Moderator, Steuerstäbe, GAU und weitere Begriffe …

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

In den Medien und im Internet wirft jeder unter Bezug auf das sich ereignende Drama im Kernkraftwerk Fukushima mit Begriffen um sich, von denen allerdings wohl nur die Wenigsten verstehen, was sie bedeuten. Ich erhebe hier nicht den Anspruch, neueste Insider-Informationen aus Fukushima zu posten. Wenn Sie danach suchen: Unten sind ein paar Links, die weiter helfen. Ansonsten: Auf Wiedersehen und viel Erfolg. Ich möchte lieber nur ein paar ganz grundlegende Dinge klären.

Googeln oder Wikipedia würden schon helfen, aber bekanntlich werden Enzyklopädien immer von denen am meisten genutzt, die sie am wenigsten brauchen. Die Leute wollen offenbar die Information vorgekaut bekommen, also bitte sehr:

Die Schlagworte

Thermische Reaktoren

Bei den Siedewasserreaktoren in Fukushima handelt es sich um eine Art von “thermische Reaktoren”. Diese heißen deswegen so, weil sie für die Kernspaltung und die Kettenreaktion “thermische”, d.h., relativ langsame Neutronen brauchen. Vereinfacht gesagt funktioniert ein Kernkraftwerk so: Atome eines spaltbaren schweren Isotops (beispielsweise Uran-235) fangen ein Neutron ein und spalten sich danach in zwei mittelschwere, ebenfalls instabile und deswegen radioaktive Atomkerne, die so genannten Spaltprodukte. Dies geschieht unter Freisetzung von Energie – deswegen macht man das Ganze ja überhaupt.

Der Moderator

Bei der Kernspaltung wird auch Strahlung freigesetzt, darunter Neutronen, allerdings “schnelle Neutronen”, die nicht so leicht einzufangen und deswegen für die Aufrechterhaltung der Kettenreaktion nicht nützlich sind. Diese Neutronen müssen abgebremst (=”moderiert”) werden, damit sie zu “thermischen Neutronen” werden und die Kettenreaktion in Gang halten.

Das Moderieren geht mit normalem Wasser, mit schwerem Wasser, aber auch mit Graphit. Die Siedewasserreaktoren in Fukushima verwenden dazu das Wasser, das gleichzeitig als Kühlmittel dient, im Kern bei der Kühlung der Brennelementhüllen verdampft und damit die Turbine speist. Es handelt sich dort also um leichtwassermoderierte Siedewasserreaktoren.

Thermische Reaktoren brauchen in der Regel nur schwach angereicherten Brennstoff, im Gegensatz zu “schnellen Reaktoren”. Das natürliche Mischungsverhältnis von spaltbarem Uran 235 zu nicht spaltbarem Uran-238 liegt bei etwa 0.7%. In gängigen thermischen Reaktoren, die Wasser als Moderator verwenden, beträgt der Anreicherungsgrad rund 3%. Bei Verwendung von Graphit oder schwerem Wasser als Moderator reicht ein geringerer Anreicherungsgrad. Manche dieser Reaktoren funktionieren sogar mit Natururan, also mit nur 0.7% Uran 235.

Steuerstäbe

Steuerstäbe werden im Kern zwischen den Brennstäben eingefahren, um die Kettenreaktion zu steuern. Sie enthalten Stoffe mit großer Absorptionsfähigkeit für thermische Neutronen. Dadurch bleibt der Nachschub für die Kettenreaktion aus, der Reaktor wird gedrosselt. Bei voll eingefahrenen Steuerstäben ist der Neutronenfluss so reduziert, dass die Kettenreaktion zum Stillstand kommt. Wichtig ist, dass die Konstruktion des Reaktors das Einfahren der Steuerstäbe unter allen Umständen zulässt.

Zusätzlich zur den Steuerstäben kann auch durch Einbringen bestimmter Flüssigkeiten mit hohem Absorptionsquerschnitt für thermische Neutronen die Kettenreaktion unterbunden werden. Hier ist insbesondere Borsäure zu nennen.

Reaktorschnellabschaltung (RESA)

Das automatische Steuerungssystem eines Kernkraftwerks oder auch seine Bedienmannschaft können in einem Notfall die Reaktorschnellabschaltung auslösen. Dabei werden die Steuerstäbe komplett eingefahren und die Kettenreaktion kommt zum Stillstand. Das Erdbeben hat in allen Kraftwerksblöcken in Fukushima eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst. Es ist überhaupt nicht das Thema, dass dort nun eine außer Kontrolle geratene Kettenreaktion abliefe!

