Der Tag der Entscheidung: die MSL-Landung

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Fr., 10.8.2012, 13:30: Farbaufnahmen der Navcams, hier zusammengesetzt zu einem Panorama-Mosaik. Das Bild wurde aus 130 kleinen “Thumbnails” mit jeweils nur 144×144 Pixeln zusammengesetzt. Dafür ist die Qualität beachtlich. Quelle: NASA/JPL-CalTech/MSSS


Mi., 8.8.2012, 23:59: Curiosity ist noch keine drei Tage auf dem Mars und schon hat die wissenschaftliche Arbeit begonnen. Der Planetary Photojournal gibt einen beeindruckenden Überblick der bis jetzt gewonnenen Daten. Eine ganz erhebliche Menge Bilder, auch schon als nachbearbeitete Mosaike und anaglyphe Komposite. Erste Messungen des Messgeräts für ionisierende Strahlung. Anstehendes Gestein, das vom Strahl der Triebwerke der Raketenstufe von der dünnen, losen Deckschicht aus Staub, Sand und Geröll befreit wurde. Die Aufschlagzonen der Ballastmassen aus Wolfram, die wie Bomben eingeschlagen sein müssen. Wenn die jetzt schon so loslegen, dann wird die Menge der Daten, wenn es wirklich losgeht, wie eine Flutwelle über uns einströmen. Und so soll das auch sein. Curiosity ist eine wahre Wissenschaftsmaschine. Wenn sie hält, was sie verspricht, ist sie jeden einzelnen Dollar wert.

Hier die beiden Navcam-Bilder, die ich zuvor etwas aufgehellt hatte, als zusammengesetztes Gesamtbild:

PIA 16013 auf dem Planetary Photojournal, Quielle: NASA/JPL

 


 

Mi. 8.8.2012, 16:50: Seltsamerweise ist die NASA bei MSL weit weniger freigebig mit Informationen, als man das sonst so von ihr kennt.Ich muss mir also die Neuigkeiten hier und dort zusammenklauben. Wie auf spaceflightnow.com berichtet, wurde heute der Mast aufgerichtet. MSL ist damit dem Beginn der wissenschaftlichen Phase ein großes Stück näher gerückt. Die NASA hat inzwischen auch Rohbilder der Navcams ins Netz gestellt. Leider sind diese etwas dunkel. Ich habe sie mal heruntergeladen und nachbearbeitet. Bildquelle: NASA/JPL via spaceflightnow.com.

Wenn im Planetary Photojournal bearbeitete Augnahmen auftauchen, werde ich dahin verlinken. Bis dann aber hier meine Nachbearbeitungen (Klicken auf die Bilder führt zur Originalgröße):

One of the first MSL Navcam images, source: NASA/JPL, via spaceflightnow.com, contrast and brightness enhanced by myselfOne of the first MSL Navcam images, source: NASA/JPL, via spaceflightnow.com, contrast and brightness enhanced by myself

 


Mi. 8.8.2012, 9:24: Der Mars-Orbiter MRO hat mit seiner HiRise-Kamera die Landestelle von MSL fotografiert. Dazu musste der Orbiter weiter von der Nadir-Richrung gerollt werden, als normalerweise operationell gestattet.

Die Aufnahme zeigt den gelandeten Curiosity-Rover mit Spuren vom Triebwerksstrahl der Skycrane-Stufe. Die planmäßig abgestürzte Stufe liegt etwa 650 Meter vomn Rover entfernt, also in sicherer Entfernung. Die  Stufe als solche ist nicht zu erkennen, nur die Verfärbung der Umgebung durch den aufgewirbelten Staub beim Aufschlag. Auch der vordere Teil des Hitzeschilds, der vor Ausfahren des Fallschirms abgesprengt wurde, sowie die hintere Hülle mit dem Fallschirm sind zu sehen, und zwar jeweils 1500 und 600 Meter vom Rover entfernt.

