Religionen intelligent bestehlen – Alain de Bottons „Religion für Atheisten“

BLOG: Hinter-Gründe

Denk-Geschichte(n) des Glaubens
Hinter-Gründe

„Der Versuch, die Nichtexistenz Gottes zu beweisen, kann für Atheisten eine unterhaltsame Tätigkeit sein“ und „Die langweiligste und unproduktivste Frage, die man sich zu einer Religion stellen kann, ist die, ob sie wahr ist oder nicht“– so leitet mit hintergründiger Ironie Alain de Botton sein Buch ein, das er vor einem starken Jahr schrieb und das jetzt, seit Ende April, in deutscher Übersetzung vorliegt: „Religion für Atheisten“ (S.Fischer-Verlag, 21,99 €)
Im Februar 2012 las und besprach ich in einem Blogbeitrag “Religion für Atheisten” – A. de Bottons freundliche Provokationen“ die verschiedensten Vorveröffentlichungen, Interviews, Artikel… zur originalen englischen Publikation. Ich wartete aber mit dem Buch, bis ich es auf Deutsch lesen konnte. Den Grund deutete ich damals in einer Sternchenanmerkung an.
Cover Buch de Botton
Ein bisschen, muss ich sagen, war ich jetzt gegenüber den Erfahrungen vom Vorjahr zunächst enttäuscht – vieles ist wie einfache Lebensberatung formuliert. Dinge zumal, die im „christlichen Abendland“, unter „kulturellen Christen“, oft wie Selbstverständlichkeiten klingen. Das eigentlich Spannende wird nicht so schnell sichtbar. Wer es „fetzig“ will, sollte lieber den TED-Talk „Atheism 2.0: Don’t get god, get good“ ansehen, auf Wunsch mit deutschen Untertiteln: Hier erklärt de Botton in einem 19-minütigen Auftritt, warum er den Atheisten von heute ein „Update“ auf „Atheismus 2.0“ vorschlägt. 1)

 

Atheismus als Voraussetzung
Nun, im Buch wird Religionskritik schon als selbstverständlich vorausgesetzt; und Atheismus ist für ihn fraglos die einzig richtige erkenntnistheoretische Denkmöglichkeit. Dabei bestätigt er auf seine Weise Dawkins, der ja betont, religiöse Einstellung der Kinder beruhe oft auf elterlicher Indoktrination. Schon – nur hier anders herum: „Ich bin in einer streng atheistischen Familie aufgewachsen, für die jede religiöse Überzeugung in etwa dem Glauben an den Weihnachtsmann entsprach“. Selbst leiseste religiöse Andeutungen im Bekanntenkreis hätten bei seinen Eltern dazu geführt, die Betreffenden als krank anzusehen und sie nie mehr ernst zu nehmen. Auch auf eigene Erfahrungen, die er nicht nur für gut hält, verweist das Wort „streng“. Diese Erfahrungen tun aber einerseits seinem Atheismus keinen Abbruch. Andererseits haben sie vielleicht ihn im positiven Sinn besonders dazu heraus-gefordert zu überlegen, wie mit dem schwierigen Lebewesen „homo sapiens sapiens“ emotional angemessen umzugehen ist. Und dafür wird er fündig bei Religionen. Nicht bei allen Religionen gleichermaßen, sondern im Wesentlichen bei Christen, aber auch bei Juden und Buddhisten – und auch hier natürlich nur mit gezielter, sehr bewusster Auswahl. Ein bisschen schade, dass er bei den positiven Linien nicht wenigstens andeutet, dass er doch sicherlich weiß, wie immer wieder einiges ins Negative abgleiten kann. Aber er wird denken, darauf hätten schon genügend Leute herumgehackt. So darf man sich auch mal das Positive gefallen lassen – einige Dinge „herauszudestillieren, die sich für die skeptischen modernen Menschen angesichts der Krisen und Kümmernisse unserer endlichen Existenz auf einem unruhigen Planeten als zeitgemäß und tröstlich erweisen können“.

Herausholen, was brauchbar ist

In den Behauptungen der Religionen, die für ihn selbstverständlich alle nicht „wahr“ sind (im Sinne von: wirklich geschehen, korrekte Wirklichkeitsbeschreibung), findet er dennoch eingewickelt so viel lebenspraktische Weisheiten, die auch Atheisten nicht so einfach vergessen, wegwerfen sollten. Es gelte, bevor man die Religionen als veraltet, widersprüchlich usw. entsorgt, die in ihnen verborgenen anthropologischen Schätze kritisch zu sichten und für die Menschheit zurückzuholen: „Wie man ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt, Freundlichkeit im Umgang miteinander fördert, sich der Beeinflussung durch kommerzielle Werte in der Werbung entzieht, weltliche Heilige auswählt und richtig einsetzt“.
Schließlich, so schreibt er wiederholt, u.a. im Schluss-Satz seines Buches: „Religionen sind insgesamt gesehen zu nützlich, effektiv und intelligent, um sie allein den Gläubigen zu überlassen“.

Mich erinnert das (wieder einmal mehr) an Schmidt-Salomons interessante Bemerkung von den „Religionen als kulturelle Schatzkammern der Menschheit“ 2). An verschiedenen Stellen des Buches dachte ich: Die beiden sollten sich mal zusammensetzen. Zum Beispiel erklärt ja Schmidt-Salomon: “Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt, der braucht keine Religion”

Kulturelle Schatzkammern

Und genau damit sind wir mitten an zentralen Themen de Bottons: Ja, würde er sagen, wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt, braucht keine Religion. Aber, wie “besitzen” wir dies? Effektiv?
Wie man sich kulturelle Bildung aneignen kann – das ist jedenfalls eine Kunst, zu deren Feinheiten man von Religionen einiges lernen könnte. Etwa dass der Mensch nicht durch theoretische Richtigkeiten, lexikalisches Wissen gebildet wird, sondern durch Einüben lebensdienlicher Grundwahrheiten und lebensregulierender Grundeinsichten. Deshalb dort die Rituale und die einprägsamen Sätze in den Liturgien, die Vorbilder für gutes Verhalten, die Heiligenbilder…  – als Hilfe zum Leben.

Vielleicht, könnte sich auch mancher Religiöse selbstkritisch fragen, sind die dadurch gegebenen emotionalen Hilfen zur Verarbeitung des Lebens wichtiger als die behaupteten (dogmatischen und erkenntnistheoretisch schwierigen) Lehraussagen? Verdeckt das gewonnene positive Lebensgefühl die erkenntnistheoretischen Schwierigkeiten? Aber das muss ja nicht de Bottons Problem sein.

Sprayer Gott ist Atheist
Daniel Lobo, Dios es…
😉 Psalm 2,4 😉
                                                                               *)
via http://piqs.de/fotos – creative commonse licence –
some rights reserved.

Natürlich kann man (um eine Frage zu nennen, an der sich immer wieder Leute festbeißen) gut sein ohne Religion und Gott (vgl. den Titel des erwähnten TED-Talks). Aber man kann den Religionen, die ja immerhin eine Reihe von mehr oder weniger geglückten Versuchen bereits vorzuweisen haben, abgucken, wodurch es möglicherweise gelingt und wo dort schon die Stolpersteine sind. Für neue Versuche sollte man jedenfalls die Erfahrungen, die dort gemacht wurden, aufmerksam beachten. Die Erfahrungen und die möglicherweise dabei gewonnenen Einsichten.

Kritischere Anthroplogie

Das alles sei schwieriger als eine naive Aufgeklärtheit sich denke. Denn der Mensch sei ein Wesen, dem vieles an seinen Lebensentwürfen und Lebenshoffnungen eben nicht selbstverständlich gelingt – oder besser gesagt: selbstverständlich nicht gelingt. Und deshalb brauche er unterstützende Begleitung. Der Mensch sei nicht so autonom und sicher in seinem Selbstwertgefühl, in seinen lebenspraktischen Entscheidungen, wie ihm das öfters als Leitbild vorgehalten werde und woran er, allein auf sich gestellt, zu leicht scheitere.
Spätestens da wird es auch einem Theologen, der Überkommenem kritischer gegenüberstehen will, etwas überraschend – jedenfalls nicht so ganz wohl: Sollte er gerade von einem Atheisten sich derartige Einsichten über die mangelnde Autonomie des Menschen als besondere Schätze der Religionen unterjubeln lassen? Sollte es in den Religionen nicht endlich auch drum gehen dürfen, dass der Mensch aufsteht aus selbstverschuldeter Unmündigkeit? Emanzipatorische Linien wären doch angelegt; diese doch sich jetzt nicht ausreden lassen…
Und doch: de Bottons Hinweise, dass vieles nicht so einlinig gelingt, das stimmt eben auch. Die Pausbäckigkeit naiver Aufklärung und Fortschrittsgläubigkeit wurde seit Beginn der Aufklärung doch immer wieder kräftig durchgeschüttelt. Könnte man eigentlich wissen – wenn man auch politisch zu denken bereit ist.

Dialektische Aufhebung der Religion
Jedenfalls de Botton versteht sich als Aufklärer, der weiß, dass rein argumentative Aufklärung viele Seiten am Menschen nicht berücksichtigt. Dass da mehr zu berücksichtigen ist, das zeigt er an verschiedenen Einsichten der Religionen auf. Und da kann man auch als Theologe an der einen oder anderen Stelle denken: Mensch ja, mancher Eifer in der Überwindung überkommener religiöser Gewohnheiten war vielleicht doch nicht so ganz das Wahre. Vielleicht könnte man auch manche als verstaubt eingeschätzten Traditionen und Gewohnheiten doch noch zu schätzen lernen. Oder wenigstens als Möglichkeit zu respektieren, etwa manche Engels- oder Heiligenbilder, manche merkwürdigen Anrufungen in traditioneller Liturgie. Da fällt mir als Protestant auch einiges schwer – warum muss de Botton katholische Vorstellungen so loben… ?

Aber es geht de Botton nicht um eine Bewahrung der Religionen (keinesfalls um deren Jenseits-Vorstellungen), sondern (um wieder an Formulierungen Schmidt-Salomons zu erinnern 3)) um eine dialektische Aufhebung der Religion, d.h. um eine produktive Aufnahme der Aspekte, die aus Jahrtausende alter Erfahrung und entsprechender Menschenkenntnis resultieren.
Vielleicht ist’s doch gut für die verschiedenen Seiten im Atheismus-Streit:
nicht nur übereinander herzufallen sondern die Augen aufzumachen füreinander, für die Erfahrungen der jeweils anderen – um der Menschlichkeit des Menschen willen.

—————————–

1) Oder die anderen damals angegebenen Links; auch jetzt etwa auf Twitter über @alaindebotton bzw. seine Facebook-Seite „alaindebotton“

2) Diese Formulierung, die original wohl aus dem “Manifest des evolutionären Humanismus” stammt, findet man inzwischen in verschiedenen Veröffentlichungen Schmidt-Salomons, also über Suchmaschinen im Netz zu finden. Er liebt sie offensichtlich so wie ich 😉

3) Ich verweise hier mal nur – ohne genaues Zitieren – auf Formulierungen von Schmidt-Salomon gegen eine zu plumpe Bekämpfung und Zerstörung der Religionen und überlasse das Weitere der eigenen Kombinationsgabe der Leser.

*) Bildunterschrift am 19.5.13 um 11:11 geändert – vorher: “Na, was wird er sprayen?”

—————————–

NACHTRAG – 20.5.13 – 13 Uhr
Ein 56-minütiges Interview beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)
mit deutscher Übersetzung
–  Aus Sternstunde Religion vom 19.05.2013, 10:00 Uhr –

Religion für Atheisten? Alain de Botton im Gespräch

Infotext bei SRF:
Der Schweizer Philosoph Alain de Botton ist Atheist – und zwar überzeugter. Dennoch beschäftigt er sich mit Religion. Genauer mit der Frage: Können auch Ungläubige etwas von Religionen lernen? Seine Antwort: Ja. Denn Religionen bieten viele Dinge, die das Leben leichter machen.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Hermann Aichele Jahrgang 1945. Studium evang. Theologie in Tübingen, Göttingen und Marburg (1964-70), Pfarrer in Württemberg, jetzt im Ruhestand. Hinter die Kulissen der Religion allgemein und besonders des in den christlichen Kirchen verkündeten Glaubens zu sehen, das war bereits schon in der Zeit vor dem Studium mein Interesse: Ich möchte klären, was gemeint ist mit den Vorstellungen des Glaubens, deren Grundmaterialien vor Jahrtausenden geformt wurden - mit deren Über-Setzung für uns Heutige man es sich keinesfalls zu leicht machen darf und denen gegenüber auch Menschen von heute nicht zu leicht fertig sein sollten.

79 Kommentare

  1. Die meisten haben es vermutlich erkannt, aber ich erwähne es dennoch: Die Formulierung von Schmidt-Salomon

    “Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitzt, der braucht keine Religion”

    lehnt sich an den Spruch von Goethe an:

    Wer Wissenschaft und Kunst besitzt
    Hat auch Religion;
    Wer jene beiden nicht besitzt,
    Der habe Religion.

    Selbstredend meinte er mit Kunst nicht etwas der modernen Kunst Vergleichbares, sondern die klassische Kunst, und mit Wissenschaft meinte er seine eigene „verstehende“ Version davon, und ganz bestimmt nicht die derzeit gängige naturalistische Variante, wie sie Herrn Schmidt-Salomon vorschwebt. Denn die erinnert eher an das materialistische „Systeme de la Nature“ vom Baron d`Holbach von 1770, das Goethe ablehnte, denn es sei „so grau, so totenhaft“.

    Nun verstand Goethe unter Wissenschaft, im Unterschied zu Newton, ein Naturverstehen, das sich in diesem Sonett artikuliert:

    Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen,
    Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden;
    Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
    Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
    Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
    Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden;
    Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
    Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.
    So ist’s mit aller Bildung auch beschaffen:
    Vergebens werden ungebundne Geister
    Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
    Wer Großes will, muß sich zusammenraffen:
    In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
    Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

  2. Religiöse Riten für uns Singles

    Alain de Botton’s Ansatz ist der der Lebenshilfe. Schliesslich führt er sogar eine School of Life. Im Zeit-Artikel Wie ich in 36 Stunden lernte, gut zu leben findet sich dazu ein Erfahrungsbericht.
    Aber schon die meisten seiner vorherigen Bücher hatten einen Lebenshilfeansatz mit Titeln wie Wie Proust Ihr Leben verändern kann

    Die in religiösen Gemeinschaften praktizierten Elemente, die Alain de Botton gefallen, bewirken letztlich eine Verbundenheit der Menschen, die daran teilnehmen. Und heute – im Zeitalter wo jeder eine Art Single in der Gesellschaft ist -, behebt das einen quasi existenziellen Mangel. Die Verbundenheit kann auch ganz anonym sein und nur das Erlebnis des Erhabenen, des über dem Alltag stehenden beinhalten, wie es Alain de Botton in seinem Buch The Architecture of Happiness beschreibt.

