Progress M27-M stürzt in den nächsten Stunden ab! Update: Absturz erfolgt

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Die am 28. April havarierte Progess-Kapsel Progress M-27M wird aller Voraussicht nach in den nächsten 24 Stunden abstürzen. Erhöhte Sonnenaktivität in den vergangenen Tagen hat eine verstärkte Ausdehnung der Erdatmosphäre in den Orbit des ISS-Versorgungsraumschiffs bewirkt. Durch die dadurch erhöhte atmosphärische Reibung dürfte der Absturz der Kapsel bereits in den kommenden Nacht oder am morgigen Vormittag erfolgen. Nordamerika, Europa und Australien sind den neuesten Prognosen zufolge nicht betroffen, allerdings bleiben Unsicherheiten.

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Update, 04:50 MESZ: Nach mehreren Umrundungen im Vorhersagefenster (und drei fehlgeschlagenen Versuchen meinerseits, den Frachter beim Verglühen zu beobachten), gaben die russischen Behörden bekannt, dass Progress M-27M um 04:04 MESZ über dem Zentralpazifik verglüht ist. Gesehen hats wohl keiner – praktisch alles ganz normal. Spannend war es aber allemal, dem Frachter mit Gleichgesinnten aus aller Welt via Twitter zu verfolgen…

Und noch ein Update: Wie es scheint, waren Zeit und Ort von den Russen nur berechnet bzw. geraten – wie die ESA bekanntgibt, wurde der Absturz um 04:20 MESZ aus dem All via Infrarot beobachtet (was man allerdings zwischen den Zeilen herauslesen muss). Progress M-27M stürzte demnach bei 51° S und 273°O vor der chilenischen Küste in den Pazifik, weit südlicher als von Roskosmos angegeben. Schade, dass sowas wie vollständige Information (was, wo, wann, wie, von wem) nur in Ausnahmenfällen von Raumfahrtorganisationen vermittelt werden, aber das ist wohl part of the fun. Siehe auch hier.

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Die Vorhersagen verschiendenster Organisationen sind auf der Webseite spaceflight101.com zusammengefasst. Ich hüte mich davor, irgendeine der Vorhersagen herauszustellen – man beachte in jedem Falle die Unsicherheiten von 2 bis 18 Stunden.

Die ESA spricht von einem Zeitrahmen vom späteren Abend heute bis zum morgigen Mittag:

As of Thursday morning, 7 May, we are forecasting an uncontrolled reentry by Progress M-27M any time between later in the evening today through to mid-day tomorrow, 8 May.

Satellitenexperte Marco Langbroeck hält einen etwas späteren Zeitpunkt für realistisch, da sich die Abnahme des Orbit offenbar wieder etwas verlangsamt.

Die Umlaufdauer liegt mittlerweile bei unter 88 Minuten, Tendenz weiter fallend. Bildquelle: spaceflight101.com
Die Umlaufdauer liegt mittlerweile bei unter 88 Minuten, Tendenz weiter fallend. Bildquelle: spaceflight101.com
 Sowohl erdfernster (blau) als auch erdnächster (rot) Punkt der Umlaufbahn nehmen seit Tagen stetig ab. In den letzten Stunden ist ein Abflachen der Abnehme zu erkennen. Bildquelle: spaceflight101.com
Sowohl erdfernster (blau) als auch erdnächster (rot) Punkt der Umlaufbahn nehmen seit Tagen stetig ab. In den letzten Stunden ist ein Abflachen der Abnehme zu erkennen. Bildquelle: spaceflight101.com

Die Frage, wo Progress M-27M herunterkommt, lässt sich immer noch nicht genau beantworten. Wegen der nicht 100prozentig genau bekannten atmosphärischen Reibung wird man es ganz genau ohnehin erst hinterher wissen. Immerhin lässt sich mit der Vorhersage des USSTRATCOM und ihrer recht geringen Unsicherheit von nur noch +/-2 Stunden ein gewisser Bereich eingrenzen. Die Kapsel kann nur entlang des in diesem Zeitrum überflogenen Pfads abstürzen. Stimmt die Voraussage, dann sind damit Europa, Nordamerika und Australien ausgeschlossen.