Übrigens kann ein Reaktor nach einer Schnellabschaltung in der Regel längere Zeit nicht wieder hochgefahren werden. Verantwortlich dafür ist die Xenonvergiftung, die Konzentration des Spaltprodukts Xenon in den Brennelementen. Xenon absorbiert so viele thermische Neutronen, dass die Kettenreaktion nicht in Gang kommt – man muss warten, bis aufgrund des natürlichen Zerfalls die Xenonkonzentration wieder nachgelassen hat. Xenonvergiftung ist ein Grund dafür, warum Kernkraftwerke sich nur für die Grundlastdeckung eignen.

Nachwärme und Kernschmelze

Bei einem Kernspaltungsreaktor ist zunächst noch erhebliche thermische Energie in den Brennelementen aus Uranoxid oder Plutonium/Uran-Mischoxid enthalten, auch wenn per RESA die Kettenreaktion zum Stillstand gebracht wurde.

Hinzu kommt die Energie, die frei wird, wenn die kurzlebigen unter den Spaltprodukten weiter zerfallen, die im Normalbetrieb bis zur RESA in den Brennelementen erzeugt werden. Diese Nachzerfallswärme kann durchaus zunächst einige Prozent der thermischen Leistung des Kraftwerks betragen, fällt aber innerhalb rund eines Tages auf weniger als 1% ab, wobei nach dem anfänglichen schnellen Abfall die weitere Verringerung der Nachwärme nur noch langsam erfolgt.

Man bedenke hierbei: Die thermische Nennleistung im Block 1 in Fukushima ist rund 1500 Megawatt. Ein Prozent davon wären also 15 Megawatt: allemal ausreichend für eine massive Aufheizung des Kerns. Einige Megawatt an thermischer Leistung wollen zuverlässig vom Kern abgeführt und draußen abgegeben werden. Genau das ist das Problem, vor dem die Japaner stehen und vor dem jeder Kraftwerksingenieur bei der Auslegung der Sicherheitssysteme steht.

Brennelemente sind in Zirkonröhren enthalten. Werden die Brennelemente nach der RESA nicht gekühlt, dann erhöht sich aufgrund der Nachwärme ihre Temperatur so weit, dass sie und ihre Zirkon-Umhüllung schmelzen und sich die heiße Schmelze unten im Reaktorbehälter ansammelt. Da auch dann immer noch weitere Wärme anfällt, kann der Behälter auch durchschmelzen.

Kaum ein heutiger Reaktor hat Vorkehrungen für den Fall, dass es so weit kommt, beispielsweise in Form eines keramischen, hochwarmfesten Auffangschilds unter dem Reaktorbehälter. Wenn kein solcher Schild vorliegt (in den alten Reaktoren in Fukushima liegt kein solcher Schild vor) und wenn tatächlich Schmelze aus dem Reaktorbehälter austritt und wenn es nicht gelingt, die ausgetretene Schmelze zu kühlen, besteht die Gefahr, dass auch das Schutzgebäude (“Containment”) um den inneren Reaktorkern nicht intakt bleibt. Selbst wenn die Schmelze gekühlt werden kann, steht man vor dem Problem, wie mit dem sich aufbauenden Dampfdruck im Containment umgegangen wird.

Die Gefahr eines unkontrollierten Wiedereinsetzens der Kettenreaktion besteht jedoch auch im Fall des Eintritts der Kernschmelze zumindest bei Reaktoren vom in Fukushima eingesetzten Typ nicht.

Der GAU

GAU steht für “Größter Anzunehmender Unfall” und bezeichnet bei einem Kernspaltungskraftwerk den Versagensfall, der vom System noch beherrscht wird, ohne dass es zur Freisetzung großer Mengen radioaktiven Materials in die Umgebung kommt.

Oft meint aber der, der GAU sagt, in Wirklichkeit “Super-GAU”, nämlich den Versagensfall, der das System überfordert und nicht mehr beherrscht werden kann. Es ist keineswegs schon klar, womit man es in Fukushima zu tun hat. Eins aber ist klar: Wäre es wirklich und eindeutig nur der GAU, dann wären alle Beteiligten sicher sehr froh.

Eine außer Kontrolle geratene Kettenreaktion wie eine Atombombe ist in einem Reaktor wie in Fukushima allerdings prinzipbedingt unmöglich. Bei einem schnellen Reaktor könnte meines Wissens ein solcher Störfall eintreten. In Japan exisitiert heute nur ein schneller Reaktor, der in Tsuruga am japanischen Meer.

