STAP-Skandal endgültig aufgearbeitet?

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Die Affäre um die angebliche Entdeckung eines radikal vereinfachten Verfahrens zur Erzeugung pluripotenter Zellen, bekannt unter dem Namen “STAP” (Stimulus acquired pluripotency) ist mit der Veröffentlichung zweiter neuer und relevanter Papers in Nature im September 2015 der Aufklärung ein gutes Stück näher gekommen. Siehe auch die Kosmologs-Artikel vom 6. August 2014, 10. September 2014 und 7. Januar 2015.

Haruko Obokata, die Hauptautorin der bereits im Juli 2014 zurückgezogenen, beanstandeten Veröffentlichungen, hatte bis Ende 2014 Zeit bekommen, ihre Experimente unter Aufsicht zu wiederhole. Es gelang ihr aber nicht,  die behaupteten Ergebnisse zu reproduzieren.

Die zwei nun veröffentlichten Papers dürften der Spekulation, dass an STAP doch etwas dran sei – wie es einer der Ko-Autoren der zurückgezogenen Papers und wahrscheinliche Urheber der STAP-Idee, weiterhin standfest behauptet hatte – ein Ende setzen.

A. de los Angeles et al. beschreiben die allesamt erfolglosen Versuche zur Reproduktion des von Obokata et al. beschriebenen Verfahrens. Kurz: Es geht nicht.

D. Konno et al. sagen, dass die in Obokatas Versuchen angeblich festgestellten pluripotenten Zellen von Verunreinigungen durch embryonale Stammzellen stammen. Nature stellt die beiden neuen Papers vom September 2015 in einem Einführungsartikel vor, in dem auf ein weiteres Hintergrund-Paper verwiesen wird, das das Phänomen der Pluripotenz erläutert. Paul Knoepfler erklärt die neuen Entwicklungen in dieser Sache auf seinem Blog aus seiner Sicht und etwas nachvollziehbarer für Laien wie mich.

Und Haruko Obokata? Die ist zusätzlich zum Ende ihrer Karriere und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes beim RIKEN nun auch noch ihren Doktortitel los. Wegen diverser Probleme mit ihrer Doktorarbeit, also noch nicht einmal direkt aufgrund des STAP-Skandals, entschloss sich die Waseda-Universität am 2.11.2015, ihr die Doktorwürde zu entziehen.

Erstaunlich ruhig ist es um Charles Vacanti, dessen Rolle in der ganzen Angelegenheit vielleicht weniger nebensächlich ist, als es seine “Ferner liefen”-Ko-Autorschaft in den beanstandeten Papers vermuten lässt. Sein Labor hat bei den Maßnahmen zur Aufklärung uneingeschränkt kooperiert, Vacanti selbst war jedoch im August 2014 auf ein einjähriges Sabbatical gegangen. Das ist ja nun vorbei, und man wird jetzt vielleicht auch an ihn die eine oder andere Frage stellen. Ganz aufgearbeitet ist die ganze Sache also noch lange nicht.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

7 Kommentare

  1. Pluripotente Stammzellen aus gewöhnlichen Zellen herzustellen würde die Transplantationsmedizin revolutionieren. Deshalb der ganze Wirbel um STAP, also die Behauptung mit externen Stimuli recht grober Art könne man Stammzellen erzeugen. Nur darum, weil die Konsequenzen einer solchen Technik wie STAP für die Forschung und Medizin so gross wären, ist der Rummel um STAP zu erklären und nur darum gibt es die im Artikel erwähnten aufwendigen Versuche STAP zu reproduzieren und aufzuklären was bei den Versuchen des RIKEN- Teams(?) um Haruko Obata schiefging.
    Könnte man nämlich Stammzellen aus Körperzellen gewinnen, wären Krankheiten wie Diabetes I, bei dem die eigenen insulinproduzierenden Zellen zerstört wurden , dadurch heilbar, dass man neue insulinproduzierende Zellen aus anderen Körperzellen desselben Patienten gewänne. Im Extremfall könnte man ganze Organe aus neu erzeugten Stammzellen züchten und die zweite Niere, die man transplaniert erhielte wäre dann genauso gut wie die eigene, denn es wäre die eigene Niere. Der Artikel HOW DO WE GET PLURIPOTENT STEM CELLS? erklärt gut wie schwierig es ist, Stammzellen aus gewöhnlichen Körperzellen zu gewinnen. Es gibt foldgende Methoden
    1) Genetische Reprogrammierung der Körperzelle durch Editieren von 4 Genen. Das ist aufwendig und ergibt meist nur wenig Stammzellen
    2) Zellkerntransfer. Hier wird der Zellkern einer Eizelle durch den Kern einer Körperzelle ersetzt. Das ist eine gute Methode, denn sie liefert sehr viele Stammzellen, entwickelt sich doch nach dem Transfer ein Embryo. Allerdings ist der Zellkerntransfer technisch sehr aufwendig und hängt von hochpräzisen Manipulationen ab, die nur wenigen gelingen.
    3) Parthogenesis. Dabei werden unbefruchtete Eizellen so beeinflusst, dass sie sich zu einem Embryo entwickeln. Wenn es beim Menschen gelänge (bis jetzt nur bei Mäusen erfolgreich) könnten Frauen benötigte Ersatzzellen und Ersatzgewebe aus ihren eigen Eizellen gewinnen.