PIA 16001 auf dem Planetary Photojournal, Quelle: NASA

 


Di. 7.8.2012, 06:37: Ein erster Teaser aus einer Sequenz von niedrig aufgelösten Bildern der MARDI-Kamera, die während des Abstiegs gemacht worden, ist jetzt verfügbar. Der HD-Film muss spektakulär sein. Dieser Einzelframe zeigt den gerade abgesprengten vorderen Teil des Hitzeschilds. Es wurde zweieinhalb Minuten vor dem Aufsetzen gemacht. Die tatsächliche verfügbare Auflösung ist acht Mal höher. Es wird wahrscheinlich noch Monate dauern, bis die komplette Sequenz in Vollauflösung von 1600 x 1200 Pixeln zur erde gesendet werden kann, aber das Warten lohnt sich.

MARDI-Einzelframe in reduzierter Aufloesung, Quelle: NASA

Und hier noch eine Hazcam-Aufname, diesmal der vorne rechts (nehme ich an), also auf der sonnenabgewandten Seite. Die Aufnahme ist nicht in Vollauflösung. Man sieht den Schatten des Rovers auf der auch hier topfebenen, nur mit kleinen Kieseln bedeckten Oberfläche. Direkt voraus ein Berg, das wird Aeolis Mons sein. Voraus sieht man auch das in diesem Bild aus dem Orbit sichtbare Gebiet mit dunkleren Mineralablagerungen. Quelle: NASA/JPL/CalTech


Mo. 6.8.2012, 18:25: Jetzt ist die MRO-Aufnahme von MSL unter dem Fallschirm auch auf der NASA-Webseite. Absolut fantastisch, wie überhaupt alles, was die NASA heute geleistet hat.

 


 

Mo. 6.8.2012, 18:00: Offenbar hat jemand ein Bild von MRO geleaked, bevor die NASA das Embargo aufhob. Man findet es an diversen Stellen im Web, hier auf dem Blog von Emily Lakdawalla von der Planetary Society. Das Bild, wenn es denn echt ist, zeigt MSL beim Abstieg unter dem Fallschirm.


Mo. 6.8.2012, 15:25: Wissen Sie, wann das Projekt “MSL” in Gang gesetzt wurde? Im März 2004 mit der Ausschreibung für die Experimente. Eigentlich hätte der Start 2009 stattfinden sollen. Da war der Rover schon fertig, aber die Tests der diversen Mechanismen waren da noch nicht soweit gediehen, dass man guten Gewissens das Ding zum Mars hätte schicken können. Also biss man in den sauren Apfel und verschob den Start bis zum nächsten Startfenster im November 2011. Und nun steht der MSL-Rover auf dem Mars. Gerade mal 8 Jahre nach Projektstart.

Vergleichen wir einmal damit, wie die Europäer an so etwas gehen. An der europäischen Rovermission ExoMars wird schon seit 2001 entwickelt. Jetzt, mehr als 10 Jahre später, ist der frühestmögliche Starttermin immer noch in weiter Ferne. Sollten die Europäer es noch in diesem Jahrzehnt schaffen, ihren ersten Rover zum Mars zu schicken, dann hätten sie 18 Jahre mit der Vorbereitung und Entwicklung verbracht. Vielleicht brauchen sie dazu noch länger. Nicht, weil die Ingenieure in Europa so dumm wären, sondern weil die politischen Vorgaben für die Mission, und damit das gesamte Missionskonzept sich mehrfach fundamental geändert haben.

Im Prinzip, um es kurz zu machen, ist das Problem, dass es einfach nicht akzeptiert wird, dass so ein Rover nicht für lau zu haben ist. Wenn man noch lange herumforscht, dann wird es nicht billiger, sondern teurer. Das ist aber auch eine einfache Tatsache, die auf der politischen Ebene nicht kapiert wird. 

Das geht einfach nicht an. Man kann auf diese Art keine wissenschaftliche Community aufbauen und erhalten und keine technologische Kompetenz generieren und beibehalten. Alles, was man so erzeugt, ist Frust bei den Leuten, die ihre besten Jahre an ein Projekt verschwenden, das einfach nicht vorankommt. Jetzt habe ich meine gute Laune wegen des Erfolgs von MSL verdorben. Aber der Vergleich ist einfach zu naheliegend.