Über Definition und Eingrenzung des GAU lässt sich sicher trefflich streiten. Fest steht, dass man, um die Sicherheitssysteme zu entwerfen, einen definierten Auslegungsfall braucht. Dazu gehört auch eine Definition der Umgebungsbedingungen. Es ist am Ende eine Frage von Wahrscheinlichkeiten. Niemand wird beispielsweise erwarten können, dass ein Kraftwerk den Einschlag eines 200 Meter großen Asteroiden übersteht, denn so ein Objekt würde ein ganzes Land locker verwüsten. Ein solcher Einschlag ist aber eben auch sehr unwahrscheinlich. Am Ende muss man abwägen.

Wichtig ist – und dies wird sicher in den kommenden Monaten in Japan lebhaft diskutiert werden – ob die Grundannahmen ausreichend waren. Ist ein Kraftwerk erst einmal entworfen und gebaut, dann wird aus dem “größten anzunehmenden Unfall” der “größte (zur Zeit des Entwurfs) angenommene Unfall”. Die tiefgreifende nachträgliche Änderung des Sicherheitssystems kann beliebig schwierig sein – man sollte es deswegen von vorneherein richtig auslegen.

Information zum Störfall im Kraftwerkskomplex Fukushima 1

Wie beschrieben ist dieser spezifische Störfall nicht der Gegenstand dieses Blog-Artikels. Falls Sie Informationen hierzu suchen, die zuverlässiger sind als das, was die Medien behauptet haben, bieten sich folgende Quellen an:

Der Wikipedia-Artikel zum Unglück ist kein schlechter Ausgangspunkt, doch empfiehlt sich bei jeder gemachten Behauptung die Kontrolle, ob die genannte Quelle Ihnen glaubwürdig erscheint. Immerhin werden hier Quellen genannt.

World Nuclear News.org mit brauchbaren Zusammenfassungen der Lage und Links zu zahlreichen anderen Quellen

Webseite der Betreiberfirma Tokyo Electric Power Co., auf der in Pressemitteilungen in knapper Form aktuelle Zustandberichte erscheinen

Webseite der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, die aktuelle Statusberichte liefert. Manchmal ist der IAEA-Server allerdings überlastet, sodass man es mehrfach versuchen muss

Webseite der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) zur aktuellen Situation im Kraftwerkskomplex Fukushima 1 und 2, Onagawa und Tokai (deutsch), mit Chronologie

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

31 Kommentare

  1. Schlimm ist schlimm genug

    Im SPON konnte man lesen, nach der Kernschmelze drohe eine Kettenreaktion und ein ähnlicher Verlauf wie in Tschernobyl.
    Momentan lautet die Headline gerade “Zuerst das Beben, dann die Strahlen” und Kernenergieexperten sagen voraus es werde schlimmer als nach Tschernobyl. Dabei kann es immer noch relativ glimpflich ausgehen. Eist aber kein Zufall, dass gerade in Deutschland ein Armageddon vorausgesagt wird.

  2. Die Presse …

    Im SPON konnte man lesen, nach der Kernschmelze drohe eine Kettenreaktion und ein ähnlicher Verlauf wie in Tschernobyl.

    Wie bereits an anderer Stelle in den SciLogs diskutiert, ist angesichts der grundsätzlich anderen Bauweise Siedewasserreaktor in Fukushima, graphitmoderierter Reaktor in Tschernobyl keinerlei Ähnlichkeit gegeben.

    Ich denke, die Situation ist schon schlimm genug, auch ohne dass die Presse nun versucht, noch weitere Panik zu schüren, indem sie sich in einen Wettbewerb wenig fundierter Spekulation begibt.

    Das braucht jetzt wirklich keiner.

  3. Expertentümelei

    Sehr geehrter Herr Kahn, im Nachbarblog “Formbar” von Alf Köhn schreiben Sie (12.03.2011 | 16:54): Es wäre wirklich hilfreich … wenn in einer solchen Situation auch mal diejenigen von einer Wortmeldung in Form eines Blogposts absehen würden, deren Kernkompetenz ganz offensichtlich woanders liegt. Ich finde es wenig hilfreich, wenn jetzt Physiker aller Couleur meine, sich zu Themen äußern zu müssen, zu denen ich lieber einmal die Meinung eines Kraftwerksingeneiurs hören würde. Es reicht schon, wenn im Fernsehen als Reaktorexperten alle möglichen Leute, von Ärzten bis hin zu Meteorologen präsentiert werden.