    Natürlich ist der Lebenshilfeansatz auch eine Schwäche von Alain de Botton’s Buch. Dass es aber Religion ohne Gott geben kann, kann man aber auch so begründen, wie das der kürzlich verstorbene Ronald Dworkin in seinem Buch Religion without God macht. Auch Dworkin geht vom Erleben aus, das er bei Religiösen ohne Gott so beschreibt: “They express a conviction that the force and wonder they sense are real, just as real as planets or pain, that moral truth and natural wonder do not simply evoke awe but call for it.” Er nimmt als Zeugen für derartiges Erleben unter anderem Einstein:
    ” Albert Einstein said that though an atheist he was a deeply religious man:
    To know that what is impenetrable to us really exists, manifesting itself as the highest wisdom and the most radiant beauty which our dull faculties can comprehend only in their most primitive forms—this knowledge, this feeling, is at the center of true religiousness. In this sense, and in this sense only, I belong in the ranks of devoutly religious men.”

    Alain de Botton’s Religion for Atheists ist schon vom Titel her ein Lebenshilfeansatz und wirbt nach einem bestimmten Publikum, da es “für den Atheisten” ist.
    Ronald Dworkins Buch dagegen will in seinem Buch die These begründen, dass Religiosität nicht zwangsläufig an einen Gottesglauben gebunden ist.

  3. Liest sich

    ganz gut. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass Religionen wichtige Werte trugen und tragen und auch sehr nützlich waren und nützlich (vs. ‘sehr nützlich’) sind.

    Wer ist bspw. nicht Kulturchrist heutzutage? Selbst hartnäckige atheistische Humanisten sind es oft…

    BTW, stand auch was über den Islam im Buch?

    MFG
    Dr. W

  4. Danke

    für die Korrektur!

    MFG
    Dr. W (der sich schon ein wenig schämte – mit Vorschau wäre das ni-ie passiert)

  5. “Nun, im Buch wird Religionskritik schon als selbstverständlich vorausgesetzt; und Atheismus ist für ihn fraglos die einzig richtige erkenntnistheoretische Denkmöglichkeit.”

    – Nun, das ist witzig, allein dieser Satz reicht, um das Buch in keinster Weise zu beachten, denn die Wirksamkeit durch Bildung zu Suppenkaspermentalität aus Sündenbocksuche wird fraglos deutlich 🙂 Staat & Kirche haben für die “säkularisierte” Religiösität und den daraus logisch intellektuell-abgespaltenen Atheismus die einzig systemrational-bewußtseinsbetäubten Wahrheiten abgegrenzt, so bleibt Bewußtsein im Verständnis von Intellekt und Erkenntnis weiter im geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” VERWALTET.

  6. Der erste Satz ist entlarvend.

    „Der Versuch, die Nichtexistenz Gottes zu beweisen, kann für Atheisten eine unterhaltsame Tätigkeit sein“

    Ich bin Atheist und dieses ist keine unterhaltsame Tätigkeit für mich. Weiß doch jeder wissenschaftlich gebildete Mensch, das Negationen nicht beweisbar sind.

    Damit offenbart sich dieses Machwerk als Diffamierung des Atheismus und als hohes Werk der “überlegenen” Religionen.

  7. Womöglich gemeint

    Weiß doch jeder wissenschaftlich gebildete Mensch, das Negationen nicht beweisbar sind.

    …, dass Existenzbehauptungen, auf die Natur bezogen, nur beweisbar und nicht widerlegbar und Behauptungen die Nichtexistenz betreffend, wiederum auf die Natur bezogen, nur widerlegbar und nicht beweisbar sind.

    In tautologischen Systemen dagegen können Negationen wie herkömmliche Aussagen bewiesen wie widerlegt werden.

    Ischt ein wichtiger Punkt.

    MFG
    Dr. W (der es ansonsten nur begrüßt, wenn eine junge Kraft wie Alain de Botton sich zum Thema erhebt, den es aber auch interessieren würde, ob der hiesige Inhaltegeber an Gott glaubt)

  8. Der anmaßende

    Doktor, welcher Titelmissbrauch fotgesetzt begeht, hat nicht von Naturwissenschaft verstanden.

    Ansonsten verstünde er, das er quacksalbert.

  9. Top

    Ich finde es gut, wie er gleichermaßen den Atheismus als einzigst richtige Erkentniss ansieht, die Religion dabei aber nicht als unnütz abtut. Ich für meinen Teil war selbst mal sehr Gläubig, habe dem Ganzen aber schon seit längerem abgeschworen, weil ich mich mal intensiv mit den ganzen Religionen auseinander gesetzt habe und nichtmehr blind alles gelaubt habe, was mir so erzählt wurde. Allerdings muss ich sagen, trotz dessen, dass ich zu dieser Erkentniss gekommen bin, dass Religion mehr Humbug als alles Andere ist, der Glaube hat mir doch bei manchen Dingen sehr geholfen. Der Spruch “Glaube versetzt Berge” kommt nicht von ungefähr 😉

  10. Theismus, Atheismus und das Kontinuum

    Alain de Botton’s Eltern nahmen den Glauben an Gott als Lackmustest um Leute mit klarem Verstand von solchen mit infantilem zu unterscheiden. Diese Anmaßung findet man bei vielen Atheisten. Denn wie Theisten glauben Atheisten, dass sie zur Wahrheit vorgestossen seien. Doch vielleicht gibt es noch eine tiefere Wahrheit. Nämlich die, dass fast alle Menschen geistige Zustände und geistige Erfahrungen haben, die sich am besten mit einem weiter gefassten Religionsbegriff erklären lassen, der auch neurokognitive Elemente umfasst. Neurokorrelate zu diesen geistigen “religiösen Prozessen” wären
    – eine “religiöse” Grundstimmung, die dem Augenblick und dem was gerade geschieht erst seine tiefere Bedeutung gibt
    – “religiös” angehauchte Intentionen, Hoffnungen, Zukunftsvorstellungen
    – ein “religiöses” Urvertrauen in die Welt und ein geistig-religiöses Refugium, das einem zur Verfügung steht, wenn man in Not kommt.

    Ein personaler Gott kann all das bieten, was ich oben an “religiösen” Elementen aufgezählt habe. Es braucht ihn aber nicht unbedingt.
    Warum nun sind solche religiöse geistige Zustände so wichtig?
    Weil sie dem Leben einen Anker geben und insgesamt eine positive Gerichtetheit verleihen.
    Menschen mit höherem IQ, Religiöse Menschen und diejenigen Baseballer, die auf mehr Fotos, die man von ihnen machte, lachen als die übrigen,leben alle länger als der Durchschnitt. Wenn es etwas gibt was das Leben trägt, sei es Neugier (oft bei denen mit hohem IQ), Glaube oder aber eine angeborene positive Grundstimmung, so ist diese Leben erfüllter und meist auch länger.

  11. @Harry

    “Der Spruch “Glaube versetzt Berge” kommt nicht von ungefähr ;)”

    – warum sagst du nicht: Die Kraft des Geistes der “Gott” ist und uns alle im SELBEN Maß durchströmt, macht auch Telekinese möglich, wenn Mensch wirklich-wahrhaftig glauben / fusionieren und transformieren / leben würde?

  12. Herr Holzherr

    Menschen mit höherem IQ, Religiöse Menschen und diejenigen Baseballer, die auf mehr Fotos, die man von ihnen machte, lachen als die übrigen,leben alle länger als der Durchschnitt.

    Gut zu wissen. – Aber mal ernsthaft, dass die Religionen einen sehr großen Nutzen hatten und einen Nutzen haben, bezweifeln ja nicht so viele Menschen (oder Bären).

    Nichtsdestotrotz kann es ausgefeilte Wertesysteme, die dem Leben System, Sinn und Freude geben, auch ganz ohne Religion geben.

    MFG
    Dr. W (den es – am Rande notiert – noch interessieren würde, ob der hiesige Inhaltemeister an Gott glaubt und an welchen ggf.)

  13. Zeit sich zuzuschalten 😉 – Part 1/5

    Danke, @fegalo, für die Verankerung des Zitats von Schmidt-Salomon („Wissenschaft, Philosophie, Kunst) bei Goethe. Hatte ich wohl bei MSS so mal auch gelesen, war mir aber nicht mehr so bewusst. OK, den Trend gibt’s, dadurch Religion ersetzen zu wollen. Alain de Botton (AdB) würde das wohl im Prinzip unterstützen, weist aber energisch darauf hin, dass das nicht so steril bleiben sollte wie bisher oft. Und da setzt sein Buch ein: Sucht lebenspraktische Formen – nicht einfach übernommen von den Religionen, aber ihnen abgeguckt.

  14. Zeit sich zuzuschalten 😉 – Part 2/5

    Ja, @Martin Holzherr, das ist der Ansatz von AdB: *Lebenshilfe*. Und er sieht eben in Religionen viele Vorgänge, die genau darauf zielen. Dass es *nur* das ist, würde man in vielen Religionen bestreiten. Ich würde zumindest auch betonen, dass der Begründungsansatz in den Religionen (und auch im Christentum, also meiner) nicht so kalkuliert zweckorientiert ist, wie es bei AdB erscheint. Aber er kann das ja mal so zuspitzen. Und es ist doch immerhin ganz nett, wenn ein Atheist (der zwar konsequenterweise sagt, die religiösen Vorstellungen, Dogmen ff würden von vorne bis hinten nicht stimmen) uns dann doch auch zugesteht, dass wir mit den vielen kognitiven Irrtümern doch ganz gute Dinge hinkriegen. Dass es auch negative Dinge gibt, hätte er vielleicht auch betonen sollen, wie ich kurz bemerkte. Er hält es aber für seinen Zusammenhang anscheinend für unnötig. Und was mir wichtiger wäre: Auch Riten, Bilder, Dogmen ff, aus denen man positiv psychologische Folgerungen ziehen *kann* wie AdB und zu denen man sogar unterstellen kann, dass sie eben deshalb entwickelt wurden und als bewährt weitergegeben – auch bei diesen sieht man die positiven Konsequenzen oft erst, wenn man an ihrer Oberfläche kratzt und ihre oft plumpe Weitergabe hinter-fragt. Ich denke da zB an die Sühne-Theologie und die Erbsündenlehre.
    Ja, und Lebenshilfe kann auch ohne Gott praktiziert werden – wie Sie mit Ihrer Erwähnung Dworkins betonen. Genau das will ja AdB auch. Da geht natürlich der theoretische Streit darüber, wie weit was gelingt. Und man ist versucht, sich gegenseitig auf Mängel u Versäumnisse hinzuweisen. Och, da kann man viel Steine aus dem Glashaus werfen. Aber AdB will mal diesen Streit auf die Seite schieben und würde wohl so sagen: Schauen wir Atheisten die Versuche der Religiösen an; die meinen zwar, ihnen gelänge einiges nur wegen ihres Gottes; in Wirklichkeit aber (da verstehen wir die Religiösen besser als die sich selbst) sind es gewisse Methoden kultureller Weitergabe, die doch auch Atheisten für ganz nützlich und dem Menschen angemessen halten könnten; etwa die Gemeinschafts-Feste, das gemeinsame Singen.

  15. Zeit sich zuzuschalten 😉 – Part 3/5

    Und wenn Religionen gewisse „Werte in sich tragen“ (@Webbär), dann – so verstehe ich AdB – würde er dem zustimmen; und zugleich dagegen betonen: ja, diese Werte wurden eben religiös (also in Jenseitsvorstellungen ff) eingewickelt, weil es bisher zu wenige humanistische-atheistische Leute gab, die das effektiv machten. Aber natürlich muss man den Religiösen ihr bisheriges Monopol aufs Einwickeln streitig machen – Atheisten müssten das doch auch können. Die Werte sind zu wertvoll, um sie den Religiösen zu überlassen.
    Ich habe da einen etwas anderen Religionsbegriff, aber ich will das hier mal beiseite lassen. Ich bin ehrlich gespannt, was auf diesem anderen Weg erreicht wird. Und bin froh, dass es kein so grimmiger Atheismus ist, wie es das auch schon gab, und der menschlich verheerende Folgen hat. Aber es gibt auch grimmige Theisten. Die Folgen: explosiv. Vielleicht kann man sich ohne Grimm mal über manche menschlichen Essentials verständigen.
    Ja, den Ausdruck „Kulturchrist“ lernte ich wohl mal in einer Diskussion zu Dawkins. Er bezeichne sich auch als solcher. Und Parallelen gibt’s bei Ex-Moslems.
    Über den Islam hat AdB sich im Buch nicht ausführlich geäußert – in dem Interview, das ich oben im Nachtrag verlinkte, begründet er das genauer: Mehr oder weniger praktikable Gründe. In manches hat er sich scheints erst eingelesen; und musste arbeits-ökonomisch vorgehen. Was er über Moslems zu sagen wüsste, könnte er kundiger an den Katholiken zeigen. Aber das Bemühen, den Menschen zu verbessern attestiert er allen (großen) Religionen. Ja und er habe für Menschen geschrieben, die in Ländern wohnen, in denen es auch erkennbar Atheisten gibt. Und das seien eher die mehrheitlich christlichen Länder. Darum die meisten Beispiele aus der christl Religion.
    Ob ich persönlich an Gott glaube? Und an welchen Gott? Ja – wenn man Glauben nicht so banalisiert wie es üblich geworden ist. Ich halte zB den Ausdruck der „Existenz“ für denkbar ungeeignet und vieles, was man begrifflich Gott angehängt hat. Dazu und dagegen habe ich mich öfters in Blogs geäußert; ich verfolge das jetzt aber nicht weiter. Es geht nicht um Begriffe sondern um Beziehung, um Engagement – auch um Beheimatung, Orientierung… Und ich glaube an den Gott, wie er sich in und durch Jesus auswirkt – also auf christliche Weise an seinen jüdischen Gott. Insofern könnte ich manchem von Martin Holzherr (Kommentar 19.5. um 21:59) zustimmen: „Ein personaler Gott kann…. Es braucht aber nicht unbedingt….

  16. Zeit sich zuzuschalten 😉 – Part 4/5

    @Horst: Ja, Religionskritik wird vorausgesetzt und bei AdB nicht weiter getrieben – ihn ödet das an. Ich halte einen solchen Ansatz für legitim, wenn ein Atheist sagt: Gott existiert nicht, ich will und muss das nicht weiter begründen. Jetzt geht’s dran zu überlegen: Bisher war Lebensgestaltung mehr oder weniger bewusst mit Gott verknüpft. Wie machen wir das ohne diese Verknüpfung? Wir müssen nicht die ganze Wohnung ausräumen, sondern intelligent umbauen. Manche bisher von Religionen gepflegte Einsichten sollen wir nicht denen überlassen sondern selber übernehmen. Why not? Mag er so sagen. Mal sehen, was dabei rauskommt.
    Na @Statistiker, für Sie ist’s keine unterhaltsame Tätigkeit, die Nichtexistenz Gottes zu beweisen. Für AdB auch nicht. Ihm ist dies auch so schon selbstverständlich. Also alles in Butter – etwas weniger Feindbilder und genaueres Lesen ist möglich.

