Tunguska – Wer war der Übeltäter?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Auslese 2009Das Tunguska-Ereignis ist mittlerweile 101 Jahre her und die Kontroverse um die Ursache geht munter weiter, auch in den Kosmologs. Das soll auch so sein, wissenschaftliche Blogs sollen schließlich zu einer Diskussion führen.

Gemaelde von William Hartmann nach AugenzeugenberichtenLassen wir die exotischen Theorien außen vor und kümmern wir uns nur um die mit Abstand wahrscheinlichste Hypothese zur Ursache des Ereignisses: Ein Objekt mit einem Durchmesser irgendwo zwischen 40 und 80 Metern trat mit hoher Geschwindigkeit wahrscheinlich recht steil in die Erdatmosphäre ein und zerplatzte in etwa 8 km Höhe über einer abgelegenen Region am Fluss Untere Steinige Tunguska in Sibirien. Dabei wurde eine Energie freigesetzt, die etwa 10 bis 15 Megatonnen TNT entspricht, also der Gegenwert einer massiven Wasserstoffbombe – mit entsprechenden Folgen für das zum Glück dünn besiedelte Gebiet darunter.

Dass sich massive Objekte unterhalb einer gewissen Größe, etwa unter 100 Metern Durchmesser, zerlegen, wenn sie beim Eintritt in die Atmosphäre mit Hyperschallgeschwindigkeit auf eine rapide zunehmende Luftdichte treffen, ist bekannt. Ausnahme sind metallische Objekte, die aufgrund ihrer höheren Materialfestigkeit und Dichte gute Chancen haben, den Boden zu erreichen.

Hierüber gibt es keine Kontroverse. Es ist allerdings so, dass die Höhe der schlagartigen Zerlegung durchaus von vielen Parametern abhängt und deswegen nicht so einfach beziffert werden kann. Diese Parameter sind:

  1. Eintrittsgeschwindigkeit: Hier kann es eine breite Streuung geben, bei Asteroiden, deren Bahn der der Erde ähnelt, ist ein typischer Wert 15 km/s, bei Kometen, gerade langperiodischen, sind bis zu 50 km/s möglich. Parabolische, retrograde Kometen könnten sogar mit gewaltigen 72 km/s in die Atmosphäre eintreten. Die kinetische Energie nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu, ebenso der Staudruck und damit die aerodynamischen Kräfte. Der Wärmestrom steigt sogar mit der dritten Potenz der Geschwindigkeit, allerdings sinkt, je schneller das Objekt fliegt, aufgrund der dann kürzeren atmosphärischen Flugzeit auch die Zeit, in der Hitze und Druck ihre zerstörerische Wirkung entfalten können.
  2. Eintrittswinkel: Je steiler der Eintritt, desto höher die Lastspitzen. Bei flachem Eintritt ist die Lastspitze geringer, dafür aber steigt die Expositionsdauer. Die Gesamtbelastung bei einem flachen Eintritt ist somit typischerweise höher als bei einem steilen. Ein flach eintretendes Objekt kann durchaus allein durch die Einwirkungsdauer der thermischen Belastung zerstört werden, auch wenn die Lastspitze relativ gering blieb. Mit diesem Sachverhalt sehen sich übrigens auch die Konstrukteure von Raumkapseln konfrontiert.
  3. Objektgröße: Große Objekte schaffen es tiefer herunter oder gar bis an die Oberfläche. Kleinere zerlegen sich schon in großer Höhe oder sie verglühen. Irgendwo dazwischen gibt es die Größen, die bis zu den etwa 8 km Zerlegungshöhe kommen, die für das Tunguska-Ereignis als Wert errechnet wurden, der am ehesten mit dem Schadensbild und den anderen verfügbaren Daten konsistent ist.
  4. Beschaffenheit und Homogenität: Je höher die Festigkeit, die Dichte und thermische Aufnahmefähigkeit, desto tiefer schaffen es die Objekte. Metallische Objekte (Eisen/Nickel) erreichen durchaus den Boden. Gestein ist weniger fest, bei den hier anzunehmenden Durchmessern erfolgt die Zerlegung in einigen Kilometern Höhe. Kohlige Objekte erwischt es schon früher, und Kometen mit ihrem hohen Eisanteil und ihrer geringen Dichte halten noch weniger durch. Soweit klingt das ganz einfach: Kompliziert wird die Situation, wenn man bedenkt, dass Asteroiden nicht sortenrein gruppiert vorliegen, sondern typischerweise Hohlräume und Gemische verschiedener Materialien umfassen und ganz und gar nicht homogen sein müssen.