    Diese Worte aus dem Munde eines “Missionsanalytikers”, der hier selbst zum Thema “Kernenergie” schreibt. Ein klarer Widerspruch, zumal auch Ihre “Kernkompetenz” nicht im Gebiet der Kernenergie liegt, oder? Ihre Forderung auf die Spitze getrieben würde bedeuten, dass sich der “Nicht-Experte” gefälligst nicht anmaßt, eigene Meinungen zu bilden und stets auf Erklärungen sogenannter “Experten” hören möge. Doch: Wann ist jemand ein “Experte”?

    Ein ärgerlicher Kommentar bei Alf Köhn, der die Idee des Bloggens ad absurdum führt.

  4. @Herr Grebe

    Ich bin in der Tat dagegen, dass Leute von Dingen schreiben, von denen sie nichts verstehen und sich daduch Fehler leisten, die nur Verwirrung stiften. Genau das war in dem beanstandeten Artikel der Fall. Ich sehe nicht, was an dieser Einschätzung falsch sein soll.

    Davon, dass ein Nicht-Experte sich keine Meinung bilden kann, steht hier nichts. Es kommt in dem von mir ziitierten Kommentar noch nicht einmal das Wort “Experte” vor. Ich kann also Ihre Behauptung, dies ergebe sich aus meinem Kommentar, nicht nachvollziehen. Sie beurteilen da nur Ihre eigene Interpretation.

    Dass ein Nicht-Experte allerdings lieber nicht versuchen sollte, für den Diskussionszusammenhang wesentliche technische Zusammenhänge zu erläutern, wenn er schon die Erklärung der Restzerfallswärme versemmelt, sollte eigentlich offenbar sein. Oder sehen Sie das anders?

    Sollte Ihnen in meinem Text ein sachlicher Fehler aufgefallen sein, dann bitte ich Sie, diesen zu benennen. Dass dies nicht geschah, werte ich als Hinweis, dass Sie in der Sache nichts auszusetzen haben.

    Sie werden sehen: Sachliche Kommentare lasse ich gerne stehen. Einen weiteren persönlichen Angriff Ihrerseits, zumal wenn er ungerechtfertigte Interpretationen und Erfindungen enthält, werde ich dagegen einfach entfernen. Es liegt jetzt an Ihnen.

  5. @Herr Grebe

    Wie bei jeder Katastrophe, kann man sich auch bei dieser kaum vor Experten retten.. Grad gestern wieder im “Kernschmelze-TV” Frage des Moderators an einen geifernden Greenpeace-Atomexperten: “… kann der Unfall im Kernkraftwerk Fukushima auch Deutschland gefährden?” Greenpeace-Atomexperte: ” Eindeutig, ja!” Kernschmelze-TV-Moderator: “Warum?” Greenpeace-Atomexperte: “…auch wir hier im Land haben Atomkraftwerke!”

    Ja SUPER! Da lese ich doch lieber schriftliches Fachwissen von jemanden, der mit Sicherheit auch nuklearphysikalisch weit besser bewandert ist, als die meisten “Experten” derzeit. In der Tat habe ich gehofft, dass wenn ich heut morgen in die kosmologs reinschaue, sich Autoren, diesem Thema angenommen haben.

    PS. Zumal eben auch in der Raumfahrt dieses Fachwissen nötig ist (RTGs, Konzepte zum Antrieb mittels Kernspaltung usw.)

  6. Experten als Vehikel für Meinungsmache

    @Michael Kahn, @Herr Grebe, @Mark Korn

    Atomenergie ist stark emotional besetzt und zwar nicht nur beim Normalbürger und den Politikern, sondern auch bei den Experten. Selbst “Experten” mit grossem Fachwissen neigen dazu eine bestimmte Sicht und Haltung gegenüber dem Einsatz der Atomeenergie zu vermitteln indem sie beispielsweise essentielle Dinge verschweigen.

    Aktuell fällt auf, dass sogar viele “Experten” (vor allem aber die SPON-Experten) die Probleme in den japanischen Reaktoren mit Tschernobyl vergleichen obwohl vom Reaktortyp und dem Sicherheitsstandard her ein Vergleich mit Harrisburg und Three Mile Island viel angezeigter wäre.
    Ein Laie kann sich tatsächlich teilweise ein viel besseres Bild machen, wenn er einfach die relevanten Wikipedia-Artikel liest als wenn er sich von “Experten” eine Meinung machen lässt. Das ist bedenklich.

