Das (problematische) Glück der Heimat [1]

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Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
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Vorbemerkung:

Das Bundesamt für Naturschutz führte über drei Jahre eine Veranstaltungsreihe durch zum Thema

Klugheit, Glück, Gerechtigkeit: Warum Ethik für die konkrete Naturschutzarbeit wichtig ist.

Die Veranstaltungen fanden in der Naturschutzakademie des Bundesamtes auf der Insel Vilm (bei Rügen) statt. „Den Schwerpunkt der ersten Veranstaltung 2012 bildeten die Klugheitsargumente. Das sind solche Argumente, die sich auf den instrumentellen Wert der Natur für Menschen beziehen. In der zweiten Veranstaltung 2013 ging es um Gerechtigkeitsargumente. Als gerecht gilt dabei dasjenige, was wir mit guten Gründen voneinander verlangen können. In der dritten Veranstaltung möchten wir uns den Glücksargumenten widmen.“ (Aus dem Einladungsschreiben) Diese dritte Veranstaltung fand im Oktober d. J. statt. Ich war eingeladen, ein Referat zum Thema „Das (problematische) Glück der Heimat“ zu halten. Aus Gesundheitsgründen mußte ich absagen. Das Referat war aber zu diesem Zeitpunkt schon einigermaßen fertig. Ich veröffentliche hier das dann nicht noch einmal überarbeitete Manuskript.

 ***

Klugheit, Glück und Gerechtigkeit hängen etwa so zusammen: Klugheit ist auf die Bewirkung des Glücks, des eigenen oder einer Gruppe, gerichtet – anders als die Weisheit, ein Begriff, der sich von alters her eher auf dasjenige am Denkvermögen bezieht, das auf Gerechtigkeit, vielleicht verbunden mit Glück, gerichtet ist. Nun gibt es, meinte man schon in der Antike, kein Glück ohne Gerechtigkeit. Dies insofern, als jemand, der sich Glück oder besser Annehmlichkeit verschafft, ohne dabei gerecht vorzugehen, nicht wahrhaft glücklich sein wird: Ihn plagt das Gewissen. In der utilitaristischen Tradition hat man das so gewendet, daß man meinte, nach anderem als nach Glück gar nicht streben zu können. Denn wer die Gerechtigkeit über das Glück stellt, sucht in Wirklichkeit nur das (höhere) Glück, das das Bewußtsein gewährt, gerecht zu sein. Kant hat das korrigiert. Um Glück im Bewußtsein eigener Gerechtigkeit zu finden, muß man sich des moralischen Gesetzes bereits vorher bewußt sein, und das verlangt seine Befolgung unabhängig davon, ob es einen glücklich macht oder nicht[2].

Das Bewußtsein des moralischen Gesetzes ist das Bewußtsein unbedingten Sollens. Wenn, weiter nach Kant, die Triebfeder der Willensbestimmung nicht die Achtung vor dem Gesetz ist, sondern die Lust an dem, worauf das Begehren gerichtet ist, dann folgt man keinem unbedingten Sollen. Denn nur unter bestimmter Bedingung, nämlich daß man eben das Begehrte anstreben will, gilt ja, daß man das soll, was als Mittel zu dessen Erreichung erforderlich ist. Klugheit („Klugheit im engsten Verstande“, Kant, Grundlegung) verschafft die Mittel, derer man sich bedienen soll, wenn man bestimmte Zwecke verfolgt bzw. Ziele anstrebt.[3] Doch welche Ziele man sich setzen soll, darauf gibt die Klugheit keine Antwort, abgesehen davon, daß Klugheit im weiteren Verstande auch bei der Wahl der verschiedenen Ziele und ihrer Anstimmung untereinander vor dem Hintergrund des aufs ganze Leben bezogen maximalen Glücks[4] erfordert ist.[5] Welche Ziele man aber überhaupt anstreben soll – wobei dann auch die Frage zu stellen ist, welche Bedeutung Glück denn dabei überhaupt hat, man kann bekanntlich sein Glück ja höheren Zielen opfern (sollen) – diese Frage nach den überhaupt richtigen Zielen ist vielmehr Sache der Weisheit. Die Klugheit leitet nun das, was man bedingtermaßen soll, naturgesetzlich aus dem jeweiligen Zweck ab (und die zu wählenden Zwecke aus dem größtmöglichen Glück, das als oberster Zweck gilt). Dagegen kann die Weisheit das, was man unbedingt soll, nicht naturgesetzlich aus irgend etwas Faktischem herleiten – auch nicht, wenn das Faktum darin bestehen sollte, daß man notwendig das anstrebt, was einem das größte Glück zu bereiten verspricht. Das wäre ein Sein-Sollens-Fehlschluß.

