Wie oft knallt’s auf Jupiter?

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Himmelslichter

Der Einschlag des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf Jupiter war eine Sensation. Zum ersten Mal konnte der Absturz eines großen Himmelskörpers live verfolgt werden. Statistisch gesehen sollte es alle paar Jahrhunderte dazu kommen. Doch SL9 war 1994 – und knapp 14 Jahre später war es schon wieder soweit. Am 19. Juli 2009 entdeckte ein australischer Amateurastronom eine Wolkenstruktur, die den Einschlagmalen von 1994 stark ähnelte. Tatsächlich war unbeobachtet auf der abgewandten Seite des Planeten erneut ein bis zu ein Kilometer großer Brocken auf den Gasriesen niedergegangen.

Da dieser zweite Impaktor im Gegensatz zu SL9 nicht vorher bekannt war, kann man über seine Herkunft nur spekulieren. Höchstwahrscheinlich handelte es sich ebenfalls um einen Kometenkern, der von Jupiters Gravitationsfeld eingefangen worden war. Im Unterschied zu SL9 zerbrach er jedoch nicht vor dem Absturz, sondern tauchte in einem Stück in Jupiters Atmosphäre ein, wo er schließlich explodierte. Die Explosionswolke war noch Wochen später sichtbar. 

Abbildung 1: Treffer! Die Hubble-Aufnahme entstand vier Tage nach dem Einschlag am 19. juli 2009. Die im visuellen Spektralbereich dunkle Einschlagswolke war noch Wochen später auch mit Amateurteleskopen zu sehen. Bildquelle: NASA/ESA/H. Hammel

Dass zweimal in nur knapp 15 Jahren ein so großer Körper auf Jupiter eingeschlagen ist könnte Zufall sein. Oder aber die bisherige Statistik ist falsch. Eine nun veröffentlichte Studie [1] legt nun genau das nahe. Das berechnete Zeitintervall zwischen zwei Impakten dieser Größenordnung von 50 bis 350 Jahren beruht auf einer eher dürftigen Datenlage. Neben SL9 gab es bis 2009 nur eine einzige weitere Beobachtung, die möglicherweise auf einen Impakt auf Jupiter hindeuten könnte. Sie datiert auf das Jahr 1690, damals beobachtete Giovanni Domenico Cassini eine Wolkenstruktur in der Jupiteratmosphäre, die aus heutiger Sicht eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Impaktwolke hatte [2]. Es gab bis 2009 also nur eine einzige gesicherte Beobachtung eines derartigen Ereignisses, dazu eine fragwürdige, außerdem theoretische Modelle und die Anzahl der Krater auf den großen Jupitermonden – mehr stand den Astronomen zur Bestimmung der Impaktrate nicht zur Verfügung. 

Der Einschlag im Jahr 2009 hat die Anzahl der mit Sicherheit beobachteten Impaktereignisse auf Jupiter seit Beginn der teleskopischen Beobachtungen glatt verdoppelt. Die Autoren der Studie schließen daraus, dass die tatsächliche Rate fünf bis zehn Mal größer sein könnte als bisher angenommen. In dieser Zahl ist bereits berücksichtigt, dass Jupiter während der Konjuktionsstellung für einige Monate von der Erde aus schlecht oder gar nicht beobachtbar ist und dass die Impaktspuren 1994 und 2009 nach zwei bis drei Monaten verblassten (Jupiter hat als Gasplanet keine feste Oberfläche, auf der sich solche Narben lange halten könnten). Im Klartext: Es könnte durchaus sein, dass in den letzten 15 oder 20 Jahren noch weitere Einschläge gegeben hat, von denen wir nichts mitbekommen haben.

Nun sind zwei statt einem Datenpunkt auch nicht unbedingt das, was man für eine aussagekräftige Statistik gerne hätte. Also bleibt nur die Beobachtung. Hier sind auch und gerade die Amateurastronomen gefragt: In den letzten 15 Jahren hat sich die Planetenfotografie von der Zeichnung und dem chemischen Film zur CCD-Kamera rasant weiterentwickelt. Es vergeht wohl keine Nacht, in der nicht irgendwo auf der Welt ein Amateurastronom ein Jupiterbild aufnimmt (wenn der Planet denn sichtbar ist). So ist es wahrscheinlich, dass der nächste Impakt wieder von einem Amateurastronomen entdeckt wird. Die Frage ist nur, wann!

