Ausgezeichnet! Tanja Gabriele Baudson erhält den Scilogs-Preis 2016

BLOG: Hochbegabung

Intelligenz, Sonntagskinder und Schulversager
Hochbegabung

Die besten Blogartikel auf den SciLogs schrieb im vergangenen Jahr Tanja Gabriele Baudson! Ende April erkannten ihr ihre Bloggerkollegen per Abstimmung den SciLogs-Preis 2016 zu für ihren Hochbegabungsblog, den der Spektrum Verlag in Kooperation mit der Karg-Stiftung betreibt.

Nominiert hat sie die Politikwissenschaftlerin und Historikerin Gesche Schifferdecker, Pressereferentin bei der Max Weber Stiftung (Max meets Lisa, Blog Trafo). Die nachfolgende Laudatio hat sie anlässlich der Verleihung des Scilogs-Preises 2016 gehalten …

Wie ich auf Tanja Baudson und ihr Blog „Hochbegabung“ aufmerksam wurde? Dafür gab es verschiedene Gründe. Der erste ist: Sie hat Headlines, die ins Auge springen. Einer ihrer Blogbeiträge bei den Scilogs im vergangenen Jahr hieß: „Pussys Privilegien“. Pussy war eines meiner Lieblingsworte, als ich sechzehn war. Heute, als Mutter, benutze ich das Wort hauptsächlich heimlich – man will ja nicht, dass das Kind im Kindergarten damit um sich wirft. Dafür beschäftige ich mich jetzt mit Themen wie „Erziehung“ und „Förderung“. Und natürlich frage ich mich, in welchen Bereichen mein Sohn begabt ist. Er hat mit 13 Monaten das erste Mal gesprochen – das hat vor allem unser Umfeld sehr bewegt. Ich selbst fand die Tatsache, dass sein erstes Wort „Bier“ war und er es auf einer großen Familienfeier unter dem Tisch mit der Melodie von „Alle meine Entchen“ sang, viel interessanter. Aber bei der Familie war das Feuer entfacht.

Da sich in den vergangenen Jahren nicht nur die Kommunikations-, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten des Sohnemanns schnell entwickelt haben, liegen mir Verwandte und Freunde ständig in den Ohren, ich solle ihn auf „Hochbegabung“ testen lassen. Er müsse in den Musikkurs, Lesen- und Rechnenlernen und früher in die Schule sowie. Akzelerationsmaßnahme nennt man so etwas, wie ich von Tanja Baudson weiß. Infolgedessen habe ich die Lektüre des Blogs „Hochbegabung“ vertieft. Und viel gelernt – darüber, wie politisch der Terminus „Hochbegabung“ in Deutschland konnotiert ist, welche Vorurteile es gegenüber Hochbegabten gibt, wie emotional Debatten dazu geführt werden und wer sich sonst noch wissenschaftlich – oder anders – mit diesem Thema auseinandersetzt.

Bevor ich mit meiner Hymne beginne, möchte ich denen, die Tanja Baudson noch nicht oder nicht gut nicht kennen, kurz ein paar Informationen an die Hand geben: Tanja Baudson ist seit 2014 Inhaberin der Vertretungsprofessur für Pädagogisch-psychologische Diagnostik an der Universität Duisburg-Essen. Promoviert hat sie 2011 an der Universität Trier. Im Rahmen ihrer Diss hat sie einen Intelligenztest für Kinder im Grundschulalter entwickelt und diese Testergebnisse danach mit den Einschätzungen von Lehrerinnen und Lehrern abgeglichen. Zwischendurch war sie dann Visiting Scholar in Princeton und am Queens College in New York.

Ergo: Tanja Baudson ist eine erfolgreiche Wissenschaftlerin. Darüber hinaus ist sie – und deswegen sitzen wir ja hier – eine ausgezeichnete Wissenschaftskommunikatorin. Neben ihrem Blog bei den Scilogs findet man Videos von ihr auf Youtube, sie twittert und schreibt alle zwei Monate für das MinD-Magazin, die Zeitschrift von Mensa in Deutschland. Ihre Themen sind auch hier Hochbegabung, Intelligenz und Kreativität und methodische Fragen ihrer Beforschung. Und auch im MinD-Magazin sind die Headlines großartig, u. a. „Boah, siehst Du schlau aus!“ oder „Ausgemänndelt! Tilgen sich Männer häufiger durch Dummheit aus dem Genpool als Frauen?“

An ihrem Scilogs-Blog gefällt mir besonders gut, dass Tanja Baudson – neben vielen wissenschaftlich anspruchsvollen, aber auch für den Laien verständlichen Beiträgen – immer wieder aktuelle Diskussionen aufgreift und kommentiert. Diese Diskussionen haben oft mit ihrem Forschungsthema zu tun, manche berühren es auch nur indirekt. Ihr Artikel zum #distractinglysexy-Shitstorm mit dem Titel „Nicht die Emotion ist unprofessionell, sondern die Welt, in der sie existiert“ hat mich dabei besonders beeindruckt, weil er sehr persönlich ist.

Tanja Baudson bekennt hier, denn das war der Vorwurf des britischen Biochemikers und Nobelpreisträgers Sir Richard Timothy Hunt an die Frauen im Labor, dass auch sie am Arbeitsplatz schon öfter geweint habe. Von der persönlichen Erklärung leitet sie dann in eine Analyse des (ihrer Meinung nach unzureichenden) Umgangs mit Emotionen in der Arbeitswelt über. Dabei vertritt sie eine klare Position – unterfüttert ihre Aussagen aber auch mit wissenschaftlichen Belegen.

