ExoMars-Rover: Shortlist von 4 Landestellen

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Der ESA-Marsrover des ExoMars-Programms soll im Mai 2018 zum Mars gestartet werden und am 15. Januar 2019 auf der Oberfläche abgesetzt werden. Die Landeorte waren aus rein technischen Gründen auf Breitengrade zwischen 5 Grad Süd und 25 Grad Nord beschränkt. Die Höhe muss unterhalb eines definierten maximalwerts liegen. Zudem müssen Anforderungen an die Abwesenheit von Kratern, Felsen und anderen Unebenheiten erfüllt sein.

Und dann muss natürlich auch noch das wissenschaftliche Interesse an dem gewählten Landeort groß sein, sodass der wissenschaftliche Ertrag des Geräts maximiert wird. Hier sind die Wissenschaftler gefragt. Im Rahmen eines Workshops am ESA-Zentrum ESAC bei Madrid wurde nun eine Shortlist von vier Kandidaten definiert.

Zwei der Kandidaten, Mawrth Vallis und Oxia Planum, zeichnen sich dadurch aus, dass dort aus dem Orbit Phyllosilikate entdeckt wurden, also Mineralien, die sich in früher feuchten, lehmhaltigen Böden bildeten, beispielsweise an Seeufern oder am Boden flacher Gewässer. Mawrth war bereits Kandidat in der Endrunde beim Auswahlverfahren für den NASA-Rover MSL und dürfte diesmal der wissenschaftlich interessanteste unter den vieren sein.

Die anderen zwei, Hypanis Vallis und Oxia Palus, sind reich an Sediment. Dort muss also früher einmal Wasser langsam geflossen sein, sodass sich mitgeführte Schwebstoffe absetzen konnten. Im entstehenden Gestein könnten Spuren von organischen Verbindungen auch über geologische Zeiträume hinweg erhalten geblieben sein.

Der ExoMars-Rover ist zwar seit dem Ausstieg der NASA aus der gemeinsamen Erforschung des Mars mit den Europäern nicht mehr wirklich das mobiles Labor, das es einmal werden sollte, ein ferngesteuerter Roboter, der in der Lage ist, dediziert festzustellen, ob es auf dem Mars früher Leben gab oder gar heute noch gibt. Seine wissenschaftliche Ausstattung wird nun doch eher chemisch und geologisch als exobiologisch sein. Der SMILE Life Marker Chip ist nun nicht mehr an Bord, und insbesondere fehlt das Urey-Instrument, das bei komplexen organischen Verbindungen wie Aminosäuren aufgrund von lebenstypischen Eingeschaften wie Homochiralität einen biotischen Ursprung hätte feststellen können.

Wenn im Jahre 2020 NASA/JPL ihren nächsten Riesenrover zum Mars schickt, im Prinzip eine Wiederholung der aktuellen MSL-Mission, aber mit anderer, auch auf die Suche nach Leben ausgerichteter wissenschaftlicher Ausstattung, dann wird sicher auch das Urey-Experiment an Bord sein. Ob es fündig wird, weiß man nicht, aber   es fündig wird, dann wird das die wissenschaftliche Entdeckung des Jahrtausends – der erste Nachweis, dass Leben nicht nur auf der Erde entstanden ist. Den Ruhm, diese Entdeckung gemacht zu haben, werden die Amerikaner sicher nicht teilen wollen.

Weitere Information

Artikel in Nature vom 2.4.2014 zur Aufstellung der Shortlist für ExoMars 2018

Pressemitteilung der ESA zum Thema vom 3.4.2014

 

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

20 Kommentare

  1. “Den Ruhm, diese Entdeckung gemacht zu haben, werden die Amerikaner sicher nicht teilen wollen.”