 

Eben den scheint man zu begehen, wenn man von Glück im Zusammenhang mit Heimat spricht. Damit scheint man gegen das zu verstoßen, was einem modernen Menschen als denknotwendig gilt oder, wenn man nicht relativistisch die Denknotwendigkeit zu einer Art kultureller Eigenart einer bestimmten Menschengruppe herabsetzen will: was man in und seit der Aufklärung über die Notwendigkeiten des Denkens herausgefunden hat. Das wird man jetzt wohl nicht verstehen. Darum einige Erläuterungen.

 

Von „Heimat“ läßt sich in verschiedenen Wertesystemen oder Weltanschauungen sprechen. Aber wenn man z. B. darauf hinweist, daß der Naturschutz in Verbindung mit der Heimatschutzbewegung entstanden ist, dann verweist man auf folgendes: Diejenige Idee der Heimat, die in unserer Kultur heute eindeutig dominiert, ist die einer ganz bestimmten Weltanschauung, nämlich der konservativen Zivilisationskritik. Und es ist vielleicht sogar besser zu sagen: Wenn in einem anderen, einem nicht-konservativen weltanschaulichen Rahmen von Heimat die Rede ist, dann ist das nichts als eine Anleihe bei der konservativen Zivilisationskritik, als zu sagen, es gebe außer der konservativ-zivilisationskritischen Heimatidee noch andere Heimatideen, z. B. sozialistische.

Ich will einige Anmerkungen dazu machen, wie diese zivilisationskritische Idee der Heimat in radikaler Abkehr von der Ideenwelt der Aufklärung entstanden ist; wie die Idee der Heimat sich mit der Idee der besonderen regionalen Natur, als einer Natur für und wesentlich auch durch den Menschen, verbunden hat unter dem Titel „Heimatlandschaft“; wie damit diese Natur nicht nur für notwendig gilt, um ein angenehmes Leben zu führen, sondern auch, um ein sinnerfülltes Leben zu führen; daß und wie wir diese Natur nicht nur klug nutzen sollen für unsere Zwecke, sondern die Natur selbst zur die letzten Zwecke setzenden, in einem absoluten Sinne normativen Instanz oder doch zum Ausdruck des Willens einer solchen obersten Instanz wird, es also weise ist, sie so zu sehen. Schließlich will ich darüber sprechen, wie diese Idee der Heimat historisch auf zwei verschiedene Arten von Abwegen geführt hat; das soll das „problematisch“ in der Überschrift bedeuten.

 

Die Aufklärung war universalistisch: Auf Basis der allen Menschen gemeinsamen Vernunft gestalten diese die Welt so, wie es der Vernunft gemäß ist, und die Vernunft sagt ihnen auch, daß sie das tun sollen, nicht nur, wie sie vorgehen sollen, um bestimmte Interessen zu realisieren. Das betrifft das Verhältnis der Menschen zueinander ebenso wie ihr Verhältnis zur Natur. Damit ist vielleicht nicht notwendig, aber doch der Tendenz nach die Vorstellung einer anzustrebenden Gesellschaft verbunden, die weltweit einheitlich ist, eben weil es dann überall der Vernunft gemäß zugeht.[6] In der Tat, wer wollte dem widersprechen: Ist etwas Veränderbares anders als man es vernünftigerweise wollen kann, muß man es ändern, bis es der Vernunft entspricht, und dies überall. Die beiden Hauptströmungen der Aufklärung, die englische liberale und die französische demokratische, die historisch zum Sozialismus führte, unterschieden sich darin nicht wesentlich.

