Taumelt der nordkoreanische Satellit?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Heute sind Presseberichte aufgetaucht, nach denen ein gestern gestarteter nordkoreanischer Kleinsatellit “unkontrolliert taumele”. offenbar gehen diese Berichte auf einen Artikel bei NBC News zurück, wo einer nicht genauer bezeichneten US-Stelle diese Aussage zugeschrieben wird.

Da stellt sich natürlich schon die Frage, woher diese Stellen das denn wissen wollen. Information zur inertialen Orientierung erhält man entweder aus der Telemetrie, oder wenn man die nicht hat, aus der Lichtkurve oder aus Radarmessungen.

Um Telemetrie auslesen zu können, braucht man Funkverbindung und Zugang zu den Datenformaten. Trifft das für amerikanische Stellen zu?

Eine Lichtkurve zu erstellen, also die zeitliche Variation der Intensität des vom Satelliten reflektierten Lichts zu messen, wird durch die Tatsache erschwert, dass der Satellit auf einer sonnensynchronen Bahn mit Knotendurchgängen bei 9 Uhr und 21 Uhr lokaler Zeit liegt. Wir in Europa sehen diesen Satelliten nie, er ist, wenn wir ihn sehen, entweder vollkommen im Erdschatten oder vollkommen im Sonnenlicht, aber es ist nie so, dass wir ihn noch von der Sonne angestrahlt sehen, wenn der Himmel schon dunkel ist.

Zusätzlich wird das Erstellen einer Lichtkurve dadurch erschwert, dass der Satellit nicht groß ist und dass seine exakte Form nicht bekannt ist. Bei einem Körper unbekannter Form können alle möglichen Reflexionen an Ecken, Kanten und Flächen Variationen der Helligkeit hervorrufen. Auf eine Taumelbewegung kann man so noch lange nicht schließen.

Also müssen die besagten US-Stellen sich fast schon zwangsläufig auf abbildende Radarmessungen beziehen. Interessant, dass die – ich nehme an, es geht um militärische Weltraumüberwachung – das offenbar gemacht haben, bzw., das sie das bei einem so kleinen Objekt überhaupt machen können. Die Bilder werden wir ja wohl nicht zu sehen bekommen, aber die im Raum stehende Aussage allein lässt schon Rückschlüsse auf das Auflösungsvermögen des verwendeten Radars zu.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. @Daniel Fischer

    Einiges, was in dem Text steht, ist wahrscheinlich auf ein Missverständnis der CNN-Journalistin zurückzuführen.

    Since there are issues about control, the United States is not certain the satellite is in a fully stable orbit.

    Ob der Satellit steuerbar ist oder nicht, hat mit der Stabilität seiner Bahn überhaupt nichts zu tun. Es gibt keine Frage darüber, dass der Satellit wahrscheinlich eher Jahre als Monate in seiner Bahn bleibt, auch wenn er mausetot ist.

    Auch der letzte Satz ist reichlich nebulös. Hat der Satellit denn ausfahrbare Solargeneratoren? Nach meinem Wissenstand, der falsch sein kann, ist das ein Kubus, von dem vier Seiten mit Solarzellen bestückt sind. Da braucht nichts ausgefahren zu werden.

    Und selbst wenn so ein Vorgang notwendig wäre, dann hätte es ohnehin nicht gleich nach Erreichen des Orbits von der Bodenkontrolle aus gesendet werden können, denn der Satellit war da schon über Australien, also weit außerhalb jeglicher Funksichtweite von Nordkorea. Die notwendigen Vorgänge hätte man timergesteuer ausführen lassen.

  2. Wir sind wieder im Jahr 1998 …

    … als die nordkoreanische Nachrichtenagentur von den Sendungen eines Satelliten schwärmte (der nach allem, was wir wissen, nie den Orbit erreichte): Auch jetzt soll da angeblich was kommen, was aber außer den Nordkoreanern selber leider niemand bestätigen kann. (Die haben übrigens südkoreanischen Angaben zufolge mehrere mobile Bodenstationen in anderen asiatischen Ländern aufstellen dürfen.)

    Aber wenigstens ist diesmal der Satellit echt und natürlich auf einer per se stabilen Bahn (auch wenn’s nicht ganz die angestrebte 500-km-Kreisbahn geworden ist): Der CNN-Schreiber ist aber bei weitem nicht der einzige, der das angebliche “Taumeln im All” als instabilen Orbit missversteht. In einem Artikel wurde gar schon fabuliert, der Satellite werde nun alsbald mit einem anderen kollidieren und die Kessler-Kaskade auslösen. Würde ja zum nahen Weltende passen …

  3. Abbildende Systeme

    > Information zur inertialen Lage erhält
    > man entweder aus der Telemetrie, oder
    > wenn man die nicht hat, aus der
    > Lichtkurve oder aus Radarmessungen.

    Ich weiß nicht wie groß der Satellit ist, aber vermutlich kann man die Lage und ihre Änderung auch mit einem entsprechend hochauflösendem Teleskop bestimmen.

    Welche Auflösung die Amerikaner (mindestens) schon 2002 erreichen konnten, sieht man hier sehr schön:
    http://www.fas.org/…y/program/track/starfire.pdf

    Das war vor 10 Jahren. Vermutlich geht das jetzt besser und auch am Taghimmel.

    Viele Grüße,
    Matthias

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