Ein Limit von zwei Grad Erwärmung ist aus geowissenschaftlicher Sicht notwendig

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Gastbeitrag von Hubertus Fischer, Nicolas Gruber, Gerald Haug und Peter Lemke

Die wissenschaftlichen Fakten sind klar: Die Menschheit verändert durch das Verbrennen fossiler Energieträger und das Abholzen der Regenwälder die Erdatmosphäre. Die heutigen durch den Mensch verursachten Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) betragen fast 10 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr. Heute liegen diese Emissionen 80% über den Werten von 1970. Deshalb ist der atmosphärische CO2-Gehalt auf mittlerweile fast 390 ppm (390 CO2 Moleküle/1 mio Luft Moleküle) angestiegen und liegt damit um etwa 100 ppm über den vorindustriellen Werten dieser und aller vorangegangenen Warmzeiten der letzten 800.000 Jahre. Dadurch hat sich das globale Klima in den letzten 100 Jahren um ca 0.8 °C erwärmt.

Eine der Kernaussagen des Berichtes des Weltklimarates (IPCC, 2007) ist, dass bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration die globale Durchschnittstemperatur um etwa 3°C ansteigt; eine Erwärmung über 4,5°C ist nicht auszuschließen. Einen um 3°C wärmeren Planeten Erde mit einer atmosphärischen CO2-Konzentration von mehr als 400ppm gab es zuletzt vor 3 Millionen Jahren in der pliozänen Warmzeit, als die Nordhemisphäre im Wesentlichen eisfrei war und der Meeresspiegel um mindestens 7 m über dem heutigen Niveau lag. Eine Atmosphäre mit einem CO2-Gehalt von etwa 800 ppm gab es zuletzt vor etwa 40 Millionen Jahren. Damals war die Erde etwa 5°C wärmer, eisfrei und der Meeresspiegel lag um mehr als 70 m höher als heute. Sollte es der Menschheit nicht gelingen die Erdatmosphäre bei CO2-Konzentrationen unterhalb von 450 ppm zu stabilisieren, ist damit zu rechnen, dass wir in diesem Jahrhundert einen Klimazustand wie vor 3 Millionen Jahren initiieren, mit dramatischen Folgen für die Menschheit. Zur Stabilisierung der Atmosphäre bei etwa 450ppm CO2 ist bis zum Jahr 2050 mindestens eine Halbierung der globalen CO2-Emissionen notwendig. Dies sind Kernaussagen zum menschgemachten Klimawandel aus geowissenschaftlicher Sicht.

Vor diesem Hintergrund verursacht ein kürzlich in der FAZ veröffentlichtes Interview mit den Direktoren des Geoforschungszentrums Potsdam, des Senckenberg Forschungsinstituts und Museums in Frankfurt und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar und Meeresforschung, Bremerhaven, grosses Befremden. In diesem Interview mit dem Titel "Ein Limit von zwei Grad Erwärmung ist praktisch Unsinn" wird das internationale Ziel einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2°C als "aus geowissenschaftlicher Sicht nicht haltbar" bezeichnet.

Dies entspricht nicht unserer Meinung und lässt die Geowissenschaften in einem falschen Licht erscheinen, da die Folgen eines ungebremsten Wachstums der Treibhausgase in der Atmosphäre und der dadurch entstehende Klimawandel sehr wohl aus geowissenschaftlicher Sicht abschätzbar sind. Klimaforschende Geowissenschaftler sind sich der Dringlichkeit eines Erfolges eines Klimaabkommens im Dezember in Kopenhagen bewusst und stellen sich gegen alle Argumente, die unter Hinweis auf die Komplexität des Systems oder auf die großen Klimaschwankungen der Erdgeschichte vom gegenwärtigen CO2-Problem ablenken. Man kann gerade aus geowissenschaftlichen Daten den Bedarf zum sofortigen Handeln ableiten: Es gibt Klimaschwellenwerte hin zu einer eisfreien Nordhemispäre und einem instabilen westantarktischen Eisschild, die unangenehm nah am zwei Grad Ziel liegen.