    Das sehe ich auch so! Es gehört jetzt vermutlich nicht hierher, weil es das ExoMars-Programm nicht betrefft, aber heute las ich, dass die NASA wegen der aktuellen politischen Lage die Zusammenarbeit mit den Russen aufgekündigt hat und nun wieder eigene Weltraumstarts etc. durchführen möchte. Dabei hofft die NASA, dass der US-Kongress, der mitten in den Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahre steckt, dafür mehr Geld als in der Vergangenheit locker macht.
    Ein Grund zum Jubeln wird das meines Erachtens nicht sein, denn es wirft die Weltraumforschung um Jahre zurück. Oder wie sehen Sie das?

    Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/nasa224.html

    • Es fällt auf, dass die USA ihr Raumfahrtprogramm in einem engen Zusammenhang mit ihrer Aussenpolitik und gar der Verteidigung sehen. Schon die Chinesen wurden zu bestimmten NASA-Konferenzen gar nicht eingeladen und die Russen kriegen nun ihr Fehlverhalten betreffend Krim zu spüren (auch die Nato hat die Kooperation mit Russland auf Eis gelegt). Falls das die Russen umdenken lässt und sie kooperativer werden, wären diese Sanktionen gar nicht so schlecht. Doch es ist zu befürchten, dass der russische Bär mit dem Wiederaufleben des kalten Krieges nun wieder meint in seinem Einflussgebiet könne er machen, was er wolle und falls er irgendwo einen leckeren Honigtopf sehe, ohne Bedenken daraus naschen. Wer keine Freunde mehr hat, muss sich um üble Nachreden nicht mehr kümmern.

      • Die USA deklariert sich als Weltmacht, degradiert Rußland als Regionalmacht.
        Die EU macht mit und läßt die Ukraine den Dreck ausbaden!!! Nur Geschichte nach 1991.
        Wer will denn den internationalen Honigtopf für sich alleine?

        • Russland ist eine Regionalmacht , nur Putin glaubt noch daran, es sei eine Grossmacht, die gerade schwierige Zeiten durchmache. Deutschland ist Russland ökonomisch überlegen und könnte somit, wenn es wollte, ein ebenso grosses Raumfahrtprogramm finanzieren, wie die Russen es tun.

          • Ihre Sichtweise der aktuellen Situation verblüfft mich etwas. Ich will Ihnen jetzt keine Lektion in Geschichte oder Ökonomie erteilen, denn das würde das Thema sprengen. Aber in dem verlinkten Nachrichtenartikel wird doch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die NASA durch ihr Verhalten mehr Geld erhofft, ob sie das bekommt steht allerdings in den Sternen.

            Das alte Freund/Feindschema bringt uns bei der Erforschung des Weltalls nicht weiter, das sollte die gemeinsame Aufgabe der ganzen Menschheit sein.

          • Das alte Freund/Feindschema bringt uns bei der Erforschung des Weltalls nicht weiter, das sollte die gemeinsame Aufgabe der ganzen Menschheit sein.

            In der Theorie könnte man auch argumentieren, die medizinische Forschung oder die Suche nach neuen Arten des Pflanzenschutzes oder der Energiegewinnung sollten eine gemeinsame Aufgabe der Menschheit sein, in der Praxis gibt es genau so gewichtige Argumente und auch wahrscheinlich noch wichtiger, eine Faktenlage, die anders aussieht.

            Die Weltraumforschung, gerade zu einem solchen Thema, das jeder versteht und das jeden interessiert, hat eine Leuchtturmfunktion. So etwas wollen qualifizierte junge Leute machen. Es zieht die besten und klügsten Köpfe an wie ein Magnet. Das Thema zieht auch Forschungsgelder an. Mit denen werden Stellen an Instituten oder Universitäten geschaffen, die hohes Prestige genießen und für die die besten genommen werden.

