Zweifacher Weckruf

BLOG: Himmelslichter

ein Blog über alles, was am Himmel passiert
Himmelslichter

Was für ein Tag: Beim Absturz eines Meteoriten werden in Russland mehrere hundert Menschen verletzt, Gebäude beschädigt und eine ganze Region in Schrecken versetzt. Und kaum 12 Stunden später verfehlt ein weiterer Brocken aus dem All unseren blauen, irgendwie schutzlos wirkenden Planeten. Zufall, höchstwahrscheinlich. Doch sollten uns die Ereignisse dieses 15. Februar 2013 zu denken geben: Wir haben eine sehr reale Naturgefahr bislang unterschätzt.

Auch wenn viele Menschen nicht an Zufälle glauben wollen: dieses Doppelereignis war wohl einer. Der Asteroid 2012 DA14 war schon seit einiger Zeit bekannt – auch, dass er die Erde mit 28.000 Kilometer Abstand (und damit knapp) verpassen würde. Das über Russland abgestürzte Objekt hatte niemand auf der Rechnung. Miteinander zu tun hatten beide mit ziemlicher Sicherheit nichts. (Medien-)Geschichte machten sie trotzdem.

Alles ganz normal

Es schadet nach so einem Tag nicht, kurz innezuhalten. Bei aller medialen Aufmerksamkeit, welche derzeit die “Gefahr aus dem All” bekommt (ehe es wieder ums tödliche Pferdefleisch geht), gilt nämlich weiterhin: Es ist nichts ungewöhnliches passiert. Seit Milliarden von Jahren wird die Erde von Asteroiden und Kometen getroffen. Jedes Jahr, jeden Tag regnet außerirdisches Material auf uns herab. Tagtäglich fallen Meteorite zur Erde, und auch in Zukunft wird unser Heimatplanet eine prima Zielscheibe abgeben.

Dass nur ein kleiner Teil dieser Abstürze beobachtet wird hat seinen Grund: Man mag es als Stadtbewohner kaum glauben, doch unsere Erde besteht größtenteils aus menschenleeren Ozeanen und Wüsten. Dazu kommt, dass ein Meteoritenfall wie der heutige russische es noch vor 10 oder 20 Jahren allenfalls mit langer Verzögerung in die Zeitungen geschafft hätte, um dann irgendwo zwischen “Vermischtes” und “Kurioses” zu landen. Denn mehr als ein paar Augenzeugenberichte und allerhöchstens ein verwackeltes Foto hätte die Weltöffentlichkeit nicht davon erfahren.

Schneller als der Schall

Heute dagegen kann dank Smartphone und Internet jedermann jederzeit Weltgeschichte aufzeichnen und publizieren: So rasen die spektakulären Videoaufnahmen des Absturzes schneller um den Globus als seine akustischen Schockwellen. Es fallen also nicht mehr Meteoriten als früher – wir erfahren nur schneller davon.

Von einem Objekt wie 2012 DA14, immerin rund 50 Meter groß, hätte die Menschheit vor zehn Jahren höchstwahrscheinlich gar nichts mitbekommen. Erst seit relativ kurzer Zeit verfügen wir über Teleskope und Detektoren, die den Himmel praktisch permanent überwachen. Sie können solche Kleinobjekte im Sonnensystem aufspüren, ehe sie für ein paar Stunden auch für Amateurteleskope sichtbar sind. Wir haben im letzten Jahrhundert hunderte wenn nicht gar tausende Asteroidenvorbeiflüge (über)erlebt, ohne davon erfahren zu haben!

Beide Ereignisse – der Vorbeiflug von 2012 DA14 und der Russland-Meteorit – sind also astronomisch gesehen alltägliche Ereignisse. Und selbst, wenn und 2012 DA14 auch noch getroffen hätte, die Menschheit hätte es überstanden. Das gilt glücklicherweise für die meisten dieser kosmischen Geschosse: sie sind so klein, dass sie keine größeren Probleme anrichten können. Dank unserer Atmosphäre verglühen und zerplatzen sie, bevor sie den Boden erreichen, und es war auch in Russland hauptsächlich die Druckwelle dieser atmosphärischen Explosion, die für die lokalen Schäden verantwortlich zeichnete. Sowohl der Russland-Meteorit, als auch 2012 DA14 gehören deshalb nicht einmal zur Gruppe der “potentiell gefährlichen Asteroiden” – sie sind (bzw. waren) schlicht nicht groß genug.