Hinweise auf Klimaschwellenwerte aus geowissenschaftlichen Daten speziell aus den Polarregionen haben eine besondere Bedeutung, da die (sub)polaren Ozeane die ‚Lunge’ des Weltklimas darstellen, welche das im tiefen Ozean gespeicherte CO2 in einer wärmeren Welt bevorzugt ausatmen werden, also eine erhebliche positive Rückkopplung auf die anthropogene Erwärmung darstellen können. Diese Prozesse sind in der Tat unzureichend verstanden und werden in der Studie vom Weltklimarat eher unterschätzt. Auch andere Prozesse, wie das Abschmelzen der polaren Eismassen oder der Rückgang des Arktischen Sommermeereises, wurden wohl nach neuesten Erkenntnissen eher unterschätzt. Es ist davon auszugehen, dass der arktische Ozean bereits im Jahr 2040 im Sommer eisfrei sein wird. Die enorme Rate des Klimawandels wirkt sich besonders nachteilig auf das Erreichen solcher ‚Klimaschwellenwerte’ im System Ozean-Atmosphäre aus. Die von der Politik formulierten  notwendigen Klimaziele sind daher besonders aus geowissenschaftlicher Sicht zu erreichen, da eine Welt mit dann wohl neun Milliarden Menschen mit massiven Veränderungen beim Überschreiten von kritischen Klimaschwellenwerten allein durch Adaption nicht klarkommen kann.

Hubertus Fischer, Professor für experimentelle Klimaphysik, Universität Bern

Nicolas Gruber, Professor für Umweltphysik, ETH Zürich

Gerald Haug, Professor für Klimageologie, ETH Zürich

Peter Lemke, Professor der Physik der Atmosphäre und des Ozeans, Universität Bremen und Fachbereichsleiter Klimawissenschaften, Alfred Wegener Institut Bremerhaven

Weitere Links zum FAZ-Interview und der zugehörigen Konferenz:

Reinhold Leinfelder im Tagesspiegel

Renate Ell in den VDI-Nachrichten

Spiegel Online zum obigen Text

Reinhold Leinfelder’s Darwin Blog

 

 

Veröffentlicht von

Hauptautoren der KlimaLounge: Anders Levermann ist Professor für Dynamik des Klimasystems an der Universität Potsdam und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist unter anderem Mitautor des IPCC-Klimareports und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Ozean und Cryosphäre in Vergangenheit und Zukunft. Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam. Er ist Mitautor des 4. IPCC-Klimaberichts und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für „Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) an. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte. Martin Visbeck ist stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel und Professor für Physikalische Ozeanographie. Er gehört zahlreichen internationalen Arbeitsgruppen ebenso an wie der Senatskommission für Ozeanografie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zu den Homepages der Autoren gelangen Sie, wenn Sie in der rechten Leiste auf den Menüpunkt "Links" klicken. --------------------------------------------------------------------------------------------- In der KlimaLounge kommen auch andere Autoren zu Wort. In diesen Fällen sind sie namentlich am Ende des jeweiligen Posts genannt.

5 Kommentare

  1. Erderwärmung

    Man beachte, dass bei einer Steigerung der CO2-Konzentration noch 40 Jahre vergehen, bis die dadurch verursachte Erwärmung der Atmosphäre tatsächlich realisiert ist.

    Die heutige Erwärmung spiegelt daher die CO2-Konzentation von 1969 wider. Wie in dem Artikel erwähnt, haben die Emissionen aber sukzessiv zugenommen. Das hat, akkumuliert, gegenüber 1969 zu einer Vervierfachung der Differenz zur vorindustriellen CO2-Konzentration geführt.

    Dies bedeutet, dass die zu erwartende Temperaturerhöhung in 40 Jahren der heutigen CO2-Konzentration entspricht, also eine progressive und nicht eine lineare Steigerung.

    Demnach wäre in den nächsten 40 Jahren eine weitere Temperaturerhöhung von 3,5 Grad zu erwarten.