            Wenn man ein paar Jahre in dem Umfeld gearbeitet hat, im Rahmen seiner Doktorarbeit und eines Post-Docs, bleibt man entweder in der Forschung und Lehre, oder aber (in 90% der Fälle, zumindest bei Naturwissenschaftlern – bei Ingenieuren sieht das etwas anders aus), man geht in die Industrie undmacht seine Talente und sein Prestige zu Geld. Wenn eine Nation es da schon geschafft hat, die richtig guten Leute ins Land zu holen, dann kann sie nachher damit rechnen, dass ein beträchtlicher Prozentsatz dieser Leute bleibt. Davon profitiert im Endeffekt die ganze Volkswirtschaft.

            Wir sollten uns nichts vormachen. Europa steht im Wettbewerb mit anderen attraktiven Standorten auf der Welt. Im Wettbewerb um die Ressource, die die allerwichtigste ist: Grips und Können talentierter junger Leute. Die Amis scheinen das etwas besser kapiert zu haben als unsere Politiker. Auf jeden Fall sind wir dabei, in diesem Wettbewerb den kürzeren zu ziehen.

          • @Mona: Russland ist der Nachfolgestaat der Sowjeuntion, so liest man das sogar in der Wikipedia und Putin sehnt sich immer noch nach dieser Zeit zurück, weshalb er den Zerfall der Sowjetunion als grösste geopolitische Katastrophe des ausgehenden 20. Jahrhunderts bezeichnet hat.
            Doch ökonomisch gesehen ist Russland alles andere als eine Grossmacht und die Ökonomie siegt über kurz oder lang. Für Russland könnte es bedeuten, dass es von China und “Europa” her aufgerollt wird.
            Doch Russland hat sich einige Grossmachtattribute bewahrt, die auch Länder wie Deutschland und Frankreich oder die EU als Ganzes nachdenklich machen sollten. So ist das russische Raumfahrtprogramm oder seine Erforschung neuer Kernkraftwerktechnologien ambitioniert und zielstrebig und es zeigt, dass die Ökonomie allein nicht alles ausmacht. Es braucht eben auch eine Vision und hartnäckig verfolgte Ziele. Russlands Raumfahrtprogramm übersteigt in seiner Zielstrebigkeit und wahrscheinlich sogar dasjenige der EU und auch in vielem anderen erreicht Russland mehr als die EU. Auch wenn sich die EU möglicherweise nicht als Grossmacht eignet, sollte sie in den Bereichen, in denen sie eine Rolle spielen will zielstrebiger auftreten. Die europäische Raumfahrt ist da eher ein Trauerspiel. Kürzlich las ich im Spiegel über die ESA-Entwicklung von neuen Hitzeschildern für mögliche zukünftige Raumfähren, dafür habe man doch kein Geld. Doch die EU mit ihren 500 Millionen Einwohnern und einem BIP von 15 Billionen US-Dollar wäre potenziell gleichmächtig wie die USA und sie verfügt über die gleichen finanziellen Mittel. Von Russland kann man also auch etwas lernen. Was man tun sollte – zielstrebig sein- und was man lieber lassen sollte – sich selbst isolieren.
            Im übrigen gebe ich Ihnen natürlich mit folgendem Recht:

            Das alte Freund/Feindschema bringt uns bei der Erforschung des Weltalls nicht weiter, das sollte die gemeinsame Aufgabe der ganzen Menschheit sein.

            Das ist nicht nur für die Erforschung des Weltalls fatal, sondern für jede Aufgabe, die die Möglichkeiten einzelner Nationen übersteigt. Fehlende Zusammenarbeit erschwert oder verunmöglicht auch Massnahmen gegen den Klimawandel. Letztlich ist die Welt heute zu klein als dass sich Nationen wie trotzige und egoistische Kinder verhalten könnten.

          • @Michael Khan: Ich vermute, die meisten jungen Leute haben heutzutage die Spielregeln des kapitalistischen Wettbewerbs verinnerlicht. Es ist nun mal eine Binsenweisheit, dass Geld die Welt regiert, darum möchte sich jeder verkaufen so gut es geht. Doch machen wir uns nichts vor, “Grips und Können” genügt schon lange nicht mehr. Der Wettbewerb, von dem Sie sprechen, erfordert auch Kalkül und eine Portion Skrupellosigkeit, um eventuelle Konkurrenz frühzeitig auszuschalten. Er macht all jene zu Opfern, die nicht zu den “Besten” gehören.