  17. Zeit sich zuzuschalten 😉 – Part 5/5

    Nun, @Harry, Ihnen würde ich gerne zustimmen: Nicht mehr blind glauben, was einem so erzählt wird… Ich würde dazu sagen: viele sind deshalb Atheisten geworden; und ich kann das im Blick darauf, mit welchem manchmal brutalen psychischen Druck das schon ablief, auch verstehen. Nicht vergessen, dass es auch die Beispiele andersherum gibt. Siehe AdB selbst. Aber ich will nicht darauf hinaus; eher das: wohin man auch erkenntnistheoretisch kommt im Leben – man sollte einander nicht so verteufeln, wie das (zugegebenermaßen zuerst von theistischer Seite) aus praktiziert wurde und wird – öfters, auch durch atheistische Seite, mit tödlichen Folgen. Menschen sind zu wertvoll als dass man sie an erkenntnistheoretischen Aussagen aufknüpfen dürfte.
    Ja, es geht um einen recht angewandten Glauben, ob er jetzt „Berge versetzt“ oder nur(?) den längeren Atem gibt… Und da begegnete mir gerade im Zusammenhang mit diesem Blogbeitrag wieder eine pfiffige Überlegung zu einem oft für völlig unglaubwürdig gehaltenen Wunder aus der Bibel: Da erwähnt einer doch die „eindrucksvolle Geschichte vom Manna (Exodus 16,13-31), das man sammeln und verzehren, aber nicht horten konnte. (Mancher Politiker möge sich hieran vielleicht ein Beispiel nehmen…)“ . So könnte man auch als Atheist in der Bibel Gedanken finden, „die über den gegenwärtigen Status quo des Denkens produktiv hinausweisen“ – so wie an dieser Stelle ausgerechnet Schmidt-Salomon!

  18. Herr Aichele

    Ob ich persönlich an Gott glaube? Und an welchen Gott? Ja – wenn man Glauben nicht so banalisiert wie es üblich geworden ist. Ich halte zB den Ausdruck der „Existenz“ für denkbar ungeeignet und vieles, was man begrifflich Gott angehängt hat. Dazu und dagegen habe ich mich öfters in Blogs geäußert; ich verfolge das jetzt aber nicht weiter. Es geht nicht um Begriffe sondern um Beziehung, um Engagement – auch um Beheimatung, Orientierung… Und ich glaube an den Gott, wie er sich in und durch Jesus auswirkt – also auf christliche Weise an seinen jüdischen Gott.

    Haha, ‘Existenz’ (ein fragwürdiger Begriff), MFG, danke für Ihre Nachricht,
    Dr. W

  19. Kritik

    Ich seh es kommen,
    es wird auf viel Kritik stoßen und viele werden sich darüber aufregen und sich angegriffen fühlen 😀
    Ach Herrlich! Ich werde es lesen 😉
    Freu mich drauf…das ist genau mein Ding!

  20. “Freu mich drauf… @Jens

    …das ist genau mein Ding!” @Jens, nette Rückmeldung, danke. Würde mich natürlich ausführlicher interessieren. Erwartungen können in verschiedenste Richtung zielen.
    UND leichte Warnung, die ich jetzt mal (erst hier so deutlich) anbringe: Zu de Bottons Sexbuch twitterte mal jemand, das sei das am wenigsten erotische Buch zum Thema. Ähnliches könnte man übers Religionsbuch sagen. Oben im Blogpost deutete ich es kürzer an: “Fetziger” bekommt man es mit in den beiden verlinkten Videos (im 2. Abschnitt, neben dem Bild und im Nachtrag).

  21. Ich hab grad kräfig gelacht

    “Menschen mit höherem IQ, Religiöse Menschen und diejenigen Baseballer, die auf mehr Fotos, die man von ihnen machte, lachen als die übrigen,leben alle länger als der Durchschnitt. Wenn es etwas gibt was das Leben trägt, sei es Neugier (oft bei denen mit hohem IQ), Glaube oder aber eine angeborene positive Grundstimmung, so ist diese Leben erfüllter und meist auch länger.”

    Das ist Ihr Ernst? Das glauben Sie doch nur, aber wissen nichts. Statistisch gesehen ist dies nur eine Korrelation, aber keine Kausalität.

    Übrigens sterben Fußballprofis und Piloten überraschen früh. Warum wohl????

    Bitte mal in ein Statistikbuch schauen.

  22. @Aichele

    Meine Erfahrung im Umgang mit Atheisten ist: Es gibt keine Atheisten, sondern nur eingebildeten Atheismus durch verständliche Zweifel an der Evolution unserer Kommunikation, ganz im Sinne des Systems und der systemrational-gepflegten Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt und (teils LOGISCH / wettbewerbsbedingt brutal-egoisierendes) “Individualbewußtsein”, aus dem nur Bewußtseinsbetäubung resultiert!

    “Wir müssen nicht die ganze Wohnung ausräumen, sondern intelligent umbauen.”

    Ja, ganz genau, die Wertigkeiten sind nämlich schon definiert, allerdings beherrscht von Konfusion in Unwahrheit – ich denke dabei immer an ein nachahmenswertes Vorbild, welches auch die SCHEINBAR untröstlichen Feindbilder der “Dritten Welt” und ehemals mißbrauchten Völker des Ostblocks im “Kalten Krieg” befriedet, so daß sie absolut nicht mehr mit UN-Truppen zweifelswürdig überwacht werden müssen!

    “Manche bisher von Religionen gepflegte Einsichten sollen wir nicht denen überlassen sondern selber übernehmen.”

    Und nicht nur die “Treuhänder” der Religionen, sondern auch die der gesellschaftlichen Realität durch Politik und Wirtschaft sind absolut nicht tolerierbar, wenn man Verantwortungsbewußtsein, bzw. Bewußtseinsentwicklung wirklich ernst nimmt / menschenwürdig meint!

  23. Gelacht? Gedacht?

    Ist nicht so klar, @Statistiker, ob Sie gemeinsam mit dem Gott in der Bildunterschrift oben lachen. Wird eher eine Korrelation sein? Oder: Der Mensch dachte, Gott lachte…?
    Kann auch sein, dass schon @Martin Holzherr bei seinen lebenstragenden Beispielen an eine Korrelaton dachte. Er schrieb ja ausdrücklich, es käme eher auf die geistigen Zustände an und wie positiv sie gerichtet seien. Es brauche dazu keinen personalen Gott.
    Ich wollte drauf nicht eingehen, denn es klang mir sehr nach Gedankenspielen, wie man sie in vielen Zeitschriftenartikeln findet, unterhaltsam. Aber natürlich kann’s auch ein Lachen auslösen – herzhaft oder auch boshaft…
    Nicht so zum Lachen wird’s Ihnen sein, @Horst. Sie stehen ja länger schon unter Beobachtung, in verschiedenen Blogs. Und meistens kommt man nicht mit, was Sie wollen. Auch ich wieder einmal nicht. Insofern empfinde ich es als störend. ABER, wenn ich es so mit ähnlichen Äußerungen vergleiche, die mir sonst begegneten – diesmal bekam ich den Eindruck, dass Sie unbedingt etwas sagen müssen, was Sie meinen, nicht offen sagen zu dürfen. Dann wäre es ein ungeheurer Ambivalenz-Druck. Sie müssen es ja nicht sagen, aber vielleicht möchten Sie es bestätigen, dass es dieser Ambivalenzdruck ist, gegebenenfalls auch nichtöffentlich. Unter meinem Namen rechts oben “Über das Blog” kann jeder meine Mailadresse ff für direkten Kontakt finden. Ersatzdiskussionen sollten dort nicht stattfinden aber für solche Hinweise vielleicht doch ausnahmsweise mal nützlich…
    Übrigens auch, wenn jemand Dreckfuhler/ Tippfehler/ Formatierungsfehler ausgelöst hat. Manchmal korrigiere ich , nicht nur bei mir, nachträglich…

  24. @Aichele

    “Unter meinem Namen rechts oben “Über das Blog” kann jeder meine Mailadresse ff für direkten Kontakt finden.”

    Nein nein, das ist absolut nicht nötig 🙂

  25. “Wir müssen nicht die ganze Wohnung ausräumen, sondern intelligent umbauen.”

    Dazu muß ich mich etwas korrigieren:

    Weil Intelligenz ein bewußtseinsbetäubendes Resultat unserer Bildung für die Hierarchie von und zu materialistischer “Absicherung” ist, was diese weiter im geistigen Stillstand mit wettbewerbsbedingter Intriganz hält, sollten wir besser mit zweifelsfreiem BEWUßTSEIN im Sinne eines Vorbildes wie J.C. umbauen, damit wir nicht wieder nur zeitgeistlich reformieren, was längst als menschenUNwürdig im wechselseitigen Kreislauf stumpf-, blöd- und wahnsinnig zu erkennen ist!

  26. Verstehen?

    Nun, @Horst, ich beobachte mal weiter; stelle unter Beobachtung… Aber Ihre Äußerungen verstehen? Das kann ich noch immer nicht. Mir geht’s da wie andern. Vielleicht ist’s gut, Sie versuchen nicht alles in einen Satz zu packen, sondern eins nach dem andern. Und Gedanken, die man selber für gescheit hält, kann man auch schlicht präsentieren.

  27. Na dann, @Horst,

    doch noch ein Versuch – nachdem Sie bisher weder bei mir noch bei anderen die Fragen wahrgenommen haben – als direkte Fragen formuliert:
    – Was bedeutet “Bildung für die Hierarchie von und zu materialistischer ‘Absicherung’ ” ?
    Wer agiert da (falsch) für welche Hierarchie? Bitte konkrete Vorgänge nennen.
    – Was ärgert Sie konkret am Zeitgeist? Auch hier: Bitte Beispiele.

    Ihre Diskussionsbeiträge müssen nicht gut sein oder tiefsinnig; aber (auch) ich möchte endlich sehen, worauf Sie mit den in verschiedensten Blogs und Threads oft ähnlichen Einwürfen konkret hinauwollen.

  28. Man stellt fest

    dass en IQ hier nicht stattfindet, da sich ja nur Religion mit Religion selbstbefriedigt.

    Onanie der Religionen, wie eklig……

    “wie eklig” – das ist der Stil von „Statistiker“, hier wie auch sonst. Mir reicht es. Das muss ich mir nicht bieten lassen und darf ich für SciLogs nicht zulassen. Punkt.
    Jeder weitere Kommentar wird gelöscht.

  29. @Hermann zu Statistiker

    Dem schließe ich mich an. Der Troll zieht beleidigend durch die scilogs, wahrscheinlich wegen eigener Erfolglosigkeit. Ab jetzt wird er auch auf meinem Blog gelöscht.

  30. Ischt

    kein ‘Troll’, weil es keine ‘Trolle’ gibt bzw. diese nicht sinnhaft definiert werden können, so dass der ‘Troll’ eine wahlfreie, eher politische Einordnung ist, die idR andere betrifft.

    ‘Statistiker’ ist ein Störer, also jemand, der auf die neuen Medien bezogen bewusst oder unbewusst Webbiotope stört, Schaden anrichtet.

    MFG
    Dr. W

  31. Bitte

    keine lärmende Trolldiskussion. Mich stört manches bei manchen. Womöglich sogar bei mir selbst, oder auch mal bei Freunden. Ganz ohne Reibungsverluste wird’s nie aufgehen.
    Manches ist auch nur drollig, nicht trollig.

    Hier stelle ich nur mal fest: Es geht nicht ums Unterbinden dieser oder jener evtl. unerwünschten Argumente, Meinungen… Sondern: Wer sich im Ton bzw. in Sprachbildern an andern *ver*greift,hat hier nichts zu suchen.
    Nachträglich sah ich in einem andern Blog, wie der Blogbetreiber Derartiges konsequent abstellte.
    Vielleicht können wir auch zum Thema zurückkehren. Andererseits habe ich den Eindruck, die wesentlichsten Positionen sind abgesteckt. Eine Diskussion kann auch mal zu sehr ausgelutscht werden. Und dann wird sie natürlich für alles Mögliche und Unmögliche anfällig.

  32. Was wird bestohlen?

    Ich will, wie von Hermann Aichele gewünscht, zum Thema zurückkehren.

    Kann man denn wirklich sagen, daß da die Religionen bestohlen werden sollen? Rituale, Lebensberatung und all so etwas, das ist doch nichts spezifisch Religiöses. Das gab es vor allen Religionen und das gab und gibt es heute außerhalb der Religionen (als organisierte soziale Gebilde) nicht weniger als in ihnen. Nur eine Minderheit ist in Ländern wie unserem religiös, und doch verläuft das Leben in Ritualen, und Lebenshilfe wurde kaum jemals so groß geschrieben wie heute, in einem völlig nicht-religiösen Rahmen. Wenn da etwas „bestohlen“ wird, dann nicht Religionen, sondern von Religiösen und von Nichtreligiösen gleichermaßen wird in einer Sphäre „gestohlen“, die viel älter und allgemeiner ist.

    Nein, das da ist falsch: „Die langweiligste und unproduktivste Frage, die man sich zu einer Religion stellen kann, ist die, ob sie wahr ist oder nicht“; sondern das ist eben die Frage. Nur stellt sich de Botton (den ich nicht gelesen habe, wohlgemerkt) in seiner unter bekennenden Atheisten so verbreiteten Schlichtheit unter „wahr“ etwas vor, was gar nichts mit Religion zu tun hat. Es handelt sich um mythische Welterklärungen, die nach dem Ende des mythischen Weltbilds in das Fach kommen, wo „Naturwissenschaft“ draufsteht, nicht „Religion“, und die sogar vom eigenen Anspruch her Naturwissenschaft sind (halt schlechte), auch wenn sie sich z. B. Kreationismus nennen. Unter einer an die Religion zu stellende Wahrheitsfrage stelle ich mir beispielsweise etwas vor wie: „Steckt in einer Formulierung wie ‚wahr’ Mensch und wahrer Gott’ eine höchste Wahrheit, die Bestimmung und Möglichkeit des Menschen betreffend?“

    Von da kann man dann wieder zu den Ritualen und der Lebenshilfe kommen. Rituale sind mit Gefühlen verbunden. Die Gefühle beim Singen der Natonalhymne oder der Internationale mögen stärker sein als die bei irgendeinem einem religiösen Ritual. Aber sie sind ganz andere als etwa beim Abendmal. Wenn man sagt: „die singen mit religiöser Inbrunst“, so ist das falsch. Ich behaupte, eine solche Hymne läßt sich nicht mit einer „Inbrunst“ singen, die dem qualitativ nahe kommt, was man eine religiöse Inbrunst nennen könnte. Es fühlt sich ganz anders an. Was ist dieses Andere in den religiösen Ritualen, bzw. ihrer zu fühlenden Innenseite? Was hat es mit jenem Bezug auf Wahrheit zu tun, der in der Religion steckt (und der, selbstverständlich, gar nichts mit der Wahrheit zu tun hat, an die de Botton denkt)? Und: Um welche Art von Lebenshilfe könnte es gehen, die sich von Religionen „stehlen“ läßt? Sie müßte von der, die der Psychologe leisten kann, qualitativ, anders gesagt unendlich, verschieden sein.

    Nachbemerkung zu den vorigen Kommentaren: Mir macht der im Internet übliche Jargon Mühe. Was bitteschön ist ein „Troll“? Ich lese das Wort immerzu und habe schon mehrere Erklärungen gelesen, aber ich begreife es einfach nicht.

