Reservate der Nacht

BLOG: Himmelslichter

ein Blog über alles, was am Himmel passiert
Himmelslichter

Sark, eine der britischen Kanalinseln, ist wurde im Januar 2011 zur weltweit ersten IDA-zertifizierten "Dark-Sky-Insel" erklärt. Sie ist damit wohl so etwas wie ein Reservat für den dunklen Sternenhimmel, den man ja andernorts kaum noch vorfindet. Natürlich erhoffen sich die lokalen Autoritäten durch die Adelung des Inselchens einen Boom für den Tourismus, des Astro-Tourismus vor allem.  

Dass der Himmel über Sark nachts noch richtig dunkel ist, ist kaum überraschend: Auf den fünfeinhalb Quadratkilometern leben nur 600 Einwohner, zu denen sich im Sommer noch einige hundert Touristen gesellen. Straßenbeleuchtung gibt es nicht, ja nicht einmal asphaltierte Straßen oder PKW, wie man dank Wikipedia erfährt. 

Ein Bewusstsein für die Lichtverschmutzungsproblematik zu wecken ist eine sehr schwierige Sache, und die Gründung von Dark-Sky-Parks ist daher nur zu begrüßen. Solche Ereignisse können das Thema Lichtverschmutzung auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen. Wie gut das funktioniert, kann man ja an dem gewaltigen Medienecho ablesen, dass diese Meldung in den letzten Tagen in der Normalpresse hinterlassen hat. 

Dennoch habe ich ein zwiespältiges Gefühl bei der Sache. Denn wird der Sternenhimmel dadurch nicht an exotische Orte zurückgedrängt, an denen sowieso nichts los ist? Muss es wirklich sein, dass man eine dunkle Nacht nur noch im Urlaub erleben darf? Um es (nochmal) klar zu machen: Es muss nicht stockdunkel werden hierzulande. Aber es würde schon reichen, wenn man vernünftige Lampen zur Beleuchtung einsetzen, Dorfkirchen nicht bis in die Morgenstunden anstrahlen und auch ansonsten öfter Mal den Verstand beim Thema Beleuchtung einschalten würde.

Dann wäre der Himmel nämlich immerhin noch so dunkel, dass jeder der es möchte, die Wunder des Weltalls mit eigenen Augen erfahren dürfte – ohne dafür auf einsame Inseln flüchten zu müssen. Und diejenigen, denen das gleichgültig ist, würden auch nichts verlieren sondern eher noch Geld sparen.

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

9 Kommentare

  1. “Lichtverschmutzung”

    Es ist sinnvoll, immer wieder auf “Lichtverschmutzung” als einer – besonders ärgerlichen und überflüssigen – Form der Umweltzerstörung hinzuweisen. Und es ist zu hoffen, dass mit einer Aktion wie dieser eine Bewusstseinsänderung eintreten möge, wenngleich ich da eher pessimistisch bin.

    Dennoch hat die Einrichtung lichtverminderter Reservate stets einen ähnlich fauligen Geruch wie zoologische Gärten: Mit der einen Hand wird etwas zerstört, mit der anderen großzügig Pseudoersatz geschaffen. In Zoos begafft der Mensch jene in winzige Gehege und Käfige gesperrten Tiere, deren Lebensräume er ruiniert. In Zoos werden Tiere vorgeführt, die in freier Wildbahn oftmals keine Überlebenschance mehr haben, Beispiel Orangutans. Welch Paradoxon, wenn beispielsweise der Zoo Frankfurt auf seiner Website mit den Worten wirbt: “Getreu seinem Leitspruch “Tiere erleben – Natur bewahren” bietet der Zoo Frankfurt seinen Besucherinnen und Besuchern ein authentisches Tiererlebnis und engagiert sich für den Natur- und Artenschutz.“. Mit Schaffung lichtreduzierter Reservate wird – ganz ähnlich, und wie Du schreibst – der Anblick der leuchtenden Milchstraße an abgelegene Orte verlegt. Astrotourismus dürfte einem Inselchen wie diesem eher schaden.

