Nordkoreanischer Satellit in stabiler Umlaufbahn

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Am 7. Februar 2016 startete eine dreistufige Unha-Rakete von der nordkoreanischen Basis Sohae einen Satelliten mit dem klangvollen Namen Kwangmyŏngsŏng-4 in eine Bahn um die Erde. Das Erreichen der Bahn durch den Satelliten und seine Oberstufe wurde per Radarmessungen des US-Militärs bestätigt.

Der Satellit hat die Spacetrack-Katalognummer 41332 und die COSPAR-ID 2016-009-A.  Seine Bahn hat eine Neigung gegenüber dem Erdäquator von 97.5 Grad. Die Bahn ist leicht exzentrisch, ihr Perigäum hat eine Höhe von 465 km, ihr Apogäum von 501 km. Die Oberstufe der Unha-Rakete erreichte ebenfalls die Umlaufbahn; sie hat die Katalognummer 41333. Ab Sonntag werden übrigens beide Objekte in den Abendstunden noch von der Sonne beleuchtet über Deutschland hinweg fliegen, wenn auch nur kurz und horizontnah. Je nachdem, wie hell sie erscheinen (wie groß sie sind und wie viel Sonnenlicht sie zum Beobachter hin reflektieren), können sie dabei vielleicht beobachtet und fotografiert werden. Wann genau, sagen Ihnen Heavens Above oder Calsky.

In Presseberichten wurde gemeldet dass der Satellit offenbar taumelt, wobei sich wie schon beim Start des Satelliten Kwangmyŏngsŏng-3 Unit 2 am 12.12.2012 die Frage stellt, wie man das festgestellt hat.

In manchen Pressemitteilungen ( Beispiel: SPON und ORF unter Berufung auf CBS) haben die jeweiligen Verfasser allerdings etwas missverstanden und blasen Falschmeidungen heraus. Wird in der englischsprachigen Presse noch von “tumbling in orbit” gesprochen, so haben deutschsprachige Journalisten dies als “Schlingerkurs im Orbit” übersetzt – kompletter Unfug. Insbesondere die Behauptung, es sei nicht gelungen, den Satelliten in eine stabile Umlaufbahn zu bringen, ist ganz einfach falsch.

Das Gegenteil ist der Fall.

EIne Bahn, deren Perigäumshöhe bei 465 km liegt, ist stabil. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ihre Lebendauer wird mindestens einige Jahre betragen, abhängig davon, wie kompakt der Satellit gebaut ist. Ob der Satellit taumelt oder nicht, ist nebensächlich. Ich weiß nicht, was genau mit Taumeln gemeint ist – wahrscheinlich nicht mehr als eine offenbar nicht konstant auf den Nadir zeigende Ausrichtung im Raum, wie man es von einem aktiven Satelliten erwarten würde.

Aber das ist nicht wirklich wichtig – mit der Stabilität der Bahn hat es ohnehin nichts zu tun. Der kaputte europäische Erdbeobachtungssatellit Envisat beispielsweise taumelt kräftig, was selbst Amateurastronomen einfach beobachten können. Trotzdem ist seine Bahn durchaus stabil – es würde noch etliche Jahrzehnte dauern, bis das Ding endlich weg ist, es sei denn, man holt es.

Überhaupt halte ich es für nebensächlich, was mit dem nordkoreanischen Satelliten ist. Ich denke, das ist gar nicht der wesentliche Punkt. Für wirklich wesentlich halte ich, dass Nordkorea mittlerweile mindestens zum zweiten Mal seine Fähigkeit demonstriert hat, eine Rakete zu starten, die bis zum Erreichen der Zielbahn funktioniert.

Wer weiß denn, ob dieser Satellit überhaupt mit besonders viel Sorgfalt dafür konstruiert wurde, im Orbit zu funktionieren? Vielleicht sollte er ja auch nur, wie damals der erste französische Erdsatellit Astérix, im Wesentlichen die Feststellung der Funktionsfähigkeit der Rakete und die Messung der Genauigkeit des Bahneinschusses unterstützen. Die eigentliche Erdatellitenfunktion wäre dann nur eine Dreingabe gewesen. Vielleicht auch nur ein Feigenblatt.