            Wäre es nicht an der Zeit über eine gemeinsame weltweite Zukunft nachzudenken? Stattdessen opfern wir wichtige Klimaziele dem Wirtschaftswachstum. Dabei gibt es den vielgepriesenen Zusammenhang zwischen Wachstum, Beschäftigung und sozialer Sicherheit schon längst nicht mehr. Müsste man da nicht andere politische Rahmenbedingungen schaffen?

          • Nachdenken kann man über vieles, aber das von Ihnen angesprochene halte ich für ein ganz anderes Thema. Der Wettbewerb um die Besten und Klügsten ist nach meinem Dafürhalten etwas, das wenig mit dem kapitalistischen Wettbewerb, der Zerstörung der Umwelt oder womit auch immer zu tun hat. (Gut, irgendwie hat natürlich alles mit jedem zu tun, aber da würde die Diskussion sehr vage).

            Ich sehe die Tatsache, dass junge, gut ausgebildete Leute, die hochkarätige Wissenschaft machen wollen, weil es das ist, was sie studiert haben, nicht als negativ. Ich sehe es auch nicht als negativ, dass Nationen investieren, um diese Leute anzuziehen. Was soll daran schlecht sein? Die einen wollen forschen und die anderen geben ihnen die Gelegenheit dazu.

            Wir tun das in Europa nicht, oder zumindest nicht ausreichend – weniger als wir selbst vereinbart haben und weniger als die anderen tun. Deswegen bleiben wir zurück.

          • @Michael Khan, Mona
            Europa liegt vor allem in den Forschungsfeldern von strategischer Bedeutung zurück, also dort wo es ein Ziel braucht, welches die nationalen Interessen übersteigt. Dazu gehören die Weltraumforschung oder auch die Energieforschung. Zwar rühmt sich die EU eines grossangelegten Forschungsprogramms betreffend Erneuerbaren wie Photovoltaik, Windenergie, Smart Grids, Geothermale Energie (siehe EERA), doch das entsprechende US-Programm ist viel breiter angelegt. Das US-Programm unterstützt zudem auch echte Forschung und Innovation, also Erforschung von Dingen, über die man heute noch sehr wenig weiss, die aber disruptiv wirken könnten. Dazu gehören viele Forschungsintiativen, die vom ARPA-e-Programm unterstützt werden. Ein Beispiel sind electro-fuels (Biotreibstoffe nicht solaren Ursprungs). Neu gibt es in den USA auch privat finanzierte Forschung und Innovation, unterstützt von Firmen wie Google (X-Price) oder von Mäzenen wie Bill Gates oder Vinod Khosla. Aus Europa kommen zwar insgesamt fast mehr Forschungspapiere als aus den USA, aber die europäische Forschung ist sowohl weniger fokussiert als auch weniger echt innovativ. Es werden also weniger völlig neue Pfade betreten.

          • @Michael Khan

            “Nachdenken kann man über vieles, aber das von Ihnen angesprochene halte ich für ein ganz anderes Thema. Der Wettbewerb um die Besten und Klügsten ist nach meinem Dafürhalten etwas, das wenig mit dem kapitalistischen Wettbewerb, der Zerstörung der Umwelt oder womit auch immer zu tun hat. (Gut, irgendwie hat natürlich alles mit jedem zu tun, aber da würde die Diskussion sehr vage).”

            Grundsätzlich sollte sich jeder über das Ausmaß seines Handelns bewusst sein. Und wenn jemand beispielweise für die Rüstungsindustrie forscht, dann liegt der Gedanke nicht wirklich fern, dass seine Forschungsergebnisse irgend wann mal für eine unguten Zweck verwendet werden. Oder?