    Zumindest für die 600 Insulaner, die nun ganz zwangsläufig auf den Geschmack eigener astronomischer Beobachtungen kommen, ist das Zertifikat “Dark-Sky-Insel” eine feine Sache, haben sie doch (wieder) einen beeindruckenden Sternhimmel. Pfiffige Astrohändler finden fortan auf Sark eine optimale Zielgruppe ihrer Produkte. Vielleicht entsteht hier sogar eine neue Unterart: der homo sapiens astronomicus.

  2. @Clear Skies

    Astrotourismus dürfte einem Inselchen wie diesem eher schaden.

    Hm. Warum? Wenn schon Tourismus, dann doch liebeer von Leuten, die abends spechteln statt saufen. Und wovon sollen die Insulaner leben, wenn nicht vom Tourismus?

  3. Astrotourismus…

    … ist erst mal nicht schlechter oder besser als normaler Tourismus (ok, wenn man von Kulturreisen á la Ballermann mal absieht). Es ist auch nicht schlecht, wenn Astrotourismus zu einer Einnahmequelle wird, insbesondere, da der Sternhimmel dadurch zu einem Standortfaktor wird, der entsprechend geschützt werden wird.

    Und die Insel wird sicher nicht unter der Flut der Astrotouristen zusammenbrechen, da sind wir einfach nicht genug für 😉

    Mein Problem, das ich damit habe: Solche Angebote richten sich doch erst mal an die paar paar Tausend, die sich ohnehin für den bestirnten Himmel interessieren. Was ist mit denen, die kaum wissen, dass es da oben wirklich was zu sehen gibt außer ein paar funzeligen Lichtpünktchen? Denen muss man in der Volkssternwarte weiter sagen “und da wäre jetzt die Milchstraße gewesen – wenn Sie sie mal sehen wollen, fliegen Sie doch nach Sark.”

    Wenn wir den Wald nicht bräuchten aus wirtschaftlichen Gründen und schlicht, weil uns ohne ihn die Luft ausginge – würden wir ihn dann auch auf einsame Inseln verbannen, wo er nicht im Weg steht?

  4. Und die Insel wird sicher nicht unter der Flut der Astrotouristen zusammenbrechen, da sind wir einfach nicht genug für

    Vor allem würde das schon deswegen nicht passieren, weil dann nämlich die Bewohner anderer Inseln und vermutlich auch Festlandsregionen sehr schnell auf den trichter kommen würden, dass sie mit “Licht aus” sich eine neue touristische Einnahmequelle erschließen könen.

    Hier wurden bedrohte Tierarten genannt. gerade da zeigt sich, dass hinreichend gesteuerter Tourismus einen Beitrag zu ihrem Schutz leisten kann – wenn die Bewohner einer Region merken, dass ihnen die Existenz dieser Tiere mehr einbringt als ihre Abwesenheit.

    Zur Sache: Mir ist die Problematik durchaus klar. Nur teile ich nicht die Einschätzung, dass die Schaffung einiger Dunkelheitsinseln die Lösung oder Nicht-Lösung des Problems des Zuviel-an-Licht in den dicht besiedelten Regionen wirklich beeinflusst.

    Vielleicht wird es tatsächlich gelingen, etwas venünftiger mit Licht umzugehen. Ich fürchte, es besteht die Möglichkeit, dass dies nicht passieren wird. Wenn es dann wenigstens ein paar Reservate gibt, in denen man den Nachthimmel genießen kann, ist das besser als gar nichts.

  5. @Michael

    “Vielleicht wird es tatsächlich gelingen, etwas venünftiger mit Licht umzugehen. Ich fürchte, es besteht die Möglichkeit, dass dies nicht passieren wird. Wenn es dann wenigstens ein paar Reservate gibt, in denen man den Nachthimmel genießen kann, ist das besser als gar nichts.”

    Volle Zustimmung!