    Ich zweifle nicht daran, dass es irgendwann gelingen wird auf effiziente und einfache Weise und in kurzer Zeit aus eigenen beispielsweise Hautzellen, Stammzellen zu gewinnen und diese dann zu den gewünschten Zellinien oder gar Organen ausdifferenzieren zu lassen. Das wird für die, die es sich leisten können einiges verändern. Doch momentan sind wir noch weit davon entfernt. Auf so einfache Weise wie von Haruka Obata behauptet, wird es allerdings nicht gehen. Das scheint klar.

  2. Ich denke nicht, dass ein solcher Betrug, der in dem Freitod eines Menschen mündet, jemals wirklich aufgearbeitet sein kann.
    Ansonsten bleibt es für mich als Stammzellwissenschaftlerin zum großen Teil ein Verschulden der extrem unkritischen Medien. Selbst beim ersten Überfliegen sind große Ungereimtheiten aufgefallen. Trotzdem wurde das Thema vorbehaltlos über sämtliche Kanäle verbreitet. Ein Lehrstück in völlig verkorkster Wissenskommunikation.

    • Sicher wird eine Frage, die ich mir immer wieder gestellt habe, niemals beantwortet werden: “Warum machen die sowas? Es muss denen doch klar gewesen sein, dass das auffliegen wird”. Die Beurteilung gerade zum Thema der Kontamination mit embryonalen Stammzellen ist bei aller Vorsichtigkeit der Wortwahl doch ziemlich vernichtend – ein Versehen wird für ausgesprochen unwahrscheinlich gehalten. Das bedeutet, die verfälschung der Ergebnisse muss absichtlich geschehen sein.

      Aber warum? In vielen Betrugsfällen lautet die Antwort auf das “Warum?” wohl: “Weil sie dachten, sie kommen damit durch.”

      Im gegebenen Fall kann das aber nicht die Antwort gewesen sein. Es muss doch den Urhebern des Skandals klar gewesen sein, dass sofort jeder in der Community versuchen würde, die Ergebnisse zu reproduzieren, sodass jeglicher Betrug unverzüglich auffliegen wird. Genau so kam es ja auch.

      Es ist mir ein Rätsel.

      Was nun die Rolle der Medien angeht, da bin ich, der ich nun wirklich nicht als Freund der Tagespresse bekannt bin, doch etwas zurückhaltend mit meiner Kritik.

      Ich denke, man kann es Journalisten, die kein Hintergrundwissen mitbringen, nicht ankreiden, dass sie davon ausgehen, dass eine Publikation wie Nature die Papers, die sie veröffentlicht – gerade weil es sich um so ein brandheißes Thema handelt – auch ordentlich prüft bzw. prüfen lässt.

      Auch viele Fachleute sind in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung im Februar 2014 vielfach zunächst einmal nicht offen skeptisch in ihren Äußerungen gewesen. Das Web vergisst nichts, und ist aufschlussreich, die Diskussionen in den einschlägigen Foren vor dem Hintergrund dessen, was man jetzt weiß, noch einmal anzuschauen. Erst nachdem die ersten Meldungen der Nicht-Reproduzierbarkeit kamen, kippte die Stimmung in der Fachwelt.

      Fairerweise kann man den Medien da auch keinen Vorwurf machen.

      Was natürlich immer bedenklich war, ist die ziemlich abstoßende Konzentration gerade der japanischen Medien auf vollkommen irrelevante Nebensächlichkeiten wie die Obokatas Schürze oder die Mumin-Dekoration an der rosa Bürowand. Diesem Affen aber wurde durchweg gekonnt von den Verantwortlichen im RIKEN Zucker gegeben. Das hätte auch nicht sein müssen.

      Rückblickend muss man sagen, das gerade diese Manipulation der Berichterstattung hinreichend Anlass zum Zweifel an der Glaubwürdigkeit der ganzen Sache geliefert hätte. Aber hinterher ist man immer schlauer.