  33. @Trepl: Der Wikipedia-Troll

    Die Frage Was bitteschön ist ein „Troll“? wird doch in der Wikipedia sehr schön beantwortet:
    “Trolling is a game about identity deception, albeit one that is played without the consent of most of the players.”
    Oder lapidarer: ” Als Troll wird bezeichnet, wer absichtlich Gespräche innerhalb einer Online-Community stört.[3] Die Provokationen sind in der Regel unterschwellig und ohne echte Beleidigungen. Auf diese Weise entgehen oder verzögern Trolle ihren Ausschluss aus administrierten Foren.”
    Es gibt sogar ein Troll-Emoticon, nämlich:
    > (do not feed the troll).

  34. Herr Holzherr

    Trepl will wissen, was ein ‘Troll’ wirklich ist.

    Und das war etwas weiter oben erklärt: Es gibt ihn nicht.

    Wobei seine Frage fast direkt unter der Antwort schon ein wenig, naja, lassen wir das mal an dieser Stelle…

    MFG
    Dr. W

  35. Also, lieber Webbär,

    machen auch Sie nen Punkt. Meine Bitte vorher galt gerade Ihnen – war anscheinend zu vorsichtig formuliert. Ja, es wirkt schon drollig, könnte trollig werden. Doch gerade Ihnen gegenüber möchte ich noch immer nicht die Notbremse ziehen müssen – zumal mir vor ein paar Tagen da was mit versehentlichem Löschen passiert ist.
    Im Übrigen sind, denke ich, die erklärenden Hinweise von Martin Holzherr korrekt und hilfreich. Aber lassen wir das.
    Reicht doch. Ich möchte mich möglichst noch heute an die inhaltsschweren Gesichtspunkte von Ludwig Trepl machen können.

  36. Danke, @Ludwig Trepl,

    es gibt offensichtlich doch auch noch relevante Gesichtspunkte. Bloß an den üblichen Ecken ist das Thema ausgelutscht.
    Das „intelligent bestehlen“ nahm ich als indirektes Zitat in die Überschrift . Zum korrekt – in Anführungsstrichen – Zitieren fand ich die Belegstelle nicht mehr. Vermutlich im Film (Atheismus 2.0) am Ende. Gedacht ist’s als listiges Argument: Die Religionen verwalten Werte, die ihnen doch eigentlich nicht gehören; sie sind auch nicht vom Himmel gefallen, aber jetzt von den Religionen so geschickt verpackt, dass die Leute meinen sollen, es wären himmlische Werte – nur über die Religionen zu haben. In Wirklichkeit allgemein menschliche, älter als die Religionen. Man muss den Religionen das Verwaltungsmonopol für diese Werte streitig machen.
    So weit mal relativ neutral de Botton referiert. Also, er würde dir auch Recht geben: Rituale, Lebenshilfe ff müssen nicht so religiös interpretiert werden. Und ich meinerseits habe mal viel gelernt bei W.Burkert, „Kulte des Altertums, biologische Grundlagen der Religion.“: Aus weit zurück, bereits in biologische Wurzeln zu verfolgenden Verhaltensmustern, Sitten, Gebräuchen… wurden Rituale geformt – ja, und daraus wurden Religionen – eben auch nicht vom Himmel gefallen. Und aus ihrer nachträglichen Erklärung, Rechfertigung ff wurden theologische Systeme.

    Für die Sache mit der Wahrheit möchte ich dir sehr dankbar sein. Da habe ich eben (wieder einmal) ohne kritische Kommentierung einen ziemlich banalen Wahrheitsbegriff referiert, teilweise auch ihn halt in dieser „Schlichtheit“ auch bereits selber übernommen. Sicher, diese Schlichtheit ist verbreitet, scheint aber nicht bloß eine Sache „bekennender Atheisten“ zu sein. Ich vermute ein bisschen, dass das mit der englisch geprägten Computersprache der heutigen jungen Generation zusammenhängt: True and false – binäres Denken habe ich es mal geschwind genannt. Mir fällt grade ein: In einem etwas längeren Disput mit Elmar Diederichs – etwa ab seinem Kommentar „Abgrenzung“ habe ich mich mal dazu bemüht, kam aber begrifflich nicht recht weiter. Ich habe es dann in ein Blogbeitrag Theologie – um des Menschen willen“ weiter zu bearbeiten versucht. Aber so furchtbar weit bin ich auch nicht gekommen.
    Ich habe es wohl nie richtig konsequent verfolgt. Könnten wir mal miteinander verfolgen. Oder ein Ping-Pong-Spiel: Du schreibst einen Artikel, etwa „Wahrheit – im Idealismus und in der Moderne“; und ich bringe meine Gesichtpunkte als Kommentar ein.
    Jedenfalls – für hier: Ich verstehe oft, wenn jemand das Wort „wahr“ sagt, es in dem banalen Sinn: Ja, es ist richtig, es ist wirklich geschehen.
    Und so verstanden stimmt es schon, dass die entsprechenden Fragen in den Religionen zu den langweiligsten und unproduktivsten gehören. Die Missverständnisse sind vorprogrammiert. Ich würde zB gerne sagen, die Geschichten von Adam und Eva – auch das Schöpfungsgedicht in 1. Mose 1 – das sind „wahre Geschichten“ – sie bringen Lebens-Wahrheiten. Aber wer versteht das noch? Wer missversteht das nicht?
    Das mit den Ritualen und der „Inbrunst“ muss ich wohl mal auf der Seite lassen. Ich bin mit der Inbrunst selber nie sehr weit gekommen. Ja, ich weiß, die hat ihren legitimen Platz in der Religion. Aber ich möchte behaupten, dass sie nicht unerlässlich ist. Den Ritualen trauere ich eher nach – bzw. vorsichtiger: könnte ich mir (gerade wieder angestoßen durch die Hinweise de Bottons) vorstellen, dass man in der protestantischen Form von Aufklärung etwas viel über Bord geworfen hat. Ich habe auch schon mal von protestantischen Talibans gesprochen – worüber dann Katholiken sich mokierten. Wäre auch eine eigene Sache.
    Lebenshilfe: . Da würde ich natürlich sagen: Religionen betonen mit einigem Recht, dass sie einiges mehr haben als bloße Lebenshilfe. Jedenfalls sind sie nicht bloß ein sozial-pädagogisches Experimentierfeld. So verkürzt sieht es bei de Botton aus. Aber was darin sozial-pädagogisch ist – unbestreitbar mit eingewickelt – das muss qualitativ nicht so abgehoben sein – nicht so unendlich verschieden sein – vom allgemein Menschlichen. Eben deshalb, denkt de Botton, kann man es auch herauslösen aus den (falschen=unwahren) religiösen Erklärungsmustern, (Jenseits-)Vorstellungen ff und kann sie auch atheistisch interpretieren.
    Und ich denke: Leute, die Religion mit und für andere betreiben, sollten sich zumindest den Hinweis gefallen lassen: Da habt ihr wertvolle Inhalte – seid euch dessen bewusst und geht sorgsam mit ihnen um –sie sollten dem Leben dienlich bleiben, Lebenshilfe sein. Vielleicht ist dieser Zweck nicht alles; aber vereinnahmt sie nicht für gegenläufige Zwecke – treibt nicht Missbrauch damit.

  37. Religion als Inspiration

    Ich will mal die Lebenshilfe beiseitelassen, weil ich bin sowieso nicht der Ansicht bin, dass man Religionen bestehlen kann. Allerdings haben sie Kunst und Musik enorm inspiriert. Ja, sie scheinen von Anbeginn an regelrecht miteinander verwoben zu sein. Natürlich geht man heutzutage meistens getrennte Wege. Aber weil die Bayern heute den “heiligen” Gral des Fußballs gewannen und auf dem Nachbarblog Richard Wagner verlinkt wurde, da möchte ich doch auf seine Gralserzählung hinweisen:

    In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
    liegt eine Burg, die Monsalvat genannt;,
    ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
    so kostbar als auf Erden nichts bekannt;

    drin ein Gefäß von wundertät’gem Segen,
    wird dort als höchstes Heiligtum bewacht.
    Es ward, daß sein der Menschen reinste pflegen,
    herab von einer Engelschar gebracht.

    Alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
    um neu zu stärken seine Wunderkraft:
    es heißt der Gral, und selig reinster Glaube
    erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.

    Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
    den rüstet er mit überirdischer Macht;
    an dem ist jedes Bösen Trug verloren,
    wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Nacht;

    selbst wer von ihm in ferne Land entsendet,
    zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
    dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,
    bleibt als sein Ritter dort er unerkannt;

    so hehrer Art doch ist des Grales Segen,
    enthüllt muß er des Laien Auge fliehn;
    des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
    erkennt ihr ihn – dann muß er von euch ziehn.

    Nun hört, wie ich verbot’ner Frage lohne!
    vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
    Mein Vater Parzival trägt seine Krone,
    sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.

    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gralserz%C3%A4hlung

    Hier wird die Arie vom schwedischen Tenor Jussi Bjorling gesungen:

    http://www.youtube.com/…7pKLnR5IpNgRZzZ-wuotWSaZ

  38. @ Mona

    „Aber weil die Bayern heute den ‚heiligen’ Gral des Fußballs gewannen …“
    Ja, leider. Das Böse siegt immer. Als hätte Klingsor ihn gestohlen. Aber zum Thema:

    Sie schreiben: „Allerdings haben sie [die Religionen] Kunst und Musik enorm inspiriert.“ Ich habe Zweifel, ob man das bei Wagner sagen kann, auch wenn es da immerzu um Themen wie Erlösung geht. Jedenfalls habe ich nie ein Gefühl, auf das „religiös“ passen würde, ganz anders als etwa bei Bach. – Bilder wie das der Gralserzählung zugrundeliegende haben, auch wenn man alle künstlerische Bearbeitung abzieht, zweifellos eine gewaltige Kraft. Aber mir scheint das die Kraft des Mythos, nicht der Religion, obwohl ich gar nicht so recht weiß, was da der Unterschied ist. Der Gral, den die Engelschar herabbringt, der Vater, der bei Sieglindes Hochzeit das rettende Schwert in den Stamm stößt, Alberichs Fluch, das „Hinab zur Mutter“ der Nornen – das sind alles mythische Bilder, und sie fühlen sich ganz anders an als etwa die Geschichten, um die es in der Matthäuspassion geht. Ich glaube nicht, daß das am Unterschied zwischen den beiden Komponisten liegt, sondern an einer grundlegenden Verschiedenheit des Stoffes, bzw. der Sphären (oder wie man das nennen soll), aus denen er genommen wird.

  39. Herr Aichele

    [Wahrheit]
    (…)
    True and false – binäres Denken habe ich es mal geschwind genannt.
    (…)
    Ich würde zB gerne sagen, die Geschichten von Adam und Eva – auch das Schöpfungsgedicht in 1. Mose 1 – das sind „wahre Geschichten“ – sie bringen Lebens-Wahrheiten. Aber wer versteht das noch? Wer missversteht das nicht?

    Es gibt eben die “binäre Wahrheit”, wie Sie es nannten, die nur in den Systemen der Tautologie, der Mathematik und der Philosophie, funktioniert, wobei die Wahrheit die Rückführung auf die Axiomatik bedeutet, und die politische Wahrheit, so ist es bspw. wahr, dass der Nihilismus schlecht ist, und in diesem Rahmen die religiöse Wahrheit (die nicht schlecht sein muss, bitte richtig verstehen).

    Sie bearbeiten, wenn Ihr Kommentatorenfreund Sie richtig verstanden hat, die Frage nach der Existenz Gottes in einem abstrakten Sinne, also außerhalb des zuerst beschriebenen Wahr-Falsch-Denkens, was nur nachvollziehbar wäre, falls so korrekt verstanden.

    Die wissenschaftliche Methode btw falsifiziert “ja auch nur”, wobei sie die Grenzen der Erkenntnis annimmt, sie im skeptizistischen Sinne sogar fordert, aber eben durch dieses “ja auch nur” eine besondere Qualität erreicht.

    Es muss ja nicht schlecht sein die Erkenntnis als sozialen Prozess, als n:m-Beziehung zwischen Erkenntnissubjekt und Sache oder Sachverhalt, zu verstehen und Wissen (oder “Wissen”) als per se provisorisch zu betrachten.
    In der Folge dann eben zu falsifizieren suchen, statt zu verifizieren.

    MFG
    Dr. W (der hofft, dass Sie die E-Nachricht erhalten haben – manchmal bleibt so etwas nämlich in Filtern stecken)

  40. Mythos oder Religion? @Ludwig Trepl

    Bei Wagner dürfte die Unterscheidung schwierig sein. Jeder Musiker oder Künstler fühlt sich schließlich anders inspiriert – im Positiven wie im Negativen. Unser gemeinsames kulturelles Erbe ist nun mal von Glaubensmythen durchsetzt. Richard Wagner selbst hat sich sehr intensiv mit Religion und Kunst befasst. Er sah die Erlösung wohl auch eher in der Kunst und nicht in der Religion. Manches in seinen Schriften erscheint uns befremdlich, aber darum geht es hier nicht. Er selbst drückte es so aus: “Man könnte sagen, dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche sie im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werte nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.”

    Quelle des Zitats: http://de.wikipedia.org/wiki/Religion_und_Kunst

  41. “Statistiker Man stellt fest”

    Was für eine heuchlerische Show, wenn man bedenkt wie schnell und rigoros sie und Blume sonst mit Kommentaren umgehen.

    Bei vielen Kommentaren denke ich, die hätten die im Grunde eines wissenschaftlichen Blogs eigentlich auch löschen müssen! Aber stattdessen …, um des … willen 😉

    Nur um es nochmal zum Bedenken zu geben: Meine Kommentare waren, nach vorheriger Provokation, VIELLEICHT hart, aber weil sie offensichtlich Fragen hervorruften …!? 😉

  42. @adenosine

    Eher so: Wenn Religionen keinen gesellschaftlichenNutzen hätten, hätte der Mensch sie nicht entwickelt.

    Wobei aber die Frage ist, wem eine Religion wirklich nützt.

  43. „Religion für Atheisten“

    Mir scheint, dass bei Alain de Botton wieder das grundlegende Missverständnis vorliegt, der Atheist glaube an die Nichtexistenz Gottes, so wie der Gläubige an dessen Existenz glaubt. Tatsächlich aber glaubt der wahre Atheist einfach nicht, dass Gott existiert, wodurch das Praktizieren einer Religion unsinnig wird. Ansonsten hat er die gleichen mentalen und kognitiven Fähigkeiten und Bedürfnisse wie jeder andere auch.

    Alain de Bottons Satz:

    Religionen sind insgesamt gesehen zu nützlich, effektiv und intelligent, um sie allein den Gläubigen zu überlassen.

    weckt in mir ein ungutes Gefühl. „Nützlich“ und „effektiv“ in der Manipulation der Massen? »Wie man ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt«, hat man auch im dritten Reich gewusst.

    Zur „Wahrheit“ der Religionen: Ich halte diese Frage ebenfalls für zentral, und zwar in ihrer ganzen Schlichtheit. Religionen zeichnen sich in der Regel durch bestimmte Glaubenslehren und Tatsachenbehauptungen aus. Ich zum Beispiel habe als Kind jedes Wort von Himmel, Hölle und Fegefeuer geglaubt, ganz schlicht und einfach.