            “Ich sehe die Tatsache, dass junge, gut ausgebildete Leute, die hochkarätige Wissenschaft machen wollen, weil es das ist, was sie studiert haben, nicht als negativ. Ich sehe es auch nicht als negativ, dass Nationen investieren, um diese Leute anzuziehen. Was soll daran schlecht sein? Die einen wollen forschen und die anderen geben ihnen die Gelegenheit dazu.”

            Natürlich sollten “junge, gut ausgebildete Leute, die hochkarätige Wissenschaft machen wollen” eine Chance bekommen. Aber wer eine besondere Begabung mitbringt, der muss sich auch gut vermarkten können sonst bleibt er auf der Strecke. Die meisten jungen Leute sind heutzutage schon froh, wenn sie nach dem Studium irgendwo eine befristete Stelle bekommen, da ist es egal wie begabt sie sind. Sollte Ihre Branche eine Ausnahme sein, können Sie sich beglückwünschen.

            “Wir tun das in Europa nicht, oder zumindest nicht ausreichend – weniger als wir selbst vereinbart haben und weniger als die anderen tun. Deswegen bleiben wir zurück.”

            Die Frage ist, ob wir uns immer nur mit Amerika vergleichen wollen. Das Land schrammt doch ständig an der Staatspleite vorbei, die nur mit einer permanenten Erhöhung der Schulden-Obergrenze verhindert werden kann. Auch in Europa leben einige Länder über ihre Verhältnisse und müssen dann von anderen, wie Deutschland, gestützt werden. Dieses Geld fehlt dann natürlich woanders. Es ist leider so: “irgendwie hat natürlich alles mit jedem zu tun”.

          • Natürlich sollten “junge, gut ausgebildete Leute, die hochkarätige Wissenschaft machen wollen” eine Chance bekommen. Aber wer eine besondere Begabung mitbringt, der muss sich auch gut vermarkten können sonst bleibt er auf der Strecke.

            Kleine Anmerkung, vielleicht etwas pedantisch: Es geht nicht allein um die Begabung, sondern um die Qualifikation. Also um eine Kombination aus Begabung, Erfahrung und Können.

            Und ja, man muss sich auch vermarkten können. Aber das alles nützt nichts, wenn es keine Stellen gibt, bei der man seine Qualitäten auch ausspielen kann. Die guten Leute gehen halt dahin, wo man ihnen den interessantesten (und attraktivsten) Job bietet. Wer wollte ihnen das verdenken?

            Da der Strom aus Europa und anderen Nationen in die USA deutlich ausgeprägter ist als in umgekehrter Richtung, kann man das wohl als Zeichen dafür werten, dass die jungen, qualifizierten Leuten attraktivere Chancen bieten als wir das tun.

            Entschuldigung, ich sehe gerade nicht, worauf Sie hinauswollen.

            Die Frage ist, ob wir uns immer nur mit Amerika vergleichen wollen.

            Wir sollten in jeder wichtigen Frage grundsätzlich mal herumschauen, wie denn andere Nationen das Problem lösen und mit welchem Ergebnis. Wenn das Ergebnis gut ist, sollte man untersuchen, ob die Lösung auf unsere Verhältnisse übertragbar ist, eventuell mit Modifikationen, und dann sollte man das übernehmen. Warum nicht? Ich bin kein Anhänger von Theorien, die nationale Eigenheiten oder Besonderheiten hochhalten. Wenn man von anderen lernen kann, dann sollte man das tun, was nicht heißt, dass man das ganze Paket ungeprüft übernehmen muss.

            Ihren Hinweis auf die Staatsfinanzen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Die USA stehen doch nicht vor der Staatspleite, weil sie zu viel für Forschung und Ausbildung investieren.

            Im Gegenteil, man investiert in den USA zu wenig in die Schulbildung und auch zu wenig in den universitären Bereich (genau wie bei uns). Darüber können ein gutes NASA-Raumfahrtprogramm und einige Spitzeninstitute und -universitäten nicht hinwegtäuschen.