 


 

Mo. 6.8.2012, 12:15: Nach den bereits von Stephan Fichtner geposteten Bildern, die mit der “bent pipe”-Übertragung während des Landevorgangs via Odyssey gesendet wurden, hier nun eins mit höherer Auflösung, das von der Raumsonde MRO zwischengespeichert und spáter Odyssey beim folgenden Überflug zwei Stunden nach der Landung übermittelt wurde. Es handelt sich um ein Bild einer “Hazcam” (hazard camera, eine Kamera mit niedriger Auflösung und sehr weitem Blickwinkel). Die hazcam, die dieses Bild lieferte, ist am Rover hinten links. Man sieht links oben den Radiator des RTG und rechts unten das linke Hinterrad. Die zu diesem Zeitpunkt bereits tief stehende Sonne scheint offenbar von hinten direkt in die Kamera, sodass Teile des Bilds überbelichtet sind. Der offenbar sehr ebene Boden mit etwas kleinem Geröll ist gut auszumachen. Ist das am Horizont ein Teil des Kraterwalls?

 

PIA 15973, Quelle: NASA

 


Mo. 6.8.2012, 09:36: Um die phantastische Leistung der NASA-Ingenieure wirklich würdigen zu können, sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Mechanismen, die zwischen Trennung von der Transferstufe und Landung auf der Oberfläche aktiviert wurden, insgesamt einhundert (!) Single Point Failures beinhalteten – Single Point Failures sind Prozesse, die nicht redundant oder fail-safe ausgelegt werden können, und bei denen, wenn es schief geht, alles den Bach ‘runtergeht. Das dürfte ein Weltrekord sein. Ich hoffe, ich arbeite nie an einer Mission mit, die versucht, diesen Rekord zu brechen.


Mo. 6.8.2012, 09:00: Das mit dem Bloggen konnte ich, wie ich jetzt zerknirscht eingestehen muss, knicken. Die Annahme, ich würde es neben der übrigen Pressearbeit schaffen, auch noch online zu gehen, war nicht realistisch.


Mo. 6.8.2012, 07:20: Abtrennung der Transportstufe bestätigt. MSL-Signale auf X-Band (die berühmten “Töne”) wurden u.a. von der ESA-Station in New Norcia empfangen


Mo. 6.8.2012, 07:12: Zumindest war Mars Express noch gesund, als man das letzte Mal mit ihm “sprach” … kein Safe Mode, kein Ausfall des Hauptspeicher-Contollers. Uff …


Mo. 6.8.2012, 05:43: MRO beginnt mit dem UHF-Telemetrieempfang um 05:08 Spacecraft Event Time. Das wäre 7:08 MESZ. Die “bent-pipe”-Übertragung durch Odyssey startet um 05:13 und endet um 5:24, Spacecraft Event Time, UTC. Das entspricht 7:27 und 7:38 Erdempfangszeit, MESZ.


Mo. 6.8.2012, 05:00 Wenn alle Beteiligten ihre Arbeit gut gemacht haben und das nötige Quäntchen Glück nicht fehlt, dann wird heute die Marsphase der Mission MSL beginnen.

Die ESA leistet heute Unterstützung, die zwar nicht zum Erfolg, aber doch zur Auswertung der Landung beiträgt. Hier ein aktueller Web-Artikel zum Thema auf dem Webauftritt der ESA. Aus diesem Artikel stammt die folgende Timeline der Operationen der ESA-Marssonde Mars Express:

Timeline der MEX-Operationen am 6.August 2012, Quelle: ESA

Die relative Geometrie zwischen MSL-Landestelle in Aeolis Palus und Mars Express habe ich bereits hier beschrieben. Trotz der nicht unbedingt günstigen Sichtverhältnisse zum voraussichtlichen Zeitpunkt des Aufsetzens wird Mars Express also bis 5 Minuten nach der wahrscheinlichsten Landezeit auf Empfang bleiben. Das sollte selbst eine Landephase, die länger als geplant dauert, abdecken. Danach dreht sich Mars Express so, dass die X-Band Hauptantenne zur Erde zeigt (“slew to point at Earth”). das dauert etwa eine halbe Stunde. Dann begint die Übermittlung des Speicherinhalts zur Bodenstation auf der Erde. Der Download wird  um 8:40:31 MESZ abgeschlossen sein.

