Unbekannte Milchstraße, Dunkle Energie und betrügerische Supernovae

BLOG: Himmelslichter

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Himmelslichter

Dritter Tag auf der 221. AAS-Konferenz, und so langsam kommt Routine auf – zumindest was den Tagesablauf angeht. Wieder habe ich eine Pressekonferenz ausgelassen, um mich von den SOFIA-Leuten nicht nur über die Planungen für die kommenden zwei Jahre informieren, sondern auch bewirten zu lassen. Ein Gratis-Lunchpaket ist ein überzeugendes Argument im Kampf um die Aufmerksamkeit der Tagungsteilnehmer. Neben der Pressekonferenz zogen auch die Lichtverschutzungssession und das James-Webb-Teleskop den kürzeren.

Natürlich habe ich nicht nur das Mittagessen angenommen, sondern auch zugehört: So erfuhr ich, dass SOFIA in diesem Frühling mit den ersten regulären Wissenschaftsflügen beginnt, 300 Beobachtungsstunden sind für 2013 vorgesehen. Davon entfallen 200 an Wissenschaftler aus den USA, 40 an solche aus Deutschland und der Rest an Vorschläge aus den eigenen Reihen. 2014 sollen dann sogar 400 Stunden erreicht werden, bis dahin müssen vier der Instrumente der ersten Generation, FORCAST, FLITECAM, HIPO und das deutsche GREAT-Spektrometer voll einsatzfähig sein.

Wie gestern versprochen: heute keine Exoplaneten mehr. Die erste Pressekonferenz des Tages beschäftigte sich mit einer Supernova, die sich erst nicht richtig entscheiden konnte, ob sie nun explodieren wollte oder nicht: SN 2009ip zeigte 2009 und 2010 jeweils Helligkeitsausbrüche, um dann im Juli 2012 endgültig hochzugehen. Wie Jon Mauerhan (University of Arizona) beschrieb, wurde aus einem so genannten Luminous Blue Variable schließlich doch eine Supernova. Solche blauen, variablen und sehr hellen Sterne beobachtet man auch anderswo – man sollte die rund 30 bekannten “supernova imposters” daher im Auge behalten, meinte Mauerhan.

Supernovae vom Typ Ia waren es ja bekanntlich, die ende der 1990er Jahre die Erkenntnis brachten, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt, eine Eigenschaft, die ganz unverbindlich einer ominösen Dunklen Energie zugeschrieben wird. Die bislang entfernteste dieser Supernovae mit einer Rotverschiebung von 1,71 stellte David Rubin (University of California, Berkeley) vor (Bild). Ob das mit der Dunklen Energie aber nun stimmt, ob diese mit Einsteins Kosmologischer Konstante gleichzusetzen ist (wie es die Datenlage bislang nahelegt) oder ob wir in Wirklichkeit unsere Vorstellungen von der Gravitation überdenken müssen, sei aber noch längst nicht klar, erklärte Joshua Frieman (Fermi National Accelerator Laboratory).

Dafür braucht man noch viel mehr, viel präzisere Messungen. Frieman stellte daher den Status des Dark Energy Survey vor, in dessen Rahmen ab diesem Jahr bis 2018 rund 4000 Supernovae entdeckt werden sollen. Das Ganze soll über 500 Nächte am Vier-Meter-Teleskop Blanco des Inter-American Observatory Cerro Tololo in Chile erfolgen. Die 570-Megapixel-Kamera soll ab September mit der Durchmusterung des Himmels beginnen und dabei rund 300 Millionen Galaxien abbilden. Schon 2015 solles dann neue Erkenntnisse zum Thema Dunkle Energie geben… Anwesend war übrigens auch Saul Perlmutter, Nobelpreisträger für Physik 2011 und Mitentdecker der beschleunigten Expansion des Universums durch die Beobachtung ferner Supernovae (im Bild ganz rechts).

Die spannendsten Resultate gab es in der dritten (und verhältnismäßig spärlich besuchten) Pressekonferenz am Nachmittag. Thema waren unsere kosmische Heimat – die Milchstraße. Könnte es sein, dass so manch einer denkt, dass wir hierüber schon das meiste wissen? Weit gefehlt! Das Problem ist schließlich, dass wir und mitten in der 100000 Lichtjahre großen galaktischen Scheibe aus Gas und Staub und ein paar (100 Milliarden, um exakt zu sein) Sternen befinden. Ein sehr großer Teil unseres galaktischen Systems ist daher nur sehr schwer zu beobachten.