            Die Finanzmisere in den USA rührt von einer zu geringen Steuerquote für Gutverdiener und – vor allem – von einem überbordenen Militärhaushalt, sowie von den nicht unbedingt im Militärbudget auftauchenden Zusatzkosten aus deren militärischen Interventionen.

            Die Finanzmisere in europäsischen Ländern hat vielfältige Ursachen, in Griechenland sind es andere als in Zypern, in Spanien andere als in Irland, in Italien andere als in Portugal. Nirgendwo jedoch liegt die Misere darin begründet, dass man dort zuviel für Forschung und Bildung ausgibt.

            Das geben die Zahlen einfach nicht her. Nirgendwo, die Ausgaben für Bildung und Forschung sind einfach zu niedrig, im Vergleich zu anderen Posten im Etat.

            Ich meine, dass Europa eine höhere Steuerquote braucht, wobei es von Land zu Land unterschiedliche Ansätze gibt, in Deutschland ein rigoroses Aufräumen bei Ausnahmen und Steuerschlupflöchern, von denen Unternehmen und Gutverdiener profitieren. Ebenso brauchen wir ein rigoroses Eindämmen der Subventionskultur, bei der ohnehin nicht mehr konkurrenzfähige Wirtschaftsbereiche auf Kosten der Allgemeinheit immer noch weiter mitgeschleppt werden.

            Was aber nach meinem Dafürhalten außerordentlich kontraproduktiv wäre, wären Einsparungen bei Bildung und Forschung. Denn Bildung und Forschung ist das einzige, was uns aus der Misere herausziehen kann.

            Es gibt eine Selbstverpflichtung der OECD-Staaten, ihre staatlichen Bildungs- und Forschungsausgaben auf 3% des jeweiligen BSP zu heben. EU-weit sind wir weit davon entfernt, wobei die Situation von Land zu Land stark verschieden ist. Am höchsten (zumeist deutlich über 3%) liegt die B&F-Etatquote bei den skandinavischen Ländern. Das sind auch die Staaten mit den gesunsdesten Finanzen und der modernsten Wirtschaft und gleichzeitig den besten Sozialleistungen. Weit abgeschlagen die Südstaaten. (Quelle: Eurostat) Das sind doch auch mal Zahlen, die zu denken geben.

            Ich meine: Wir brauchen starke staatliche, zivile Forschungsprogramme mit hoher Öffentlichkeitswirksamkeit. Die Wektraumforschung ist so ein Bereich, in den Europa mehr investieren könnte und sollte. Die USA machen das, mit Erfolg. Das sollte man sich genau anschauen.

          • @Mona: 8. April 2014 13:00
            Forschen kann man tatsächlich nur wenn es einen Forschungsauftrag gibt oder man sich dieses Hobby leisten kann, wie dannzumal Darwin. Erst wenn es überhaupt etwas zu forschen gibt, könnte folgendes gelten (Zitat)“Aber wer eine besondere Begabung mitbringt, der muss sich auch gut vermarkten können” wobei Forschertypen nicht unbedingt grosse Verkäufer sind – und das auch nicht sein müssen, denn was zählen sollte ist die Qualität der Forschung.
            Doch selbst ein sporadischer Forschungsauftrag ist nicht das Wahre. Es braucht Forschungsschwerpunkte und Ziele und die Forschung muss in wichtigen Bereichen langfristig angelegt sein.
            Nun zu: “Die Frage ist, ob wir uns immer nur mit Amerika vergleichen wollen.”
            Falls Europa eine eigenständige Rolle spielen will muss es sich mindestens in ein paar Aspekten mit den USA vergleichen. Wenn es essentielle Bereiche wie Weltpolitik und strategische Forschung den USA und später China überlässt, dann geht ganz Europa letztlich einen ähnlichen Weg wie Venedig, ein früherer Dreh- und Angelpunkt von Handel, Industrie und Politik aber bereits seit dem 19. Jahrhundert nichts weiteres mehr als eine Touristendestination. Europa würde sich als gigantisches Heidiland gar nicht so schlecht eignen. Reiche Chinesen kaufen sich jetzt schon französische Weingüter auf und im Prinzip könnte man jetzt schon das Leben des französischen Präsidenten als Reality-TV-Show vermarkten und als Frühstückfernsehen vielleicht in China ausstrahlen. Das wäre doch was, Francois Hollande im Reality-TV, der zum Frühstück französische und chinesische Produkte verspeist und mit den Werbeeinnahmen den französischen Staat alimentiert.

