Geht dem Ozean die Luft aus?

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Atlantik, 8°N 24°W. Seit zwei Wochenbin ich auf Deutschlands modernstem Forschungsschiff, der MARIA S. MERIAN, imSubtropischen Nordatlantik auf einer meereswissenschaftlichen Forschungsreiseunterwegs. Ziel unsere Arbeiten hier ist die Untersuchung sogenannterSauerstoff-Minimumzonen im Ozean. In etwa 250-500m Wassertiefe befinden sich nördlichund südlich des Äquators auf den Ostseiten aller Ozeane ausgedehnte Gebiete mitstark reduziertem gelösten Sauerstoff im Meer.

Autor beim Aussetzen eine ARGO profilierenden Tiefendrifters von der MARIA S. MERIAN 

 

In dieser Wocheist auch eine Wissenschaftliche Arbeit von Dr. Lothar Stramma vom IFM-GEOMAR inKiel und seinen Kollegen, Dr. G. Johnson PMEL, Dr. J. Sprintall SCRIPPS, undDr. Volker Mohrholz vom IOW aus Warnemünde in SCIENCE erschienen mit dem Titel:„Expanding Oxygen-Minimum zones in the Tropical oceans“.

Dr. Stramma undKollegen haben alle ‚historischen’ und modernen Sauerstoffdaten analysiert unddaraus die Trends über die letzten 50 Jahre im gelösten Sauerstoff des Ozeansbestimmt. Insbesondere haben sie sich die Sauerstoff-Minimumzonen angesehen undfestgestellt, dass sowohl im Pazifik und insbesondere im tropischen Nordatlantikder Sauerstoffgehalt abgenommen hat und die Sauerstoff-Minimumzonen sich ausbreiten.

Wie kommt es denn überhaupt zur Ausbildung vonSauerstoff-Minimumzonen im Ozean?

In den oberen30-100m der Ozeane ist das Wasser in direktem Austausch mit der Atmosphäre. DerGasaustausch erlaubt  allen Gasen, sichmehr oder weniger schnell an ein Gleichgewicht mit der Luft anzunähern. Fastüberall auf der Welt nimmt dabei der Ozean Sauerstoff auf. Die Löslichkeit desSauerstoffes im Wasser hängt von der Temperatur ab: warmes Wasser löst wenigerSauerstoff als kaltes Wasser.  Als Belegdafür haben wir alle schon die kleinen Luftblasen in Warmwasserleitungengesehen. Unterhalb der gut durchmischten Schicht verliert der Ozean seinengelösten Sauerstoff. Im Wesentlichen wird er durch das „Remineralisieren“(Vergammeln oder Korrodieren) von organischem Material verbraucht. Das sindzumeist abgestorbene Pflanzen und Kleinsttiere, die aus den oberen Schichtenganz langsam in Richtung Meeresboden fallen. In Randmeeren wie der Ostsee unddem Schwarzen Meer führt das dazu, dass manchmal die tieferen Schichten komplettihren gelösten Sauerstoff verlieren und in Folge dessen alles Leben dortabstirbt (Anoxia). Um diesen Verbrauch des Sauerstoffs im Wasser auszugleichen,muss gelöster Sauerstoff in die Tiefe der Ozeane transportiert werden. Und dasgeschieht durch die verschiedenen Meeresströmungen, die Wasser aus derOberflächenschicht manchmal sogar bis zum Meeresboden mitnehmen und von dortüber weite Distanzen durch alle Ozeanbecken transportieren. Insbesondere inkalten polaren Regionen sinkt sauerstoffreiches Oberflächenwasser ab undbelüftet von dort die Tiefen der Weltmeere. Von oben regnet dann das organischeMaterial herunter und verbraucht insbesondere bis in mittleren Wassertiefen vonbis zu 1000m den Sauerstoff. Je nachdem wie direkt die Meeresströmungen einGebiet mit der Meeresoberfläche verbinden und je nachdem wie viele Partikel aufdem Weg dahin den Sauerstoff reduziert haben bekommt man deutlich sichtbareSchwankungen im Sauerstoffgehalt. Am Ende der Transportwege liegen dieSauerstoff-Minumumzonen.  Heute kennenwir die großen Strömungen der Ozeane auch in der Tiefe recht genau und wissen,dass das Wasser in der östlichen Gebieten nord und südlich des Äquators in 500mWassertiefe schon einen sehr langen Weg mit langsamen und teilweise sehrturbulenten Strömungen zurückgelegt hat. Und genau dort beobachten wir diemarkantesten Sauerstoff-Minimumzonen. Manche Details von Transport undVermischung sind allerdings noch nicht genau genug bekannt und werden von unszur Zeit erforscht.

