Milchstraßenpanorama 2.0

BLOG: Himmelslichter

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Himmelslichter

Wer noch nie das Band der Milchstraße unter einem wirklich dunklen Himmel, am besten noch in südlichen Breiten, gesehen hat, der hat etwas verpasst. Ich glaube nicht, dass man die Faszination, die von dem überwältigenden Anblick unserer Heimatgalaxie ausgeht, besser erfassen kann als durch das persönliche Erleben. Und dennoch versuche ich immer wieder, diese Faszination auch fotografisch einzufangen. Bereits 2008 hatte ich hier beschrieben, wie man mit einfachsten Mitteln eine Panoramaaufnahme des zentralen Teils der Milchstraße erstellen kann. Nun ist der Nachfolger fertig: mein Milchstraßenpanorama 2.0!

Nachtrag: Das Bild kann man jetzt auch als Poster und als Leinwandbild bestellen. Mehr dazu hier.

Update: Aller guten Dinge sind drei: Hier gehts zur Version 3.0!

Die fertige Version des Milchstraßenpanoramas 2.0 in einer webtauglichen Version. Zum Vergrößern anklicken!

Das Panoramabild unterscheidet sich von der älteren Version zum einen dadurch, dass es einen weiteren Bereich darstellt: etwa 3/4 der gesamten Milchstraße sind erfasst, von den Sternbildern Perseus und Kassiopeia über das Zentrum im Schützen bis zum Großen Hund. Um diesen großen Bereich zu erfassen waren bei einer Brennweite von 17 Millimetern 20 einzelne Bildfelder nötig. Es wäre sicher auch mit weniger Feldern gegangen, doch für das Zusammenfügen zu einem Panoramabild ist ein möglichst großzügiger Überlapp hilfreich.

Hier sind zusätzlich die Sternbilder und einige interessante Objekte beschriftet.

Im Prinzip gleicht der Arbeitsablauf dem bereits früher beschriebenen. Allerdings gibt es entscheidende Unterschiede (sonst hätte ich das wohl nicht alles noch einmal gemacht), auf die ich im Folgenden besonders eingehen werde.

Die Aufnahme

In Kürze: 20 Felder mit je 15 Bildern, davon 5 mit einem Weichzeichnungsfilter, je 2 min auf 800 ASA, 17mm Tamron f/2,8 und Canon 450 astromodifiziert, nachgeführt mit einer EQ1, Bildspeicherung als RAW-Dateien

Ohne Reisen geht es nicht – um die Milchstraße vollständig aufnehmen zu können, muss man mindestens zwei Orte aufsuchen – einen auf der Nord- und deinen auf der Südhalbkugel. So entstand die linke (nördliche) Seite des Panoramas auf dem Roque de los Muchachos auf La Palma, die rechte (südliche) im Nationalpark El Leoncito in der Provinz San Juan, Argentinien. Dass beide Orte exzellente astronomische Bedingungen – hier vor allem einen richtig dunklen Nachthimmel – aufweisen, versteht sich von selbst. Als Jahreszeit eignen sich die Monate April bis Oktober, da während dieser Zeit das Zentrum der Milchstraße gut zu sehen ist – im Winter wandert die Sonne vor dem Zentralbereich der Galaxis vorbei. Die Bilder für das Panorama wurden im Mai und Juli 2011 in jeweils mehreren Nächten aufgenommen.

Das fotografische Equipment bereit zur Aufnahme. Mit einem Kugelkopf lässt sich die Kamera beliebig ausrichten. Die blauen Klötze sind Gegengewichte und Akkus für Kamera und Montierung zugleich. Rechts von der Kamera liegt die Cokin-Filterhalterung. Die schwarze Box links wandelt die 12V-Akkuspannung af die 7,2V für die EOS 450D um, die Box hinten ist der Astrotimer zur Steuerung der Serienaufnahmen (damit man nicht die ganze Zeit daneben stehen muss…).

Ein wesentlicher Unterschied zum alten Panorama ist, das ich die Kamera dieses Mal nachgeführt habe. Statt 30 Sekunden auf 1600 ASA (länger ging nicht, da sich sonst bei feststehender Kamera schon Strichspuren zeigten) konnte ich so jedes Bild zwei Minuten auf 800 ASA belichten, also eine Blende mehr bei gleichzeitig deutlicher Verringerung des Bildrauschens. Das hat schon einen gewaltigen Vorteil ausgemacht. Verwendet habe ich eine einfache EQ1-Tischmontierung mit einem simplen RA-Motor. Die Ausrichtung erfolgte mit Kompass und Höhenskala. Mit ein bisschen probieren konnte ich so bis zu drei Minuten und 50mm Brennweite belichten, ohne dass Nachführfehler sichtbar wurden. Natürlich kann man so etwas heute mit einer Astrotrac viel besser machen, aber die EQ-1 kostet ja auch nur fünf bis zehn Prozent einer Astrotrac…

Ein Vergleich zweier Rohbilder: Oben: 30s auf 1600ASA mit einer EOS 350D (2008), unten 120s auf 800ASA und 450D (2011). Das Bildrauschen im unteren Bild ist deutlich geringer.