MSL sendet während des Abstiegs auf zwei Frequenzen: Auf UHF werden Daten gesendet. Diese sollen von den NASA-Sonden Odyssey und MRO empfangen und weitergeleitet werden, von Odyssey sofort, von MRO später. Außerdem werden auf X-Band sogenannte “Töne” gesendet, also einfache Signale, mit denen das erfolgreiche Passieren eines kritischen Ereignisses bestätigt wird. Bleibt ein solches Signal aus, weiß man wenigstens, wann es schiefging, wenn auch nicht unbedingt, warum. Die “Töne” werde direkt von irdischen Bodenstationen aufgezeichnet. Auch die ESA-Bodenstation in New Norcia horcht, wie man sieht, bis 7:40 MESZ. Dann ist MSL auf jeden Fall unten, wie auch immer. Aeolis Palus wird um diese Zeit jedoch schon keine Sichtverbindung mehr zur Erde haben, es ist also unmöglich, dass auf direktem Wege Signal von MSL aus der späten Abstiegsphase noch auf der Erde empfangen werden.

Die beiden NASA-Orbiter werden zunächst 2 Stunden (=1 Bahnumlauf), dann 12 Stunden nach der Landung wieder Funkkontakt zu Curiosity haben. Das wäre also heute früh gegen 9 und heute Abend gegen 8 Uhr. Auch die Erde geht von der Landestelle aus erst etwa 12 Mars-Stunden, also gut 12 Erdstunden, nach der Landung auf. Bis dahin wird es also Funkstille von Aeolis Palus geben, auch bei erfolgreicher Landung – bei einem Fehlschlag sowieso.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

19 Kommentare

  1. @MK

    Puh, da hatten Sie ab 20 nach sieben wohl so viel zu tun, das zum bloggen keine Zeit mehr blieb, nehme ich an. Nun ja, ich hab nebenbei noch bei Raumfahrer.net den Live-Blog mit verfolgt. Danach hat ja alles geklappt, wie es sollte. Da wurde auch ein Link zu dieser JPL-Seite geposted, auf der zur Zeit, wo ich das hier schreibe, aber keine Bilddaten zu sehen sind; nur die Texte und links zu den Dingen, die da kommen sollen.

  2. Ich hoffe, ich arbeite nie an einer Mission mit, die versucht, diesen Rekord zu brechen.

    Kann man das denn vorher absehen, ob die Mission so aussehen wird oder nicht? – Oder stellt sich das erst im Laufe der Entwicklung heraus?

  3. @Hans

    Normalerweise braucht ein erfahrener Ingenieur nur den Anforderungskatalog einer Mission zu lesen (und dann noch die bereitgestellten Mittel zu kennen), um zu wissen, wie der Hase läuft.

  4. MRO-Daten kommen erst später

    Das höher aufgelöste Rear-Hazcam-Bild hat ebenfalls Odyssey per bent-pipe geschickt, während des 2. Überflugs gegen 9:30 MESZ, denn die MRO-Aufzeichnungen werden erst nach vielen Stunden verfügbar – siehe mein Protokoll des Tages, der noch lange nicht zuende ist.

    Angesichts des Totalerfolgs (so man das schon sagen kann; diesmal gab es wesentlich weniger frühe technische Informationen als nach den Pathfinder- und MER-Landungen) stellt sich mir folgende Frage: Wie stark ist die Korrelation zwischen der ausreichenden Finanzierung einer Marslandung – erkennbar an zufriedenen Projektmanagern, denen ihre Raumfahrtbehörde gerne noch etwas mehr gab – und dem Erfolg?

    Meine Schätzung: sehr stark. Denn die MER Spirit & Opportunity durften sich reichlich bedienen (Squyres setzte sich immer wieder durch, wenn er noch einen Test mehr verlangte), und Curiosity erst recht. Die drei gewannen. Und der Mars Polar Lander und Russlands Fobos-Grunt waren unterfinanziert und mussten auf viele eigentlich mögliche Tests vor dem Start verzichten – beide versagten.

    [Antwort: Vielen Dank für die Korrektur wegen des übermittelnden Orbiters. Ich habe den Text entsprechend korrigiert. MK]

  5. Dass Zeitdruck, Unterfinanzierung und eine sichere Landung auf dem Mars nicht wirklich zusammenpassen, haben ja auch die Europäer (bzw. Briten) bereits erfolgreich demonstriert – damals mit “Beagle 2”. Dass die Verantwortlichen wenig aus all dem gelernt haben, wollen sie nun offensichtlich mit “Exomars” beweisen.

