Wann kracht’s wieder?

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Wann gibt’s den nächsten Crash im Orbit? Das weiß natürlich niemand, aber zumindest die Vorhersage der kommenden Konjunktionsereignisse steht jedermann offen.

Konjunktionsereignisse sind Situationen, wo es zumindest potenziell eng werden könnte zwischen zwei Körpern im Orbit (seien es aktive oder inaktive Satelliten, ausgebrannte Stufen oder Bruchstücke früherer Kollisionen). Diese Webseite stellt auf der Basis der vom NORAD routinemäßig bereitgestellten Datenbank der Bahnen bekannter Objekte einer bestimmten Mindestgröße die Prognosen für die kommenden Tage auf.

Mindestabstände und Wahrscheinlichkeiten eines Impakts werden berechnet und angegeben, aber Vorsicht: diese Berechnungen basieren allein auf Two-Line Elements (TLEs), und die sind nur eine vereinfachte und damit ungenaue Darstellung mittlerer Bahnelemente, die die Vorausberechnnung der Objektposition innerhalb eines eingeschränkten Zeitrahmens inklusive der zu erwartenden Bahnänderungen durch Störungen erlauben. Gerade, wenn es um die Kollisionswahrscheinlichkeit und den Minimalabstand geht, machen sich die inhärenten Ungenauigkeiten des Verfahrens bemerkbar.

Sollten der geneigte Leser sich mit dem Gedanken tragen, die Kollisionswahrscheinlichkeiten für seine eigenen Satelliten auch nur so zu berechnen und damit Geld zu sparen, dann muss ich ihn oder sie eindringlich warnen: das reicht nicht, da kann das Sparen ganz schön teuer kommen.

Hier übrigens ein interessanter Artikel eines Insiders, der diverse Aspekte des Zusammenstoßes zwischen Iridium 33 und Cosmos 2251 ausleuchtet, vor allem solche, an die man selbst nicht so schnell denken würde.

Hier noch einmal die Link-Liste:

Celestrak-Socrates-Seite mit Web-Interface zur Konjunktionsereignis-Prognose

Artikel von Brian Weeden in The Space Review

Wikipedia-Artikel zu Two-Line-Elements

(Dank an Tim Flohrer für die Hinweise auf Socrates und Space Review)

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. Ist denn der Müll der da rum fliegt tatsächlich vollständig bekannt? Ist eine Kollision zwischen künstlichen Objekten selbst wahrscheinlicher als die Kollision mit Meteoriten?

  2. Antwort an adenosine

    Nein, der Müll ist nicht komplett bekannt, gerade kleine Objekte, die selbst aus Kollisionen resultieren, sind aufgrund der Untergrenze der Detektierbarkeit nicht enthalten.

    Kollisionen mit Meteoriten sind beliebig unwahrscheinlich – gegen solche kann man aber ohnehin so gut wie keine Vorkehrungen treffen. Das geringe Restrisiko muss man hinnehmen.

    Fragmentierungen künstlicher Objekte sind häufig, und dabei koennten auch Kollisionen aktiv mit”helfen”. Gerade durch Fragmentierungen nimmt die Zahl der Objekte im niedrigen Erdorbit ja ständig zu. Nun hat es halt mal in einer Kollision komplette Satelliten erwischt, von denen einer sogar noch aktiv war.

  3. Was kann man tun?

    In dem zitierten Insider-Artikel werden einige Möglichkeiten genannt, um das Problem der Gefährdung durch Weltraumschrott in Zukunft besser in Griff zu bekommen. Alle diese Möglichkeiten zielen darauf ab, die Orbits der Satelliten und des Mülls besser zu kennen, um Kollisionen eher vermeiden zu können.

    Gibt es aber auch eine Möglichkeit die Anzahl der Weltraumschrott-Teile (insbesondere der nicht vom Boden aus detektierbaren) durch künstlichen Eingriff signifikant zu reduzieren? Wie lange bleiben diese Teilchen denn im Orbit?

  4. @Leonard: Lebensdauer im Orbit

    Zur Frage nach der Lebensdauer von Objekten im Orbit: Die hängt sehr von der Bahnhoehe und damit der Luftdichte ab, ferner vom ballistischen parameter, d.h., wie kompakt bzw. ausladend ist das Objekt in Relation zu seiner Masse?

    Folgendes Diagramm gibt gute Anhaltswerte für die zu erwartende Lebensdauer.

    http://www.kosmologs.de/…/gallery/4/lifetime.gif

    Bei kompakten Objekten ist diese durchaus in Hunderten von Jahren zu bemessen (bei einer Hoehe von 800 km), Trümmer sind meist weniger kompakt und kommen vielleicht schon nach Jahrzehnten herunter.

    Aber: Diese Kollision hat die Trümmer auf hoehere und tiefere Bahnen verteilt, die die 800-km-Bahn nur mehr streifen. gerade die auf hoehere, exzentrische Bahnen gekickten Objekte koennten nochmals längere Lebensdauern haben.

    Der aktuelle Stand identifizierter Trümmer von dieser Kollision ist bei über 500.

Schreibe einen Kommentar