  7. Ich denke, es wäre gut wieder zu mehr Sachlichkeit zurückzufinden. Meinungsverschiedenheiten sind für mich noch längst nicht asozial, aber man kann seine Meinung auch etwas gemäßigter darstellen. Mir ist das momentan alles etwas zu überhitzt, egal von welcher Seite aus.

    Es wäre schön, wenn die SciLogs zur Meinungsbildung beitragen könnten, was sie ja auch schon tun.

  8. @Martin Huhn

    100% Zustimmung. Mein Anliegen ist es übrigens, gerade der nicht immer besonders wohlinformierten Spekulation ein paar fakten gegenüberzustellen. Wenn beide Seiten wenigstens einigermaßen auf demselben Informationsstand sind und nicht über Missverständnisse diskutieren, fördert das grundsätzlich die Diskussionskultur.

    Wenn mir sachliche Fehler unterlaufen, möge man diese aufzeigen. Dafür wurde ich mich sogar bedanken.

    Anpflaumen lasse ich mich allerdings ebenso wenig wie jeder andere … allerdings macht genau das ja auch kaum einer der Kommentatoren.

  9. Hilfreich @Michael Khan

    Ich fand den Beitrag sehr hilfreich, hat er doch einige Dinge klar gemacht. Die Unterschiede der einzelnen Reaktortypen würde mich noch interessieren, aber natürlich kann man das auch selber googeln. Eine Frage hätte ich aber noch: Wenn die Zirkonröhren schmelzen, dann bildet sich am Reaktorboden eine Schmelze aus Uran, den Zerfallsprodukten und dem Zirkon soweit ich das verstanden habe. Ist in dieser Schmelze aber noch die Neutronen absorbierende Wirkung der Borstäbe vorhanden oder befindet sich das Gemisch unterhalb der Borstäbe, so dass es dazu kommen kann, dass in der Schmelze die Kernreaktion wieder auflebt?

  10. das Märchen von der ‘reinen’ Information

    “Ich bin in der Tat dagegen, dass Leute von Dingen schreiben, von denen sie nichts verstehen und sich daduch Fehler leisten, die nur Verwirrung stiften.”

    Würde man das konsequent durchführen, wäre das Internet wohl annähernd “textleer” 😉

    Aber die Welt der Texte (und Informationen) besteht nun einmal (wie z. B. die Welt der Logik) nicht nur aus lexikalischen Fakten, die unumstößlich sind; wie die Wirklichkeit, ist auch die textuelle Welt ein steter Prozess – und sollte das Ziel der größtmöglichen Erkenntnis und damit auch Wahrhaftigkeit verfolgen.

    Gerade im Internet kann man gut verfolgen, wer von wem abgeschrieben hat … und wie fehlerhafte Informationen sich immer weiterverbreiten – wie etwa der zusätzliche Vorname Herrn Guttenbergs, den man bei Wikipedia eingefügt hatte 😉

    Keine Information ist unantastbar; jeder bezieht seine Informationen aus fremden Quellen (oder, falls er als erster die Information aufnimmt oder in seinem Geist eine neue Information “produziert”, ist dabei sein eigener Irrtum nicht ausschließbar, weil seine Wahrnehmungen oder Messgeräte ihn täuschen oder weil seine logischen Schlüsse nur Kurzschlüsse sind).
    Kurzum, jeder muss sich auf “Experten” verlassen – WIE wahrheitsnah ein Experte schreibt oder kommentiert, das muss derjenige, der einen Experten hört oder befragt, NACHHER selbst beurteilen.

    (Nur leider fehlt ihm in der Regel danach die Zeit …)

    Ich fände es allerdings hilfreich, wenn man in Artikeln hinzuschriebe, wer der Experte eigentlich ist … wenn ich einen Clip sehe, wo der Experte vor der Willy-Brandt-Statue steht, ist doch klar, was er sagen wird: pro Gabriel, pro SPD. Der hat dann früher unter Herrn Gabriel gearbeitet … na super. Das ist kein Experte, sondern ein Lobbyist.

    Ebenso umgekehrt.

    Wirklich unabhängige (“neutrale”) Experten sind vermutlich sehr selten …

  11. @ Glaukos

    Ich fände es allerdings hilfreich, wenn man in Artikeln hinzuschriebe, wer der Experte eigentlich ist … wenn ich einen Clip sehe, wo der Experte vor der Willy-Brandt-Statue steht, ist doch klar, was er sagen wird: pro Gabriel, pro SPD. Der hat dann früher unter Herrn Gabriel gearbeitet … na super. Das ist kein Experte, sondern ein Lobbyist.

    Aber immerhin kann man erkennen, woher der Wind weht. Wobei ich nicht weiß, ob man schon von Lobbyismus sprechen muß.