Pfad der Progress-Kapsel während des vom USSTRATCOM vorausgesagten Absturzzeitraums. Nur entlang der gelben Linie kann der Absturz erfolgen. Bildquelle: spaceflight101.com
Pfad der Progress-Kapsel während des vom USSTRATCOM vorausgesagten Absturzzeitraums. Nur entlang der gelben Linie kann der Absturz erfolgen. Bildquelle: spaceflight101.com

Einen Livetracker der Position von Progress M-27M bietet diese Webseite. Dabie ist zu beachten, dass es sich hier nicht um Live-Telemetriedaten handelt, sondern um eine berechnete Position aufgrund regelmäßig aktualisierter Bahndaten. Da sich die infolge der unbekannten atmosphärischen Reibung schnell ändern können, sind signifikante Abweichungen von der realen Position möglich. So kann Progress auf dem Tracker auch noch eine Weile weiter kreisen, währen die echte Kapsel schon verglüht ist!

Update: Eine alternative Prognose, wiederum von Marco Langbroek. Demnach wäre der wahrscheinlichste Absturzpunkt über Südamerika, allerdings ist bei der derzeitigen Unsicherheit jeder Punkt auf den eingezeichneten Pfaden wahrscheinlich.

Bildquelle: Marco Langbroek
Bildquelle: Marco Langbroek

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

4 Kommentare

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  2. Hallo Jan,
    puh, dann hat das Attentat der Russen Dich ja knapp verfehlt. Wie viel Kilometer war der Einschlag denn von Dir weg?
    Noch ein Nachtrag zu Deinem Sirius-Blog vom 31.Januar: Du hast damit auch mein Interesse geweckt und ich bereite gerade einen Vortrag dazu im Arbeitskreis vor. Auf diesem Weg stieß ich auf das Mathe-Programm Geogebra, das man hervorragend zur dreidimensionalen Darstellung des Sirius-Systems benutzen kann. Ich hab gestern ein Arbeitsblatt dazu im Geogebra-Tube publiziert. Würde mich freuen wenn Du mir Deine Meinung dazu und weitere Anregungen mitteilst, das deutsche Arbeitsblatt ist unter https://tube.geogebra.org/student/m1150235 zu finden. Es gibt auch eine Version auf Englisch, die muss ich aber noch ausbauen.
    Viele Grüße aus Aachen,
    Ulli

    • Hallo Ulli,

      wenn die Angabe von den Amis stimmt, so um die 1000km. Klingt nach viel, aber wäre der Eintritt nur ein paar Minuten später erfügt, hätte ich ihn gesehen!

      Coole Sache das mit dem Programm. Scheint mir eine gute Möglichkeit, das System zu visualisieren. Kann man auch unterschiedliche Zeitpunkte simulieren umd zu sehen, wie sich der Abstand Sirius A und B im Laufe der Zeit entwickelt?

  3. Hallo Jan,
    drück mal bitte die Play-Taste auf der linken unteren Seite und aktiviere die Kontrollkästchen für die Sterne, dann siehst Du die zeitliche Entwicklung. Eine Anleitung steht auch unter der Grafik.
    Inzwischen habe ich schon ein update unter http://tube.geogebra.org/student/m1158597, dort wird der scheinbare und wahre Abstand zwischen den Komponenten im Laufe der Zeit aufgetragen. Dadurch kann man z.B. genau messen wann Sirius B die Knotenlinie durchläuft. Auch die Animationsgeschwindigkeit kannst Du jetzt regeln. Es fallen einem immer neue Sachen ein, die man daran ausprobieren kann. Mein nächtlicher Schlaf reduziert sich auf ein Minimum…
    Viele Grüße,
    Ulli

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