    [Antwort: Das ist so nicht richtig. Bitte nochmal die entsprechenden Artikel, zum Beispiel in der KlimaLounge oder auf RealClimate.org, nachlesen. Nur kurz zu einem Aspekt hiervon: Es gibt ein Verzögerung der Erwärmung in der Atmosphäre durch die stetige Wärmeaufnahme des Ozeans. Hierdurch erwarten wir eine weitere Erwärmung um etwa 0.6 Grad, wenn die CO2 Konzentrationen auf dem heutigen Stand eingefroren würden. Anders Levermann]

  2. FAZ Interview

    Ich bin der Meinung, man hätte das Interview hier schon etwas detaillierter ausarbeiten und darstellen sollen und den Herren zugestehen, daß sie ja ihre Aussagen sinnvoll begründen und belegen, erklären, was alles in der Forschung eben noch nicht bekannt ist. Sie argumentieren sachlich und das hebt sie wohltuend vom Alarmismus einschlägiger Veröffentlichungen ab.

    [Antwort: Hierbei gebe ich zu bedenken, dass nicht nur die Wortwahl Teil einer sachlichen Berichterstattung ist, sondern doch vor allem der Inhalt und der ist in weiten Teilen des FAZ Artikels falsch – wie hier dargelegt. Anders Levermann]

  3. CO2 historisch

    wie wir ja alle wissen, gibt es doch nennenswerte Probleme die globale Mitteltemperatur exakt zu bestimmen, auch heute noch (ca. +/-0,2°C). Deutlich größer werden die “Spielräume” wenn man sich die Rekonstruktionen der letzten 2000a ansieht. Die MWP liegt mal am Niveau von 1970 bis 2000, mal um 0,5°C darunter. Hier werden, wenn korrekt gearbeitet wird, zu mindest die Spannen (95%KI) dargestellt und die sind meist beträchtlich (+/-0,5°C), vor der Instrumentenperiode.
    Aber was ist mit den CO2 Daten aus Eisbohrkernen? Wenn wir hier von den letzten Warmzeiten sprechen über 800.000a, wie hoch waren denn die höchsten Dekadenmittel an den Peaks dieser Warmzeiten? Kann man diese überhaupt sinnvoll auflösen und wie groß waren die CO2 Variationen vor hunderttausenden von Jahren über ein paar Jahrzehte gesehen, nicht über Jahrhunderte od. Jahrtausende gemittelt? Kann man Spannen angeben? Warum wird das nicht getan, so als ob meinetwegen 280(+/-5)ppm Genauhigkeit möglich wäre. Antartik Forscher aus Österreich meinen, es wäre unmöglich historische CO2 Konstruktionen mit heutigen Messverfahren zu vergleichen, man weiß nur, dass es Variationen gab, deren Auflösung und Quantität ist jedoch wegen den Prozessen im Eis, an der “ehemaligen” Oberfläche und in km Tiefe alles andere als ausreichend genau bekannt, um mit heutigen Daten zu vergleichen. Genau das wird aber (leider) immer wieder getan.

  4. Wer wird erwärmt?

    Ich bleibe bei allem, was im Text steht, skeptisch, wenn mir der Texter das weismachen will:

    “Dadurch hat sich das globale Klima in den letzten 100 Jahren um ca 0.8 °C erwärmt. “

    Das Klima kann sich nicht erwärmen, höchstens verändern, wobei es auch das nicht selbst tut. Die Erde wird erwärmt, also Atmosphäre, Hydrosphäre und die obersten Schichten der Erdkruste.

  5. 2-Grad

    Vielen lieben Dank für Ihre Bemühungen ihre Meinung an alle möglichen Printmedien weiterzugeben. Das hilft der lesenden Bevölkerung weiter.
    Können Sie auch bitte fachliche und sachliche Argumente hervorbringen wie Sie bzw. das IPCC phsykalisch und mathematisch auf genau 2-Grad gekommen sind? Um eine Quellenangabe abseits von IPCC bzw. eine Formel auf dieser Blogseite wäre nicht nur für Journalisten im Wissenschaftsbereich äußerst wünschenswert. Warum nicht gerade 1- oder 3-Grad? Und warum ausgerechnet aufgrund der mittleren Globaltemperatur von 1850? Ist das die Globaltemperatur von 1850 oder sogar ein 30-Jahresmittel?
    Vielleicht erinnern Sie sich noch an ein Gespräch nach Ihrem Vortrag auf dem EWK 2009? Jene Person bleibt weiterhin bei der damals gemachten Aussage.

    Und wenn Sie weiterhin Aussagen über die Zukunft treffen, bitte im Konjunktiv wie die deutsche Sprache es wünscht.

    Vielen lieben Dank im Voraus!