  12. @P. Schramm: Kettenreaktion

    Ist in dieser Schmelze aber noch die Neutronen absorbierende Wirkung der Borstäbe vorhanden oder befindet sich das Gemisch unterhalb der Borstäbe, so dass es dazu kommen kann, dass in der Schmelze die Kernreaktion wieder auflebt?

    Die Steuerstäbe halten ja nur thermische neutronen auf. Aber ohne thermische Neutronen gibt es bei so schwach angereichertem Brennstoff keine Kettenreaktion. Der Einfangquerschnitt für schnelle Neutronen ist zu niedrig. Und ohne Moderator gibt es keine thermischen Neutronen.

    Wie unangenehm die Kernschmelze auch ist und was fúr negative Konsequenzen sie auch nach sich zieht: Ein Wiederaufleben der Kettenreaktion gehört zum Glück nicht dazu.

    Ich weiß, das steht hier und da anders. Was dort an Horrorzeugs stehen mag, stimmt aber nicht.

  13. @Martin Huhn

    Zumindest am Wochende wurde zumindest bei deutschen Fernsehsendern (egal ob ÖR oder privat) nicht einmal vorgeblich der Versuch unternommen, so zu tun, als sei man an der Vermittlung von Informationen interessiert. Wenn die geladenen Fachleute grundsätzlich vom Ökoinstitut oder von Greenpeace sind, ist schon klar, was die gleich sagen werden.

    Als ob es in der Industrie, in Forschungsinstituten und Universitäten nicht genügend Fachleute gäbe. Wenn man denen allen unterstellen will, sie würden nicht sachlich informieren, dann ist das wohl eine hanebüchene Unterstellung und Beleidigung. Zumal dieselbe Frage doch auch an die Leute von Greenpeace und dem Ökoinstitut zu stellen sind. Profitieren nicht gerade solche Irganisationen in erheblichem Maße, auch finanziell, von der möglichst dramatischen Darstellung?

    Eine wohltuende Ausnahme war Euronews, die einen Experten vom IRSN in Frankreich befragten. Da haben sie es dann allerdings in der deutschen Übersetzung wieder versemmelt, denn als der beispielsweise von der Leistungsdichte sprach, machte der offenbar überforderte Übersetzer daras “Radioktivität”. Seufz …

    Übrigens, in dem ganzen Chaos und der ganzen Zerstörung gibt es auch ein wenig Anlass zu Freude und Hoffnung:

    http://www.couriermail.com.au/…on6-1226021418920

  14. Experten in der ARD

    Gerade eben behauptete doch glatt ein vermeintlicher Experte von der Gesellschaft für Strahlenschutz, es fände keine Kühlung des Kerns der Reaktoreinheit 1 der Kernkraftanlage Fukushima 1 durch Meerwasser statt. Damit würde der Druckbehälter “von außen gekühlt”. Soso. Da hat der Herr Experte sich aber nicht sehr gründlich vorbereitet.

    http://en.wikipedia.org/…awater_used_for_cooling

  15. ARD

    das wurde dort gestern Abend auch behauptet. Der Wikipedia-Artikel hat ja sehr schön die Aussagen alle mit entsprechenden Textstellen belegt, danke für den Link.

  16. Hm, das ist schon peinlich, wenn man in der Öffentlichkeit Falsches erzählt. Hat er das bewußt gemacht oder weiß er nicht, wovon er redet? Ich gehe von letzterem aus.

  17. @Martin Huhn

    Mit Meerwasser wurde auch versucht, den Druckbehälter von außen zu kühlen. Aber es wurde eben sehr wohl, und da irrt der Herr Experte von der Gesellschaft für Strahlenschutz, übrigens nicht zu verwechseln mit dem Bundesamt für Strahlenschutz, direkt zur Kühlung des Kerns eingesetzt.

    Siehe u.a. Pressemitteilung der Betreiberfirma TEPCO vom 12.3.2011:

    http://www.tepco.co.jp/…/release/11031234-e.html

    Also, we have been injecting sea water into the reactor core and then boric acid which absorbs neutron.

    Dsselbe steht in unzähligen anderen Quellen. Es ist einfach mal so.