Jan Hattenbach hat auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung Bezug genommen, deren Autoren die These vertreten, es habe sich um einen kleinen Kometen gehandelt. Sie begründen dies damit, dass im Anschluss an die Tunguska-Explosion über der Nordhalbkugel nachtleuchtende Wolken beobachtet wurden. Diese sollen durch das bei der Explosion freigesetzte Wasser des Kometen-Eises hervorgerufen worden sein, das über einen von den Autoren postulierten Transportprozess in die Hochatmosphäre gelangte.

In der teilweise hitzigen Debatte, die sich an Jans Blog-Artikel entzündete, wurde auf eine in der Szene bekannte Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature verwiesen (Chyba et al, Nature 361, 1993). Diese ist online leider nicht kostenlos erhältlich, sie liegt aber in ausgedruckter Form vor mir auf dem Schreibtisch und ich habe sie aufmerksam gelesen (Dies nur als Hinweis, sollte jemand mir Gegenteiliges vorwerfen wollen).

Knapp zusammengefasst: “Chyba et al.” kommen nach umfangreichen Modellrechnungen, bei denen einige der oben genannten Parameter variiert werden, zu dem Schluss, dass es sich beim Tunguska-Ereignis um einen silikatischen Asteroiden, also einen Felsbrocken gehandelt haben muss. Ein Metall-Asteroid hätte die Erdoberfläche erreicht und einen Krater hinterlassen. Kohlige oder vorwiegend aus Eis bestehende Objekte hätten sich dagegen schon in größerer Höhe zerlegt.

Allerdings haben die Autoren bei ihren Modellrechnungen zum einen einen hohen Grad an Materialreinheit und Homogenität vorausgesetzt. Ferner haben sie bei den Berechnungen für steinige Asteroiden anscheinend angenommen, dass diese der Population erdnaher Asteroiden entstammen müssen. Damit kommen sie für diese Objekte auf relativ niedrige Eintrittsgeschwindigkeiten von etwa 15 km/s, was natürlich schon die zu erwartenden Ergebnisse beeinflusst.

Das Paper und seine Ergebnisse sind nach Maßgabe der gemachten Annahmen durchaus stimmig und klar, die Folgerungen sind nachvollziehbar.

Also ist hier schon die Kuh vom Eis? Es ist eindeutig bewiesen, dass es ein Asteroid war, und die Debatte ist hiermit beendet? So einfach ist es leider nicht. Gerade die Annahmen sollte man sich genauer anschauen.

Merkwürdige Zufälle

Bahn des Kometen Encke, Quelle: Michael KhanNichts von dem, was nun folgt, habe ich mir aus den Fingern gesogen, es handelt sich um Feststellungen und Hinweise bekannter Größen in der Kleinplanetenszene, wie etwa Dr. Duncan Steel vom Anglo-Australian Observatory. Schon früh wurde über einen möglichen Zusammenhang zwischen einem wiederkehrenden Meteoritenschauer, den Beta-Tauriden, und dem Tunguska-Ereignis nachgedacht. Immerhin lag das Tunguska-Ereignis gerade in der Zeit des Höhepunkts dieses Schauers, am 30. Juni. Die Beta-Tauriden sind wiederum wahrscheinlich eine Abspaltung vom Tauriden-Schauer, der später im Jahr die Erdbahn kreuzt. Beide werden mit dem Kometen 2P/Encke in Verbindung gebracht.