Ein weiterer Vorteil war die Verwendung einer astromodifizierten Kamera. Nur durch den Ausbau des Infrarot-Sperrfilters werden die roten Wasserstoffregionen wieder sichtbar. “Wieder” – denn zu analogen Zeiten bekam man die ja mit einem 0815-Diafilm leicht aufs Bild.

Weil ich die Sternbilder besser darstellen wollte als beim ersten Panorama, benutzte ich einen Weichzeichnungsfilter der Firma Cokin (Typ P 840). Der wird einfach mit Hilfe einer speziellen Halterung vor das Objektiv gesteckt. Der Filter sorgt dafür, dass das Licht leicht “verwaschen” wirkt, wie bei einer Milchglasscheibe. Dadurch treten helle Sterne weit stärker in Erscheinung, außerdem werden die Sternfarben besser sichtbar. Der Anblick der Sternbilder entspricht so mehr dem mit bloßem Auge. Damit der Effekt nicht zu stark wird (auch alle anderen Strukturen werden ja weichgezeichnet) mischte ich beim Stacken der Aufnahmen 10 Bilder ohne und 5 Bilder mit Weichzeichner.

Die Bildbearbeitung

In Kürze: Stacking mit Fitswork oder Deep Sky Stacker, Bearbeitung mit Photoshop, Panorama-Stiching mit Hugin

Stacking

Das Stacking ist eine weit verbreitete Methode in der Astrofotografie: Man addiert und mittelt mehrere Bilder des gleichen Objekts und erhält schließlich ein (fast) rauschfreies Summenbild. Durch die niedrige ASA-Zahl war das Bildrauschen auch kein großes Problem, und auch die Dunkelbildabzüge waren nicht unbedingt notwendig – aber warum daran sparen, wenn Programme wie Fitswork diese Arbeit in Sekundenschnelle und fast automatisch erledigen? Außerdem diente das Stacking dazu, die Bilder mit und ohne Weichzeichner zu mischen. Ein Verhältnis von 2:1 (s.o.) stellte sich schnell als Optimum heraus.

Wirkung des Weichzeichners: Oben: Rohbild ohne Filter, Mitte: Rohbild mit Filter Cokin P 840, Unten: Stack aus 10 Bildern ohne und 5 mit Filter.

Stitching

Nach dem ich mit Photoshop ein paar kleinere Korrekturen vorgenommen hatte (i. W. nur eine weitere, leichte Rauschreduktion sowie eine Verringerung der Vignette) lagen die 20 Summenbilder der einzelnen Bildfelder als 16-Bit-TIFF-Serie vor. Um das Panorama zusammenzusetzen (Stiching), verwendete ich zum erstem Mal ein Programm, das ich nur empfehlen kann: Es nennt sich Hugin und ist als freie Software zu erhalten. Auf die Details der Bearbeitung will ich nicht eingehen, dazu gibt es gute Tutorials. Generell läuft die Bearbeitung jedoch wie folgt:

Zunächst werden die Bilder der Serie geladen. Hugin erstellt dann eine Liste, aus der man ein Bild als Positions- und eines als Belichtungsanker auswählen sollte. An dieses Bild werden die übrigen dann angepasst, und zwar was deren Position betrifft (Positionsanker) sowie deren Helligkeit (Belichtungsanker). In meinem Fall wählte ich für beide das gleiche Bild, nämlich eines aus dem Milchstraßenzentrum, das die Bildmitte ergeben soll.

Dann kann man das Programm selbstständig nach Anpasspunkten suchen lassen, d.h. nach Bildpunkten, die in mehreren Bildern vorhanden sind und anhand derer Hugin die Bilder zum Panorama zusammensetzt. Wer bei der Aufnahme viel Überlappung zugelassen hat, ist jetzt im Vorteil! Hierzu stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Wenn nach einmaliger Berechnung einige der Bilder im Panorama nicht dort liegen, wo sie sollen (Hugin besitzt eine sehr gute Vorschaufunktion), dann muss man einzelne Bildpaare von Hand verknüpfen und das Programm erneut rechnen lassen. Nach mehreren Iterationen sollten alle Bilder mit ihren jeweiligen Nachbarn verbunden sein.

Nun kann man einzelne Regionen in den Bildern maskieren, um nur die besten Bildfelder im Panorama anzeigen zu lassen. Üblicherweise sind die Sterne nur in der Bildmitte wirklich scharf, zu den Bildecken fällt die Qualität immer etwas ab. Das Gute an Hugin ist, das man diese Bereiche einfach ausblenden kann, sie zur Anpassung aber weiterhin verwendet werden. Mit Hilfe der Voransicht kann man sich die Überlappungen anzeigen lassen. Dieser Schritt ist etwas zeitintensiv, lohnt sich aber. Am Ende waren die Sterne in meinem Panorama überall ausreichend scharf und nur an den Bildrändern erkennt man, dass ich eben ein ganz normales Objektiv bei Offenblende verwendet habe…

Die Milchstraße über La Palma, mit Airglow (das grüne Leuchten unten rechts).