Warum verändert sich der Sauerstoffgehalt?

Die Daten zeigenrecht eindeutig, dass der gelöste Sauerstoff im Ozean weniger wird. Aber warum?Hier ist sich die Wissenschaft noch nicht ganz einig. Klar ist, dass durch diebeobachtete Erwärmung die oberen Wasserschichten weniger Sauerstoff aufnehmen,da die Löslichkeit mit zunehmender Temperatur abnimmt. Eine weitere Erwärmungim Klimawandel wird diesen Effekt verstärken. Wahrscheinlich ist auch, dass dieGeschwindigkeit der Tiefenströmungen durch die stabilere Schichtung (warmes Wasserschwimmt oben) mit dem Klimawandel abnehmen werden. Damit dauert es länger, bisdas sauerstoffreiche Wasser in den Minimumzonen ankommt. Folglich sinkt derSauerstoffgehalt möglicherweise auch sehr stark.

Unklar sindallerdings die Reaktionen des Ökosystems. Würde es mehr biologische Produktivitätin den oberen Schichten geben, würde auch dieses den Sauerstoff weiterreduzieren. Sollte die Produktion abnehmen und weniger Partikel absinken,könnte sich der Sauerstoff in der Tiefe wieder erholen.

Auf unsererForschungexpedition in den subtropischen Nordatlantik untersuchen wir allediese Effekte, um in ein paar Jahren gesicherte Aussagen über die Entwicklungdes Sauerstoffgehalts im Ozean machen zu können. Ob dem Ozean wirklich die Luftausgehen wird, und welche der Meereslebewesen davon betroffen sein werden, kannman jetzt noch nicht genau sagen. Wir vermuten hier allerdings einen neuen ‚tipping point’ des Klimasystems. Das sindSchwellen, wo das System in einen neuen Zustand umkippen kann, die mein Blog-KollegeAnders Levermann vor wenigen Wochen genauer beschrieben hat.

(Martin Visbeck übermittelte diesen Beitrag direkt von der MARIA S. MERIAN.)

Mehr Informationzum Sauerstoff im Ozean und zu den damit verbundenen Forschungsprogrammenfindet man unter:

MERIAN Expedition: www.ozean-der-zukunft.de/presse/expedition-merian.shtml

Pressemitteilungdes IFM-GEOMAR: http://www.ifm-geomar.de/index.php?id=4193

SFB754 "Climate – Biogeochemistry Interactions in theTropical Ocean" http://www.sfb754.de

SciencePaper: „Expanding oxygen-minimum zones in the Tropical oceans“ von   Lothar Stramma, Gregory C. Johnson, JanetSprintall und Volker Mohrholz 

 

 

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Martin Visbeck ist stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel und Professor für Physikalische Ozeanographie. Er gehört zahlreichen internationalen Arbeitsgruppen ebenso an wie der Senatskommission für Ozeanografie der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

4 Kommentare

  1. Redox

    Geht mit dem Sauerstoff Rückgang eine Zunahme des Algen- Planktonwuchses einher ?
    ( CO2-[Über]-Düngung aus der Atmosphäre )

  2. Fakten, Fakten

    Das Sauerstoffminimum im subtropischen Nordatlantik findet sich unter der sog. Tropischen-Subtropischen-Sprungschicht im Nordatlantischen Zentralwasser (NACW). Bei ca. 30°N sinkt das Wasser ab (Subtropische Konvergenz). Bis es Ihre Position bei 8°N erreicht hat, vergehen in etwa 20-30 Jahre. (Berechnetes Tritium-Helium3-Alter bzw. F11-Alter, drei Spurenstoffe). Die Klimaerwärmung der 90er Jahre kann für das Sauerstoffminimum nicht verantwortlich sein. Wie haben sich die Nährstoffkonzentrationen im Verhältnis zum O2 verändert? Vielleicht wurde mehr organisches Material in den Ozean eingetragen? Tritium-Helium3-Alter bzw. F11-Alter geben Rückschluss über die Geschwindigkeit der Tiefenströmung. Die liegt bei ca. 10-20 m pro Std.

  3. Inwiefern könnte der Sauerstoffgehalt der Ozeane ein ‚tipping point’ des Klimasystems sein? In welcher Größenordnung könnte dies den CO2-Kreislauf beeinflussen?