          • @Michael Khan
            Ich meinte doch nicht, dass die USA zu viel für Bildung und Forschung ausgeben. Das Land ist so verschuldet, weil, wie Sie auch schreiben, es eine zu geringe Steuerquote für Gutverdiener und einen extrem aufgeblähten Militärhaushalt hat. Wir sollten nicht die gleichen Fehler machen sollten, indem wir uns beispielweise von den USA zu immer höheren Militärausgaben drängen lassen, wie es aktuell gefordert wird. Die Krise mit Russland erfordert erst mal einen beiderseitigen Dialog und sollte nicht durch Säbelgerassel weiter angeheizt werden.

          • @Martin Holzherr

            “Falls Europa eine eigenständige Rolle spielen will muss es sich mindestens in ein paar Aspekten mit den USA vergleichen. Wenn es essentielle Bereiche wie Weltpolitik und strategische Forschung den USA und später China überlässt, dann geht ganz Europa letztlich einen ähnlichen Weg wie Venedig”

            Sagen Sie nichts gegen Venedig. Immerhin hat der Spenden-Fond, der zur Rettung Venedigs gedacht war, Italien schon mal vor der Staatspleite bewahrt. Die Altstadt von Venedig ist in der Tat zu einem gigantischen “Heidiland” verkommen. (Ich habe noch viele Fotos aus meiner frühen Jugendzeit auf denen Venedig im Winter fast menschenleer zu sehen ist.) Was viele Touristen nicht wissen: Das “normale” Leben hat sich in den Stadtteil Mestre verlagert, der sich teilweise in einen gigantischen Industriemoloch entwickelt hat. (In Mestre leben rund 200.000 Menschen und im historischen Zentrum von Venedig nicht mal mehr 60.000).

            Aber zurück zu Europa: Falls Europa eine eigenständige Rolle spielen will, dann sollte es sich selbstbewusster präsentieren und nicht versuchen ein Abklatsch von Amerika zu werden. Die Kooperation der NASA mit Russland wurde ja gestoppt und Amerika ist im Bereich der Weltraumforschung nun im besonderen Maße auf privat finanzierte Forschung und Innovation angewiesen. Was aber soll Deutschland machen? Wir haben kaum privat finanzierte Forschung , aber viele Handelsbeziehungen zu Russland, die wir wegen der aktuellen Krise nun auf Eis legen sollen. Eine verzwickte Situation! Wir Bayern leben ja teilweise auch in einer Art “Heidiland” und könnten uns zur Not gut touristisch vermarkten, aber was macht der Rest Deutschlands? 🙂

            http://www.bignick.de/images/neuschwansteingro.jpg

    • Die NASA hofft gemäss New Scientist (NASA’s Russia boycott may revitalise US space leadership) tatsächlich vom Russenboykott zu profitieren wie oben angdeuetet (Zitat):” Dabei hofft die NASA, dass der US-Kongress, der mitten in den Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahre steckt, dafür mehr Geld als in der Vergangenheit locker macht.”
      Im New Scientist Artikel liest man:

      Cooling NASA-Russia ties is a familiar game of political surrogacy, but it may spark talk on reasserting US leadership in space, says a security expert.
      ….
      Retaliation from Russia should not be ruled out, and the US needs to prepare for that. Congress likes to assert itself into space policy, and now seems a good time to do so. There are two immediate needs: accelerating the diversification of ISS transport options and rethinking the propensity of using space as a foreign policy surrogate.