Zum Schluss lässt sich noch eine Belichtungsoptimierung durchführen, hierbei werden die Bilder an die Helligkeit des Belichtungsankers angepasst. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die unvermeidlichen Helligkeitsunterschiede der einzelnen Aufnahmen, werden so ausgeglichen. Denn auch wenn die Belichtungszeit und alle anderen Einstellungen der Kamera gleich waren, ist doch die Himmel nie gleich hell, vor allem, wenn man in unterschiedlichen Nächten, an verschiedenen Orten und variablen Horizonthöhen fotografiert.

Finetuning

Nachdem das Panorama fertig gestellt ist, beginnt die Detailarbeit: Zunächst mal schaut man sich das Ergebnis in voller Auflösung an. Findet man noch einzelne “Nähte”, bei denen das Stichen nicht richtig funktioniert hat? Helligkeit, Kontrast und Farbbalance korrigierte ich ausschließlich mit Photoshop (Menüpunkt Gradationskurven bzw. Farbbalance). Hierbei ist natürlich der persönliche Geschmack gefragt. Mir ging es darum, die Farben der Milchstraße möglichst natürlich darzustellen, die Wasserstoffnebel gut sichtbar zu machen und den Bildhintergrund nach oben und unten in ein gleichmäßiges tiefes Grau auslaufen zu lassen. Der endgültige Beschnitt, die Rahmung und die Beschriftung des Bilds erfolgten ebenfalls mit Photoshop.

Nach der letzten Nacht… alle Aufnahmen im Kasten – jetzt “nur” noch die Bildverarbeitung!

Wichtig war es, das Bild vollständig in 16-bit zu bearbeiten, um möglichst keine Information durch Komprimierungseffekte zu erhalten. Tatsächlich lässt sich das Panorama wandfüllend ausdrucken und wirkt dabei sowohl aus einigen Metern Entfernung als auch aus der Nähe einwandfrei. Eine 2,40 Meter lange Version hängt seit Ende Oktober 2011 in der Sternwarte Aachen, gedruckt auf Leinwand. Und das war die auf 50% verkleinerte Version des Originalbilds!

Das fertige Panorama – ausgedruckt auf Künstlerleinwand und 2,40 m lang im Vortragsraum der Sternwarte Aachen.

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This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

17 Kommentare

  1. Fantastisch!

    Gratulation, Jan, zu diesem wunderbaren Bild! Und es toll, dass Du das Verfahren für jedermann nachvollziehbar beschreibst!

  2. Klasse

    Da weiß man so eine Aufnahme erst richtig zu würdigen, wenn man hört wieviel Arbeit und Reisekosten darin steckt. Vielen Dank.

  3. Sehr Schön

    Ein beeindruckende Bild! Da ich selbst, im bescheidenen Maße, ein wenig Hobby-Astronomie betreibe, fand ich die Entstehungsgeschichte so eines Bildes sehr interessant.
    Gibt es eine Chance das unkomprimierte Bild von dir zu bekommen? Das würde ich mir auch gerne an die Wand hängen.

  4. superschön

    hab gerade das internet nach bildern abgesucht die mit der eq-1 montierung gemacht wurden…würde im urlaub nämlich auch gerne ein wenig die milchstraße fotografieren…

    …da bin ich auf dieses wunderschöne projekt gestoßen…

    großes lob…wunderschön…am liebstn würde man das gleich nachmachen…

    und ich würds mir auch ausgedruckt an die wand hängen…

  5. Hallo Herr Hattenbach,

    beeindruckendes Werk die Milchstraße mit Beschriftung. Gibt es eine Möglichkeit
    die Datei zum Bedrucken einer Leinwand
    zu beziehen??

    Mit freundlichen Grüßen
    Karsten Meibaum

  6. Unglaublich

    Ich kann nur immer wieder darüber staunen mit was für verhältnismäßig einfachen und günstigen (EQ-1 vs. Astrotac) Mitteln man solch unglaubliche Aufnahmen machen kann.
    Eine Frage hätte ich noch: Steht vielleicht eine große oder unkomprimierte Version des Bildes zur Verfügung, für solche Leinwanddrucke zum Beispiel 🙂 ?

    Gruß, Felix

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  10. Hallo,

    wollte nur sagen: “super Arbeit”.

    Hab mir die randlose Milchstraße in 150×50 auf einer s.g. Metallic Leinwand geholt.
    Sieht einfach nur toll aus. Besonders im Tageslicht kommen die Blau- und vereinzelten Rottöne richtig gut zur Geltung.

    Warte auf Version 3.0 😉

    • Hallo Jens!

      Danke! Es freut mich sehr, dass dir das Bild gefällt – auf Metallic würd’ ichs auch gern mal sehen.

      Ich bin übrigens gerade schwer mit Version 3.0 beschäftigt (daher schreibe ich auch gerade aus dem Land des Vizeweltmeisters). Es wird wohl auf ein Panorama des zentralen Milchstraßenteils hinauslaufen – aber mit mehr Brennweite…

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