Die Gegenaufklärung[7] brach mit der Vorstellung der allgemeinen Menschenvernunft. Jedes Individuum und jedes individuelle Volk entwickle vielmehr seine eigene Vernunft, dies einerseits auf der Basis dessen, was es jeweils als eigene Natur mitbringt, und andererseits in Auseinandersetzung mit dem überall Verschiedenen, das es als Umwelt vorfindet. Die Vorstellung, daß eine ideale Gesellschaft, also eine, in der es der Vernunft gemäß zugeht, weltweit einheitlich sein wird, wird dadurch unmöglich. Denn jedes Individuum, jedes Volk habe eine eigene, von der aller anderen verschiedene Vernunft, und dieser habe es zu folgen, wenn es vernünftig zu sein beansprucht; und vernünftig solle der Mensch ja sein.[8] Der Vernunft zu folgen erfordere, auf das Rücksicht zu nehmen, was eben dieses Individuelle aller Vernunft ausmacht: auf die Besonderheit, ja Einzigartigkeit des je eigenen, inneren, ererbten[9] Wesens und auf die Anforderungen der umgebenden Natur in ihrer Besonderheit. Halten sich die Menschen daran, verhalten sie sich also wahrhaft vernunftgemäß, dem Wesen der Vernunft als einer immer individuell verschiedenen gemäß, entstehe nicht tendenziell eine weltweit einheitliche Gesellschaft. Vielmehr werde jedes Volk ausgehend von seinem eigenen Wesen durch Anpassung an die jeweilige konkrete, regionale Natur eine einzigartige Gemeinschaft in einer ebenfalls einzigartigen Natur entwickeln. Sie, die Gemeinschaft, entwickelt sich dabei zu dem, was ihrem eigenen Wesen entspricht, und sie entwickelt dabei zugleich die umgebende Natur zu dem, was deren eigenem Wesen entspricht. Die höhere Einheit von Mensch und Natur, die sich dabei entwickelt, die Einheit von „Land und Leuten“ (W. H. Riehl), heißt „Landschaft“. Zu einer ganz bestimmten Landschaft gehörten ganz bestimmte Leute. Sie ist deren Heimatlandschaft.

Diese besteht aus der Menschengemeinschaft und der umgebenden Natur, so wie sie beide jetzt sind als Ergebnis ihrer Geschichte und zugleich auf der Grundlage eines ererbten ewigen Wesens. Die Heimatlandschaft ist also etwas Faktisches. Im typischen Denken der Aufklärung läßt sich ein Sollen daraus nicht ableiten. Wenn man bestimmte Zwecke hat, dann folgt aus ihnen ein Sollen im Hinblick auf die Erzeugung der Mittel. Die Zwecke selbst aber folgen nicht aus etwas Faktischem, nicht aus der ererbten Beschaffenheit der Menschen(gemeinschaften) selbst und nicht aus der Beschaffenheit der umgebenden Natur, würde man seit der Aufklärung sagen. Die Menschen setzen sich vielmehr ihre Zwecke autonom – ob sie dabei beliebigem Nutzenvorstellungen folgen können oder vielleicht vernunftnotwendigen, ewig gültigen Ideen (wie Gerechtigkeit) zu folgen haben, sind Differenzen innerhalb der Aufklärung, die hier nicht interessieren müssen.

Und die Menschen gestalten die Natur diesen Zwecken gemäß um. In der Gegenaufklärung ist es aber die Menschengemeinschaft in ihrer Einheit mit der umgebenden Natur, ist es die Heimatlandschaft – für die Aufklärung also bloß Faktisches –, was die Zwecke setzt. Weil die Landschaft so beschaffen ist wie sie ist, hat sie eben so erhalten oder in bestimmter Weise entwickelt zu werden. Das Wesen der Gemeinschaft, in die man hineingeboren wird, und das Wesen der umgebenden Natur – also zusammen die Heimatlandschaft – sind normative Instanzen geworden.

Das wurde theologisch formuliert: Wenn die Menschen dem göttlichen Auftrag gerecht werden, sich selbst und der Natur ihres Lebensraums zu der beiden in ihrer Einheit gemäßen Entwicklung zu verhelfen, also sie zur organischen Land-und-Leute-Einheit zu entwickeln, zu „Kulturlandschaft“, dann entwickelt sich die Erde so, wie sie es Gottes Willen zufolge soll: zu einer Vielfalt von einzigartigen Kulturlandschaften.

