist auch klar, wenn die Zeit lang wind, konvergiert der Abstand gegen Zeit*Relativgeschwindigkeit, egal ob der Minimalabstand nun 6, 20 oder 60 km ist.

    Zweitens ergibt sich zwischen den Punkten, wo Abstände von 93 bzw. 240 km auftreten, bei der roten Kurve, also der, die von einem weiteren Minimalabstand ausgeht, genau eine Zeitdifferenz von 15 Sekunden. Also so, wie es auch das publizierte chinesische Bildmaterial angibt.

    Wäre aber der Minimalabstand viel geringer, dann schrumpft der Zeitabstand zwischen den Zeitpunkten für 93 und 240 km Abstand auf 13.5 s. Also mussten die in dem Bildmaterial bei den Angaben zu Uhrzeit und/oder Abstand ganz ordentlich geschlampt haben. Mit der Rundung der Sekunden ist das nicht zu erklären, damit könnte man maximal 0.5 s, also weniger als 5.5 km Abweichung produzieren.

    Wie gesagt, das kann ja durchaus sein. Vielleicht haben die wirklich zwei Tage auf den Bildern gehockt und trotzdem noch ungenaue Daten produziert. Da fragt man sich zwar schon, was die da die ganze Zeit gemacht haben, aber meinetwegen.

    Worauf ich hinaus will, im Artikel und jetzt auch über mehrere Kommentare hinweg, ist nur, dass diese publizierten Daten im Bildmaterial und diese Angabe zum Minimalabstand einfach nicht zusammen passen.

    Da die Angaben zum Bild bei 240 km Abstand wahrscheinlich richtig sind, müssten also die Angaben zum Bild bei 93 km Abstand falsch sein. Aber gerade dieses Bild wurde mit genau diesen Angaben nochmals als Einzelaufnahme herausgebracht. Das soll man also ignorieren und dafür irgendeine ominöse Detailaufnahme, mit der mal jemand in einer Fernsehsendung herumgewedelt hat und die hinterher nicht mehr gezeigt wurde (Oder hat sich daran inzwischen etwas geändert?) als Maßstab nehmen?

    Ich muss es jetzt mal so sagen – das käme mir dan wirklich wie “glauben wollen” vor, und dafür bin ich nicht zu haben.

    Eins ist nicht vom Tisch zu wischen: Es ist ganz offensichtlich irgendwo ein Fehler gemacht worden. Anders kann das nicht sein. Die vorliegenden Zahlenangaben passen nicht zusammen. Die Frage ist, wo der Fehler liegt:

    Entweder bei den Bildern, deren Aufnahmezeit eindeutig aus dem Time Stamp in der Telemetrie ermittelt und deren Abstand fast ebenso eindeutig aus der Anzahl der Pixel von einem Ende des abgebildeten Asteroiden zum anderen bestimmt werden kann?

    Oder beim Mindestabstand, dessen numerischer Wert sich aus keiner Telemetrie ergibt, sondern nur, aus anderen bereits fehlerbehafteten Rechenwerten, zurückgerechnet werden kann.

    Also, ich weiß ja, welcher Fehler mir plausibler erscheint.

  12. Na endlich: mehr Bilder vom Flyby online

    Und zwar in dieser Präsentation, die diese Woche auf einer Sitzung der Small Bodies Advisory Group der NASA gegeben wurde, ab Seite 76! Darunter auch die bislang nur im chinesischen TV gezeigte Nahaufnahme, die laut der aktuellen Beschriftung aus etwa 40 km Entfernung entstand. Die Distanz zum Asteroiden auf den einzelnen Bildern wurde offenbar allein durch die Vermessung der Asteroiden-Größe bestimmt und kann noch revidiert werden – aber das (von mir 🙂 im Dezember gezeichnete Bild des Encounters mit einem extrem nahen Vorbeiflug scheint sich zu bestätigen.

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