Die erste Abbildung zeigt die Bahn des Kometen im Sonnensystem. Encke ist in mehrfacher Weise bemerkenswert. Seine Umlaufperiode ist mit 3.3 Jahren sehr kurz, das Perihel liegt sehr tief. Der Komet kommt dabei der Sonne noch näher als Merkur, was zu entsprechenden thermischen Belastungen führen dürfte. Wie es zu dieser Bahn mit ihrem niedrigen Aphel kam, ist nicht klar. Fest steht, dass sie erheblichen Störungen unterliegt. Diese Beobachtungen wären durchaus vereinbar mit Fragmentationsereignissen in der Vergangenheit. Der Komet hätte Schnittpunkte von Erdbahn und Encke-Bahn, Quele: Michael Khandemnach einen größeren Kern besessen, von dem der jetzige, etwa 3-5 km große, nur noch einen traurigen Rest darstellt. Den Rest hätte Encke verloren, teilweise in Form kleiner Staubteilchen beim Ausgasen, teilweise aber auch in Form vielleicht sogar großer Bruchstücke, die bis heute die Tauriden nähren.

Die nächste Abbildung zeigt Enckes Bahn durchs innere Sonnensystem. Der Komet läuft wie die Planeten entgegen dem Uhrzeigersinn um. Man sieht zwei scheinbare Schnittpunkte mit der Erdbahn, der erste auf dem Weg nach innen – diesen Punkt erreicht die Erde Ende Oktober/Anfang November. Der andere wird auf dem Weg nach draußen passiert, und zwar etwa an der Position, die die Erde Ende Juni/Anfang Juli durchläuft. Der Komet selbst kommt dabei der Erde bis auf weiteres nicht gefährlich nahe, die Wolke aus großen und kleinen Trümmern, die seine komplette Bahn wie einen Tunnel umhüllt (allerdings aufgrund von Bahnstörungen eben nicht nur in Nähe des Kometenkerns, sondern auf auch weit entfernten Bahnpunkten), streift dagegen die Erde sehr wohl. Dies führt zu den Beta-Tauriden zum zweiten genannten Zeitpunkt. Man sieht sofort, dass gerade der Juni/Juli-Schauer tagsüber geschehen muss, weil die Objekte da auf dem Weg von der Sonne weg nach draußen sind.

Eintrittsbedingungen von Objekten auf Encke-aehnlicher Bahn Ende Juni 1908, Quelle: Michael KhanIch habe mal berechnet, wie die Eintrittsbedingungen sind, vorausgesetzt, die Bahnen der Objekte sind in etwa so wie die von 2P/Encke. Das Ergebnis ist in der Grafik dargestellt, Sie erhalten beim Draufklicken eine vergrößerte Darstellung). Ich gebe zu, das Diagramm ist nicht leicht zu lesen, aber es steckt voller Information. Die x-Achse zeigt die lokale Zeit, die y-Achse die geographische Breite. Darauf sind die möglichen Eintrittspunkte in die Atmosphäre bei Eintrittswinkeln von -15, -30, -45 und -60 Grad dargestellt, zusammen mit der Flugrichtung. Die Eintrittspunkte sind bei steilem Eintritt fast identisch mit dem Explosionspunkt.

Der Himmel zur Zeit und Ort des Tunguska-Ereignisses.Weiterhin gezeigt ist der Terminator, der Radiant und die Sonnenrichtung. Uns interessiert eigentlich nur die Lokation bei einer Breite um 61 Grad Nord und einer lokalen Zeit von 7:15, denn das sind Breite und Zeit des Tunguska-Ereignisses. Nun entnimmt man dem Diagramm eins: Wenn ein mit den Beta-Tauriden in Zusammenhang stehendes Objekt zur genannten Zeit über Tunguska explodierte, muss es mit einem Winkel von etwa -45 Grad eingetreten sein. Flachere Eintrittswinkel hätten einen frühere Zeit bedingt, steilere eine spätere – auch wäre dann nicht die Breite von 61 Grad erreicht worden. Allerdings ist bei einem Objekt auf einer Encke-ähnlichen Bahn die Eintrittsgeschwindigkeit über 34 km/s, nicht nur 15 wie im Paper von “Chyba et al.” angenommen.

Die Flugrichtung wäre fast genau westlich, das Objekt käme damit aus dem Osten. Der Radiant steht bei einer Deklination von etwas über 21 Grad, genau im Sternbild Stier, wie von “Tauriden” zu erwarten. Diese Rechenergebnisse ergeben sich direkt aus der Bahn von Encke und den Beta-Tauriden (wer es nicht glaubt, möge selbst nachrechnen), sie sind aber auch konsistent mit den Beobachtungen.