Das sei bisher tatsächlich so geschehen, aber die Aufklärung habe dafür gesorgt, daß es nun in die entgegengesetzte Richtung geht: Vereinheitlichung, Nivellierung von Gesellschaft und Natur, und dies unter der Maßgabe von nichts als dem eigenen Glück der Handelnden.[10] Es soll, so die Gegenaufklärung, wieder in die andere, alte Richtung gehen, und dazu sei es notwendig, nicht vom eigenen Glücksstreben auszugehen, sondern auf das zu hören, was einem die göttliche Stimme anzustreben gebietet, oder säkularisiert: was einem die Heimatlandschaft als höhere Einheit von Mensch und Natur gebietet. In der Heimatlandschaft könne der Mensch – nun wieder entsäkularisiert – die göttliche Botschaft lesen, wenn er die Vernunft als das nimmt, was sie in Wahrheit ist, nämlich vernehmende, endliche menschliche zwar, aber doch die absolute göttliche Vernunft vernehmende Vernunft. Die Vernunft sei nicht das, als was sie der Aufklärung in ihrem blasphemischen Wahn erscheine: Mittel, selbstbestimmt die Welt zu beherrschen.

Nur wenn man sich derart von der vernehmenden Vernunft leiten läßt, aber werde es wahres Glück geben. Das liege daran, daß die Landschaft nicht nur eine normative, sondern auch eine sinnverleihende Instanz sei. Glück ohne Sinn sei nichts als das Glück der Tiere: Annehmlichkeit. Zum wahren, dem Menschen angemessenen Glück gehöre das Bewußtsein, daß das, was man tut, nicht nur angenehm ist, sondern sinnvoll im Rahmen des vorgegebenen Ganzen[11]. Dann ist das, was man tut, moralisch gut. Daß man nicht nur das Angenehme, sondern das (dem Angenehmen möglicherweise widersprechende) Gute tun solle, dachte man in der Aufklärung zwar auch, zumindest in der demokratischen ihrer beiden Hauptströme. Aber was das Gute ist, folgte hier aus der Vernunft, die sich selbst das Gesetz gibt. In der Gegenaufklärung folgt es auch aus der Vernunft, aber nur, wenn diese in der Lage ist, in der Einheit von eigenem Wesen und umgebender Natur, der Heimatlandschaft, nicht nur etwas an sich gleichgültiges Faktisches zu sehen, mit dem die Menschen auf Basis ihrer autonomen Vernunft ganz nach eigenem Ermessen umgehen können, sondern einen Auftrag zu lesen. Denn die Natur ist in diesem Denken nicht einfach Ressource, d. h. Mittel zu unserem Nutzen. Sie ist vielmehr, wie alles, was wir vorfinden, den Menschen von Gott gegeben, damit sie sich daran bewähren und ihr Wesen entfalten (ihrer „Gaben“ sich als würdig erweisen), und die Anpassung an sie ist „uns als moralische Aufgabe gesetzt“.[12]

 

Was also ist, konservativ-gegenaufklärerisch gedacht (und kann man es denn anders denken?) das Glück der Heimat? Es ist durchaus sinnliche Annehmlichkeit insofern, als ja die Natur der Heimat, indem sie zur Heimatlandschaft wurde, so entwickelt wurde, daß sie den Bedürfnissen der besonderen Menschengemeinschaft dient, die hier ihre Heimat hat. Das ist im Naturverhältnis der modernen, aufgeklärten Menschen, so meint man auf konservativer Seite, nicht mehr der Fall. Man nutzt statt dessen die Ressourcen beliebiger Orte; Annehmlichkeiten verschafft man sich auf dem Weg über den Gewinn abstrakten Reichtums (Geld), den man daraus zieht – Annehmlichkeiten im Prinzip an beliebigen anderen Orten. Die Natur, die man nutzt, und die, die einem Annehmlichkeiten verschafft, sind im Prinzip völlig getrennt. In der konservativen Heimatidee aber fallen sie zusammen: Eben in der Nutzung besonderer regionaler Natur, in ihrer Entwicklung, die zugleich Anpassung an sie ist ebenso wie sie auch Erhebung ist über bloße Natur zu Kultur, erfährt man ihr Angenehmes.

