Helles Objekt über Darmstadt: Was war es?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Heute Nacht, ich fotografierte gerade die Gegend um Adler und Schwan, flog mir ein helles Objekt durchs Blickfeld. Es fiel mir ins Auge, als es nahe γAql war, weil es von ungefähr gleicher Helligkeit war, also ca. +3mag. Das Objekt zog Richtung Schwan durch Pfeil und Füchschen. Dabei konnte ich es mit der bereits ausgerichteten Kamera fotografieren. +++ siehe Nachtrag unten +++

Das Objekt erscheint in drei Aufnahmen, die ich zu einem Komposit zusammengefügt habe (Höhere Auflösung hier). Die Überflugrichtung ist von rechts unten nach links oben. Der hier erfasste Zeitrahmen bewegt sich in der Minute von 00:42 bis 00:43 MESZ. Mit heavens-above (Funktion “Daily Predictions for Brighter Satellites”) habe ich kein Objekt finden können, das auch nur annähernd zur Beobachtung passt. Es könnte sich natürlich um einen aktiven Satelliten im Besitz einer Regierung handeln, dessen Elemente nicht in der TLE-Datenbank enthalten sind, auf die heavens-above zugreift, weil er ungelistet ist.

Falls jemand eine Idee hat, bitte ich um Mitteilung.

Komposit aus drei Aufnahmen eines Überflugs eines hellen Objekts über Darmstadt am 4. Juli 2014, 00:42 - 00:43 MESZ vom Adler kommend durch Pfeil und Füchschen Richtung Schwan ziehend, Canon EOS 600D mit Leica Summicron 50 mm, f2.0, ISO 800, je 15 s Belichtungszeit, nachgeführt
Credit: Michael Khan, Darmstadt / Komposit aus drei Aufnahmen eines Überflugs eines hellen Objekts über Darmstadt am 4. Juli 2014, 00:42 – 00:43 MESZ vom Adler kommend durch Pfeil und Füchschen Richtung Schwan ziehend, Canon EOS 600D mit Leica Summicron 50 mm, f2.0, ISO 800, je 15 s Belichtungszeit, nachgeführt

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Nachtrag: Inzwischen habe ich herausgefunden, warum ich mit heavens-above das betreffende Objekt nicht gefunden hatte. Dies war nicht, weil es sich um einen aktiven Satelliten einer Regierungsorganisation gehandelt hätte, sondern weil es sich um ein Zusatzobjekt im Zusammenhang mit dem Start einer japanischen H-IIA-Rakete am 24. May 2014 gehandelt haben muss. Es handelt sich um das Objekt F mit der COSPAR-ID 2014-029F und der Spacetrack-ID 39771. Damit wurde der Satellit ALOS-2 gestartet, der sich ziemlich genau in derselben Bahn befindet wie das Objekt F, nämlich einer sonnensynchronen Bahn mit rund 98 Grad Neigung und einer Höhe von etwas über 600 km.

Mit der Funktion “Daily Predictions for Brighter Satellites” war das Objekt deswegen nicht zu finden, weil die Helligkeit nicht berechnet werden kann, heavens-above zeigt in diesem Fall nur ein Fragezeichen an und das Objekt kommt nicht durch den Filter. Hier ist eine PDF-Datei mit der von heavens-above erzeugten Sternkarte mit der Himmelsspur des Objekts. Ganz eindeutig das, was ich gesehen habe.

Problem solved!

Was nun die “unbekannte” (bzw. von heavens-above nicht berechnenbare Helligkeit angeht, ich kann nur gsagen: letzte Nacht hatte es rund +3mag, als es durch den Adler zog, also noch relativ kurz nach Schattenaustritt. In meinem Bild sieht man deutlich, wie die Helligkeit zunimmt, ein Maximum erreicht, und dann, während das Objekt in den Schwan eintritt, wieder abnimmt. Das ist mir auch so von der Beobachtung her erinnerlich, die maximale Helligkeit muss bei +2mag oder heller gelegen haben. Objekt F muss die Oberstufe der Rakete sein. Objekte A bis E sind laut heavens-above (Sat. IDs 39766 bis 39770) sind die Hauptnutzlast ALOS-2 und die vier als Beipacknutzlast gestarteten Cubesats. Objekt G ist Debris, wahrscheinlich ein Adapter, der mit dem Aussetzen der Mehrfachnutzlast zu tun hat. Nun gut, wenn ich da die komplette Oberstufe gesehen habe, erklärt sich auch die beträchtliche Helligkeit. Die Stufe muss taumeln, deswegen die Helligkeitsvariation.

Übrigens flog besagtes Objekt sehr dicht am veränderlichen Stern χCyg vorbei, den ich schon seit Wochen beobachte, so auch letzte Nacht. Wenn das kein Zufall ist!

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. Vielleicht ein Militärflugzeug, die fliegen manchmal abseits der großen Flugrouten und bei bestimmten Flugmanövern sieht oft auch nur einem hellen Lichtpunkt, weil die Positionslichter überstrahlt werden. Es gibt auch eine Datenbank der Flugüberwachung, da findet man jedoch nur Zivilflugzeuge:
    http://www.flightradar24.com/
    Die “TLE-Datenbank” kenne ich nicht, wenn ich nach Satelliten Ausschau halten will, dann benutze ich calsky:
    http://www.calsky.com/cs.cgi/Satellites/6?

  2. Es war definitiv kein Flugzeug, sondern ein orbitales Objekt. Aufgrund der Beobachtung hatte ich keinen Zweifel, es mit etwas im Orbit zu tun zu haben, und auch das Bild lässt keinen anderen Schluss zu. Inzwischen bin ich ja auch darauf gekommen, warum ich zunächst bei heavens-above nicht fündig geworden war. Ihr Verweis auf calsky war sehr hilfreich – vielen Dank! – weil ich damit eine unabhängige Verifikation dessen hatte, was heavens-above ausgespuckt hatte. Calsky hat zusätzlich auch die Helligkeit angegeben, die sogar mit maximal +2.0mag beziffert wird. Das liegt auffallend nahe an meiner Schätzung, aber bei einem rotierenden oder taumelnden Objekt wird diese Übereinstimmung wohl reiner Zufall gewesen sein.

    Calsky ist ebenso wie heavens-above eine sehr nützliche Webseite, die man unbedingt bookmarken sollte.

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