    Die andere „Wahrheitsfrage“, die z. B. Ludwig Trepl an eine Religion stellen würde, also ob es da eine „höchste Wahrheit“ in den Glaubensaussagen in Bezug auf den Menschen gibt, halte ich für rein akademisch und für den Wesenskern einer Religion, das heißt das, was die Gläubigen in die Kirche, Moschee oder Synagoge treiben soll, ziemlich irrelevant.

  44. @Balanus

    Zum Nutzen fallen mir gleich zwei Punkte aus der Steinzeitgesellschaft ein und es gibt bestimmt noch mehr.
    1. Eine Arbeitsgemeinschaft funktioniert besser, wenn die Partner zuverlässig funktionieren, sich also an Regeln und Gesetze halten und übergeordnete Wesen Regeverstöße sanktionieren, spätestens nach dem Tod. Das senkt der Aufwand der Eigenüberwachung oder der Polizei.
    2. Zur Konfliktlösung kann es vorteilhaft sein, konkurrierende Gruppen effektiv zu reduzieren. Eine Religion kann erklären, warum Tötungshemmungen, die in der eigenen Gemeinschaft sinnvoll sind, für fremde Ungläubige nicht gelten.

  45. @ adenosine

    „Wenn Religionen keinen Nutzen hätten, hätte die Evolution sie nicht entwickelt.“

    Das glauben viele derer, die sich in diesem Blog und vor allem in dem Blog „Natur des Glaubens“ tummeln. Aber es ist einfach Unsinn.

    Es ist schon rein biologisch falsch, denn vieles hat sich entwickelt, was keinen Nutzen hat, und dem widerspricht auch die darwinistische Theorie nicht.

    Vor allem aber ist es aus einem tieferliegenden Grund falsch: Es berücksichtigt nicht, daß zwar vielleicht das Vermögen des Denkens sich entwickelt hat, weil es von Nutzen war (und auf dieser Basis biologisch erklärbar ist), aber nie und nimmer diese oder jene Ergebnisse von Denkvorgängen. Wenn gedacht wird, kommt in der Regel etwas heraus, ein Gedanke. Ob der nützlich oder nicht nützlich ist, darauf hat es, teleologisch gesprochen, die Evolution nicht angelegt. Es gibt viele Ergebnisse von Denkvorgängen, wahre und falsche, die es unter Nützlichkeitsgesichtspunkten besser nicht gäbe, aber sie kommen eben beim Denken heraus.

    Aus Denkprozessen können allerlei Gedanken hervorgehen, die ohne jeden Nutzen sind. Z. B. finden Astronomen heraus, wie weit genau ein Stern von uns weg ist. Das Ergebnis ist unter Nützlichkeitsgesichtspunkten völlig egal, aber es ist vielleicht richtig und es interessiert jemanden. Die Antwort auf die Frage „gibt es einen Gott“ könnte unter Nützlichkeitsgesichtspunkten völlig egal sein, aber sie könnte jemanden interessieren und sie könnte, sei sie nun ja oder nein, richtig sein.

  46. @Balanus:Gibt es ein religiöses Organ?

    Die meisten Atheisten sind Konvertiten ( sie gehören scheinbar auch dazu) und Konvertiten sind meist viel fanatischer als in eine Religion Eingeborene, sei die Religion nun der Katholizismus oder der Atheismus. Alain de Botton war schon immer Atheist, unter anderem weil seine Eltern nichts anderes akzeptiert hätten und er schon als Kind in den Atheismus eingewiesen wurde. Er hat seine Überzeugungen was die Wahrheitsfrage angeht nicht geändert. Doch gerade weil die Religion für ihn keine Gefahr ist, wie sie das nahelegen
    (Zitat)Alain de Bottons Satz:
    “Religionen sind insgesamt gesehen zu nützlich, effektiv und intelligent, um sie allein den Gläubigen zu überlassen.”
    weckt in mir ein ungutes Gefühl. „Nützlich“ und „effektiv“ in der Manipulation der Massen? »Wie man ein Gemeinschaftsgefühl erzeugt«, hat man auch im dritten Reich gewusst.

    kann er überhaupt die Frage stellen, ob Religionen vielleicht für alle oder viele Menschen etwas zu bieten haben.

    Ein typischer Atheist, der auch ein Konvertit ist, ist dagegen Dawkins, der in vielen Zeugnissen wie ein Reformator vom Schlage Luthers auftritt. Aussagen Dawkins wie
    “Religion ist zweifellos eine spaltende Kraft, ein Etikett für Feindseligkeiten und Blutrache zwischen verschiedenen Gruppen, und in dieser Hinsicht ist sie nicht unbedingt schlimmer als andere Etiketten, beispielsweise die Hautfarbe”
    oder
    “Of course you can have an opinion about Islam without having read the Qur’an. You don’t have to read “Mein Kampf” to have an opinion about Nazism.”

    sind nicht neutrale Urteile, sondern sie entstammen einer tiefen Feindschaft gegenüber der Religion und bezeugen, dass Dawkins einer neuen Glaubensgemeinschaft angehört, vom Spiegel so beschrieben:
    “Die Anhänger des neuen Atheismus sammeln sich, ähnlich wie einst die Urchristen, in den Katakomben der Neuzeit.”.
    Zu Dawkins fällt dem Spiegel folgendes ein:
    “Wie ein Puritaner überall Sex wittert, sieht Dawkins den Gottesglauben hinter allem Übel. Dieser ist der Schöpfer allen Ungemachs: “Stellen wir uns eine Welt vor ohne Religion”, schreibt Dawkins. “Es gäbe keine Selbstmordbomber, keinen 11. September, keine Kreuzzüge und Hexenverfolgungen, keinen Israel-Palästina-Konflikt, keine Massaker in Bosnien, keine Verfolgung von Juden als ,Christusmörder’, keine Nordirland-,Unruhen’, keine hochgefönten Fernsehprediger in schimmernden Anzügen, die leichtgläubigen Leuten ihr Geld aus der Tasche ziehen.”

    Atheism 2.0 bedeutet eben, den Atheismus nicht mehr als Religion zu betrachten, die über die anderen Religionen obsiegen muss, sondern über die Religionen nachzudenken, sie als etwas aufzufassen, was viele Menschen “befällt” und das vielleicht für die Menschheit gar nicht so unwichtig, ja bis zu einem gewissen Grade sogar nötig ist.
    Dazu hat @adenosine in seinem Kommentar vor allem die “Nützlichkeit” der Religion für den Zusammenhalt von Menschengruppen erwähnt.

    Man könnte auch folgenden Ansatz wählen:
    Vielleicht ist das religiöse Element in den meisten Menschen vergleichbar mit Dingen wie der Aggressivität oder dem Sextrieb. Wenn wir das machen kommen wir zu einer anderen Betrachtungsweise: Aggression generell als schlecht zu bezeichenen – wie das Atheisten oft mit Religion machen – ist äusserst fragwürdig, denn ohne aggressives Emo- und Ökosystem wären wir gar nicht die Menschen, die wir sind. Wir wären eine andere Art. Ohne religiöses Streben wären die Menschen vielleicht ebenfalls eine andere Species.

  47. @Balanus

    „Die andere ‚Wahrheitsfrage’, die z. B. Ludwig Trepl an eine Religion stellen würde, also ob es da eine ‚höchste Wahrheit’ in den Glaubensaussagen in Bezug auf den Menschen gibt, halte ich für rein akademisch und für den Wesenskern einer Religion, das heißt das, was die Gläubigen in die Kirche, Moschee oder Synagoge treiben soll, ziemlich irrelevant.“

    Sie bestimmen den „Wesenskern“ einer Religion sozusagen politisch: Was treibt die Gläubigen in die Kirche, was treibt viele hinein? Da mögen Sie recht haben oder auch nicht. Für den bible belt haben Sie vielleicht recht. Aber in meiner Umgebung glaubt, scheint mir, unter denen, die in die Kirche gehen (es sind viele), niemand, was Sie als Kind geglaubt haben: „Himmel, Hölle und Fegefeuer“. Und es gibt da vermutlich auch kein Kind, dem so etwas erzählt würde.

    Aber das ist egal, auf diese Faktenebene wollte ich nicht hinaus. Ich wollte wissen, was ein sinnvoller Begriff von religiöser Wahrheit im Unterschied zu mythischer oder wissenschaftlicher sein könnte. Und das ist ja auch das, was jemanden, der sich heuzutage über Religion nicht nur von außen Gedanken macht, allein interessiert. Es ist für ihn alles andere als „akademisch“, sondern vermutlich der Kern aller Fragen, die ihn bewegen. Es sind Frage wie die, was an dem wahr ist (wahr im Hinblick auf das, was man manchmal „Lebenssinn“ nennt), was mit dem Kreuz im Zusammenhang mit Erlösung symbolisiert wird. Daß es in irgendwelchen entlegenen, vornehmlich katholischen Dörfern so wie im bible belt noch einige Leute geben mag, denen es um „Himmel, Hölle und Fegefeuer“ geht, finde ich uninteressant, denen begegne ich in meinem Leben wahrscheinlich nicht mehr.

  48. Hermann Aichele

    Ihr Standpunkt wär überzeugend, wenn Sie belegen könnten, dass Religionen das Gedeihen von Gesellschaften nicht fördern. Wenn man davon ausgeht, das Religionen das Gedeihen von Gesellschaften fördern, dann ist es auch vernünftig, anzunehmen, dass die Evolution religiöses Verhalten begünstigt.

  49. @Ludwig Trepl

    »Sie bestimmen den „Wesenskern“ einer Religion sozusagen politisch: Was treibt die Gläubigen in die Kirche, was treibt viele hinein?«

    Mit „politisch“ bin ich einverstanden, aber mir ging es darum, was die Leute ins Gotteshaus treiben soll. Also darum, was den Leuten von den Religionsführern erzählt wird, damit sie aktiver Teil der Religionsgemeinschaft werden und bleiben.

    Dass es auch viele andere Gründe gibt, einen Gottesdienst oder ähnliches zu besuchen, ist mir schon klar. Und dass man die „Hölle“ mittlerweile aus dem kirchlichen Sprachgebrauch weitestgehend verbannt hat, ist mir auch aufgefallen.

    »Ich wollte wissen, was ein sinnvoller Begriff von religiöser Wahrheit im Unterschied zu mythischer oder wissenschaftlicher sein könnte […]. Es ist für ihn alles andere als „akademisch“, sondern vermutlich der Kern aller Fragen, die ihn bewegen. Es sind Frage wie die, was an dem wahr ist (wahr im Hinblick auf das, was man manchmal „Lebenssinn“ nennt), was mit dem Kreuz im Zusammenhang mit Erlösung symbolisiert wird.«

    Aber dazu muss man ja nicht einer bestimmten Religionsgemeinschaft angehören (als aktiv Glaubender, nicht als passives Mitglied).

    Mich beschäftigt die Frage, ob man „Religiosität“ auch ohne Religion bzw. Gottesglauben denken kann. Wie war es denn entwicklungsgeschichtlich, was war zuerst da, die Religiosität oder die Religionen?

  50. Religion versus Religiosität @Balanus

    Sie schrieben: “Mich beschäftigt die Frage, ob man „Religiosität“ auch ohne Religion bzw. Gottesglauben denken kann. Wie war es denn entwicklungsgeschichtlich, was war zuerst da, die Religiosität oder die Religionen?”

    Religion lässt sich auch ohne Gott denken. Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich dazu mal auf Michael Blumes Blog den Beitrag “Religion ohne Gott-Zen-Buddhismus” verfasst habe.
    Ein Zen-Kloster unterscheidet sich beispielsweise rein äußerlich kaum von einem christlichen Kloster. Es herrscht hier wie dort eine strenge Disziplin und es werden Rituale praktiziert. Zen-Mönche beten allerdings nicht, sondern meditieren, das ist der Unterschied. Mich wundert überhaupt, dass man beim Begriff “Religion” immer nur von den abrahamitischen Religionen ausgeht, dabei gibt es doch eine große religiöse Vielfallt.

    Entwicklungsgeschichtlich war vermutlich die “Religiosität” der Menschen zuerst da, wie man sie in Naturreligionen und Schamanismus findet. Die organisierten Religionen kamen erst später, sie dienten dazu die Menschen auf Linie zu bringen um sich von anderen abzugrenzen, bzw. individualistische Strömungen auszumerzen. Religion ist in Form gegossene Religiosität.

  51. Atheismus,Agnostizismus so alt wie Gott

    Agnostizismus und auch Atheismus gibt es seit es Gott, Götter, ja selbst magisches Denken gibt. Eingeborene, die auf die Kulte, an denen sie teilnehmen, pfeifen, Vorsokratiker – also frühe griechische Philosophen – die mitten in einer um sie umgebenden Götterwelt die Vision einer rein materiellen Welt mit atomaren Bausteinen entwerfen und später antike Sophisten, die sogar explizit gegen den Götterglauben argumentieren – was man als Atheismus bezeichenen könnte -, all das zeugt von frühem Unglauben. Während es aber noch einfach war die griechische Götterwelt als groteske Verzerrung der menschlichen Welt zu erkennen und zu entlarven, haben die abrahamistischen Religionen die Latte höhergelegt, denn ihr Gott ist entrückt und nah zugleich, er darf teilweise nicht einmal abgebildet werden und ist zwar Person, aber so überhöht, dass er scheinbar aus der Reichweite des uralten, alles niedermachenden und relativierenden Spotts fällt. Doch Spötter gab es auch schon zur Zeit der “Erfindung” des Islams durch Mohammed und sie nahmen sich weniger Allah zur Zielscheibe als vielmehr die Gläubigen, die Mohammedaner. Der frühe Islam musste sich also gegen den Unglauben und Spott der Umgebung durchsetzen. Interessanterweise ging diese nötige Abgrenzung gegen die Ungläubigen und Spötter in den Begriff Dschihad ein und in der Wikipedia liest man dazu:
    “„Kämpft gegen diejenigen, die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten (oder: für verboten erklären), was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben – (kämpft gegen sie), bis sie kleinlaut aus der Hand (?) Tribut entrichten!“

    Unglaube, Spott und Verhöhung des Glaubens scheinen so alt zu sein wie der Glaube und religiöse Riten.
    Ich behaupte sogar, dass Glaube und Zweifel in der Regel in ein und derselben Person ihre Heimstatt finden und gehe sogar so weit, zu behaupten, dass ein Gläubiger, der nie an seinem Glauben zweifelt, geistig nicht mehr gesund ist.

    Wenn man sich einmal bewusst gemacht hat, dass es ein Kontinuum von Glauben, Zweifel und Unglauben gibt, so ist es umso interessanter, dass der Atheismus im engeren Sinn als völlige Ablehnung jeder Gottesvorstellung, relativ selten ist (Zitat Wikipedia)“The World Factbook der CIA schätzte im Jahre 2010: Atheisten 2,32 %, Nichtreligiöse 11,77 %, Christen 33,32 % (darunter 16,99 % römisch-katholisch), Muslime 21,01 %.[13]” Man findet aber auch ganz andere Einschätzungen: “Laut dem Eurobarometer 2005[17] glaubten 52 % der Bürger der damals 25 EU-Staaten an Gott, während 18 % weder an Gott noch an eine spirituelle Kraft glaubten.”

