Neues von der Sonne?

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Gastbeitrag von Georg Feulner

Die lange und komplizierte Geschichte von wissenschaftlichen Studien zum Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Klima ist um eine neue Verwirrung reicher. Spiegel Online schrieb in diesem Zusammenhang kürzlich gar von einem "Klima-Paradoxon": Entgegen früherer Untersuchungen gehe eine niedrigere Sonnenaktivität mit einer Erwärmung der Erdatmosphäre einher und nicht mit einer Abkühlung.

Auslöser für diesen und zahlreiche andere Medienberichte ist eine Veröffentlichung von Joanna Haigh und Kollegen, die Anfang Oktober in der Zeitschrift Nature erschienen ist  und diese These aufstellt. Die Autoren haben in Rechnungen mit einem Klimamodell neue Messungen des Instruments SIM (Spectral Irradiance Monitor) auf dem Satelliten SORCE (SOlar Radiation and Climate Experiment) verwendet, das seit 2003 die Intensität der Sonneneinstrahlung bei verschiedenen Wellenlängen bestimmt.

Diese Messungen für den Zeitraum von 2004 bis 2007 zeigen ein überraschendes Bild. In dieser Zeit hat die Sonnenaktivität nachgelassen – das an sich ist noch nicht überraschend, denn das letzte Sonnenmaximum ereignete sich im Jahr 2000, und das letzte Minimum ist im Jahr 2009 zu Ende gegangen. Die Satellitenmessungen zeigen aber für diese Jahre eine weit stärkere Abnahme der Sonneneinstrahlung im ultravioletten Spektralbereich als frühere Messungen oder Sonnenmodelle, vor allem aber – völlig überraschend – eine Zunahme der Einstrahlung bei sichtbaren Wellenlängen.

Füttert man nun das Klimamodell von Haigh und Kollegen mit diesen Messungen, so ergibt sich für den Zeitraum von 2004 bis 2007 (in dem die Sonnenaktivität wie gesagt zurück ging) eine leichte Zunahme der Sonneneinstrahlung an der Erdoberfläche. Dies ist zum einen auf die gemessene höhere Strahlungsintensität bei sichtbaren Wellenlängen zurück zu führen, zum anderen auf Veränderungen der Ozonschicht durch die starke Variation in der Ultraviolettstrahlung. Die größere Sonneneinstrahlung im Sonnenminimum würde in etwa einer Erwärmung der bodennahen Atmosphäre um 0,1 ºC entsprechen. Dieses Modellergebnis widerspricht allerdings fundamental den Beobachtungsdaten, die in Phasen niedriger Sonnenaktivität eine leichte Abkühlung der globalen Mitteltemperatur von etwa 0,1 °C im Vergleich zu Sonnenmaxima zeigen.


Änderung der globalen Mitteltemperatur durch Schwankungen der Sonnenaktivität (grün) und durch anthropogene Einflüsse (rot). Die einzelnen Beiträge zur Temperaturänderung wurden empirisch aus der Korrelation der gemessenen Temperaturen mit den Antriebsdaten (u.a. der Sonnenaktivität) seit 1980 bestimmt (Regressionsanalyse). Temperaturmaxima hinken demnach etwa einen Monat hinter den solaren Maxima hinterher, d.h. Temperatur und Sonnenaktivität schwanken nahezu synchron – im Gegensatz zur Modellrechnung von Haigh et al. Quelle: Lean & Rind (2009).

Was ist also von diesem sehr überraschenden Ergebnis zu halten? Bei einer Messreihe eines einzelnen Satelliteninstruments über wenige Jahre ist immer Vorsicht geboten, weil sich die meisten Messinstrumente in der harschen Umgebung des Weltraums langsam verändern, und es nicht immer möglich ist, diese Effekte vollständig zu erfassen und zu korrigieren. In der Tat sehen die SORCE-SIM-Messungen im Vergleich zu anderen Datensätzen durchaus merkwürdig aus. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den erstaunlichen Veränderungen der spektralen Sonnenleuchtkraft um eine Besonderheit des zu Ende gegangenen Sonnenzyklus handeln könnte, dessen lang anhaltendes Minimum sich in vielerlei Hinsicht als ungewöhnlich erwiesen hat.

