Berufsverbot für Wissenschaftler

BLOG: Graue Substanz

Migräne aus der technischen Forschungsperspektive von Gehirnstimulatoren zu mobilen Gesundheitsdiensten.
Graue Substanz

Bitte Platz machen für den neuen wissenschaftlichen Nachwuchs. Aufruf eines Journalisten.

Als im Februar 2002 das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) in Kraft trat, war die Aufregung groß. So fragte zum Beispiel die TAZ unter dem Titel “Anleitung zum befristeten Glücklichsein” ab wann Wissenschaftler besser Taxi fahren sollten? Andere raunten, dies sei ein Berufsverbot.

Wissenschaftler sollen gezwungen werden, sechs Jahre nach abgeschlossener Promotion Platz zu machen für den neuen wissenschaftlichen Nachwuchs und sich rechtszeitig eine neue berufliche Perspektive aufbauen, wenn sie es bis dahin nicht zur Professur geschafft haben. So beschreibt die Lage damals Hannelore Kraft in einer Reaktion auf einen polemischen Leserbrief in der Zeit (“Lockruf der Heimat“).

Nun, 10 Jahre später mittlerweile gab es einige Korrekturen im HRG bleibt die Frage, ob es in einigen Fällen zu einem faktischen Berufsverbot kam oder bald konkret so kommen wird?

Hierzu plant der Zeitenspiegel eine Reportage und sucht Kontakt zu betroffenen wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Der Journalist Jan Rübel schrieb mich an und bat folgenden Aufruf hier zu veröffentlichen, dem ich sehr gerne nachkomme.

Ich plane einen Report über die Folgen des Wissenschaftszeitvertraggesetz. Im Fokus stehen die Befristungen für wissenschaftliche Mitarbeiter, die an Hochschulen und Forschungseinrichtungen etc. arbeiten. Ich will herausarbeiten, wie dieses Gesetz in diesen Fällen zu einem faktischen Berufsverbot führen kann.
Daher meine Frage:  Ich suche Personen, über denen genau solch ein Damoklesschwert des Berufsverbots steht, welche die Befristungen erleben – und das absehbare Ende ihrer derzeitigen beruflichen Tätigkeit sowie die womögliche Notwendigkeit einer Neuorientierung .
Als Journalist garantiere ich auf Wunsch Anonymisierung. Selbstverständlich werden alle Aussagen im vornherein autorisiert.

Bei Interesse bitte sich direkt an Jan Rübel wenden.

 

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Markus Dahlem forscht seit über 20 Jahren über Migräne, hat Gastpositionen an der HU Berlin und am Massachusetts General Hospital. Außerdem ist er Geschäftsführer und Mitgründer des Berliner eHealth-Startup Newsenselab, das die Migräne- und Kopfschmerz-App M-sense entwickelt.

14 Kommentare

  1. Genug Leidtragende wird es wohl geben. Hoffentlich melden die sich auch, damit darüber berichtet werden kann.

  2. Oh ich kann davon ein Liedchen singen. Ich befinde mich im Promotionsprozeß und bin eine vielversprechende Jungakademikerin, die im Bereich der Kunst und Philosophie sogar eine halbe Stelle an einer renomierten Einrichtung hat. Mir wird auf ein Mal erzählt unter wirklich fadenscheinigen Argumentationen, dass ich nach 3 Jahren gehen muß, da die Gefahr besteht, dass ich mich sonst einklage. Das ich hier nur der Sündenbock bzw. das Bauernopfer für die Verfehlungen von jemand anderem bin ist mir klar. Nur anstatt den alten grauen Herren dort oben Einschränkungen zu machen, wird es auf dem Rücken der jungen ausgetragen. So hat meine Uni mal wieder erfolgreich eine Frau aus dem wissenschaftlichen System gekickt, während die alten grauen Herren keine Einbußen befürchten müssen. Denn ich bin natürlich auch anfang 30, möchte Kinder, nur muß ich wohl jetzt micht erst mal um eine weitere Finanzierung meiner Promotion kümmern, was wiederum Nerven, Zeit und Geld kostet. Da ich mich jedoch wie es ja für Frauen unüblich ist, nicht nur auf dem theoretischen Bereich auskenne, sondern auch im technischen, werde ich wohl den Weg in die Wirtschaft wählen. Denn dort wird gute Arbeit wenigsten noch honoriert und auch monetär vergolten. Ob man im öffentlichen Dienst arbeitet oder nicht, dass habe ich nach meinen unterschiedlichen Erfahrungen im Kulturinstitutionen und an Universitäten gelernt, ist vollkommen egal. Mehr noch, wenn man wirklich etwas tuen möchte, wird man rausgemobbt, weil die anderen Angst bekommen, dass auffällt wie wenig man macht.