    Fazit: Es gibt eigentlich genügend Grund, den von vielen im Westen erlebten totalen Antagonismus zwischen Glauben und Atheismus in Frage zu stellen. Glauben und Unglauben gab es schon immer in verschiedenen Mischungen gleichzeitig. Und Unglauben hat bis jetzt nicht über Glauben gesiegt. Aber auch Glaube wird nicht über Unglauben siegen.

  52. @Martin Holzherr

    »Die meisten Atheisten sind Konvertiten (sie gehören scheinbar auch dazu)…«

    Wenn Sie jemanden, der schlicht vom Glauben abgefallen ist, als „Konvertiten“ bezeichnen wollen, dann ja. Aber eigentlich ist ein Konvertit doch jemand, der die Religion oder den religiösen Glauben (die Gottheit) wechselt.

    Aber Sie betrachten den offensiven Atheismus selbst ja bereits als eine Art Religion, eine gottlose Religion. Ich denke, es ist bloß eine Weltanschauung.

    Um den Atheismus als Religion zu praktizieren, würde man dann beispielsweise in eine naturwissenschaftliche Vorlesung gehen oder sich mit Gleichgesinnten einen Vortrag von Dawkins anhören (dieser Dawkins ist mittlerweile offenbar ein Muss in Diskussionen über den Atheismus—mir ist das alles sehr fremd).

    Sicherlich gibt es auch Leute, für die der Atheismus irgendwie sinnstiftend ist, wie halt eine Religion für viele sinnstiftend sein kann. Aber ich vermute mal, die meisten Atheisten fallen überhaupt nicht auf, weil sie zum Beispiel sonntags in die Kirche gehen, um sich zu entspannen oder um Leute zu treffen.

    »Alain de Botton war schon immer Atheist,…«

    Das erklärt wahrscheinlich, warum er Religionen so positiv gegenüber steht. Wer die Schattenseiten einer Religion am eigenen Leib erfahren hat, dem fällt so etwas viel schwerer.

    »Doch gerade weil die Religion für ihn keine Gefahr ist, wie sie das nahelegen…«

    Ich halte Religionen nicht generell für gefährlich. Aber manche Religionen haben schon das Potenzial, gefährlich werden zu können, wie jede Ideologie, die die Vernunft außer Kraft setzt. Mir ist das einfach ein wenig unheimlich… Man denke nur an die sogenannten Pseudoreligionen der jüngeren braunen und roten Vergangenheit.

    »Atheism 2.0 bedeutet eben, den Atheismus nicht mehr als Religion zu betrachten, die über die anderen Religionen obsiegen muss, sondern über die Religionen nachzudenken, sie als etwas aufzufassen, was viele Menschen “befällt” und das vielleicht für die Menschheit gar nicht so unwichtig, ja bis zu einem gewissen Grade sogar nötig ist.«

    Mit einem „Atheism 2.0“ kann ich genauso wenig anfangen wie mit einem offensiv propagierten Atheismus. Mir ist nur wichtig, dass der Staat säkular oder laizistisch ist und bleibt. Leider gehört es nun mal zum Wesen der Religionen, keine Privatsache zu sein. Und da scheint es manchmal nötig zu sein, sich gegen religiösen Übereifer zu wehren. Über Religionen nachdenken sollten eigentlich alle, Religiöse (Gottesgläubige) wie Nichtreligiöse (nicht Gottesgläubige, vulgo Atheisten).

    »Dazu hat @adenosine in seinem Kommentar vor allem die “Nützlichkeit” der Religion für den Zusammenhalt von Menschengruppen erwähnt. «

    Ist das bei Ihnen so? Fühlen Sie sich nur dank einer Religion einer bestimmten Gemeinschaft zugehörig? Darf man den Menschen etwas vormachen, damit die Gemeinschaft funktioniert? Religion als Herrschaftsinstrument?

    @adenosine schrieb zum „Nutzen“ der Religionen:

    »2. Zur Konfliktlösung kann es vorteilhaft sein, konkurrierende Gruppen effektiv zu reduzieren. Eine Religion kann erklären, warum Tötungshemmungen, die in der eigenen Gemeinschaft sinnvoll sind, für fremde Ungläubige nicht gelten. «

    Das war zwar bezogen auf eine Steinzeitgesellschaft, gilt aber wohl noch heute. Religion kann demnach helfen, das Morden zu erleichtern und das Sterben zu versüßen. Aber auch darauf haben die Religionen keine Exklusivanspruch. Fürs Vater- oder Mutterland ist der Mensch bzw. sind manche Menschen zu allem bereit.

  53. @Balanus: Atheismus kann Religion sein

    Der Atheismus a la Dawkins hat Attribute einer Religion, vor allem was das missionarische Element angeht. Im Spiegel-Artikel Der Kreuzzug der Gottlosen wird diese Beurteilung in folgende Worte gefasst:
    “Ich denke, ja, wir haben eine gute Chance [Gott aus den Köpfen zu vertreiben]. Gerade im Internet gibt es eine immense Flut von Skeptizismus. Es ist wahr, dass es bis vor kurzem ein religiöses Revival gab. Aber das wird enden. Und wir helfen dabei. Gerade in Amerika sind sehr viele Menschen froh, dass endlich jemand ausspricht, was sie immer gedacht haben.”
    Und die neuen Atheisten haben auch schon Ersatzinhalte für das was ihre Konkurrenten, die alten Religionen anbieten: Es ist das Denken der Aufklärung, der wissenschaftliche Naturalismus und die Methode der Hypothesen und Theorienbildung mit dem Antidot Falsifizierung und den vielen bestätigenden Spuren, die Evidenz ergeben.

    Sogar der Atheist Noam Chomsky hält Dawkins für einen religiösen Eiferer:
    “Chomsky has said that Harris, Dawkins and Hitchens are “religious fanatics” and that in their quest to bludgeon society with their beliefs about secularism, they have actually adopted the state religion — one that, though void of prayers and rituals, demands that its followers blindly support the whims of politicians. “

    Atheismus ist im allgemeinen Sprachgebrauch nicht das gleiche wie Agnostizismus. In ihrem Kommentar werden aber beide gleichgesetzt (Zitat)“Aber ich vermute mal, die meisten Atheisten fallen überhaupt nicht auf, weil sie zum Beispiel sonntags in die Kirche gehen, um sich zu entspannen oder um Leute zu treffen.”
    Sie beschreiben eine Agnostiker. Ein Atheist im klassischen Sinn ist jemand, der Gläubige für infantil und in schwerwiegendem Irrtum befangen hält. Für den Atheisten ist also der Begriff Wahrheit entscheidend. Glaube ist für ihn Täuschung, die Wahrheit ist, dass es keinen Gott gibt. Ein Agnostiker dagegen hält Gott für unwichtig für sein gegenwärtiges Leben.

  54. @Mona: Geistwesen

    Die Erfahrung von Geistwesen ist eine Realität, die sich aus der Art und Weise ergibt, wie wir erlebte Erfahrungen beim Erinnern undeuten. (Unter http://www.spektrumverlag.de/artikel/1058259 Punkt 4) finden Sie diese Behauptung begründet.)
    D.h. Spiritualität/Religiosität hat eine konkrete biologische Ursache: wir haben ein Gedächtnis und können uns erinnern.

  55. @Mona

    »Religion lässt sich auch ohne Gott denken. Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich dazu mal auf Michael Blumes Blog den Beitrag “Religion ohne Gott-Zen-Buddhismus” verfasst habe.«

    Wäre eine Religion ohne Gott (im weitesten Sinne) oder ohne einen Bezug zum Jenseitigen denn nicht bloß eine Art Weltanschauung oder Lebensphilosophie? Ist die „Religiosität“ eines buddhistischen Mönches wirklich vergleichbar mit der eines katholischen Mönches, die Meditation mit einem Gebet?

    Einerseits gefällt mir eine enge Definition der Religiosität, wie Micheal Blume sie verwendet, recht gut (eben mit dem Bezug auf übernatürliche Akteure), anderseits habe ich das Gefühl, dass man Menschen ohne diesen speziell gläubigen Bezug aufs Jenseitige nicht einfach als nichtreligiös bezeichnen kann. Weil ich meine, das Religiöse gehöre wie das Spirituelle einfach zum Menschsein dazu (auch wenn es nicht jedem Menschen gegeben sein mag). Woraus folgen würde, dass Religiosität älter ist als jede Religion (aber nicht so alt wie die Gottlosigkeit, die ist entwicklungsgeschichtlich definitiv am ältesten).

  56. @ KRichard

    „D.h. Spiritualität/Religiosität hat eine konkrete biologische Ursache: wir haben ein Gedächtnis und können uns erinnern.“

    Da jubeln sie wieder, unsere Biologisten: „Konkrete biologische Ursache“ der Religosität entdeckt! Schon wieder eine nach dem Gottesgen! Ich möchte noch weitergehen: Religiosität hat eine konkrete chemische Ursache. Denn wenn wir nicht aus Kohlenstoff-, Phosphor- und einigen anderen Atomen bestünden, sondern nur aus Eisenatomen, würde das Gedächtnis nicht funktionieren. Ja, mehr noch, ich habe eine konkrete physikalische Ursache der Religiosität entdeckt: Wenn wir nicht ziemlich schwer wären, würden wir hochsteigen wie Luftballons und platzen, und aus wäre es mit Gedächtnis und Erinnerung und damit mit Religiosität.

    Übrigens ist das Gedächtnis auch eine konkrete biologische Ursache des Atheismus und des Agnostizimus.

    Das ist das Niveau all der Theorien über biologische Verursachung von Religiosität, die mir bisher begegnet sind. Ich warte auf eine Theorie, deren Zurückweisung wenigstens ein bißchen Mühe bereitet.

  57. @Balanus

    Auch Menschen, die nicht an einen persönlichen Gott glauben oder ihn einfach ausklammern, weil sie sich nicht anmaßen zu wissen, dass es einen solchen gibt, wie Buddha, machten sich natürlich Gedanken über das woher und wohin der Menschheit. Weder Theologen, Philosophen, Esoteriker oder Atheisten haben die Wahrheit gepachtet, insofern vermischt sich da manchmal auch etwas. Ich bin auch der Ansicht, dass Spiritualität nicht unbedingt an eine bestimmte Religion gekoppelt sein muss, man kann sie beispielsweise auch als Fußballanhänger ausleben. Auch muss das, was man als das “Höhere” ansieht nicht unbedingt ein übernatürlicher Akteur sein. Auch eine Philosophie, die eine unpersönliche kosmische Ordnung befürwortet, wie das im Buddhismus der Fall ist, kann im weitesten Sinn als Religion angesehen werden. Ich finde man verengt den Begriff “Religion” über Gebühr, wenn man damit immer nur fundamentalistisch angehauchte Systeme meint. Warum soll man nicht auch dem Agnostizismus Raum geben sich spirituell auszudrücken. 🙂

  58. Kreationismus

    D.h. Spiritualität/Religiosität hat eine konkrete biologische Ursache: wir haben ein Gedächtnis und können uns erinnern. (Herr Kinseher)

    Das ist das Niveau all der Theorien über biologische Verursachung von Religiosität, die mir bisher begegnet sind. Ich warte auf eine Theorie, deren Zurückweisung wenigstens ein bißchen Mühe bereitet.

    Ist wichtich so etwas zurückzuweisen, bestimmte Religionsfroscher arbeiten ja in dieser Richtung (“Evolutionsbiologie der Religiosität”), womöglich auch hoffend, dass sich dort etwas für die Religionen holen lässt, also letztlich auch für sie selbst – was auch wenig Richtung Kreationismus geht.

    Ansonsten, Mona, ist der Religionsbegriff ein weicher, manche Religionen sind kaum als solche erkennbar, die üblichen Maßstäbe angelegt, andere kommen gleich mit einem umfänglichen politischen System und einer Strafordnung (witzigerweise: für alle).

    Vielleicht noch kurz angemerkt, der Agnostiker weiß sozusagen – außer dass er nichts weiß – nichts, kann nicht irgendwie mit den Religionen oder Religiösen verglichen werden, bemüht sich auch gerne destruktiv darin zu sagen, was man nicht sagen kann oder soll.

    Inwieweit sich Atheisten oder Antitheisten (vs. Agnostiker) von diesem Buch begeistern lassen…

    MFG
    Dr. W

  59. Korrekturbedarf:

    Der Schreiber dieser Zeilen hatte ein wenig mit dieser Feedbackmöglichkeit zu kämpfen, es gab Fehlermeldungen wie Zurückweisungen.

    Im vorletzten Absatz der letzten Nachricht war ein ‘nichts’ durch ‘nicht’ zu ersetzen und im letzten Absatz war ein ‘sich’ zu viel.

    Wir sind alle nur Bären,
    MFG
    Dr. W

    OK, erledigt.
    Reziproker Altruismus oder reziprokes Schonverhalten…? – schreibe ich, H.A.

  60. ICH

    , hiermit geschehen, Herr Aichele, danke für die Korrektur.

    Ansonsten bleiben Sie natürlich gebeten auch die 3. Person Singular als kommentarischen Teilnehmer zu akzeptieren/tolerieren, gerade auch, wenn oder weil es im d-sprachigen Bereich üblich ist die 3. Person Plural (!!) zur Ansprache zu bemühen.

    Erzen, Siezen, Ihrzen und Duzen dürfen Sie Ihren Freund aber nach Belieben…

    MFG
    Dr. W

  61. @Trepl: Niveau

    Wenn Sie den Begriff ´Niveau´ verwenden, dann sollten Sie sich bitte selbst darum bemühen und wenigstens den Text lesen, den Sie kritisieren.
    Ich habe die Erfahrung/Erinnerung von Geistwesen als einen konkreten Grund für Spiritualität angegeben – und dazu einen Link mit einer vertiefenden Begründung.
    Eine konkrete biologische Ursache für Spiritualität/Religiosität zu kennen, ist keine Herabwürdigung für dieses Phänomen, sondern eine Bestätigung dafür dass es normaler Bestandteil des Menschseins ist.

  62. Atheismus kann Religion sein /@Holzherr

    »Sogar der Atheist Noam Chomsky hält Dawkins für einen religiösen Eiferer:… «

    Wieso „sogar“?

    Es gibt in der öffentlichen Wahrnehmung offenbar einen guten (skeptischen) und einen schlechten (religiösen) Atheismus.

    Wenn es diesen religiösen Atheismus aber bereits gibt, was soll dann de Bottons Anregung, die Atheisten sollten von den Religionen lernen? Offenbar haben ja gerade die lauten Atheisten schon von den Religionen gelernt—wenn auch vermutlich das Falsche.

    »Atheismus ist im allgemeinen Sprachgebrauch nicht das gleiche wie Agnostizismus.«

    Das ist richtig. In Bezug auf das Jenseits oder die Existenz eines personalen Gottes sind aber alle Menschen, wenn wir ehrlich sind, letztlich Agnostiker, Nichtwissende.

    Wenn wir aber alle definitorischen Feinheiten außen vor lassen, bleiben im Grunde nur drei Gruppen: Für die erste ist eine personale Gottheit lebenswichtig, für die zweite spielt diese Gottheit keine Rolle, und in der dritten Gruppe schließlich ist die Frage nach der Bedeutung dieser Gottheit noch nicht entschieden.