Gerüstet für die wirklichen Problembären?

Aber es gibt natürlich solche Problembären. Und dank immer besserer Teleskope werden wir in Zukunft noch öfter angemeldeten Besuch aus dem Sonnensystem bekommen. Noch kennen wir keinen Asteroiden oder Kometen, der unseren Planeten noch etwas näher kennen lernen will, doch eines Tages wird sich das ändern. Dann sollten wir bereit sein. Im Gegensatz zu Erdbeben und anderen Naturgewalten auf unserem Planeten besitzen wir immerhin die Technologie, einen gefählichen Asteroiden abzuwehren – sofern wir genügend Zeit dazu haben.

Insofern können die Ereignisse des 15. Februar 2013 ihr Gutes haben. Wir haben diese Naturgefahr lange genug unterschätzt und als Kuriosum abgetan. Gegen Präventivmaßnahmen gegen Erdbeben oder Tsunamis mag niemand ernsthaft Einwände erheben, doch für Abwehrmaßnahmen gegen Asteroiden stellen die raumfahrtbetreibenden Nationen noch immer zu wenig Mittel zur Verfügung. Es gibt keinen Grund zur Panik, aber wenn wir dem Thema “Asteroidenabwehr” heute eine etwas höhere Priorität einräumen, kann uns das in (hoffentlich ferner) Zukunft einmal sehr nützlich sein.

 

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

6 Kommentare

  1. Meteoroid ist Brüchstück von DA14

    Leute, das ist doch sonnenklar. Solche Zufälle gibt es nicht, zwei Jahrhundertereignisse innerhalb eines Tages und die sollen angeblich nichts miteinander zu tun haben.

    Es liegt doch auf der Hand, dass es sich bei dem Meteoroiden, der im Ural einschlug, um ein Bruchstück von DA14 handelte.

    DA14 hat im Vergleich zur Erde eine verschwindend kleine Masse, so dass die Gravitation des Asteroiden das Bruchstück kaum beeinflusst. Das Bruchstück entfernt sich daher langsam aber stetig. Die Bahn um die Sonne ist wie die Erdbahn etwa eine Milliarde Kilometer lang. Der Abstand zu DA14 war beim Einschlag etwa tausendfach geringer.

  2. Grad der Aufmerksamkeit

    Grad der Aufmerksamkeit – für 2012 DA14
    Kurz nach seiner Entdeckung vor ca. 12 Monaten
    stand sicherlich schon fest, dass eine enge
    Begegnung mit der Erde im Februar 2013 erfolgen würde.
    Daher wäre schon interessant im Nachhinein zu wissen, welcher
    Sprung im Aufmerksamkeitsgrad bei den beteiligten
    Astronomen u n d Behörden in der ersten Jahreshälfte
    2012 erfolgt ist, um möglichst präzise Beobachtungen
    vornehmen zu können, die ggf. eine höchste
    Genauigkeitsbemessung verdient hätten, um z.B. einen
    denkbaren Impaktort auf
    der Erdoberfläche bestimmen zu können, insbesondere
    mit dem Ziel einer Evakuierung von betroffenen
    Menschen.

  3. Zusammenhang der beiden Asteroiden

    Wenn der Russland Meteor ein Bruchstück von DA14 war, muss er aus der selben Richtung gekommen sein. Ich glaube mich erinnern zu können, dass Jemand davon sprach er wäre von “hinten” gekommen. (Also alle Welt schaut auf DA14 und von “hinten” kommt ein Anderer und schlägt ein!?)

  4. Abwehrfrage

    Ich empfand diesen Warnschuss auch als äußerst wichtigen Weckruf und hoffe er möge nicht durch andere Trivialitäten all zu schnell vergessen sein!

    Ich habe aber auch noch eine Frage zum Thema Asteroidenabwehr. Es wird immer wieder gesagt das ein atomares zerstören eines großen Asteroiden letztlich ohne Wirkung wäre, weil man aus einem großen Objekt viele kleine erzeugen würde – siehe Schrottschuss.

    Aber eigentlich ist es doch so das viele kleine Objekte eine viel größere Angriffsfläche der reibenden Atmosphäre aussetzten – und verglühen würden – so wie auch jetzt dieses “kleine” Objekt.

    Dagegen wäre ein Argument für mich, dass man eventuell radioaktives Material quasi huckepack zurück in die Atmosphäre verbringen würde.

    Haben Sie eine Erklärung?

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