Man erfährt auch ihre Schönheit, ja, man schafft diese selbst mit. Denn in der Entwicklung der Natur zu dem, wonach diese von sich aus strebt, im feinfühligen Eingehen auf all ihre Besonderheiten entwickelt man die in ihr angelegte Vielfalt – so vollkommen wie möglich. Eben dies zu tun ist göttlicher Auftrag, ist also moralisch gut. Das Gute und das Nützliche fallen zusammen, und nur zusammen ergeben sie Vollkommenheit. Schönheit ist die sinnlich wahrnehmbare Seite der Vollkommenheit – ganz anders also als in der wichtigsten Ästhetiktheorie der Aufklärung, den Kant’schen. Und, wie gesehen, Schönheit und Annehmlichkeit ergeben sich, weil man das Gute tut. Das Glück des Bewußtseins, richtig – gut, sinnvoll – zu handeln, vervollkommnet das Glück der Heimat.

Das sieht die Aufklärung auch so, aber was das Gute ist, bestimmt die autonome Menschenvernunft. Von dieser Mühe entlastet die Idee der Heimat: Was das Gute ist, ist in dem zu sehen, was einem vorgegeben ist, im eigenen ererbten Wesen in seiner Einheit mit dem Wesen der umgebenden Natur in ihrer Besonderheit. Dieser Einsicht zu folgen heißt, ein sinnvolles Leben zu führen. Und daß die Menschen derart ein sinnvolles Leben führen, sieht man der Landschaft an: Wo sie so leben, entwickelt sich die Landschaft zu Vielfalt und Eigenart und ist darum schön.

Damit verschwindet der für das moderne, aufgeklärte Denken essentielle Unterschied zwischen dem Angenehmen, dem (moralisch) Guten und dem Schönen. Die Kulturlandschaft zu entwickeln ist Gottes Auftrag, das Ergebnis ist also gut; in ihr lebt es sich angenehm, und sie ist, weil in ihr alles vollkommen zusammenstimmt, schön. Die Vollkommenheit der Kulturlandschaft ist daher nicht (nur), wie für die Aufklärung, die eines Bildes, sondern dieder Realität. Die schöne Landschaft ist nicht nur symbolischer Verweis auf das höchstmögliche Glück (diesen Sinn hatte landschaftliche Schönheit im Landschaftsgarten der Aufklärung), sie gehört, als Heimatlandschaft, auch zur Wirklichkeit des höchstmöglichen Glücks.

 

Was ist nun das Problematische daran? Ich will hier nicht der Frage nachgehen, ob man überhaupt widerspruchsfrei so denken kann, ob man derart hinter die Aufklärung zurück oder über die Aufklärung hinaus kann, ob sich diese Theorie in ihrer Logik rechtfertigen läßt. Ich will nur politische Probleme andeuten.

Einheit von Land und Leuten impliziert: Jede Gemeinschaft ist ihrer Heimatlandschaft verpflichtet, ist zugleich angewiesen auf sie und hat ein Recht auf sie. Die Menschen dürfen ihre Heimat nicht verlassen und dorthin gehen, wo es sich bequemer lebt, sie müssen ihr vielmehr ihr Leben widmen. Und sie dürfen andere nicht aus ihrer Heimat vertreiben. Darin, so scheint es wenigstens auf den ersten Blick, liegt wenig Problematisches. Es liegt aber in bestimmten möglichen Entwicklungswegen von Ideen, die in der Heimat-Denkfigur liegen. Zwei solcher Wege will ich nun skizzieren.