  6. Wenn man noch lange herumforscht, dann wird es nicht billiger, sondern teurer. Das ist aber auch eine einfache Tatsache, die auf der politischen Ebene nicht kapiert wird.

    Vielleicht sollte ein bekannter und weitläufig anerkannter Wissenschaftler sowas mal in einer überregional erscheinenden Tageszeitung vorrechnen. Am besten einem sauber geplanten Konzept, das schon realisiert wurde eines gegenüber stellen, das schon seit längerem vor sich hin dümpelt und dadurch den ursprünglichen Budgetrahmen gesprengt hat. Den Erscheinungstermin dann sinnigerweise zu einer Zeit wo eine Ministerratssitzung für ESA-Entscheidungen vorbereitet wird, so dass nicht nur von Seiten der Wissenschaft sondern auch durch die interessierte Öffentlichkeit mit Nachdruck erklärt werden kann, das die Sache am Ende noch teuerer wird, wenn sie zu sehr verzögert wird. Aber wahrscheinlich wird es mit einem Artikel nicht getan sein, sondern es dürfte eine regelrechte Kampange notwendig sein.
    Bliebe die Frage zu klären, wer so einen Artikel schreiben sollte? – Am besten jemand, der auch ausserhalb der Wissenschaftsgemeinde relativ bekannt ist und in der Lage, auch eine anschliessende Pressekampagne (inhaltlich und organisatirisch) zu führen.

  7. Laienfrage

    Wurde die SkyCrane-Landung auf der Erde im freien Flug getestet?

    Auf der Erde würde man natürlich rund drei mal stärkere Triebwerke benötigen, und dafür einen viel keineren Fallschirm.

  8. Bereitschaft zur Investition

    Die mangelnde Bereitschaft der Politik, Forschung und Wissenschaft ausreichend zu finanzieren, steht leider vollkommen in Einglang mitder öffentloichen Meinung, zumindest in Deutschland. Für die ist es generell “Abzocke”, wenn mal etwas das Geld kosten soll, was es nun mal objektiv kostet, wenn man es vernünftig macht.

    Die generelle Atmosphäre ist technikfeindlich und kulturpessimistisch, das hat man einfach zur Kenntnis zu nehmen. Irgendeiner, der lospoltert, das sei alles zu teuer, man müsse “denen mal ihre teuren Spielzeuge wegnehmen” und die Mittel ordentlich kürzen, damit sie lernen, den Gürtel enger zu schnallen, ist der Applaus sicher.

    Wer sich dagegen hinsetzt und seine Hausaufgaben macht und dann das Ergebnis präsentiert: “Wir sollten das und das machen, der erste Punnkt kostet so und so viel, der zweite so und so viel, das macht 1.5 Milliarden, hier ist der ausgearbeitete Plan”, dem wird spátestens nach dem Wort “Milliarde” nicht mehr zugehört. Im Gegenteil, er wird von allen Seiten mit Dreck beworfen.

    Das Argument, dass Sparen sehr teuer werden kann, findet kein Gehör. Dabei würde selbst eine wirklich ausreichend finanzierte ExoMars-Mission wahrscheinlich nur ein Bruchteil dessen kosten, was der unrealistische, kontraproduktive und, ja, schlicht dumme Versuch der Politik, das Satellitennavigationssystem Galileo im Rahmen einer Public-Private-Partnership hochzuziehen, den Steuerzahler gekostet haben wird. Diese Rechnung macht ja aber nie jemand auf.

    Einerseits investieren wir objektiv nicht genug in die Infrastruktur. Der Zustand der Straßen, der Schienenwege, der Schulgebäude und der Kindergärten spricht da eine deutliche Sprache, ebenso der Ausstattungsgrad der Schulen und Universitäten. Das ist nicht, wie gern mal behauptet wird, ein Problem, das mit Reorganisation oder Effizienzverbesserung beseitigt werden kann. Es muss einfach mehr Kapital bereitgestellt werden.

    WIR MÜSSEN EINFACH MEHR GELD IN DIE HAND NEHMEN.

    Andererseits schmeißen wir viel Geld aus dem Fenster, auch und gerade beim Versuch, zu sparen. Das ist zwar im Endeffekt auch nur ein Symptom der generell grassierenden Unterfinanzierung des öffentlichen Sektors und kein eigenständiges Problem. Es verschärft aber noch die Situation.

