Schon wieder Tote in Bangladesch

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Wie Wirtschaft und Ethik zusammenpassen
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Diesmal war es kein Feuer, sondern der Einsturz eines Gebäudes. Und dabei sind nach augenblicklicher Zählung mindestens 235 Menschen ums Leben gekommen. Offenbar war das Gebäude illegal errichtet worden. Als sich Risse an der Fassade auftaten, beruhigte der Besitzer und meinte, das Haus werde noch lange stehen. Dann stürzte es ein.

Eine ganze Reihe von westlichen Firmen beeilten sich zu sagen, dass für sie in diesem Haus keine Textilien hergestellt wurden. Wal-Mart sagte in einer ersten Stellungnahmen, man müsse das noch überprüfen: kein Wunder bei einer Handelsbkette, die tausende von Artikeln herstellt, aber auch ein Zeichen dafür, wie leicht der Überblick verloren geht, was eigentlich wo hergestellt wird.

Der letzte große Unfall der Bekleidngsindustrie des Landes war ein Feuer. In Bangladesch wird ein großer Teil der Bekleidung hergestellt, die man im Westen kaufen kann. Das ist an sich nicht schlecht, so kommt das Land an Devisen und die Leute haben Arbeit. Aber anders als in China, wo diese Art von Lohnfertigung mehr und mehr von einem Aufbau eigener Unternehmen und von steigendem Wohlstand begleitet wurde, lässt genau das in Bangladesch noch auf sich warten.

Wer ist verantwortlich? Der Bauherr, die Firmen, die Regierung. Aber auch die Unternehmen, die dort fertigen lassen. Bei zwei Betrieben waren sogar Auditoren unterwegs, die im Auftrag der ausländischen Konzerne die Einhaltung gewisser Standards überpüfen. Aber diese Auditoren beschäftigen sich meist mit Sozialstandards, manchmal auch mit ökologischen Kriterien. Sie prüfen nicht, ob ein Gebäude einstürzen könnte, haben davon im Zweifel auch keine Ahnung.

Bangladesch ist leider auch ein Musterbeispiel für ein Land, in dem die Regierung nicht funktioniert. Es taucht regelmäßig prominent in den Listen auf, die das Ausmaß von Korruption vergleichen. Damit wird es ein Musterbeispiel für eine Region, in der ausländische Konzerne auch Verantwortung für Fragen übernehmen sollten, die eigentlich von den Behörden zu erledigen wären. Zum Beispiel, sich um die Sicherheit von Gebäuden zu kümmern. Verantwortung kann einem auch zuwachsen, weil sich sonst keiner kümmert. Die Konzerne habe das erkannt. Aber sie müssen sich noch mehr anstrengen.

Die Alternative wäre, einfach woanders zu produzieren. Aber würde das nicht noch mehr Elend hervorrufen? Aber wenn gar nichts zu erreichen ist, könnte das auch die richtige Entscheidung sein.

Nur ein Nachsatz noch: Solche Tragödien passieren nicht nur in Schwellenländern. Das zeigt ein Beispiel aus den USA: Dort ist kürzlich ein Betrieb für Düngemittel in die Luft geflogen, dabei gab es zahlreiche Tote.

 

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Ich habe Betriebswirtschaft in München und Philosophie an der Fernuni Hagen studiert, früher bei einer großen Bank gearbeitet, und bin seit über 20 Jahren Journalist beim Handelsblatt mit Spezialisierung auf Finanzthemen, davon fünf Jahre in New York und seit November 2017 in Frankfurt. Im Jahr 2013 habe ich das Buch „Wie fair sind Apple & Co?“ veröffentlicht.

12 Kommentare

  1. Dilemma

    Stellt sich die Frage, wie weit einem Land die Verantwortung für die eigenen Strukturen abgenommen werden kann und ob das überhaupt erstrebenswert ist.

    Aber auch die Frage , ob westliche Konzerne und die mit ihnen verbandelten Regierungen es überhaupt zulassen würden , wenn ein Drittwelt-Land mal wirklich Ernst machen würde mit effektiven staatlichen und sozialen Strukturen, schließlich würde ein solches Vorgehen zwangsläufig kollidieren mit den oft auf Ausbeutung abzielenden westlichen Wirtschaftsinteressen.

  2. @DH:SindEinheimische Arbeitgeber besser?