  3. Gegenprobe

    Mich würde ja auch die Gegenprobe interessieren:
    Wer wurde seit 2002 aus seinem bisherigen Status dann nach Ablauf der Frist unbefristet weiterbeschäftigt? Wenigstens einer?

  4. Ich bin zwar noch lange nicht persönlich betroffen, aber eine Mitarbeiterin an meiner derzeitigen Universität wird meines Wissens wohl demnächst gehen müssen, nachdem sie sich mehrfach für verschiedene Professuren beworben hat.
    Dementsprechend bin ich gespannt auf den entsprechenden Artikel…könnte ja auch mich eines Tages betreffen…

  5. Ich kenne bei uns an der Universität einen Fall wo eine PErson aus einer entsprechnd befristeten Stelle, auf eine lebenszeitstelle als akademischer Rat übernommen wurde.

  6. @Markus: Glück gehabt

    Wäre ich in Deutschland geblieben, würde ich mich jetzt wohl weiter von PostDoc- zu PostDoc-Stelle durchhangeln oder auf eine der spärlich gesäten Juniorprofessuren (meist ohne Option auf Festanstellung) bewerben.

    Ich habe Glück gehabt, dass ich mich damals – rein von dem interessanten Projekt geleitet – für die Niederlande entschieden habe und dort dann, aufgrund des großen Erfolgs unseres englischsprachigen Psychologieprogramms, an der Fakultät neue Planstellen geschaffen wurden, von denen ich eine bekam.

    Meiner ersten Tenure-Track-Beurteilung in ca. einem Monat sehe ich gelassen entgegen; und das nicht aus reiner Überheblichkeit, denn wenn meine Fakultät mit all dem, was ich mache, nicht mehr als zufrieden ist, dann ist das für mich einfach der falsche Ort. Dennoch will ich auch die Niederlande hier nicht verherrlichen, denn über die Finanzschraube sind auch die hiesigen neoliberalen Politiker gut dabei, den noch bestehenden Rest an Universitäten abzuschaffen.

    Qualitätsbeurteilung und Stelle

    Ich finde es gut, dass es diese Dokumentation über die Arbeitsbedingungen deutscher AkademikerInnen geben wird; denn die allgemein schlechten Arbeitsbedingungen beeinträchtigen natürlich auch die Wissenschaft als ganze – und das geht uns alle etwas an.

    Dennoch sollte man die Stellenpolitik nicht unabhängig von den verbreiteten Bewertungskriterien wissenschaftlicher Qualität sehen, dem ISI Web of Science Impact Factor. Es ist bezeichnend, wie dieses Instrument eines profitorientierten US-Unternehmens bis in deutsche Berufungskommissionen – und die entscheiden ja, wer als Professor in der akademischen Welt bleiben darf – Einfluss erlangt hat.

    Ursprünglich war es bloß ein Werkzeug für Bibliothekare zum Abonnieren bzw. Abbestellen von Zeitschriften, heute wird es von vielen als ultimativer Maßstab wissenschaftlicher Qualität angesehen. Dabei haben diejenigen, die den Impact Factor so anwenden, entweder keine Ahnung oder nicht die grundlegende statistisch-mathematische Kenntnis, dass man sie mit solch wichtigen Entscheidungen beauftragen sollte. Denn auch wenn es mehr unbefristete Stellen gäbe, brächte das wenig, wenn weiterhin geistig verwirrte Maßstäbe zur Beurteilung wissenschaftlicher Qualität angewendet würden.

    Aus aktuellem Anlass, siehe diesen Artikel eines US-Kollegen: Sick of Impact Factors.

  7. @promotionsstudent

    Wenn diese/r Wissenschaftler/inn hier mal den Ablauf schildern würde, wie er oder sie also wirklich von dem HRG profitiert hat, würde mich das sehr interessieren.

    Ich glaube durchaus dass es solche Fälle geben kann. Kenne aber keinen selber.

  8. Man musste …

    … alle 5 Jahre den Arbeitgeber wechseln und dass hieß das Bundesland wechseln, da die Universitäten den Ländern gehören.