Es ist also noch zu früh, aufgrund dieser nur drei Jahre umfassenden Einzelstudie bisherige Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Erdklima zu verwerfen. Wir müssen abwarten, wie sich die Satelliten-Messungen der Sonnenleuchtkraft in den nächsten Jahren entwickeln, wenn die Sonnenaktivität wieder ansteigt. Ich vermute, dass sich die SORCE-SIM-Messungen und damit auch das Ergebnis von Haigh und Kollegen letztlich so nicht bestätigen werden. In den Medien werden solche neuen Resultate leider oft wie unumstößliche Fakten berichtet, die das alte Wissen über den Haufen werfen. Das wird dem Prozess der Wissenschaft nicht gerecht, bei dem laufend neue Thesen vorgeschlagen werden, die dann erst durch weitere Arbeiten bestätigt werden – oder eben auch nicht. Letztlich sind es die "alten", vielfach bestätigten Resultate, die belastbar sind, und gerade nicht das Allerneueste aus Nature oder Science.

Vergessen werden sollte bei dieser Diskussion auch nicht, dass der Effekt der variablen Sonnenaktivität auf das Klima ohnehin gering ist. Es ist wohl noch niemandem direkt aufgefallen, dass die Temperaturen im Rhythmus von 11 Jahren wärmer und kälter werden – und der 11-jährige Sonnenzyklus ist die bei weiten größte Variation der Sonnenaktivität in den letzten fünfzig Jahren. Der Effekt auf die globale Temperatur ist so schwach, dass man schon statistische Methoden (etwa wie Lean&Rind) anwenden muss, um ihn überhaupt zu entdecken. Die Erwärmung durch vom Menschen verursachte Treibhausgasemissionen ist mindestens zehnmal größer als die Wirkung der Schwankungen der Sonnenaktivität, wie auch Joanna Haigh in einem Interview zu ihrer Publikation betont hat (siehe hierzu auch die obige Grafik). Unsere eigenen Forschungsarbeiten haben ebenfalls gezeigt, dass selbst ein neues lang anhaltendes Minimum der Sonnenaktivität im 21. Jahrhundert (ähnlich dem Maunder-Minimum im 17. Jahrhundert) die zu erwartende Erwärmung von rund 4 °C im globalen Mittel höchstens um überschaubare 0,3 °C verringern würde. Die Sonnendiskussion ist also wissenschaftlich durchaus interessant – Implikationen für die Klimapolitik hat sie jedoch keine.

Georg Feulner ist Astrophysiker und forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er ist Autor von Das große Buch vom Klima.

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Stefan Rahmstorf ist Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Klimaänderungen in der Erdgeschichte und der Rolle der Ozeane im Klimageschehen.

5 Kommentare

  1. Neues von der Sonne

    Ich bin einfach nur verblüfft, über die Vielzahl der neuen “Erkenntniss” aus unserem Sonnensystem, unserer Galaxie oder gar des Universums. In immer geringeren Zeitabständnisse wird über den Haufen geworfen, was lange als wissenschaftlich gefestigt schien. Seine Sonnen, die zu Black Holes werden, bwohl ihre geringe Materie dieses gar nicht zulassen kann oder fast 13 Milliarden Jahre alte Galaxien , die es gar nicht geben dürfte. Und nun dieser Beitrag !

  2. Erderwärmung und Sonnenzyklen

    Sicher, die Erkenntnis mag sicherlich interessant sein, aber sie hat scheinwar wirklich keine Auswirkung auf die sicher zu scheinende Klimaerwärmunng in den nächsten Jahrzehnten. Ob die Erderwärmung global im Durchscnitt um 4 Grad Celsius zunimmt, oder “nur” um 3,5 Gras Celsius…die Auiswirkungen dürften die gleichen sein, nämlich im wahrsten Sinne des Wortes katastrophal. Und das Schlimme dabei ist, dass die internationelen Politiken dagegen nichts ausrichten und auch wahrscheinlich nichts ausrichten werden. Genauso wie die USA nie das Kyoto-Protokoll unterschrieben haben werden sie es (trotz aller Anstrengung unserer Kanzlerin) auch nicht mit dem Stockholmer Abkommen machen. Obama wird sich nach der verheerenden Wahlniederlage seiner Demokraten hüten, einen entsprechenden Ratifizierungsvorschlag in das Abgeordnetenhaus einzubringen.