  18. Ein absoluter Laie

    Tschernobyl her, Fukushima hin, wenn ich es richtig verstanden habe, droht doch eine komplette Verstrahlung, oder nicht? Mit allen bekannten Genveränderungen und Krebsarten…
    Es scheint mir auch nicht wahrscheinlich, dass die übrige Welt davon verschont bleibt, auch wenn ich noch den Kommentar im Ohr habe, Deutschland wäre weit genug von Japan entfernt (sorry, war im Radio bei NDR 2, die koplette Quelle fällt mir aber nicht mehr ein). Daran ändert nun auch nicht, dass ich dank dieses Artikels ein paar Fachbegriffe mehr kenne – die ich sicherlich auch bei Wikipedia hätte erfahren können. Die Frage ist nur welche Experte dort schreibt…

  19. @Astrid Lübben

    Ich kann schon verstehen, wenn Leute in so einer Situation verunsichert, traurig, verängstigt oder richtig böse sind. Ich halte meine Emotionen aus der Diskussion heraus, wo es mir gelingt (manchmal gelingt es nicht), aber das bedeutet nicht, dass ich keine habe.

    Was nun die Situation angeht: Was hilft’s denn? Mit Begriffen wie “total verstrahlt” kann niemand etwas anfangen. Wir haben keine Alternative dazu, nüchtern zu klären, wie der Fall liegt und was man unternehmen kann. Dazu braucht man nun einmal Fakten und Daten.

  20. Der Experte legt nach

    Sebastian Pflugbeil von der sogenannten “Gesellschaft für Strahlenschutz”, der sich bereits im ARD Brennpunkt am Montag mit Behauptungen wie “Meerwasser wird nicht zur Kühlung des Reaktorkerns verwendet, damit wird nur der Druckbehälter von außen besprüht” als komplett ahnungslos geoutet hat, legt in weiteren Interviews nich nach, wie hier zitiert:

    http://www.spiegel.de/…nik/0,1518,751396,00.html

    Ob sie den Super-GAU noch abwenden können, ist extrem ungewiss. “Die Anlage ist Schrott – ob die da noch Leute verheizen oder nicht”, sagte der Präsident der deutschen Gesellschaft für Strahlenschutz, Sebastian Pflugbeil, dem Nachrichtensender n-tv.

    Wieso befragt überhaupt noch seiner so einen Menschen? Solche Aussagen sind nicht nur menschenverachtend und verhöhnen diejenigen, die ihre Gesundheit riskieren, um die Katastrophe abzuwenden, sie verkennt auch, was bis jetzt geleistet wurde und vor allem misst sie allen Menschen in der Umgebung wenig Bedeutung bei – denn um die geht es hier nur noch, nicht mehr um die Anlage an sich.

    Mir wird wirklich schlecht, wenn ich sehe, wem hierzulande ein öffentliches Podium geboten wird.

  21. Der Experte legt nach

    Das ist es ja, genau so gestern wieder im heute journal, öffentlich rechtlich erzählt mir da ein langhaariger Aktivist was vom Pferd… Haben wir den keine Doktoren und Professoren? Hoffnungsschimmer danach in Abenteuer Forschung durch Prof. Lesch. Wirklich sinnvolle, Proleten freie Beiträge in Bild und Wort… nur leider wieder viel zu spät für das Massenpublikum.

  22. Moderator

    Guten Tag zusammen,

    Ich habe zu dem o.g. Sachverhalt noch Verständnisschwierigkeiten:

    Der bei den Reaktoren in Fukushima eingesetzte Moderator zgl. Kühlmittel ist Wasser.

    Grundsätzlich wird bei mit Wasser moderierten Reaktoren u.a. der Vorteil betont, dass ein GAU gar nicht erst zu Stande kommen kann, da bei einem unkontrollierten Anstieg der Kerntemperatur das Kühlmittel (Wasser), somit auch der Moderator verdampft und die Kettenreaktion,auf Grund der nun zu schnellen Neutronen, nicht mehr stattfinden kann.

    Vielleicht kann mir hier jemand fachkundiges weiterhelfen?

  23. ChrisK

    Ich bitte Sie, den Artikel aufmerksam zu lesen. Möglicherweise ist Ihnen beim ersten Durchlesen entgangen, was ich zu den Themen “GAU”, “Moderator” und “Nachwärme” geschrieben habe. Dort gehe ich genau auf die Punkte ein, die Sie in ihren Fragen ansprechen.

  24. @ChrisK

    Die derzeit zur Energiegewinnung genutzten Reaktortypen sind zum überwiegenden Teil Wasser-Wasser Reaktoren.
    Wasser funktioniert als Moderator (Verlangsamer) von der bei der Kernspaltung entstegenden energiereichen (schnellen) Neutronen und als Wärmeübertager (Kühlmittel).
    Wenn Wasser als Moderator auftritt ist Entscheidend, dass mit steigender Temperatur die Dichte abnimmt und damit auch die Moderationsfähigkeit. Daher spricht man auch von Selbstregulierung.