Worauf will ich eigentlich hinaus?

Nun sind dies alles keine Beweise, sondern nur Indizien. Es kann natürlich sein, dass sich ein erdbahnkreuzender Asteroid genau den Augenblick und die Richtung ausgesucht hat, bei denen alles nach einem großen, im Beta-Tauridenstrom mitschwimmenden Objekt aussieht, um in die Erdatmosphäre einzutreten. Das kommt mir nicht besonders wahrscheinlich vor, aber “unwahrscheinlich” bedeutet natürlich nicht “unmöglich”.

Dennoch denke ich, die vorliegende Indizienkette lasst es zumindest angeraten erscheinen, in dieser Richtung weiter zu denken. Kann man wirklich ausschließen, dass große Bruchstücke eines fragmentierten Kometenkerns Gesteinsbrocken oder kohligen Chondriten mit einigen Dutzend Metern Durchmesser enthalten? Ist es wirklich schon eine “exotische” Theorie, wenn man annimmt, dass sich sehr wohl, gerade bei einem doch ziemlich wilden Burschen wie 2P/Encke, auch solche Felsen finden können? Ist es wirklich ganz und gar unplausibel, dass der Gesteinskern trotz der hohen Eintrittsgeschwindigkeit durch das ihn umgebende Eis wie durch einen ablativen Hitzeschild geschützt wird, bis es dann in 8 Kilometern knallt? Übrigens hätte dieser Erklärungsansatz den Charme, auch ohne spekulative Transportprozesse zu erklären, woher denn das Wasser für die nachtleuchtenden Wolken kam und wie es in die Hochatmosphäre eingebracht wurde, nämlich schon beim Eintritt, nicht erst bei der Explosion.

1993 wussten wir über den inneren Aufbau von Kometenkernen so gut wie nichts. Ich rede nicht von Theorien, sondern von belastbaren, auf Beobachtung basierenden Daten. Es gab gerade einmal die Nahmessungen der Giotto-Sonde an 1P/Halley von 1986, die zur großen Überraschung der Wissenschaft zeigten, dass der Austritt des volatilen Materials in wenigen “Jets” erfolgte, nicht großflächig. Seitdem hat es die Missionen DS-1, Stardust und Deep Impact gegeben. Dennoch ist unser Wissen in diesem Punkt noch sehr lückenhaft. Ansonsten hätte man sich nämlich die Mission Rosetta sparen können, die durch Langzeitbeobachtung endlich etwas Klarheit schaffen soll.

Also sollten wir plausible Erklärungsansätze nicht außer Acht lassen, solange wir nicht genug wissen, um entweder für oder wider zu entscheiden.

Weitere Information

C.F.Chyba, P.J. Thomas, K.J. Zahnle: The Tunguska Explosion: Atmospheric Disruption of a Stony Asteroid, Nature 361, pp. 40-44, Januar 1993 (Abstract)

H.F. Levinson, D. Terrell, P.A. Wiegert, L. Dones, M.J. Duncan: On the Origin of the Unusual Orbit of Comet 2P/Encke, Icarus 2005.12.016

  culprit conspiracy

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

11 Kommentare

  1. Und schon das nächste Paper …

    … fand sich heute morgen in der astro-ph-Post – wobei sich Melott et al. pikanterweise gleich am Anfang unkritisch auf Kelley et al. beziehen: “Recent work suggests that the Tunguska object was likely a comet” – von den Problemen mit dem Paper (siehe andere Diskussion) wussten sie wohl nichts?

    Adrian Melott ist zwar als Spezialist für kosmisch-irdische Zusammenhänge bekannt, der gerne mal populäre Vorstellungen widerlegt (und als energischer Kämpfer gegen den Kreationismus in Kansas), doch bislang nie als Impaktkenner in Erscheinung getreten. Auch dieses Paper würde ich “nach Aktenlage” erstmal mit einiger Vorsicht genießen.