    Hier die (Zitat)” auf Ausbeutung abzielenden westlichen Wirtschaftsinteressen”, dort die sozial und grosszügig agierenden einheimischen Arbeitgeber, die sich zuerst einmal um das Wohl der Arbeiter und erst dann um den Profit kümmern Stimmt dieses Bild?
    Wir erfahren hier vor allem über die Arbeitsverhältnisse unter Auftragnehmern westlicher Firmen, die sich oft als schlecht herausstellen. Doch daraus kann man nicht schliessen, dass die Arbeitsbedingungen unter einheimischen Arbeitgebern besser wären ist nicht unbedingt richtig.
    Die Arbeitsbedingungen und das Arbeitsrecht hängt stark von der Gesetzgebung im betreffenden Land und der Durchsetzung der entsprechenden Gesetze ab. In China scheint sich das Arbeitsrecht beispielsweise schrittweise zu verbessern und widerrechtliche Kündigungen oder verweigerte Lohnauszahlungen nehmen ab, die neuen Regelungen werden auch durchgesetzt. In anderen Ländern ist das aber nicht der Fall. Gerade in Bangladesh als schwachem Staat wird wohl vieles den Arbeitgebern überlassen. Ob die nun einheimisch sind oder nur Auftragsnehmer ausländischer Firmen sind ändert nicht viel daran.

  3. Solche Tragödien

    Nur ein Nachsatz noch: Solche Tragödien passieren nicht nur in Schwellenländern. Das zeigt ein Beispiel aus den USA: Dort ist kürzlich ein Betrieb für Düngemittel in die Luft geflogen, dabei gab es zahlreiche Tote.

    …entstehen ganz bevorzugt dort, wo “westliche” Normen nicht greifen und Leben weniger zählen.

    Wie hier “westliche” (gemeint immer die Systeme, die der Aufklärung folgen, die bekanntlich im Dreieck Menschenrechte, Demokratie und Marktwirtschaft stehen) mitschuldig werden, von anderen Marktteilnehmern einmal abgesehen, die aus China oder Russland kommen können, beides weitgehend Meritokratien oder zumindest ähnlich, ist eine spannende Frage.

    Investitionen und das Anbieten von Produktion und Marktteilhabe müssen nicht unethisch sein, wenn sie in jenen Regionen stattfinden.

    MFG
    Dr. W

  4. @Dr. Webbaer

    Solche Tragödien …entstehen ganz bevorzugt dort, wo “westliche” Normen nicht greifen und Leben weniger zählen.

    Ursache solcher Tragödien ist ihre unterlassene Verhinderung? In Titisee-Neustadt [1] und in Backnang [2] griffen ‘”westliche” Normen’ nicht und Leben zählte dort weniger?

    [1] http://www.spiegel.de/…ee-neustadt-a-869424.html
    [2] http://www.tagesspiegel.de/…ichsten/7908182.html

  5. @Martin Holzherr

    “Stimmt dieses Bild?”

    Nein.Ich sehe es genauso wie Sie , die einheimischen Arbeitgeber sind kein Deut besser als die westlichen Auftraggeber ( in den meisten Fällen).
    Ganz im Gegenteil , die einheimischen Machthaber und Arbeitgeber ermöglichen die Ausbeutung überhaupt erst.

    Es kann wohl nur – wie auch bei uns – aus der Bevölkerung heraus zu nachhaltigen Verbesserungen kommen – durchaus nicht ohne Kampf , da braucht man sich keinen Illusionen hinzugeben.

  6. Ischt halt ein Klops

    Aber auch die Frage , ob westliche Konzerne und die mit ihnen verbandelten Regierungen es überhaupt zulassen würden , wenn ein Drittwelt-Land mal wirklich Ernst machen würde mit effektiven staatlichen und sozialen Strukturen, schließlich würde ein solches Vorgehen zwangsläufig kollidieren mit den oft auf Ausbeutung abzielenden westlichen Wirtschaftsinteressen.

    …wenn derart postuliert wird. Die “westlichen” Strukturen sind mehrwertorientiert und der hiesigen der Aufklärung folgenden Ethik wiederum folgend angelegt. Man dankt hier den Gedanken um das Dreieck Menschenrechte, Demokratie & Marktwirtschaft, während andere Strukturen derartige Werte nicht kennen, wohl aber in einem anderen Sinne effizient (vs. ‘effektiv’, gemeint war wohl im Kommentar die Effizienz) sind.