      Ich sehe das Positive an der Sache, das jetzt auch von Nature hervorgehoben wird – obwohl ich von denen wirklich etwas Zerknirschung erwarten würde. Das wichtigste ist doch, dass die Kontrollfunktion des wissenschaftlichen Prozesses funktioniert hat.

  3. Die Frage nach dem Warum? habe ich mir auch als erstes gestellt? Schon unglaublich, dass man glaubt so hochrangig zu publizieren ohne dass der Betrug auffällt. Aber es gibt so Leute, die von einer Idee völlig überzeugt sind, auch wenn die Daten nicht unbedingt auf Ihrer Seite sind. Kenne ich in meinem Feld auch. Das grenzt schon an Größenwahn. Ein bisschen Selbstreflexion tut den meisten Menschen eben doch ganz gut.
    Und wie das bei Nature durch den Review-Prozess gegangen ist, verstehe ich auch nicht. Wie sie sagen, verlief die Aufarbeitung dann allerdings recht zügig. Was gemessen an der Brisanz der Methode aber auch wenig verwundert. Die Überprüfung konnte doch sehr einfach ohne besonderes Equipment durchgeführt werden. Da fiel der Betrug eben sehr schnell auf.
    Es gibt ja ganz andere Fälle, wo das gerne unter den Tisch gekehrt oder weggeschwiegen wird ohne das die Verantwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen werden.
    Zum Vergleich mal diese sehr fragwürdige Meldung hier (ohne, dass jemals “offiziell” von Fälschung gesprochen wurde: http://retractionwatch.com/2015/01/12/leading-diabetes-researcher-corrects-paper-dozen-studies-questioned-pubpeer/
    Wenn dann auf Grund von gefälschten Ergebnissen bereits Auszeichnungen mit Preisgeldern verliehen wurden, was macht man dann eigentlich? Kann man solche Leute in irgendeiner Weise haftbar machen? Meistens handelt es sich ja dabei um Veruntreuung von Steuergeldern. Von den Geldern, die andere Labor aufwenden um eine vermeintlich funktionierende Methode anzuwenden, ganz zu schweigen.

    • Ich kann die Sache mit den Papers von Kathrin Maedler mangels Fachwissens nicht beurteilen. Nach der Lektüre der Artikel auf PubPeer und RetractionWatch sowie dieses Blog-Artikels von Ralf Neumann bekommt man allerdings unweigerlich ein ungutes Gefühl.

      Es kann doch wohl hoffentlich nicht sein, dass es zum STAP-Skandal kam, weil in dieser Branche ein solcher Umgang mit wissenschaftlichen Daten gang und gäbe ist und es daher eine gute Chance gibt, nicht aufzufliegen?

      Nein, das kann im Fall des STAP-Skandals einfach nicht die Erklärung sein. Es musste allein Beteiligten klar sein, dass sie damit nicht durchkommen.

      Zumindest den Hauptakteuren muss das klar gewesen sein. Anderen Ko-Autoren vielleicht weniger. Dass da manchmal ein höher gestellter Wissenschaftler von internationalem Ruf mit drauf stehen will und man ihm das als aufstrebender Nachwuchswissenschaftler lieber nicht abschlägt, obwohl er eigentlich nicht gar so viel beigetragen hat, ist wohl ein sattsam bekanntes Phänomen. Das hier liest sich so, als wäre genau das auch hier passiert, aber dann nach hinten losgegangen.

      Ich weiß nicht, ob man die Urheber eines Skandals haftbar machen kann. Dazu bedürfte es wohl des Nachweises des vorsätzlichen Betrugs aus niederen Beweggründen. Genau das düfte allerdings meist ziemlich schwierig sein. Die Abgrenzung des Vorsatzes von Schlampigkeit, Unvorsichtigkeit oder eines “in good faith” unterlaufenden Irrtums ist nicht einfach.

      Und dann obliegt ja auch denen, die Preise vergeben, eine gewisse Sorgfaltspflicht. Wenn sie die gebotene Sorgfalt nicht walten lassen, kann man das ja nicht allein dem anlasten, der davon profitiert hat.

      Ich weiß auch nicht, ob eine formale Bestrafung überhaupt erforderlich ist. Viele der Personen, denen ein saftiger Skandal um die Ohren geflogen ist, haben doch de facto eine richtig schwere Strafe erhalten, die auch auf mögliche Nachahmer abschreckend wirken dürfte.

      Was ist denn mit Obokata? Doktortitel weg (wenn auch aus anderen Gründen), Job weg, Ruf ruiniert, international berüchtigt, mit 32 Jahren keine Chance mehr, jemals einen Job in ihrer Branche zu finden …

      Für Jan Hendrik Schön ist es nach dem Auffliegen der Sache auch nicht mehr so gut gelaufen.

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