  9. Generation(en) verschrotten

    Es sei noch einmal daran erinnert, dass die Hochschulreform damals damit kommentiert wurde, man wolle eine Generation verschrotten – dieser Vorwurf gilt für viele rund zehn Jahre später immer noch.

    Zugespitzt formuliert: Nur Professoren und Hausmeister können in der Wissenschaft mit einer Beschäftigung auf Lebenszeit rechnen.

    Was dagegen zu tun ist, liegt auf der Hand: Ein neuer, speziell auf die Situation von Wissenschaftlern zugeschnittener Tarif muss her. Wie Wissenschaftlern das Leben schwer gemacht wird, Die ZEIT vom 7.10.2004

  10. Ich war jung und brauchte die Stelle.

    @Stephan Schleim

    Danke für de Hinweis zu dem Beitrag “Sick of Impact Factors”. Ich hatte auch mal Impact Factors in meinen CV geschrieben. Ich war jung und brauchte die Stelle.

    Jetzt habe ich versucht mit einer guten Homepage, insbesondere mit der Darstellung meiner Forschungsschwerpunkte, mich gut und aussagekräftig zu präsentieren. Die IF und Bewertung allgemein ist aber eher mal einen eigenen Beitrag wert.

    Ich finde die Aussage von Kraft bezeichnend für die Situation. Diese zeigt, wir brauchen Klarheit, wer noch Nachwuchs ist.

    Ich galt solange als Nachwuchs, wie ich Gelder einwerben sollte. Denn Nachwuchs zu fördern, war schick. Als die Gelder da waren, hieß es: Platz da, nach dem Nachwuchs ist vor dem Nachwuchs, das soll jetzt ein junger machen.

  11. Nicht zu lange arbeiten

    – Viele ältere Menschen sind finanziell bestens abgesichert und finden trotzdem keinen Absprung aus dem Berufsleben, schade.

    – Bei Professoren ist ja nichts verloren, wenn sie die berufliche Tretmühle verlassen. Sie können Kontakt zur Universität halten, einzelne Veranstaltungen anbieten und/oder forschen, falls sie der wissenschaftliche Eifer nicht los lässt. Sie können sich ganz auf ihr spezielles Interessengebiet fokussieren, ohne lästige Pflichten. Die Lebensqualität steigt ohne die lästigen Pflichten.

    Mit ungefähr 50 sollte man meiner Meinung nach eine Zäsur machen.

    Joachim Datko – Physiker, Philosoph
    Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
    http://www.monopole.de

  12. Gegenprobe / Realität

    Also ich habe die sechs “erlaubten” Jahre vor der Promotion fast vollständig genutzt (ein wenig vor der Promotionsstelle an der uni gearbeitet, dann mit der Promotion angefangen und beendet) und von der zeit Nach der Promotion ist nun auch die Hälfte rum. Ich arbeite wissenschaftlich (Naturwissenschaft), an Unis bzw, auch an bekannten Instituten. Und ich würde sagen, wissenschaftlich nicht völlig erfolglos. Zumindest bin ich international ganz gut eingebunden in eine Community (z.B. Kooperationen mit Schweiz, England, USA, Japan, Frankreich. Aussicht auf Entfristung? Fehlanzeige. Es gibt nur Kurzeitverträge (auch schonmal nur über 3 Monate…), in verschiedenen Projekten, denn alle haben Angst man könnte einen nicht mehr loswerden, wenn das Geld mal knapp wird. – In dem Punkt sollte man auch mal über darüber nachdenken wie sinnvoll/zeitgemäß der starre Kündigungsschutz in Deutschland noch ist. Alles läuft nur noch über kurzeitige Projekte. Bis jetzt ging es immer weiter, irgendwie, weil man ra umtriebig ist und immer wieder was neues auftreibt. Aber es wird zusehends schwerer, je näher man der 6 Jahresgrenze kommt.
    Irgendwann ist Schluss. Ich werde jetzt, ab Herbst ins Ausland gehen. Vor dort ist man zumindest auf mich zugegangen und hat die initiative ergriffen dass ich da hingehen kann. Momentan sehe ich hier keine Chance, auch wenn ich gern geblieben wäre (Familie etc ..). Aber es schadet mir ja nicht zu gehen und vielleicht ändert sich ja in Deutschland die Situation auch mal zum Besseren. Vielleicht hat man ja größere Chancen auf eine der ganz wenigen unbefristeten Stellen wenn man aus dem Ausland wieder kommt … vielleicht, vielleicht, vielleicht …. daran hab ich mich schon fast gewöhnt….

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