    Die Berechnung der sogenannten “aktiven Zone” (auf engl. Core) in Bezug auf a) optimale Ausbeute an langsamen (thermischen) Neutronen und b) optimale Ausbeute an Wärmeenergie ist kernphysikalisch und geometrisch eine Herausforderung.
    Eigentlich ist es wie mit einem Grillfeuer, es soll schön langsam vor sich hin glühen.

    Da wir im Reaktor auf thermische Neutronen angewiesen sind Erlischt die Kettenreaktion ohne Moderator automatisch. Die Restwärme (aus Wärmespeichervermögen und Nachzerfallswärme der Spaltprodukte entlang ihrer Nuklidreihe) muß aber auch abgeführt werden. Wenn das nicht erfolgt kann die Struktur der Brennstäbe beschädigt werden in dem die aus Zr-Legierung bestehende Hülle des Stabes schmilzt (engl. meltdown). Dann kommt es also zu einem core meltdown, der berüchtigten Kernschmelze.

    Also Kettenreaktion ist weg, nur gekühlt werden müß noch lange.

    G.Heim

  25. Frage: Wo bleibt die Energie?

    “Man bedenke hierbei: Die thermische Nennleistung im Block 1 in Fukushima ist rund 1500 Megawatt, ein Prozent davon wären also 15 Megawatt: allemal ausreichend für eine massive Aufheizung des Kerns. Einige Megawatt an thermischer Leistung wollen zuverlässig vom Kern abgeführt und draußen abgegeben werden.”
    Wo bleibt also diese Restleistung von ca. 15 MW,wenn diese nicht über ca. 150 m³/h Wasser, das dann von dieser Leistung verdampft würde, abgeführt wird?
    Bei länger aussetzender Kühlung, müsste dann nicht der Reaktor nach Tagen glühen?
    (Meine Hoffnung: Dumme Fragen gibt es nicht, oder?)

  26. @Hugo Fleischhauer

    Hm, haben Sie sich vielleicht verrechnet? 15 MW ergeben in einer Stunde eine Energie von 54 GJ. Ein kg Wasser, vom 10 auf 100 Grad C erwärmt, nimmt 374 kJ auf, bei der Verdampfung dann nochmals 2.26 MJ, macht zusammen 2.63 MJ. 54 GJ erhitzen und verdampfen somit 20.5 t Wasser. Mittlerweile dürfte die Nachzerfallswärme allerdings deutlich unter 1% der thermischen Nennleistung liegen, in den Abklingbecken ist es auch weniger.

  27. Hugo Fleischhauer @ Michael Khan

    Ich gestehe, ich habe mich auf die Angabe aus Wikipedia verlassen:
    http://de.wikipedia.org/….C3.A4rmekapazit.C3.A4t
    “…Um einen Liter Wasser von Leitungstemperatur unter normalem Druck zum Kochen zu bringen, braucht man also etwa 0,1 kWh Energie.”
    Daraus folgerte ich, dass 15 000 kWh dann 150 000 l Wasser je Stunde zum Kochen bringen. (Die Verdampfungsenergie habe ich, in Anbetracht deren Größe gem. Wikipedia, der von mir gewählten ca.-Angaben und der konstruktiven Gegebenheit vernachlässigt.)
    Irgendwo liegt wohl ein Kommafehler vor.
    (Wenn ich diesen gemacht habe, spende ich für die Notleidenden in Japan, Ehrensache.)
    Dank an Michael Khan für die obige schnelle Antwort.

    [Nein, da liegt kein Komma-Fehler vor. Ihr Fehler liegt in der Vernachlässigung der Verdampfungsenthalpie. Die ist nämlich viel größer als die Energie zur Erhitzung auf 100 Grad C. Es ist sehr lobenswert, dass Sie für die Erdbebenopfer spenden wollen. Einen Link dazu finden Sie in meinem neuen Artikel. M.K.]

  28. @ Michael Khan, Danke

    Ich habe wieder viel dazu gelernt.
    Danke für Ihre Erklärungen.

    (Den Überweisungsträger habe ich heute in meiner Bank abgegeben.)

    Mein Mitgefühl ist bei den Betroffenen.

  29. Dank

    Ich bedanke mich für diesen Artikel, der mir einiges erklärt hat von dem ich nichtmals wusste das es so existiert. Daher habe ich auch nie bei den üblichen Verdächtigen nachgeschlagen

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