  9. Ich fürchte, mit Ihrer Diagnose liegen Sie leider zu 100% richtig.
    Andrerseits kann ich den Kulturpessimismuss verstehen, der sich in Deutschland breit gemacht hat. Wenn Leute öffentlich vekünden dürfen:

    „Für die Investoren ist entscheidend, dass es der Regierung gelungen ist, ein Projekt gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen.“

    (dpa/Der Tagesspiegel vom 10.3.2007; hier gefunden.)
    dann sieht man schon, das hier im Lande was mächtig faul ist. Bei dieser Aussage ging es zwar um was anderes als die Wissenschaft, aber die Aussage an sich ist schon bezeichnend.

    Und Ihre Aussage, “dass sparen sehr teuer werden kann kein gehör findet”, findet man in wirtschaftlichen Zusammenhängen leider jeden Tag in den Nachdenkseiten bestätigt. Deshalb meine ich ja auch, das es notwendig ist, öffentliche Kampangen für Wissenschaft und Forschung zu betreiben. Aber solche Medienkampangnen kosten leider auch eine Menge Geld, das die eh schon unterfinanzierte Wissenschaft nicht hat, wenn man von ein paar “Leuchtturmprojekten” mal absieht. Dennoch sollte man den Versuch wagen.
    Und ich denke auch, dass die Kosten von umfangreichen Projekten, wie sie in der Raumfahrt nun mal üblich sind, wirklich mal öffentlich bekannter gemacht werden sollten und die Kostensteigerungen, die durch Verschleppung entstehen ebenfalls. Denn nur so wird die Gesellschaft auf lange Sicht ein Verständniss dafür aufbringen können.

  10. Das mit dem Geld

    Frage: ist das mit den Kosten generell in der ESA/Europa ein Problem, oder nur in Deutschland?

    Ich frage weil meine eigene Erfahrung mit Kunden aus DE, FR und GB das Problem als rein deutsches Problem kennt. Bei Franzosen und Briten sind es andere Dinge.

    Deswegen bin ich auch skeptisch, ob man durch ausräumen dieses einen Problem wirklich was ändern würde…

  11. Fehlersuche

    Das Bild, wo der Rover, und die restlichen Teile der Landestufe relativ zum Rover liegen, hab ich heute auch entdeckt. Nun Steht dabei, dass die Auflösung des Bildes 39cm pro Pixel beträgt. Wenn ich mit GIMP den Pixelabstand zwischen den jeweiligen Punkten ermittle, dann erhalte ich folgendes:
    Rover -> Sky crane: 307 Pixel
    Rover -> Back shell: 257 Pixel
    Rover -> Heat shield: 653 Pixel

    Wenn ich dann rechne: 39cm x Pixelanzahl, dann komme ich auf folgende Abstände:
    Rover -> Sky crane: ~120 meter
    Rover -> Back shell: ~100 meter
    Rover -> Heat shield: ~254 meter

    Jetzt stellt sich mir die Frage: Wo hab ich falsch gerechnet? bzw. wo liegt der Fehler sonst, wenn ich richtig gerechnet habe? – Denn die Zahlen unterscheiden sich ja doch erheblich von Ihren.

  12. Erfolg aus Erfahrung oder wg.Simulation?

    Ohne Überblick über alle Details der vorhergehenden Mars-Missionen staune ich natürlich gewaltig, dass die ganze Landesequenz bis ins kleinste Detail funktionierte. Sicher kann man das heute alles sehr gut in Computersimulationen durchspielen – doch trotz allem: es ist erstaunlich.
    Wirklich neu bei diesem Abstieg waren aber wohl nur das Skycrane-Manöver und eventuell noch das schräge, aerodynamische Gleiten durch die Atmosphäre. Hitzeschilde und Fallschirme wurden schon in früheren Missionen verwendet und mussten wohl nur noch in der Grösse angepasst werden. Die Testmöglichkeiten hier auf der Erde sind wahrscheinlich gering, denn die Atmosphäre des Mars ist ja fast unendlich dünn verglichen mit der Atmosphäre der Erde. Ich stelle mir also vor, dass man einerseits schon Formeln entwickelt hat mit denen man aus dem Gewicht der Abstiegskapsel die benötigte Grösse des Fallschirms berechnen kann, ähnliches für den Hitzeschild. Und heute wird man sicher Simulationen durchspielen, die bis ins kleinste Detail gehen. Da man den Abstieg mit den Instrumenten und den externen beobachtenden Kameras sehr gut verfolgt hat, kann man anschliessend die Simulationen mit den tatsächlichen Werten während dem Abstieg vergleichen.

