“Wie wird man so mutig?” – Vorab-Interview mit Carla Cederbaum

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Laureates of mathematics and computer science meet the next generation
Heidelberg Laureate Forum
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Carla Cederbaum (untere Bildhälfte)

Eine der Teilnehmerinnen, die beim diesjährigen Heidelberg Laureate Forum auf Preisträger aus Mathematik und Informatik treffen, wird Carla Cederbaum vom Mathematischen Institut der Universität Tübingen sein. Ich kenne Carla noch von meiner  eigenen Zeit am Albert-Einstein-Institut in Potsdam vor mittlerweile 7 Jahren und fand und finde besonders spannend, wie sie Mathematik nicht nur lebt, sondern auch vermittelt: in Büchern (Wie man einen Schokoladendieb entlarvt und als Mitherausgeberin/Mitautorin Ein Moment für Mensch und Mathematik), mit einem Mathematik-Lernspiel (siehe hier), mit einer Ausstellung “Von Newton zu Einstein”, für die sie (gemeinsam mit der AEI-Wissenschaftskoordinatorin Elke Müller) 2009 auch den Publikumspreis des Wissenschaftssommers gewann, und ganz aktuell  mit dem Programm “Snapshots of Modern Mathematics” am Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach.

Ich habe Carla vorab per E-Mail befragt – zu ihren Erwartungen an das HLF und zu einigem mehr.

Was erwartest du/versprichst du dir vom HLF?

CC: Ich freue mich auf viele junge Mathebegeisterte aus der ganzen Welt, neue mathematische Ideen und neue Perspektiven auf die Mathematik als Wissenschaft und als Beruf.

Welcher Laureat, der kommt, beeindruckt dich besonders?

CC: Es steht noch nicht fest, ob sie kommt, aber ich bin sehr beeindruckt von Maryam Mirzakhani, der neuen Fields-Medaillistin. Beim International Congress of Mathematicians in Seoul (ICM) habe ich die Laudatio auf ihre vielfältige und elegante Arbeit gehört und auch ein kurzes Video von ihr gesehen. Sie wirkte so begeistert von der Mathematik, das war einfach ansteckend! Leider hat sie beim ICM keinen Vortrag über ihre Arbeit gehalten; ich würde mich sehr freuen, beim HLF mehr darüber zu erfahren und vielleicht sogar mit ihr persönlich zu sprechen und zu erfahren, was sie antreibt und welche mathematischen Fragen sie spannend findet.

Was hast du vor, welchen Laureaten beim HLF zu fragen?

CC: @Martin Hairer: Muss man mutig sein, um einen derart neuartigen Lösungsansatz zu entwickeln, wie Sie es in den letzten Jahren getan haben? Wie wird man so mutig?

@Barbara Liskov: Wie hat sich die Informatik in den letzten Jahrzehnten verändert? Hätten Sie diese Veränderungen voraussagen können?

@Michael Francis Attiyah: Wie viel Physik sollte man können, wenn man in der Geometrie forscht? Sollte Physik im Mathematikstudium auf dem Stundenplan stehen — oder ist das ein altmodischer Ansatz?

Ich bin gespannt, welche Antworten du bekommst! Jetzt eine allgemeinere Frage: Was fasziniert dich so an Mathematik?

CC: Wenn man sich lange genug damit beschäftigt, entstehen vor dem inneren Auge ganz neue, wunderbare Welten. Und mit etwas Glück kann man diese sogar mit anderen gemeinsam entdecken und erforschen. Ein bisschen so wie wenn man schöne Musik hört oder ein unerwartetes Kunstwerk sieht.

Was ist deine mathematische Lieblingsknobelei (und warum)?

