Kontakt zu Phobos-Grunt hergestellt!

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Heute wurde bekanntgegeben, dass es mithilfe einer Bodenstation der ESA am 22.11.2011 um 21.42 MEZ gelungen ist, Kontakt zur im niedrigen Erdorbit fest sitzenden russischen Raumsonde Phobos-Grunt herzustellen. Näheres ist jetzt (23.11.2011, 9:16 MEZ) noch nicht publik. Weitere Nachrichten sollen im Laufe des Tages folgen.

Wohlgemerkt: Ein kurzer Kontakt – das bedeutet erst einmal nur, dass das Signal von Phobos-Grunt empfangen werden konnte. Das ist schon einmal besser als gar nichts. Mit einem Signal, besonders dann, wenn es kohärent ist, d.h, wenn dem Sender gesagt werden kann, dass die Sendefrequenz an die Empfangsfrequenz gekoppelt werden soll, ist die Messung der Dopplerverschiebung möglich. Diese Messungen können zur Bahnbestimmung herangezogen werden. Bis jetzt konnte niemand, auch nicht die Mannschaft am Kontrollzentrum in Russland, die Bahn von Phobos-Grunt einigermaßen exakt bestimmen. Man verließ sich notgedrungen auf die nicht gerade präzisen Two-Line-Elements, die aus Radar-Messdaten erstellt wurden.

Der Empfang von Telemetrie ist jedoch noch etwas ganz anderes und Kommandozugriff ebenfalls. Mir ist nicht bekannt, dass auch dies bewerkstelligt worden wäre. Somit kann auch noch keine zuverlässige Abschätzung des Zustands der Raumsonde gemacht werden.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

12 Kommentare

  1. Nachrichtenlage

    Und jetzt brodelt die Nachrichtensuppe so richtig.

    Die ESA-Bodenstation sendete ein “direct action command” bei dem der Hauptcomputer (resp. die Kontrolleinheit) umgangen wird. Daraufhin sendete Fobos-Grunt ein Trägersignal empfangen. Die Station ist nicht dafür ausgerüstet, Telemetrie zu empfangen.

    Die Vermutung geht jetzt dahin, dass Fobos-Grunt nur bei Tageslicht senden kann (Batterien sind erschöpft und können aus unbekannten Gründen nicht geladen werden) und auf der Nachtseite der Erde jeweils in den “Safe-Mode” geht. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, dass Moskau keinen Kontakt zu Fobos-Grunt bekam, weil sich die dortige Station jeweils auf der Nachtseite der Erde befand.

    Heute nacht und morgen früh gibt es insgesamt fünf weitere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Mal schauen, was draus wird. Der Mars ist aber auf jeden Fall passé, es geht jetzt nur noch darum, wo man die Sonde parken kann. Und da ist alles besser als ein Absturz mit elf Tonnen toxischem Treibstoff

  2. Datenschwund

    …und ich sehe grade, dass ich einen Teil meiner Nachricht versehentlich gelöscht habe, deshalb noch kurz die Info hinterhergeschoben: Die ESA-Bodenstation, mit welcher der Kontakt aufgenommen wurde, ist die von Perth in Australien.

  3. Möglichkeit

    Da der Herr Reichl grad von “parken” sprach. Sollte die Sonde noch in einen misionsfähigen Zustand gebracht werden können, wäre der Mond oder ein mit den gegebenen Mitteln erreichbarer Asteroid vielleicht ein Alternativziel?

  4. Möglichkeit

    Für eine Mondumlaufbahn würde es reichen. Bloß, was soll er da?

    Ein kleiner Asteroid wäre theoretisch auch denkbar, aber da müsste erstmal viel gerechnet werden.

    Das Wichtigste wäre aber zunächst, die Umlaufbahn anzuheben, damit man sich weitere Schritte überlegen kann und damit die Sonde vor allem aus der ständigen Abschattung durch die Erde rauskommt.

    Und so wie es aussieht ist es eben gelungen, erste Telemetrie abzurufen: http://www.russianspaceweb.com/…aunch.html#11_23

    Das könnte noch eine spannende Story werden (ist es ja jetzt schon).

  5. Alternativmissionen?

    Möglichkeiten zu einer alternativen eissenschaftlichen Mission, wenn der Treibstoff nicht mehr reicht, um die vorgesehene Nominalmission durchzuführen, sehe ich auf Anhieb wie folgt:

    Nur hin zum Phobos, aber Streichung des Rückflugs.Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass man dann den Treibstoff für den Rückflug für die Erreichung des Phobos nutzen kann. in der Praxis ist das aber wohl kaum möglich: der Rückflug soll von der ganz kleinen Sonde oben drauf allein bewerkstelligt werden. Erstens hat die nicht viel Treibstoff und zweitens kriegt man den ohnehin nicht in die Tanks der größeren Landesonde. Andere Möglichkeit: Die Rückkehrsonde einfach schon im Erdorbit abwerfen. dann spart man auf dem Hinflug etwas Treibstoff. Diese Rückflugsonde wiegt aber nur knapp 300 kg vollgetankt.