Wenn sie nicht gerade tendenziöse Spiegel-Artikel zu ihrem Forschungsthema auseinandernimmt, traut sich Tanja Baudson auch, für Kinder zu schreiben. In ihrem Beitrag „Für den wissenschaftlich interessierten Nachwuchs: Was ist Hochbegabung?“ erklärt sie genau das, was sie auch im Titel verspricht. In einer Sprache, die man schon in der Grundschule verstehen kann. Und wer schon einmal versucht hat, seinem siebenjährigen Bruder zu erklären, was man im Geschichtsstudium macht, weiß, wie schwer es ist, komplexe Inhalte für Kinder verständlich zu formulieren.

Mir ist natürlich klar, dass es hier nicht nur um meinen persönlichen Geschmack geht. Ebenso wichtig ist die Frage, ob das Blog „Hochbegabung“ den Kriterien guten wissenschaftlichen Bloggens entspricht. Wenn wir von de.hypotheses.org – der geistes- und sozialwissenschaftlichen Blogplattform, bei der ich für die Max Weber Stiftung als Redakteurin arbeite – Workshops mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchführen, die bloggen wollen, ist unser Mantra:

  1. 1. Schreibt verständlich, das heißt so, dass es auch Menschen außerhalb Eurer Disziplin verstehen.
  2. 2. Postet regelmäßig.
  3. 3. Kommuniziert mit den Leserinnen und Lesern, regt einen Dialog an und lasst Euch ebenfalls durch Kommentare inspirieren.

Zu Punkt eins habe ich mich schon ausführlich geäußert. Punkt zwei trifft natürlich auch zu. Es gibt das Blog „Hochbegabung“ seit Januar 2009. Seitdem haben Tanja Baudson und ihr Kollege Götz Müller gemeinsam mit einigen GastautorInnen über hundert Blogartikel veröffentlicht. Das dritte Kriterium, der Dialog mit den Leserinnen und den Lesern, ist sogar außerordentlich erfüllt. Von der Anzahl der Kommentare unter dem Blog und der qualifizierten Debatte, die sich bei „Hochbegabung“ daraus entwickelt, können wir bei de.hypotheses nur träumen.

Um mal ein Beispiel zu nennen: Wir hatten beim TraFo-Blog, einem Blog zur transregionalen Forschung, das ich als Redakteurin betreue, in den vergangenen Jahren etwa sechs Kommentare. Die Hälfte davon waren von Kollegen aus der Max Weber Stiftung. „Hochbegabung“ kann hingegen mit intensiv und kontrovers geführten Debatten in der Kommentarspalte aufwarten – was natürlich auch damit zu tun hat, wie der Diskurs zu „Hochbegabung“ geführt wird. Vor allem ist die lebhafte Diskussion aber darauf zurückzuführen, dass insbesondere Tanja Baudson das Blog sehr interaktiv gestaltet, auf Anregungen eingeht und auch mal eine eigene These überdenkt.

Last but not least liegt es mir am Herzen zu betonen, dass mir bei der Auswahl meines Lieblingsblogs natürlich bewusst war, dass „Hochbegabung“ ein Gemeinschaftsblog ist. Aber da es hier um den Preis für die beste Bloggerin oder den besten Blogger und nicht um das beste Blog geht, habe ich mich – auch wenn ich Götz Müllers Texte sehr informativ finde – für Tanja Baudson entschieden, weil mich ihr Stil anspricht. Sie vermittelt spannende wissenschaftliche Inhalte, ist dabei aber locker, humorvoll, selbstironisch und manchmal auch polemisch. So möchte ich Wissenschaft erklärt haben. Ich möchte etwas über den Forschenden persönlich und über sein oder ihr wissenschaftliches Umfeld erfahren, ich möchte mich unterhalten lassen, mich ab und zu identifizieren können und zum Denken angeregt werden.

Schließen möchte ich meine Laudatio mit einem Zitat von Sir William Henry Bragg aus dem Adventskalender des Blogs von 2011: „The important thing in science is not so much to obtain new facts as to discover new ways of thinking about them.“

In diesem Sinne: Vielen Dank für die neuen Denkanstöße, liebe Frau Baudson!

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Dr. rer. nat. Tanja Gabriele Baudson ist Diplom-Psychologin und Literaturwissenschaftlerin. Seit Oktober 2017 vertritt sie die Professur für Entwicklungspsychologie an der Universität Luxemburg und ist als freie Wissenschaftlerin mit dem Institute for Globally Distributed Open Research and Education (IGDORE) assoziiert. Ihre Forschung befasst sich mit der Identifikation von Begabung und der Frage, warum das gar nicht so einfach ist. Vorurteile gegenüber Hochbegabten spielen hierbei eine besondere Rolle - nicht zuletzt deshalb, weil sie sich auf das Selbstbild Hochbegabter auswirken. Zu diesen Themen hat sie eine Reihe von Studien in internationalen Fachzeitschriften publiziert. Sie ist außerdem Entwicklerin zweier Intelligenztests. Als Initiatorin und Koordinatorin der deutschen „Marches for Science“ wurde sie vom Deutschen Hochschulverband als Hochschullehrerin des Jahres ausgezeichnet. Im April 2016 erhielt sie außerdem den SciLogs-Preis "Wissenschaftsblog des Jahres".

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