  2. Kontroverse

    “die Kontroverse um die Ursache geht munter weiter, auch in den Kosmologs”

    Ich kann zum Thema nichts beitragen, aber ich lese hier interessiert mit. Für solche Diskussionen sind Blogs genau das richtige.

  3. Keine Überbleibsel

    Was mich immer wieder stutzig macht, ist die Tatsache, dass man keine makroskopischen Überbleibsel auf dem Erdboden gefunden hat. Bei einer Eintrittsgeschwindigkeit von 15 km/s und dem Zerplatzen in 8km Höhe müsste doch Material bis zum Boden kommen. Vielleicht ist das bei höheren Geschwindigkeiten anders, weil das gesamte Material pulverisiert wird? Falls ja, würde das auch für eine höhere Eintrittsgeschwindugkeit und damit für ein Kometenfragment sprechen?

  4. Überbleibsel

    Was wirklich große Überbleibsel angeht, ist meines Wissens die Sache mit dem Cheko-See immer noch nicht abschließend geklärt.

    http://www3.interscience.wiley.com/…617/PDFSTART

    http://en.wikipedia.org/wiki/Lake_Cheko

    Bei der Eruierung, welche Art von Objekt unter Annahme welcher Eintrittsbedingung mit der bekannten Faktenlage konsistent ist, ist m.E. eine neue Herangehensweise gefragt.

    Das Anwenden bestehender Rechenmodelle, in denen jedoch schon Annahmen wie die Homogenität des Aufbaus oder der Materialzusammensetzung implizit vorausgesetzt werden, ist nicht immer zielführend.

  5. Asteroid vs. Komet

    Gerade im Licht neuerer Erkenntnisse und Missionen verwundert es mich mehr und mehr, dass anscheinend immer noch ein fundamentaler Gegensatz zwischen Asteroiden und Kometen postuliert wird. Der Unterschied ist doch höchstens graduell, und dann auch noch zeitvariant – d.h., je mehr ein Komet altert und damit volatiles Material verliert, desto asteroidenähnlicher sollten seine Eigenschaften werden.

    Dies würde ich um so mehr erwarten, wenn es gar nicht um einen kompletten Kometen geht, sondern ein Fragment – und was soll ein Objekt von unter 100 Meter Größe anderes sein als ein Fragment? Insofern kann man kaum erwarten, aussagekräftige Resultate zu erwarten, wenn man Eintrittsberechnungen für ein kleines Kometenfragment mit dem Modell für den inneren Aufbau eines größeren Kometennukleus macht.

    Die im Folgenden beschriebenen Beobachtungen untermauern die Annahme eines inhomogenen Aufbaus von Kometenkernen. Die Schlussfolgerungen von Chyba et al. , die auf einer scharfen Trennung der verschiedenen Objektarten aufbauen, sind vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse sehr kritisch zu sehen.

    In Bezug auf Borelly/Deep Space 1:
    http://web.archive.org/…002/release_2002_80.html

    In Bezug auf Deep Impact/Tempel 1:
    http://www.brown.edu/…Bureau/2005-06/05-072.html

    In Bezug auf Stardust/Wild 2:
    https://publicaffairs.llnl.gov/news/news_releases/2008/NR-08-01-05.html

  6. CONTOUR und Encke

    Was ich gar nicht erwähnt hatte, war, dass die NASA-Mission CONTOUR, die im Jahr 2002 gestartet wurde, den Kometen Encke (sowie Schwassmann-Wachmann 3, einen anderen Kometen, der sich unlängst zerlegt hat) besuchen sollte, allerdings nur in Vorbeiflügen mit hoher Geschwindigkeit.

    http://solarsystem.nasa.gov/…mp;Display=ReadMore

    Leider hat sich aber CONTOUR auch selbst zerlegt und damit die Mission unfreiwillig schon bei der Erdflucht beendet.

  7. Nur noch 1 1/2 Jahre bis zum nächsten

    Der ‘Selbstmord’ von CONTOUR ist wirklich tragisch, aber trösten wir uns: Bereits im November 2010 gibt’s schon den nächsten nahen Vorbeiflug an einem Kometenkern, diesmal von EPOXI (ehem. Mutterschiff von Deep Impact). Über den Zielkometen Hartley 2 erschien gerade ein Paper mit Beobachtungen von der Erde aus.