    Zum Deimos statt zum Phobos. Das könnte wirklich ein gangbarer Weg sein. Muss ich mal detailliert eruieren. Dann müssen die allerdings den Namen der Sonde ändern. Weiß nicht, ob das deren Flexibilität überschreitet.

    Zum Mond. Eine Landung auf dem Mond ist ausgeschlossen, die Sonde ist nicht für eine Landung auf einem großen Himmelskörper ausgelegt. Das Triebwerk der Landesonde ist viel zu schwach. Für einen Mondorbiter ist aber die Instrumentenausstattung vollkommen ungeeignet. Wie Eugen richtig sagt: “Was soll die da?”

    Flug zu einem Asteroiden. Das ließen sich sicher Ziele finden, zumal die verfügbare Treibstoffmenge ja nicht klein ist. Eine wissenschaftlich sinnvolle Mission ließe sich auch bewerkstelligen. Aber das Problem der Lebensdauer und der Schattendurchgänge würde dann in den Vordergrund treten. das eine kostet Treibstoff, das zweite Batterielebensdauer.

  6. Möglichkeiten

    Ok, so wie es ausschaut, ist also trotz geschlossenem Startfenster zu Phobos noch einiges möglich… wenn Dornröschen denn aus seinem Wachkoma geholt wird. Vielen Dank Ihnen beiden für die Antworten. Ich will hoffen und gehe davon aus, dass es an den richtigen Stellen auch zu ähnlichen Überlegungen kommt.

  7. Breaking News

    Und eben kamen “Breaking News” herein: Jetzt hat auch Baikonur Kontakt zur Sonde. Es ist noch nicht bekannt wann das war. In Baikonur ist es jetzt (15:30 Uhr MEZ) ja schon dunkel, und wenn die Hypothese stimmt, dass Fobos-Grunt nur bei Tageslicht arbeiten kann (weil aus irgendeinem Grund das Laden der Batterien nicht möglich ist) dann muss das schon vor einigen Stunden gewesen sein.

  8. Also sprach Sacharow

    Hier äußert sich ein Herr Sacharow (aber natürlich nicht Andrej, sondern Aleksandr, Projektwissenschaftler von Phobos-Grunt) wie folgt:

    He said that if the spacecraft is fully operational, the best scientific mission for it would be to study a near-earth asteroid.
    “A research of an asteroid is more reminiscent of our initial task than Moon research. The Phobos itself is more like an asteroid and scientific equipment was made for that purpose,” he said.
    “If we assume that the spacecraft may be reanimated… then we may choose some near-earth asteroid and send the spacecraft there,” he said. “However, such mission requires extensive preparations. We would have to calculate the orbit and study energy issues, it would take months.”

  9. Sind die Ammi’s schuld?

    Ich habe gerade eben gelesen, dass ein russischer Raumfahrtexperte der Meinung ist, dass eine US-Amerikanische Radarstation die Sonde beschädigt haben könnte. Ist so etwas überhaupt möglich?

    http://www.handelsblatt.com/…ndlich/5884046.html

  10. Amerikaner schuld?

    Bei dem “Wissenschaftler” handelt es sich um Generalleutnant Nikolai Rodionov.

    Die Sonde kam in den drei Stunden nach dem Start Alaska nie besonders nahe und der Einschuss in den Marstransferorbit war über dem Südatlantik geplant.

    Und dass Radar der Sonde gefährlich werden kann erscheint mir unwahrscheinlich. Sie hätte ja im X-Band angesprochen werden müssen.

    Ich würde also den Fall der Beeinflussung durch eine starke Funkquelle nicht völlig ausschließen, es erscheint mir aber sehr unwahrscheinlich und wenn es möglich gewesen wäre hätte es durch konstruktive und organisatorische Maßnahmen verhindert werden müssen. Nicht umsonst sind uplink-Kommandos an Satelliten und Sonden fast grundsätzlich verschlüsselt, um zu verhindern, dass jemand Unfug macht.

  11. HAARP ist Schuld?

    Aha, jetzt hat wieder einer einen Schuldigen gefunden, und natürlich wieder HAARP. In letzter Zeit ist anscheinend HAARP an Allem Schuld, auch am Erdbeben in Haiti, meinen zumindest irgendwelche Verschwörungstheoretiker. Besagter Kommisskopp … äh, Ex-Generalleutnant der russischen Raketenabwehr, der von der Presse flugs zum Wissenschaftler ernannt wird, weil das besser klingt, behauptet einfach mal so, dass HAARP das Versagen von Phobos-Grunt ausgelöst haben soll.

    Zusätzlich zu dem von Eugen gesagten: ich kann mir vorstellen, dass ein genügend starker Sender tatsächlich direkt elektronische Komponenten beeinflusst oder gar beschädigt, indem er darin Schwingungen erregt und Ströme fließen lässt, so auch den Bordcomputer. Dass das prinzipiell geht, ist wohl unstrittig.

    Aber dazu muss die Frequenz stimmen. HAARP arbeitet mit recht langen Wellen, so im 50-100-Meter-Bereich. Würden die wirklich einen Schwingkreis in der Bordelektronik eines Satelliten zu anregen können? Erscheint mir nicht besonders plausibel.

    Vor allem müssten das ja auch schon andere Raumfahrzeuge beobachtet haben.

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