  3. Weber (2010)?

    Auch mich kann die Arbeit von Haigh et al. (2010) nicht überzeugen. Insbesondere passen die Daten nicht zu neuen Ergebnissen von Weber(2010), der kürzlich nachweisen konnte, daß die am Erdboden eintreffende Sonnenstrahlung während eines 11-Jahres-Zyklus im Prozentmaßstab (nicht Promillemaßstab!) schwankt. Als Datengrundlage dienten ihm terrestrische TSI (Total Solar Irradiance) Messungen der vergangenen 100 Jahre des Smithsonian Astrophysikalischen Observatoriums (Washington D.C.) und des hawaiianischen Mauna Loa Observatoriums. Offensichtlich übt hierbei die Erdatmosphäre einen noch schlecht bekannten Verstärkungsmechanismus aus. Weber (2010) vermutet (wie auch Svensmark), daß die Verstärkung über die solare Modulation der kosmischen Strahlung stattfindet. Anders als Svensmark nimmt Weber jedoch an, daß die kosmische Strahlung Sauerstoffmolekül-Ionen bildet, um die sich Wassertröpfchen lagern. Diese Tröpfchen streuen das einfallende Sonnenlicht und schwächen es auf der Erde ab.

    Weber (2010):
    http://onlinelibrary.wiley.com/…1000019/abstract

    [Antwort: Lieber Herr Lüning, ein guter Anlass einmal die Frage aufzuwerfen: wie kann ich als Laie ein fragwürdiges Paper erkennen, wenn mir das methodische Urteilsvermögen fehlt, mit dem Fachleute die relevanten unter den jährlich rund 10,000 Fachpublikationen zum Klima erkennen? Es gibt dazu durchaus ein paar einfache Kriterien.

    (1) Wahl des Journals. Ein im Fachgebiet Klima obskures Journal (selbst in der Physik schwankt der impact factor in den letzten zehn Jahren zwischen mageren 1,1 und 1,8), dazu noch gekoppelt mit einer sensationellen These (“Rolle der Sonne zehn mal so stark wie gedacht”) – da sollten schon rote Warnlampen angehen. Wenn ein derartiges Ergebnis methodisch gut belegt wäre, warum ist es nicht in Nature oder Science? Oder zumindest in einem klimatologischen Journal – hat der Autor es dort versucht und wurde abgelehnt? Oder wollte er von vornherein den peer review durch Klimaexperten vermeiden?

    (2) Expertise des Autors. Laut Web of Science hat der Autor zuvor noch nie etwas zum Stichwort “climate” publiziert. Seine home page und die Veröffentlichungsliste seines Lehrstuhls an der TU Dortmund weisen überhaupt keine weiteren Fachpublikationen von Herrn Weber aus.

    (3) Selbstvermarktung. Vorsicht ist immer auch angesagt, wenn ein Ergebnis in diesem Stile angekündigt wird:

    “Kaum ein anderes Gebiet der jetzigen Forschung wird so überlagert von ideologischen Eingaben wie die Klimaforschung. Bei Zeiten ist es daher gut für eine Disziplin in dieser Lage, wenn ein Wissenschaftler aus einem anderen Gebiet die Klimaforschung in Augenschein nimmt. Noch besser ist es dann, wenn dieser Wissenschaftler Dinge findet, die bisher übersehen wurden und sich seine eigenen Gedanken und Theorien überlegt. Ein Beispiel für so einen Wissenschaftler ist der Dortmunder Physiker und Lehrstuhlinhaber für theoretische Festkörperphysik Prof. Dr. Werner Weber…”

    (siehe SOLONline). Erst wird die Klimaforschung unter Ideologieverdacht gestellt, dann folgt die Stilisierung als Heretiker – aber nicht von unabhängiger Seite, wie der Leser des Artikels leicht meinen könnte, sondern von Webers Mitarbeiter Patrick Grete, der in dem Beitrag nicht als solcher identifiziert wird.

    Immerhin macht die Pressemitteilung eine konkrete Prognose: “Darum, so glaubt Werner
    Weber, wird die globale Erwärmung in den kommenden Jahren stagnieren, vielleicht sogar in eine Abkühlphase umschlagen.” Damit kann das Klima selbst schon in den nächsten Jahren dieses Paper falsifizieren, wie frühere Abkühlungsprognosen – warten wir es einfach ab. Stefan Rahmstorf]

  4. Einfluss

    Weiß man denn, welchen Einfluss die Sonnenaktivität auf die Weltmeere hat (Temp. und Strömung)?

  5. Maunder-Minimum?

    Hallo,

    Was mich an der Theorie etwas verwundert: Mal angenommen es würde stimmen, dass eine niedrigere Sonnenaktivität eine höhere Temperatur bewirken würde. Wie kriegt man das z.B. mit der niedrigeren Globaltemperatur im Maunder-Minimum in Einklang? Gibt es dazu Erklärungsversuche von den Autoren der Papers?

    vg