CC: Meine Lieblingsknobelei habe ich von einem gewissen Markus P. gestellt bekommen und seitdem an mindestens 200 Menschen weitergegeben. Allerdings habe ich sie — inspiriert von dem Autor Ephraim Kishon — in eine kleine Geschichte verpackt: “Dein (sparsamer) Lieblingsonkel schenkt Dir ein leider sehr hässliches Bild und wünscht sich, dass Du es in Deinem Zimmer aufhängst. Du willst ihm den Gefallen gerne tun, allerdings hoffst Du auch insgeheim, dass er das Bild aus Versehen herunterschmeißt und es kaputt geht, damit Du es nicht mehr ertragen musst.

Das willst Du so anstellen: Du befestigst eine Schnur an den beiden oberen Ecken des Bildes und schlägst zwei Nägel in die Wand. Dann versuchst Du, die Schnur so um die Nägel zu wickeln, dass das Bild auf der richtigen Höhe an der Wand hängt, aber herunterfällt, wenn einer der Nägel herausgezogen wird. Wenn Dein sparsamer Onkel dann zu Besuch kommt, so hoffst Du, wird er sicher einen der Nägel aus der Wand ziehen und schwups fällt das Bild zu Boden und zerbricht. Aber geht das? (Wenn ja: wie?, wenn nein: warum nicht?). Natürlich weißt Du vorher nicht, welchen Nagel er aus der Wand ziehen wird…”

Das ist meine Lieblingsknobelei, weil einfach jeder wissen will, ob das geht! Und wenn man dann länger mit den Leuten plaudert, denen man das Rätsel gestellt hat, dann können es viele lösen und bekommen dabei einen Einblick in die Eleganz und Abstraktion, die ich an der Mathematik so gerne mag.

Danke für das Gespräch – und wir sehen uns dann beim HLF!

(Und die Lösung der Knobelei wird uns Carla später auch verraten – hier auf dem HLF-Blog in einem Gastbeitrag.)

 

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

4 comments

  1. Markus Pössel schrieb (15. September 2014):
    > Carla Cederbaum [… schrieb] per E-Mail
    > > Meine Lieblingsknobelei habe ich von einem gewissen Markus P. gestellt bekommen […]

    > > Allerdings habe ich sie […] in eine kleine Geschichte verpackt:

    […] Du befestigst eine Schnur an den beiden oberen Ecken des Bildes […]

    Darf man sich denken, dass die beiden oberen Ecken des Bildes mit jeweils einer Öse versehen sind, durch die die Schnur lose
    geführt werden kann?
    (Oder wie “fest” “befestigt” sollte man sich die Schnur ansonsten vorstellen?)

  2. Frank Wappler schrieb (16. September 2014 11:10):
    > Darf man sich denken, dass die beiden oberen Ecken des Bildes mit jeweils einer Öse versehen sind, durch die die Schnur lose geführt werden kann?

    Um das Problem zu lösen, ist es
    jedenfalls nicht erforderlich, dass sich Bild und Schnur ganz voneinander trennen lassen, nachdem einer der beiden Nägel aus der Wand gezogen wurde.

    Es lässt sich stattdessen fordern, dass ein Ende der Schnur fest an eine Ecke/Öse des Bildes geknotet ist und bleibt, und dass das andere Ende der Schnur fest an die andere Ecke/Öse des Bildes geknotet ist und bleibt.

    Trotzdem soll der Ring, der aus Schnur und Bild besteht, an den zwei Nägeln aufgehängt sein, und beim Entfernen sowohl entweder nur des einen Nagels als auch nur des anderen Nagels herunterfallen.

    Ach … so.

  3. Ich weiß ja nicht, von wem ihr das Rätsel kennt, ich habe es vor langer Zeit von Olaf lechtenfeld kennen gelernt. Das müsste bei einem beyond the standard model Meeting in Bad Honnef in den späten 90ern gewesen sein.

    Viele Grüße
    Robert

    • Ich habe die Knobelei auch von Olaf Lechtenfeld (gut, dass du es ansprichst; ich hatte das eigentlich in den obigen Blogartikel mit hineinschreiben wollen); bei mir war das – muss ich dir damals auch erzählt haben – Teil von Olafs Auswahlgespräch bei meiner Bewerbung um ein Studienstiftungs-Promotionsstipendium damals.

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