Thomas Bania (Boston University) erinnerte deshalb zunächst einmal daran, dass die schönen Darstellungen unserer Spiralgalaxie zu einem großen Teil nur auf Extrapolationen der sichtbaren Strukturen beruhen – insbesondere der prägnante Scutum-Centaurus-Arm ist zu einem großen Teil unbeobachtbar (Bild: Nasa)!

Und vieles über unsere Heimatgalaxie wissen wir nicht. Zunächst stellte Dana Balser (National Radio Astronomy Observatory) Radiomessungen der Metallizität der Galaxie vor, die überraschend sind. Die Metallizität gibt die Konzentration schwerer Elemente in Gaswolken in der galaktischen Scheibe an – für Astronomen ist jedes chemische Element schwerer als Helium ein “Metall”. Im Gegensatz zu Wasserstoff und Helium sind die Metalle allesamt in den Fusionsöfen der Sterne entstanden. Man nahm bisher an, dass sich die Milchstraße soweit durchmischt hat, dass die Metallizität überall in etwa gleich ist (bei einer leichten Abnahme von innen nach außen). Tatsächlich fand man aber Schwankungen der Metallizität um einen Faktor von bis zu zwei an bestimmten Regionen der galaktischen Scheibe.

Ebenfalls überraschend war die Arbeit von Alis Deason (Univ. of California, Santa Cruz), die anhand der Messung der Geschwindigkeitsverteilung von Sternen schlussfolgert, dass die Milchstraße vielleicht nur die Hälfte der Masse hat, als bisher gedacht (wobei die absolute Masse selbst nicht wirklich gut bekannt ist). Bevor nun jemand auf falsche Gedanken kommt: Die Dunkle Materie macht immer noch den größten Teil der Galaxienmasse aus, wie Deason auf Nachfrage erklärte.

Damit genug für heute – dieser Blogpost geht etwas früher raus, weil die Konferenz noch etwas nachwirken wird: Auf dem Programm stehen noch ein Presseempfang zu Ehren von Richard Panek (The 4% Universe), das Pressdinner an ungewöhnlichem Ort sowie eine Party, die evtl. noch besuche, falls ich rauskriege, wo sie stattfindet (danach komme ich sicher nicht mehr zum schreiben…)

 

 

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Mit dem Astronomievirus infiziert wurde ich Mitte der achtziger Jahre, als ich als 8-Jähriger die Illustrationen der Planeten auf den ersten Seiten eines Weltatlas stundenlang betrachtete. Spätestens 1986, als ich den Kometen Halley im Teleskop der Sternwarte Aachen sah (nicht mehr als ein diffuses Fleckchen, aber immerhin) war es um mich geschehen. Es folgte der klassische Weg eines Amateurastronomen: immer größere Teleskope, Experimente in der Astrofotografie (zuerst analog, dann digital) und später Reisen in alle Welt zu Sonnenfinsternissen, Meteorschauern oder Kometen. Visuelle Beobachtung, Fotografie, Videoastronomie oder Teleskopselbstbau – das sind Themen die mich beschäftigten und weiter beschäftigen. Aber auch die Vermittlung von astronomischen Inhalten macht mir großen Spaß. Nach meinem Abitur nahm ich ein Physikstudium auf, das ich mit einer Diplomarbeit über ein Weltraumexperiment zur Messung der kosmischen Strahlung abschloss. Trotz aller Theorie und Technik ist es nach wie vor das Erlebnis einer perfekten Nacht unter dem Sternenhimmel, das für mich die Faszination an der Astronomie ausmacht. Die Abgeschiedenheit in der Natur, die Geräusche und Gerüche, die Kälte, die durch Nichts vergleichbare Schönheit des Kosmos, dessen Teil wir sind – eigentlich braucht man für das alles kein Teleskop und keine Kamera. Eines meiner ersten Bücher war „Die Sterne“ von Heinz Haber. Das erste Kapitel hieß „Lichter am Himmel“ – daher angelehnt ist der Name meines Blogs. Hier möchte ich erzählen, was mich astronomisch umtreibt, eigene Projekte und Reisen vorstellen, über Themen schreiben, die ich wichtig finde. Die „Himmelslichter“ sind aber nicht immer extraterrestrischen Ursprungs, auch in unserer Erdatmosphäre entstehen interessante Phänomene. Mein Blog beschäftigt sich auch mit ihnen – eben mit „allem, was am Himmel passiert“. jan [punkt] hattenbach [ät] gmx [Punkt] de Alle eigenen Texte und Bilder, die in diesem Blog veröffentlicht werden, unterliegen der CreativeCommons-Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.

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