    Von dem her sollten Marmissionen durch die immer besser werdenden Simulationen immer sicherer werden. Wer weiss, vielleicht ist die Zeit vorbei, wo jede dritte Marssonde scheiterte.

  13. @MK

    hm… – Das kann sein. Jetzt sind die Abstandsangaben übrigens auch im Erläuterungstext auf der JPL-Seite dazu geschrieben. Die standen heute Nachmittag noch nicht dabei. Deshalb bin ich davon ausgegangen, das Sie die selber ausgerechnet haben.

    Dennoch frage ich mich immer noch, ob meine Rechnung stimmt oder nicht? – Denn wenn ich den Text richtig verstehe, dann ist das Bild aus einem Winkel von 45° aufgenommen worden, der bei der Abstandsberchnung berücksichtigt werden sollte. So, wie ich es gemacht habe, dürfte es streng genommen nur dann richtig sein, wenn man senkrecht von oben auf das Gebiet guckt. (Die Planetenkrümmung lassen wir mal aussen vor, denn dann würde es noch komplizierter; – aber ich denke, die Abweichungen sind bei der Fläche vernachlässigbar klein.)

  14. Organisationsfrage

    Wieso ist dieser Artikel eigentlich nur noch Umständlich zu finden?
    Auf der SciLogs Startseite ist er nicht mehr – okay, da könnte er inzwischen verschwunden sein, weil so viele Neue erschienen sind, so das er unter heraus fiel. – Aber auf der KosmoLogs Hauptseite ist er auch nicht zu finden. Stattdessen musste ich mich von dort auch erst mal über den Beitrag zum Proton-Fehlstart hier her durchklicken. Ist das so beabsichtigt, oder steckt da irgendwo ein Fehler im System?

  15. @Hans: Aufbau der SciLogs-Seiten

    Es ist auf den Seiten scilogs.de und kosmologs.de so, dass von einem Autor nur der neueste Artikel erscheint. Die älteren Artikel können aber doch gefunden werden, indem man direkt der Startseite des betreffenden Blogs geht, also indem man da, wo “von Michael Khan” in “Go for Launch” steht, auf “Go for Launch” klickt. Dann erscheint die Liste der ersten Absätze meiner Artikel in chronologischer Reihenfolge. Ich achte immer darauf, dass ich einen “More”-tag einfüge. dann erscheint in der Liste aller meiner Artikel immer nur der erste Absatz jedes Artikels, bis dorthin, wo ich den More-tag gesetzt habe. Das machen nicht alle Blogger so. Bei denen erscheinen in der Titelseite ihres Blogs alle Artikel in voller Länge. Wenn man da was sucht, kriegt man wunde Finger.

    Am Einfachsten ist es, Sie nehmen Go for Launch in die Favoritenliste in Ihrem Browser auf. Dann ersparen Sie sich manche Zwischenschritte.

    Ich muss hinzufügen, dass auch die scilogs-Blogger sich über so manches Feature dieser Blogumgebung aufregen. Angefangen (aber keineswegs aufhörend) bei der Tatsache, dass es keine Vorschaufunktion für Kommentare. Darauf haben wir aber wenig Einfluss.

  16. Wenn auch etwas verspätet, dennoch danke für die Info. Ich hab mir inzwischen auch eine effektivere Suchmethode angewöhnt.

    Eine Vorschaufunktion für Kommentare würde ich auch begrüssen. Dann könnte manches nachfolgende Posting, in dem es nur um Fehlerkorrektur geht, vermieden werden.
    Ausserdem hab ich mir angewöhnt, meine Kommentare mit einem einfachen Texteditor vor zu schreiben, wenn sie eine bestimmte Länge überschreiten. Dadurch wird das Korrekturlesen leichter und manche Fehler eher sichtbar.

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