  6. Die Rezession machts möglich

    Ich denke, dass Sark hier nur einen Anfang machen wird. Gerade in Großbritannien sehe ich ein großes Potential für ein gewisses Umdenken zum Thema. Natürlich kommt erstmal der finanzielle Aspekt, der momentan auf der von der Finanzkrise besonders gebeutelten Insel einen guten Anreiz zum Umdenken darstellt. Wie auch hier in Bath, wo darüber nachgedacht wird die Straßenlaternen nicht nur Mittelfristig auf eine LED Beleuchtung umzustellen, sondern auch gleichzeitig die Anzahl zu reduzieren und das Licht effektiver einzusetzen. (http://www.thisisbath.co.uk/…detail/article.html)
    Der ganze “save the planet” und “green impact” Gedanke ist hier viel mehr Präsent als ich das aus Deutschland kenne. Und während in Deutschland erstmal jedes Vorhaben durch drei Ausschüsse muss um dann einen Volksentscheid zu bestehen und dann doch am Föderalismus zu scheitern, nimmt man solche Vorhaben in England einfach hin. Das Rauchverbot in Pubs zum Beispiel, wurde einfach von oben durchgesetzt und galt erstmal bei der Bevölkerung als notwendiges Übel. Jetzt ist das Verbot akzeptiert und die Meisten sind auch glücklich darüber.

    Ich denke, dass die Rezession hier in England noch dazu führen wird, dass die Lichtverschwendung deutlich nachlassen, und so vielleicht auch langfristig ein Umdenken einsetzen wird.

  7. Medienecho

    Zu meiner (sarkastischen) Bemerkung zum Medienecho: Heute steht in der Süddeutschen Zeitung ein längerer Bericht zum Thema Dark-Sky-Parks, mit Sark als Aufhänger.

  8. Süddeutsche Zeitung

    Das ist in der Tat ein empfehlenswerter und gut recherchierter Artikel zum Thema “Lichtverschmutzung”, den die SZ in ihrer Rubrik “Wissen” auf Seite 20 der heutigen Ausgabe präsentiert.

    Auffällig ist die Tatsache, dass die Autorin Katrin Blawat das Buch “Das Ende der Nacht” – über das sich hier ein Blog-Post findet – offenbar gründlich studiert hat und ganz offenkundig auch diverse Blog-Beiträge zum Thema kennt, auch solche in den KosmoLogs. Hoffen wir, dass unsere Blog-Texte zum Thema “Lichtverschmutzung” nicht nur Wissenschaftsjournalisten dienen, sondern auch von Verantwortlichen gelesen werden, die um diese Problematik nicht wissen, und die effektivere Stellschrauben zur Verminderung der Lichtflut drehen können als der Normalsterbliche.

  9. Dark Sky Parks

    Ob Sark wirklich für den Astrotourismus taugt, sei dahingestellt. Die nur 10 km entfernte Insel Guernsey ist hell erleuchtet und auf Sark wurde als dunkelste Himmelshelligkeit 21.5 mag/arcsec² gemessen – Lastovo ist da sicher dunkler. Hilfreich ist es vor allem für die Beobachtungsbedingungen des lokalen Astronomieclubs und ansonsten gilt ähnliches wie für den Dark Sky Park Galloway: es gibt wohl kaum Astro-Touristen, aber das Presseecho ist wichtig. Galloway ist in England fast täglich in der Presse. In der Folge wollen dort 3-4 weitere Parks den Status beantragen.

    Eine breit angelegte Aktion in Frankreich sind die “Villes et Villages étoilés”, wo sich Kommunen bewerben können, die den dunklen Nachthimmel durch Reduzieren der Beleuchtung oder Einsatz abgeschirmter Leuchten erhalten wollen. Wie beim Guide Michelin werden sie mit Sternen ausgezeichnet. Waren es
    2009 39 Kommunen, so wurden 2010 bereits
    64 mit Sternen geschmückt: http://www.villesetvillagesetoiles.fr

    Bei uns tut sich aber auch einiges: es gibt inzwischen eine Bachelor-Arbeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zum “Sternenpark Westhavelland”, im Harz und der Rhön gibt es aktive Bestrebungen für Dark Sky Parks.

    Das alles ist hilfreich, um auf das Thema aufmerksam zu machen – nur so kann etwas gegen Lichtverschmutzung unternommen werden.

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