  8. Kometenmissionen

    CONTOUR hätte auch nur einen schnellen Vorbeiflug mit einer Relativgeschwindigkeit von über 28 km/s an 2P/Encke hingelegt. Das lässt zwar schon einige Wissenschaft zu, erlegt aber schon Grenzen auf.

    Auf der anderen Seite hätte das Missionskonzept einen weiteren Kometenbesuch zugelassen, wie es ja auch bei Deep-Impact/EPOXI der Fall war oder bei Giotto/GEM.

    Da wir uns wahrscheinlich von der Vorstellung verabschieden müssen, es gäbe “den typischen Kometen”, sind solche Mehrfachmissionen sehr wichtig, weil sie Daten verschiedener Zielobjekte verschaffen.

  9. off topic

    Gestern habe ich K20 gesehen. Ein japanischer Film in einer Mischung uns Indianer Jones und Fantomas. War ganz nett. Der Schurke war auf der Suche nach einer Waffe, die verheerenden Schaden anrichten kann. Tunguska sollte von dieser Waffe verursacht worden sein. Jedenfalls mußte ich da direkt an den Blogeintrag denken. Ohne den wäre mir Tunguska kein Begriff.

  10. Tunguska-Impakt

    Sehr geehter Herr Khan,
    auf der Rieskrater-Tagung 2010 habe ich ein Poster über die Mondentstehung um ca. 4.030 Ga (entsprechend den mineralogischen Erkenntnissen), ausgelöst durch ein großes TNO (etwa wie Sedna) mit höchstmöglicher Geschwindigkeit,gezeigt. Nur so können die heutigen Bahnparameter des Mondes erzielt werden. So ein Eisbrocken zerlegt sich nicht durch Verdampfung, sondern durch eine Stoßionisation in Plasma. Was man beim Tunguska-Impakt beobachtet hat, könnte so ein Plasma-Blitz gewesen sein. Es gibt hinterher auch keine Wasserpfütze, sondern das Plasma muss sich erst wieder rekombinieren, sofern die Protonen noch da sind. Wenn unterstellt wird, dass unser Wasser von Kometen geliefert wurde, wären innerhalb von wenigen Ma an die 50 Mio Kometen vom Halley-Typ erforderlich gewesen. Das Erdwasser passt in eine Kugel von 1.400 km Durchmesser, also düfte dies die Untergrenze der Dimension des Impaktors gewesen sein. Die gesamte Mondmasse müsste jedoch sofort auf nahezu Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt werden, wozu etwa die doppelte Masse für den Impaktor erforderlich wäre. Im übrigen erscheint mir die Giant-Impact-Hypothese zusammen mit der Computer-Simulation aus raumfahrttechnischer Sicht völlig unmöglich.

  11. @Lorenz Schildhauer

    Herr Schildhauer, sie scheinen da mindestens drei ganz unterscheidliche Dinge zu vermengen und mitten im Satz vom Einen zum Anderen zu springen. Zur Mondentstehung werde ich mich hier nicht äußern, ebensowenig zum Heavy Bombardment in der Erdfrühzeit oder zum Eintrag kometaren Wassers. Das hat nichts mit dem Thema dieses Artikels zu tun, denn da geht es um ein Ereignis am 30. Juni 1908, also vor 104 Jahren, nicht vor über 4 Milliarden Jahren.

    Zu ihrer Theorie, nach der die beobachtete Explosion beim Tunguska-Ereignis ein “Plasma-Blitz” gewesen sein könnte, nur so viel:

    Erstens sind die Zeugenaussagen nicht konsistent mit einem Ereignis, das so hohe Temperaturen erzeugt hätte, um das eintretende Objekt komplett zu Plasma zu verwandeln.

    Zweitens legen Modellrechnungen von Eintrittsereignissen nahe, dass es keinesfalls zu solchen Temperaturen kommt.

    Drittens wurde im Harz der bei der Explosion des Tunguska-Objekts umgeknickten Bäume Staub gefunden, der von dem objekt stammte, was nicht hätte sein können, wenn das eintretende Objekt so hohen Temperaturen ausgesetzt worden wäre, um es in Plasma umzuwandeln.

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