    Developing Countries finden sich aber, von einem bestimmten Kulturkreis einmal abgesehen, bspw. in Form von Meritokratien, zunehmend besser zurecht auf dem Weltmarkt.
    Der o.g. Markt wirkt denn auch herausfordernd für rückständige Gesellschaftssysteme.

    Ältere werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass Rufe wie “Wir sind das Volk!” auch damit zu tun hatten, dass das Auto röhrte, wenn es denn zV stand, und Computer nicht gebaut werden konnten und dass die Datscha, wenn vorhanden, alleine nicht mehr die zivilisatorische Grundversorgung des Ostblock-Bürgers sicherstellen konnte.

    MFG
    Dr. W

    PS: Der sogenannte Strauss-Kredit, so ca. um 1985, an die DDR stellte ganz ähnliche Fragen. Korrumpierte dieser das DDR-System, ist er also hilfreich, oder verfestigte er das Unrecht? (Wobei man sich seinerzeit im Präsens fragte. 🙂

  7. Dilemma, Stauß-Kredit

    Die „Grundgesetze“ sind: Immer mehr produzieren – immer mehr Profit machen. Dazu hat man auch im FS oft recht gute Beiträge sehen können.
    Die BRD u. a. kap. Staaten haben in der DDR billig produzieren lassen. Nach ihrem Ende verlagerte sich die Produktion immer etappenweise weiter nach Osten. Mit Bangladesch ist wohl nun für längere Zeit ein Ende erreicht: 30 Euro pro Monat für eine Näherin – und für wieviel Euro wird das verkauft? Wer “verdient” das Meiste davon?
    Ein FS-Bericht zum Einsturz des Gebäudes legte mehrere „Probleme“ offen, die es auch in anderen Staaten gibt, s. o.
    Die Leute, die für die Katastrophen direkt oder indirekt verantwortlich sind gehen bestimmt in die Kirche/Mosche – und sei es nur der Leute wegen. Hier zeigt sich auch ganz deutlich, dass Gott Geld eigentlich mehr zieht als Gott der Herr.
    Warum müssen die Konzerne jedes Jahr „neue“ Autos auf den Markt bringen? Einer fing an – alle anderen mussten nach dem kapitalistischen Gesetzen folgen – oder verschwinden vom Markt.
    Und die Modeindustrie? Sie bringt jedes Halbjahr neue Kollektionen. Brauchen wir das wirklich?
    Ein Teil unserer unmodernen Bekleidung landet in armen Ländern.
    Gehen Sie mal z. B. in Dubai durch die Straßen und sehen Sie was die Leute dort tragen! Es geht doch! Aber das käme fast einem Zusammenbruch der Textilindustrie gleich.

  8. Das ist eine reine Sklaverei!

    Dass solche Verhältnisse im heutigen Zeitalter in manchen Staaten noch normal sind, das ist eine Tatsache, die uns zum Denken anregen sollte.

    Denn das, was die Arbeiter dort für einen Hungerlohn (wenn überhaupt) leisten müssen, ist nichts anderes als Sklaverei.

    Dann folgen noch Unterkünfte, welche, wie man der News entnehmen kann, nichtmals die Sicherheitsvoraussetzung in Bezug auf Stabilität gewährleisten.

    Eigentlich tragen wir fast überwiegend dazu bei. Denn wir kaufen die Dinge, die dort hergestellt werden, für genau so einen kleinen Preis…

    […]

  9. @Frank Wiebe

    “Zum Beispiel, sich um die Sicherheit von Gebäuden zu kümmern.”

    “Wer soll das bezahlen?” – über allem schwebt die Mahnung zur Systemrationalität, der (globalisierenden) Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung”, in der vor allem WIR 1% Wohlstandsbürger die Verantwortung für den “freiheitlichen” Wettbewerb im “Recht des Stärkeren” tragen!?

    Irgendwann werden die “braven” Bürger auch diese Art der “Kriegsberichterstattung” auch nicht mehr hören, sehen, sprechen wollen!?

  10. @Frank Wiebe

    – ohne Sie nerven zu wollen – Was halten Sie von Bitcoin? Wie ist so die Meinung in ihrem Umfeld?

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