    Ob Sie nun jemanden, der ohne einen solchen Gott auskommt, einen Agnostiker oder einen Atheisten nennen, kommt am Ende aufs Gleiche raus.

  63. Das wurde, ist ja wieder viel.

    Danke ringsum, dass es insgesamt konstruktiv, kritisch, weiter denkend weiter geht. Da könnte man an manchem Kommentar ein eigenes Thema aufmachen. Das Thema um de Botton ist also doch nicht „ausgelutscht“.
    Ich mache mal drauf aufmerksam, dass erstens die direkt mit ihm verbundene Debatte auch sonst weiter geht. Über facebook, twitter ff ist einiges zu finden. Und zweitens mal hier zwei Aufsätze aus „diesseits.de“ genannt, die nur indirekt mit ihm zu tun haben, aber an dem von ihm erkannten Problem arbeiten. Einmal: Peter Henkel, Streit über Gott: „Auf sehr lange Zeit wird der Atheismus keine guten Karten haben“. Die Überschrift ist etwas merkwürdig reißerisch; aber mir kommt’s nicht darauf an, sondern: dass es Stimmen gibt von Atheisten, die sehr ernsthaft selbstkritisch fragen, wie die von ihnen als richtig angenommene Erkenntnis sich lebenspraktisch auswirkt, bewährt usw. Menschen sind vielschichtige Wesen, bloßer Streit um erkenntnistheoretische Richtigkeiten bringt’s nicht.
    Interessant auch in Anne Paschen, Atheist sein oder nicht sein. Was war noch gleich die Frage? solche sSätze wie :

    Aus jemandem, der sich von Gott und Kirche abkehrt wird nicht automatisch ein aufgeklärter, autonomer Mensch. Im ungünstigsten Fall findet auch ein Atheist einfach den nächsten Götzen, dem er sein Geld und sein begrenzte Lebenszeit als Opfer darbringen kann: dem Job, der Bikinifigur, der Meinung zu Weltpolitik und Wetter.

    Man muss wohl ein paar Dinge bewusst in die Hand nehmen, gestalten. Und genau daran will de Botton arbeiten.

  64. Einige Punkte rausgegriffen

    Der in der kulturellen Evolution sich zeigenden Nutzen der Religion – genauer der gesellschaftlichen Nutzen (@adenosine / @Balanus) wurde hier in diesem Blogbereich ja schon öfters diskutiert. Ich sehe es auch –finde dabei auch gut, dass man Religion nicht so einfach als Krankheit denunzieren kann. Aber ich möchte ausdrücklich nicht drauf abfahren, es genüsslich positiv vereinnahmen – gibt ja zu unterschiedlichen Zeiten sehr unterschiedliche Gesichtspunkte. Auch früher Nützliches muss es nicht bleiben – oder (so könnte man mit de Botton argumentieren) : vielleicht bleibt es bloß nützlich, wenn man es in der bisherigen Form auflöst und in eine neue Form gießt. Wem nützt es ? Auch eine wichtige Frage. Religionen wurden nicht von machthungrigen Priestern erfunden; und der Marxismus nicht von stalinistischen Betonköpfen. Aber … aufpassen, was jeweils für wen dabei herausspringt und wer sich was unter den Nagel reißt und wer dann „dran glauben muss“. Die Kollateralschäden nicht vergessen. Stimmt, irgendwo hat einer in der Diskussion gesagt, AdB habe die religiöse Erziehung nicht erlitten, deshalb könne er umso besser die Vorteile der Religion(en) hervorheben. Er weist auf seine Weise drauf hin, dass es auch in atheistischer Erziehung Kollateralschäden geben kann. Und politische Kollateralschäden gibt es ja auch auf allen Seiten.

    Wahrheit. Ich stelle schlicht fest, dass es verschiedene Wahrheitsbegriffe gibt. Das kommt wieder mal an dem Disput zwischen @Balanus und @LTrepl heraus. Ich bin mit dem auch von Trepl benützten Wahrheitsbegriff aufgewachsen (wahr=das, was man mit innerer Überzeugung vertritt) und entdecke immer mehr, dass ein anderer, der von Balanus benützte, um sich greift: Wahr= (erkenntnistheoretisch) richtig. Wie gesagt, vermutlich übers Englische. De Botton scheint auch den zu benützen. Ich finde das irgendwie bedauerlich, passe mich dem aber immer mehr an..
    Ich halte die Frage, wie man diese Wahrheitsbegriffe unterscheiden kann, übrigens auch für eine akademisch anspruchsvolle. Aber sie ist nicht rein akademisch. Das, was innerste Überzeugung ist, ist unter Umständen ziemlich lebenspraktisch. Meine ständige Erinnerung in dieser Frage: Georg Elser, der einfache Hitler-Attentäter, in der christlichen Jugendarbeit groß geworden – als Gefangener dann bestialisch gefoltert usw., wurde vom Richter angeschrien, was er sich denn dabei gedacht habe. Er habe an die Menschen gedacht (die wegen Hitler im Krieg umkämen) hat er geantwortet – das ist für mich „Wahrheit“, jenseits von irgendwelchen in der Schule gelernten Richtigkeiten. Wahrheit, für die Elser den Kopf hinhielt.

    Die biologischen Wurzeln aller unserer Denk- und Gefühlvorgänge betone ich auch immer wieder. Auch der Religion. Aber natürlich hat LTrepl Recht, dass das die Denk- Gefühls-Ergebnisse nicht erklärt. Musikfähigkeit wurzelt ja auch auf biologischen Vorgängen. Aber Musikwerke lassen sich nicht biologisch erklären.

    Dass Dawkins mit einem gewissen Tunnelblick auf die Religionen schaut (Religion ist an allem schuld) und dabei zB politische Gesichtspunkte vergisst, wusste ich zwar. Aber dass es so weit geht, wie @Martin Holzherr aus dem Spiegel zitiert – danke ! – das war mir nicht mehr gegenwärtig. Hat man ihm, dem Sohn eines Kolonialbeamten in Nairobi, so erfolgreich alle politischen Gesichtspunkte ausblenden können? Und hat es der gut situierte Professor in Oxford nicht wahrgenommen, was in Irland wirklich gespielt wird? Aber ich möchte keine Skala über den jeweiligen Grad verschiedener Zustände von Verblendung aufstellen.
    Atheistische Religion – am Beispiel des Buddhismus. Finde ich auch immer wichtig UND ambivalent. Blume macht ja darauf aufmerksam, dass theistische Vorstellungen auch dort immer wieder eingeströmt sind. (So ähnlich, sage ich, wie in den christlichen Monotheismus die Götter, die man eigentlich vertrieben hatte, wieder als Heilige einströmten) Sind so unsere Gehirnwindungen programmiert?
    Andererseits kann man daraus auch sehen, dass man Religion als Vorgang methodisch trennen kann von den Vorstellungen der Religion. Gottesvorstellungen sind, so möchte ich sagen, typisch für Religionen; aber nicht notwendig. Na ja – blödes technisches Beispiel: So wie Benzin typisch ist für Autos, aber es gibt alle möglichen Antriebsstoffe.
    Übrigens nette Reminiszenz aus einer Bemerkung eines Religionswissenschaftlers, der sich in Japan gut auskennt: Ein Reisender, der japanische Priester fragte, wie sie dort zu Monotheismus und Polytheismus stünden, sei mit dieser Frage auf Unverständnis gestoßen. Denn dort frage man nicht, ob und welche Götter es gebe, sondern: Wofür man jeweils einen Gott „habe“. Netter, kleiner und vielleicht doch entscheidender Unterschied, der dem Streit um Theismus/Atheismus die Schärfe nehme.

  65. Religion – Lebensmelodie

    Insgesamt verkommt die ganze Diskussion (nicht nur hier, überall)- sie kommt auf einen Holzweg, wenn man denkt: Religion sei die Pflege, Verteidigung irgendwelcher Vorstellungen über jenseitige Götter, Mächte oder Zustände – über nicht mehr rational erklärbare Begebenheiten, beispielsweise Wunder oder Gottesstrafen an Menschen oder sonst in der Natur und Geschichte. Und der sei am meisten religiös, der möglichst vieler solcher Unglaublichkeiten dennoch für möglich hält, behauptet, „glaubt“.
    Ach was: Zuerst ist Religion doch der Versuch der Lebensorientierung – dass und wie Menschen allein und miteinander ihr Leben in Griff zu kriegen versuchten, gemeinsame Spielregeln aufzustellen…. „Lebensbewältigungsstrategie“ könnte man es nennen – klingt ein bisschen militaristisch. Die Melodie, auf die ich mit andern das Leben zu singen lerne , so habe ich auch schon versucht. Klingt ein bisschen harmlos. Irgendwas dazwischen wird’s sein. So, und dazu haben die Leute in verschiedensten Zeiten und mit verschiedenen naturkundlichen und menschenkundlichen Einsichten ihre Ansichten formuliert – auch verändert und immer wieder neu gefasst. Und haben es mit verschiedensten Gottesvorstellungen versucht. Versuche ich es mal mit einem gewagten Vergleich: Die Gottesvorstellung als so etwas wie der Notenschlüssel, damit man sich verständigen kann, wie man miteinander die Lebensmelodie singt. Aber wenn man sich über die grafische Gestaltung des Notenschlüssels streitet, hat man zu wenig begriffen. So ähnlich – nochmals ein Vergleich, wenn man sich über die farbliche Gestaltung des Fußballs streitet; und in Wirklichkeit ist der doch nur Medium, damit Leute sich bewegen.
    Aber jetzt ist über Mitternacht…

  66. @Hermann Aichele

    “Atheistische Religion – am Beispiel des Buddhismus. Finde ich auch immer wichtig UND ambivalent. Blume macht ja darauf aufmerksam, dass theistische Vorstellungen auch dort immer wieder eingeströmt sind.”

    Da bezieht sich Blume auf den Volksglauben. Außerdem ging der Buddhismus in vielem Ländern mit der dortigen Vorgängerreligion einen Synkretismus ein und übernahm bestimmte Gottheiten, die zwar weiter verehrt aber nicht angebetet werden. Zudem gibt es im Buddhismus verschiedene Schulen, die z.T. recht unterschiedliche Vorstellungen haben. Ja, im Amitabha-Buddhismus gibt sogar einen überweltlichen Buddha, aber das ist die einzige Richtung, die ich diesbezüglich kenne. Ansonsten ist es meines Erachtens wichtig was in den Schriften steht. Ein Klassiker des Zen-Buddhismus wäre beispielsweise das Shobogenzo von Meister Dogen.

    Sie schrieben: “Zuerst ist Religion doch der Versuch der Lebensorientierung – dass und wie Menschen allein und miteinander ihr Leben in Griff zu kriegen versuchten, gemeinsame Spielregeln aufzustellen…. „Lebensbewältigungsstrategie“ könnte man es nennen”. Nichts anderes versucht der Buddhismus zu sein. Insofern sind Sie seiner Vorstellungswelt vielleicht gar nicht so fern wie Sie denken.

  67. Evolution und Wahrheit @Hermann Aichele

    Kurze Anmerkungen zu zwei der von Ihnen herausgegriffenen Punkte.

    »Der in der kulturellen Evolution sich zeigenden Nutzen der Religion – genauer der gesellschaftlichen Nutzen (@adenosine / @Balanus) wurde hier in diesem Blogbereich ja schon öfters diskutiert.«

    Nur damit kein Missverständnis entsteht: @adenosine sprach—nach meinem Verständnis—von der biologischen Evolution der Religionen, also von einem evolutionären Wandel. Was Sie jetzt als „kulturelle Evolution“ bezeichnen, sind aber kulturelle Entwicklungen, also etwas völlig anderes. Ob nun „religiöses Verhalten“, wie @adenosine später präzisierte, in der Evolution zum Menschen „begünstigt“ wurde, also einen Selektionsvorteil bot, darüber lässt sich streiten. Hier geht es ja nicht um die Steinzeit, sondern um Zeiten, die sehr viel weiter zurückliegen und über die wir praktisch nichts wissen.

    Dazu noch ein Gedanke, der mir gerade kommt:

    Wenn wir in einer bestimmten Schimpansen-Population plötzlich ein Verhalten entdecken würden, das wir als religiös deuten müssten, was für Konsequenzen hätte das für unser Verständnis von Mensch und Tier?

    »Ich stelle schlicht fest, dass es verschiedene Wahrheitsbegriffe gibt. Das kommt wieder mal an dem Disput zwischen @Balanus und @LTrepl heraus. Ich bin mit dem auch von Trepl benützten Wahrheitsbegriff aufgewachsen (wahr=das, was man mit innerer Überzeugung vertritt) und entdecke immer mehr, dass ein anderer, der von Balanus benützte, um sich greift: Wahr= (erkenntnistheoretisch) richtig.«

    Ich denke, hier geht es zu einen um die subjektive Wahrheit, und zum anderen um das, was wir als intersubjektive (objektive) Wahrheit erkennen können.

    Dazu ein Zitat von F. I. Tjutschew, das ich in dank @Chrys (in einem anderen Zusammenhang auf Ludwig Trepls Blog) in Michails W. Wolkensteins Buch „Energie und Information“ (Verlag Harri Deutsch, 1990) gefunden habe:

    Ein Gedanke, schon ausgesprochen, ist schon nicht mehr wahr.

    So ist es!

  68. @ Balanus

    „’Ich stelle schlicht fest, dass es verschiedene Wahrheitsbegriffe gibt. Das kommt wieder mal an dem Disput zwischen @Balanus und @LTrepl heraus.’ [Zitat @Aichele]
    Ich denke, hier geht es zu einen um die subjektive Wahrheit, und zum anderen um das, was wir als intersubjektive (objektive) Wahrheit erkennen können.“ [@Balanus]

    Das meinte ich ausdrücklich nicht, und in dem Beispiel von Hermann Aichele sieht man, daß es darum nicht geht:
    „Georg Elser, der … Hitler-Attentäter, … wurde vom Richter angeschrien, was er sich denn dabei gedacht habe. Er habe an die Menschen gedacht (die wegen Hitler im Krieg umkämen) hat er geantwortet – das ist für mich ‚Wahrheit’“

    Das ist keine subjektive Wahrheit, sondern eine objektive. Denn so sollten alle denken. Mit diesem Anspruch wird sie ausgesprochen, genauso wie eine naturwissenschaftliche Aussage. Beide Arten von Aussagen sind mit unterschiedlichen Graden von Überzeugtheit verbunden, beide Ansprüche können berechtigt sein (in diesem Sinne objektiv sein) oder auch nicht.

    Der Anspruch der naturwissenschaftlichen Aussage bezieht aber sich nur auf die phänomenale Welt, die Welt, wie sie uns erscheint. Beim Anspruch Elsers gibt es diese Einschränkung nicht. Insofern könnte man sogar sagen: Dieser Anspruch erhebt einen unbedingten Anspruch auf Gültigkeit (für jeden), der der Naturwissenschaften nicht.

  69. Wahrheit /@Ludwig Trepl

    Subjektive und intersubjektive bzw. objektive Wahrheit können durchaus in Eins fallen, finde ich. Im Falle Georg Eislers ist das wohl so. Im Falle Paul Tibbets beispielsweise ist das eher zweifelhaft.