Abbildung 2: Die Grafik zeigt das mittlere statistische Zeitintervall zwischen zwei Asteroideneinschlägen auf der Erde in Abhängigkeit von der Größe des Impaktors bzw. der freigesetzten Energie. Der Durchmesser ist kein besonders gutes Maß und soll nur als grober Anhaltspunkt dienen, da die Geschwindigkeit und die Dichte des Körpers die Auswirkungen eines Impakts entscheidend beeinflussen. Ein Zeitintervall von bspw. einem Jahrhundert bedeutet nicht, dass es genau alle einhundert Jahre zu einem Impakt einer bestimmten Größe kommt, sondern gibt nur die zeitliche Größenordnung an. Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an eine NASA-Grafik    

Was bedeutet eine bis zu zehn Mal größere Impaktrate großer Kometen und Asteroiden auf Jupiter für die Einschlagswahrscheinlichkeit auf der Erde? Diese Frage wird in der Studie leider nicht gestellt, schon aber im arXiv-Blog. Hat sie darauf überhaupt eine Auswirkung? Interessante Fragen, wie ich finde, eine Antwort darauf habe ich nicht. In jedem Falle ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Asteroiden- oder Kometeneinschlags zu werden, für Jupiter aufgrund seines stärkeren Gravitationsfelds wesentlich größer ist als für unsere kleine Erde, die eine viel kleinere Zielscheibe abgibt. Im statistischen Mittel dürfte unser Planet alle paar 500.000 Jahre Bekanntschaft mit einem Körper der 500 bis 1000-Meter-Klasse machen, wie 2009 der Jupiter. Immerhin – aber wer vertraut schon auf eine Statistik?

Was genau Jupiter mit den Kleinkörpern im Sonnensystem anstellt, ist in jedem Falle auch für uns auf der Erde wichtig. Gemeinhin heißt es ja, dass er uns durch seine Anziehungskraft von unangenehmen Besuchern aus dem Sonnensystem fern hält, also eine Art Schutzfunktion hat. Das mag beruhigend klingen, ehrlicherweise muss man aber zugeben, dass das längst nicht so sicher ist. Bislang wissen wir nicht wirklich, ob Jupiter eher Freund oder Feind ist.  

So oder so ist jede Statistik völlig obsolet, wenn wirklich einmal der Alarm schrillen sollte und wir einen Asteroiden auf Kollisionskurs entdecken. Michael Khan hat hier vor längerer Zeit mal ausführlich über einen dieser Problembären berichtet, (99942) Apophis ist sein Name. Am 13. April 2029 kommt er vorbei, vorerst noch mit gebührendem Abstand. Damals hatte Michael auch konkrete Vorschläge gemacht, was zu tun ist, damit uns Apophis auch fernerer Zukunft in Frieden lässt. Ich erinnere mich noch, dass einer der wichtigsten Faktoren bei der Asteroidenabwähr die Zeit ist, je früher gehandelt wird, desto besser. Während ich diese Zeilen hier schreibe frage ich mich, was man in der Zwischenzeit in Hinblick auf unseren Freund Apophis getan hat…

[1] Sánchez-Lavega et al. 2010: The impact of a large object with Jupiter in July 2009. The Astrophysical Journal Letters, 715, 2, L150 (2010, accepted), arXiv:1005.2312

[2] Tabe et al. 1997, PASJ, 49, L1

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

3 Kommentare

  1. Neuer Impaktor auch eingefangen?

    Da dieser zweite Impaktor im Gegensatz zu SL9 nicht vorher bekannt war, kann man über seine Herkunft nur spekulieren. Höchstwahrscheinlich handelte es sich ebenfalls um einen Kometenkern, der von Jupiters Gravitationsfeld eingefangen worden war.

    Woher weiß man das? Wäre es nicht viel wahrscheinlicher, dass dieses Objekt einfach aus einer bezüglich Jupiter
    hyperbolischen Bahn geraus auf dem Planeten einschlug?

  2. fast 50:50

    Im zitierten Paper ist von einer 53%-Wahrscheinlichkeit die Rede, dass das Objekt nicht aus dem heliozentrischen Orbit kam, sondern zuvor eingefangen wurde. Das weiss man laut dem Paper aus Monte-Carlo-Simulationen. Gut, dass ist nicht allzu viel mehr als die andere Möglichkeit, die eben 47% beträgt, also ob der Ausdruck “höchstwahrscheinlich” nun so glücklich gewählt ist…

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