  2. @Martin Holzherr
    Sie schreiben: “Russland ist der Nachfolgestaat der Sowjeuntion, so liest man das sogar in der Wikipedia und Putin sehnt sich immer noch nach dieser Zeit zurück”

    Nun, so gesehen ist die Bundesrepublik Deutschland zwar nicht der Nachfolgestaat des Deutschen Reiches, sondern sogar damit identisch. (Wikipedia: “Deutsches Reich”)
    Es könnte die Russen vielleicht misstrauisch stimmen, wenn sich Deutschland da zu sehr aus dem Fenster lehnt, denn schließlich waren die Deutschen nicht unmaßgeblich an zwei Weltkriegen beteiligt.

    “Fehlende Zusammenarbeit erschwert oder verunmöglicht auch Massnahmen gegen den Klimawandel. Letztlich ist die Welt heute zu klein als dass sich Nationen wie trotzige und egoistische Kinder verhalten könnten.”

    Sehe ich auch so! Vor allem wenn ich solche Schlagzeilen lese:
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/schiefergas-fracking-gegen-putin-12878834.html

    • Die BRD hat nach dem 2. Weltkrieg völlig neu angefangen – das ist eben der Unterschied zum Russland unter Putin nach dem Zerfall der Sowjetunion. Und Deutschland zeigt, dass sich ein Neuanfang lohnen kann, sich wohl auch für Russland lohnen würde. Russland als Teil und Mitglied der EU wäre für sowohl die EU als auch für Russland gut, denn die Chinesen sind nicht nur Konkurrenten der EU sondern auch Konkurrenten von Russland, auch wenn sich Russland einbildet, es könne Separatabkommen mit den Chinesen abschliessen und eine bevorzugte Stellung im chinesischen Machtbereich einnehmen. Das ist eine völlige Illusion. Die Chinesen denken nur an ihr eigenes Land und verfolgen eine klassiche Realpolitik (wie ehemals Bismark) . Russland wird das irgendwann – wohl schmerzhaft – erfahren müssen.
      Natürlich ist es für Russland schwierig Abschied zu nehmen von einem Selbstbild, das sich in Jahrhunderten ausgebildet hat und wozu auch eine imperialistische Einstellung und ein Grossmachtsgehabe gehört. Doch es würde sich lohnen. Genau so wie sich für Deutschland die Zurückhaltung nach dem zweiten Weltkrieg gelohnt hat. Jetzt ist Deutschland nämlich in einer stäreren Position als es das vorher je gewesen ist und es gibt überhaupt keinen Grund mehr für Deutschland die anderen zu beneiden (einem weitverbreiteten Gefühl im alten Deutschland (Neid um Kolonien, Gefühl der verkannten Grösse)).

      Was ihren Link zum Fracking angeht muss man sich schon bewusst sein, dass ganz Europa von Rohstoffen abhängig ist, die aus dem Ausland kommen. Europa lebt schon lange damit ohne sich allzu grosse Sorgen darüber zu machen was wiederum darauf zurückzuführen ist, dass sich nur wenige für ganz Europa zuständig fühlen. Auch die USA waren lange Zeit abhängig von ausländischem Öl, doch sie waren sehr unzufrieden mit dieser Situation und haben sich nun “freigefrackt” von dieser Abhängigkeit.

  3. Wo hier Mawrth angesprochen wird… ich würde gerne in diesem Blog eine Rezension oder Meinung über “The Martian” von Andy Weir lesen 😉

    Das habe ich nämlich gerade auf einem Flug in die USA in einem Rutsch verschlungen und fand’s unterhaltsam. Mich würde interessieren, wie realistisch das alles ist.

Schreibe einen Kommentar