    Sie haben meine „intersubjektive (objektive) Wahrheit“ wohl allein auf naturwissenschaftliche Aussagen bezogen (was bei mir sicher nahe lag). Die waren zwar mit gemeint, aber nicht nur.

  70. @ Balanus Wahrheit

    Auch im Falle Paul Tibbets dürfte es eine intersubjektive bzw. objektive Wahrheit geben, sie ist nur nicht so leicht zu finden wie im Fall von Elser (auch da liegt sie nicht einfach auf der Hand; Fälle, in denen sie auf der Hand liegt, gibt es aber auch).

    Subjektive Wahrheit könnte man vielleicht etwas nennen, was subjektiv völlig gewiß ist, aber unmöglich allgemein nachvollziehbar zu beweisen ist. Dazu dürften religiöse Aussagen wie „es ist ein Gott“ gehören. Die moralischen Aussagen, die in den beiden Beispielen stecken, sind aber nicht von dieser Art. Faktische moralische Aussagen kann man prüfen auf ihre Gültigkeit. Es gibt eine Wissenschaft, nämlich die Ethik, die das tut. Daß in dem einen Wertsystem dieses, in dem anderen jenes gilt, ist kein Einwand: auch die Wertsysteme kann man ja prüfen. Es ist nicht anders als in der Naturwissenschaft auch: Es gibt faktisch die verschiedensten Meinungen, die Erde ist eine Scheibe, eine Kugel, die Menschen stammen von Affen ab oder von Außerirdischen oder von Adam und Eva. Die Naturwissenschaft prüft diese Meinungen und versucht, das Richtige herauszufinden. Die Prüfung geschieht in beiden Fällen durch rationale Diskussion. In den Diskussionen wird in beiden Fällen Empirie geltend gemacht, dies dann allerdings in sehr verschiedener Weise.

    Mir scheint das von großer Bedeutung. Der Zeitgeist tendiert dazu, im Namen eines völlig falsch verstandenen Toleranzbegriffs alles, was nicht naturwissenschaftlich anerkannt ist, als bloß subjektiv zu bezeichnen. Man sagt im modischen Jargon „für mich ist es so“, „für mich ist wahr, daß …“, was aber völliger Blödsinn ist. Es ist entweder so oder so, nicht für den einen so, den anderen so; es scheint mir wahr, ob es wahr ist, d. h. nie etwas anders als für alle wahr ist, ist eine andere Frage.

    Alles Wichtige an der Religion steht in engstem Bezug zu moralischen Fragen. Und die sind immer diskutierbar, d. h. gemeinsam ist durch Einsatz der Vernunft zu prüfen, wer denn nun recht hat und ob überhaupt einer recht hat. Es geht nicht um Gefühle, bei denen man sagen kann: du hast die, ich hab andere, streiten kann man da nicht. Diese Haltung ist angebracht, wenn es darum geht, ob Gurken besser schmecken als Tomaten, aber nie dann, wenn es darum geht, was wir tun sollen

  71. @Ludwig Trepl:

    »Auch im Falle Paul Tibbets dürfte es eine intersubjektive bzw. objektive Wahrheit geben, sie ist nur nicht so leicht zu finden wie im Fall von Elser…«

    Es mag sie geben, die „objektive Wahrheit, aber die Frage ist, ob sie sich mit der subjektiven Wahrheit Paul Tibbets deckt. Wobei Tibbet seine subjektive Wahrheit wahrscheinlich für die objektive Wahrheit hält, halten muss, um nicht depressiv zu werden.

    Sie scheinen davon auszugehen, dass es für jedes moralische Dilemma eine eindeutige Lösung gibt, zumindest im Prinzip, auch wenn wir (derzeit?) nicht in der Lage sind, sie zu erkennen oder empirisch herauszuarbeiten (vermutlich ist unsere Lebensspanne zu kurz, um erkennen zu können, was in einem klassischen moralischen Dilemma die einzig richtige Antwort, die „objektive“ Wahrheit ist – und wenn wir glauben, sie erkannt zu haben, können wir sie vermutlich anderen nicht vermitteln und nehmen unsere Erkenntnis mit ins Grab).

    Ich persönlich neige bei moralischen Fragen zum Utilitarismus. Das Nützliche ist meist auch das Gute. Fälle, in denen das Gute schadet, sind sehr selten. Der Nutzen (größtmögliches Wohlergehen oder so ähnlich) ist einfach das beste Kriterium für das Gute.

    »Alles Wichtige an der Religion steht in engstem Bezug zu moralischen Fragen.«

    Offenbar brauchen Menschen eine Autorität, die ihnen sagt, was sie tun und lassen sollen. Freiheit sieht anders aus.

  72. Nachtrag

    »Freiheit sieht anders aus. «

    Oder so: Gerade weil der Mensch frei ist, muss man ihm sagen, was er tun soll und was nicht.

  73. Sind Gläubige Tiere im Zoo?

    Alain de Botton – ein eingeborener Atheist – entdeckt die Welt der Gläubigen und staunt wie ein Kind über ihre Tempel, Riten, die Pilgerreisen, den Einbezug von Kunst, Musik und Architektur, das in Zeremonien geweckte Gemeinschaftsgefühl.
    Doch vom Glauben der Gläubigen hält er nicht viel. Sein Fazit: “For too long non-believers have faced a stark choice between either swallowing lots of peculiar doctrines or doing away with a range of consoling and beautiful rituals and ideas.”

    Doch es kommt wohl der Wahrheit – im Sinne der angemessenen Betrachtungsweise – näher, wenn man den Glauben selbst als das Zentrale bei den Religionen sieht – auch wenn man alles drum-herum nicht einfach als alleinige Ausgeburten des Glaubens sehen darf. Vielmehr haben die sichtbaren Dinge (das Maya im hinduistischen Sinn), wie Tempel, Riten, Feiertage sowohl einen Bezug zum Glauben als auch zu vielen anderen Aspekten des Menschseins.

    Glaubenssysteme sind zentral für Religionen, aber nicht nur für Religionen. Wir entdecken sie überall und sie lenken das Denken und Handeln sehr vieler – oder gar aller – Menschen viel stärker als uns bewusst ist. Allerdings scheint mir, dass sich Philosophie und Wissenschaft diesem Thema noch kaum angenommen haben. So findet man in der deutschsprachigen Wikipedia unter Glaubenssystem nur gerade die Auflistung von Deismus, Synkretismus und Theismus und in der englischsprachigen Wikipedia werden unter Belief System vor allem negative Aspekte erwähnt (Zitat)“Philosopher Jonathan Glover warns that belief systems are like whole boats in the water; it is extremely difficult to alter them all at once “

    Tatsächlich ist diese von Glover erwähnte Eigenschaft von Glaubenssystemen nicht zu unterschätzen. Wer christlich ist, muss sich bald schon mit dem Glauben an die Dreifaltigkeit auseinandersetzen obwohl zuerst der Zusammenhang Glauben an Jesus und Glaube an die Dreifaltigkeit nicht zwingend zusammengehörig erscheint. Wer französischer Sozialist hat ebenfalls einen ganzen Katechismus von Glaubenssätzen, die ein Glaubenssystem bilden und auch Auswirkungen auf die Politik haben. So ist unter französischen Sozialisten die Auffassung recht fest verankert, man schaffe mehr Arbeitsstellen, wenn man die Arbeit besser verteile und alle weniger lange arbeiten. Die Konsequenz ist die 35-Stunden-Woche. Doch ökonomisch betrachtet, ist die Auffassung, durch weniger lange Arbeitszeit schaffe man mehr Arbeit für alle durchaus anfechtbar. Weil diese Auffassung aber Teil eines Glaubenssystems ist, ist ein derartiger Glaube – denn mehr ist es kaum – sehr schwer zu erschüttern.
    Dies ist jedoch nur ein Beispiel für die Tatsache, dass alle politischen Parteien ein Weltbild ausbilden und meist etwas errichten, was einem Glaubenssystem nahekommt. In liberalen politischen Parteien ist das die Ideologie des Liberalismus, die als 1. Gebot die Freiheit des Individuums vor sich herträgt.
    Bis jetzt werden derartige Erscheinungen in Ideologien und Parteien als etwas völlig anderes gehandelt, als das was Gläubige umtreibt. Meine Einschätzung ist aber, dass es sehr viele ähnliche Erscheinungen in allen Formen von Glaubenssystemen gibt und dass man diesen Begriff sehr weit fassen muss um dem Phänomen gerecht zu werden.
    Diese Generalisierung, die den religiösen und ideologischen “Glauben” und viele andere Arten von miteinander zusammenhangenden Überzeugungen als Manifestationen von Glaubenssystemen sieht, bietet auch die Chance, in Religion mehr zu sehen als nur etwas historisch gewachsenes, vielleicht heute überholtes. Vielmehr rückt der generalisierte Begriff Glaubenssystem Religionen, Ideologien und vieles mehr in eine Sphäre, die uns alle betrifft. Letztlich geht es bei Glaubenssytemen um eine Sinnbildung, eine holistische Weltauffassung, die wir in der einen oder andern Form alle kennen. Selbst die Naturwissenschaft bildet ein System von zusammenhängenden Theorien aus in einer Form, die einem Glaubenssystem nahekommen und ähnliche Konsequenzen haben. So wird ein Physiker als neu, gar unerklärlich erscheinende Phänomene mit den bestehenden Theorien zu erklären versuchen und wenn das nicht gelingt, wird er allgemeine Prinzipien des Theoriensystems heranziehen um das Phänomen einzuordnen. Diese Vorgehensweise ist in der Naturwissenschaft allerdings zwingend, in unseren den Alltag bestimmenden Glaubenssystemen aber hat man bei Unstimmigkeiten die Alternative, ein Glaubenssytem anzupassen oder “aufzuweichen” und unter Umständen das Glaubenssystem aufzugeben, wobei man dann oft bei einem anderem System landet. Allerdings machen viele Glaubenssysteme einen solchen Schritt sehr schwierig. Das ist gerade das Wesen von Glaubenssystemen: Sie errichten eine Welt, die man nicht so einfach verlassen kann wie die Katze die Kirche, in die sie sich verirrt hat.

  74. Kurzrezension „Religion für Atheisten“

    Angelegt ist Alain de Botton’s Buch „Religion für Atheisten“ wie ein Passionsweg für Atheisten/Agnostiker/Säkulare. Immer wieder wird dem “Atheisten” gezeigt, wie Lebensstationen für einen “Atheisten” zur Leidensstätte werden können gerade wegen dem
    1) fehlenden Lebenswissen, das einem ein Glaube oder/und eine religiöse Praxis vermitteln könnte. (Zitat)“In christlichen oder jüdischen Ehen herrscht zwar auch nicht immer eitel Sonnenschien, doch zumindest bleibt den Eheleuten der aus obiger Annahme resutlirerende Kummer erspart, der aus der Überzeugung rüht, es sei irgendwie falsch oder unrecht, auch mal unzufrieden zu sein”
    2) der Überschätzung der eigenen, solitären Rolle im Leben und den damit verbundenen übersteigerten Erwartungen. (Zitat)“Dadurch dass sie alle Hoffnungen ins Jenseits verlagerte, war es der Kirche möglich, unser irdisches Dasein einzigartig klar und unsentimental zu sehen”
    3) Der Vereinzelung des Einzelnen, der seine Probleme vor den andern nicht eingestehen kann, weil er sonst das Gesicht verlieren würde. (Zitat)“Daher haben die Religionen uns spezielle Tage geschenkt, unter dessen Schutzmantel wir unsere negativen Gefühle verarbeiten können”

    Die Liste ist im Buch natürlich viel länger und besteht aus mehr Kapiteln und Abschnitten als die meisten Passions- oder Kreuzwege an Stationen haben, doch die aufgeführten Punkte zeigen, wie das Buch aufgebaut ist. Ohne Religion, oder mindestens ohne das Wissen, das in der Religion steckt, suggeriert Alain de Bottons Buch “Religion für Atheisten”, wird der Lebensweg des Atheisten zum Passionsweg.
    So endet das Buch mit (Zitat)“Die Kernaussage dieses Buches lautet, dass Lösungen für viele der Probleme der modernen Seele bei den Religionen zu finden sind, sobald man diese von ihren übernatürlichen Strukturen herausgelöst hat, mit denen sie ursprünglich konzipiert wurden.”

  75. @Martin Holzherr, WOW!

    Alle Achtung, Martin Holzherr, Sie haben das Buch gelesen und kritisch gelesen. Schade, dass ich Anfang Juni mit der Diskussion abhängte und auch auf Ihren dortigen Kommentar nicht einging. Und schade, dass jetzt nach der Zwei-Monats-Frist (in der Auflistung am rechten Rand) die Kommentare zu den alten Artikeln nicht mehr genannt sind. Ich müsste wohl mal was Neues schreiben – vielleicht in Anschluss an diesen, Ihren Kommentar.
    Jetzt aber doch dazu: Ich würde de Bottons Verstehensweise so charakterisieren: Als Kind war ihm zu viel verwehrt (Ähnliches meinen Sie wohl in der Einleitung zum Kommentar vom 2.6.). Jetzt zeichnet er Religionen sehr idealtypisch: wie gut sie eigentlich seien, wenn man sie recht versteht – wie hilfreich, heilsam… Dass da sehr viel anderes untergemischt ist, lässt er weg – kann er weglassen, da er die Devise vertritt: Holt das Beste heraus. Wenn man nicht alles schlucken muss, kann man ja Negatives weglassen.
    Das von Ihnen Zitierte, das entspricht dieser idealtypischen Darstellungsweise. Doch jetzt nicht so, dass ohne Religion das Leben zum Leidensweg werde. Sondern ich verstehe es eher so: Im Leben gibt es – ob mit oder ohne Religion – unvermeidlich immer wieder Leidenssituationen, Leidenswege. Und Menschen sind schwach und anfällig gegen alle möglichen negativen Einflüsse. Auf sich allein gestellt könnten das die Menschen aber oft nicht zugeben und keine Bewältigungsstrategie entwickeln oder durchhalten. (Vielleicht steht dann auch irgendwo, dass Atheisten grundsätzlich nicht davon reden wollten – weiß ich jetzt nicht, könnte es mir aber bei de Bottons Erfahrungen mit seinem Vater vorstellen, dass er das irgendwo so sagt).
    Also, man müsse drüber reden und miteinander agieren; und dafür gebe es bewährte Rezepte, die in den Religionen gesammelt wurden und immer wieder (nicht bloß doziert, sondern) lebenspraktisch eingeübt werden. Was er zu den bewährten Rezepten zählt, das will er (befreit vom dogmatischen Überbau) denen nahe bringen, die in Gefahr sind, wegen dieses dogmatischen Überbaus auch die darin versteckten lebenspraktischen Weisheiten zu vergessen.
    Also nicht: durch Atheismus ein Leidensweg; sondern: hilfreiche Tipps, mit den unvermeidlichen Leidenssituationen umzugehen. Und insofern natürlich auch: Leiden zu vermindern.
    Wäre nicht schlecht, wenn dieses idealtypische Bild so stimmen würde. Aber als Anstoß in diese Richtung finde ich es gut.

Schreibe einen Kommentar