Ich will den nordkoreanischen Machthabern ja nichts unterstellen. Aber trotzdem drängt sich ein böser Verdacht auf. Wer weiß, es könnte ja sein, dass der eigentliche Einsatzzweck der Rakete gar nicht die Erreichung derjenigen Art von Erdbahnen ist, deren Perigäum deutlich außerhalb der Erdatmosphäre liegt, sondern vielmehr die Erreichung einer anderen Klasse von Erdbahnen, deren Perigäum  unterhalb der Erdoberfläche angesiedelt ist. Gerade da ist die Präzision der Trajektorie von besonderer Bedeutung. Militärische Kreise sind erfahrungsgemäß an beiden Klassen von Bahnen stark interessiert, allerdings jeweils mit Hinblick auf ganz verschiedene Anwendungen.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

8 Kommentare

  1. Norkorea zeigt: Raumfahrt ist auch in völliger Isolation möglich. Muss ja auch so sein, denn die ersten russischen und US-Satelliten waren weder das Resultat von Kooperationen noch basierten sie auf allgemein zugänglichen Informationen wie Forschungsberichten.
    Der Zweck des nordkoreanischen Satelliten ist wohl die Demonstration einer Fähigkeit und nichts anderes. Die ganze Raketentechnologie hat bei Nordkorea wohl vor allem einen militärischen Zweck und dient der Abschreckung. Doch Abschreckung wäre gar nicht nötig, denn weder die Chinesen noch die Südkoreaner wollen, dass Nordkorea von der Landkarte verschwindet. Die Südkoreaner nicht, weil sie sich bei einer Wiedervereinigung die gleichen Probleme wie Deutschland aufhalsen würden, nur um ein Vielfaches potenziert. Und China braucht Nordkorea als Pufferstaat. Trotzdem lösen die Drohgebärden Nordkoreas einiges aus. Japan begründet damit seine Remilitarisierung und Südkorea baut roboterisiserte Grenzposten. Würde das Beispiel Nordkorea international Schule machen würde das den Rüstungswettlauf wohl wieder befeuern.

    • Das mit der völligen Isolation stimmt wohl eher nicht. Die unteren zwei Stufen der Unha-Rakete scheinen sich der Technik der bekannten sowjetischen Scud zu bedienen. Die dritte Stufe könnte komplett von der Zweitstufe der iranischen Safir übernommen worden sein, die am Ende auch wieder auf Scud-Technologie zurückgeht.

      Mein – vielleicht falscher – Eindruck von der Zielsetzung des nordkoreanischen Regimes zumindest in den vergangenen 15 Jahren ist, dass die ziemlich genau zu wissen scheinen, wie weit sie zu weit gehen dürfen. Ärger machen sie offenbar dann, wenn sie wieder Stütze brauchen.

      • Ich bin auch kein Militärstratege und die militärische Logik ist nicht unbedingt meine Logik. Aber ich denke mal, ich sage nichts falsches, wenn ich behaupte, ein Land X schafft sich grundsätzlich deswegen Nuklearwaffen an, um damit potenzielle Gegner zu bedrohen.

        Wenn das Land X nun aber seine ICBMs mehrere Tage auf den Start vorbereiten muss und es dazu eine einzige feste, komplexe Startbasis hat, und der Gegner diese eine Basis nur platt machen muss, um das Land X jeglicher Offensivkraft zu berauben, dann fühlt sich dieser Gegner vielleicht gar nicht mal so sehr bedroht.

        • Okay, das ergibt einen Sinn.
          Ich hatte bei ICBMs allerdings auch Raketen von der Grösse der Ariane 5 im Kopf und mich dann gefragt, wie man die Mobil machen soll? – Aber später hab ich dann gelesen, das bereits Raketen mit einer Reichweite über 5500km als Interkontinentalraketen gelten. Und die kann man auch kleiner bauen, denn die müssen ja nicht so hoch fliegen, dass sie einen stabilen Orbit erreichen – und die dafür nötige Geschwindigkeit brauchen sie auch nicht.

          • Nein, ICBMs sind nicht groß. Es werden ja ausgemusterte ICBMs (Rockot, Minotaur) für Satellitenstarts eingesetzt. Die schaffen nur etwa 1-1.5 Tonnen ins LEO.

      • Stichwort Zweitschlagsfähigkeit. Es ist durchaus sinnvoll, seine ICBMs mobil zu machen. Das macht es einem potentiellen Gegner scherer, einen mit einem “Enthauptungsschlag” kampfunfähig zu machen

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