Wenn die Menschengemeinschaften wie beschrieben an ihre Landschaft gebunden sind, wenn „Land und Leute“ also eine Einheit sind, dann müsse, so könnte man meinen, die Vorstellung einer idealen Welt entstehen, die aus voneinander isolierten Gemeinschaften, die jeweils ihr eigenes Maß in sich tragen, besteht. So ist aber die originäre konservative Heimatidee nicht beschaffen. Man sollte sich erinnern, daß die Gegenaufklärung sich (anfangs) vor allem als Verteidigung der Grundlagen des Christentums gegen die Angriffe der neuen Zeit verstand. Damit ist aber eingeräumt: Das, was uns, hier in unserer Heimat, das Wesentlichste ist, ist nicht auf unserem Heimatboden gewachsen, es verdankt sich vielmehr den Einflüssen einer fremden Religion. Die idealen Gemeinschaften wurden entsprechend als nicht geschlossen gedacht. Wenn äußere Einflüsse so beschaffen sind, daß sie in das Wesen der aufnehmenden Gemeinschaft integriert werden können und wenn die Gemeinschaft fähig ist, sie ihrem eigenen Wesen gemäß, das sie als diese besondere Gemeinschaft hat, zu integrieren, dann wirkten diese Außeneinflüsse bereichernd und nicht zerstörend. Sie seien sogar wesentlich für eine Entwicklung in die Richtung, die dem göttlichen Willen entspricht.

Die Gemeinschaft und die Landschaft entwickeln sich also und sollen sich entwickeln. Konservativ bedeutet nicht, den derzeitigen oder einen früheren Zustand zu konservieren, das wäre ein großes Mißverständnis. Es bedeutet vielmehr, aus dem Bewußtsein der Herkunft zu leben, damit in Traditionen. Und Traditionen sind immer etwas, an deren Weiterentwicklung jede Generation mitzuwirken hat – verändernd, aber die Herkunft nicht, weil sie abstrakten Ideen oder beliebigen Wünschen nicht genügt, einfach negierend.

Doch eben dieses Konservieren ist einer der möglichen Entwicklungswege, die die konservative Heimatidee nehmen kann. Die Idee der Außeneinflüsse aufnehmenden, sich dabei aber immer an ihr eigenes Wesen haltenden und sich also angemessen verändernden Gemeinschaft wird zur Idee der vollkommenen Bewahrung des Vorgefundenen. Außeneinflüsse müssen damit grundsätzlich ferngehalten werden.

Unveränderte Heimatlandschaft heißt vor allem: unveränderte Menschengemeinschaft. Wer nicht aus ihr stammt, kann ihr nie angehören, auch wenn er sich kulturell noch so sehr integriert. Das kennt jeder – behaupte ich – von sich selbst, und wer das nicht zugeben mag, kennt es aus zahllosen Romanen, Theaterstücken und Filmen, die seit dem 19. Jahrhundert entstanden sind, und er kennt es vom heutigen Rechtsextremismus, der sein Wesen in der Fremdenfeindlichkeit hat und mit Parolen wie „Naturschutz ist Heimatschutz ist Volksschutz“ sich im Umkreis des Naturschutzes bemerkbar macht. Dieser Rechtsextremismus ist ein zu einem möglichen Extrem getriebener, erstarrter Konservativismus. Er verläßt den konservativen Rahmen nicht.

 

Dieser fremdenfeindliche Rechtsextremismus ist nicht nationalsozialistisch. Die NS-Ideologie geht auch einen der Wege, die von der konservativen Heimatidee aus möglich sind, sprengt aber den konservativen Rahmen. Das ermöglicht ihr die besondere Art der Biologisierung, die sie vornimmt: der völkische Rassismus. Ich will zwei Punkte nennen, an denen man sieht, wie der konservativen Rahmen verlassen wird.

Erstens. Die Gemeinschaften des Konservativismus sind Völker, und die sind als sprachlich-kulturelle Einheiten gedacht. Rassen dagegen sind biologische Einheiten; bestimmend ist der Gedanke der gemeinsamen biologischen Abstammung verbunden mit dem Gedanken biologischer Ähnlichkeit[13], und die Vorstellung der Determination des Kulturellen an den Völkern durch die biologischen Eigenschaften der Rassen, die diese Völker bilden. Rassen seien nun biologisch bedingt entweder nomadisch oder seßhaft. Wenn seßhafte Rassen biologisch bedingt innere Stärke mitbringen, werden sie, wenn sie am Beginn ihrer Geschichte in eine harte Umwelt gestellt werden, dieser nicht ausweichen in Gegenden, in denn sie es bequemer hätten, sondern sie werden den Kampf gegen die harte Natur aufnehmen. Dieser Kampf, zu dem die konservative Idee der Anpassung an die Natur geworden ist, bleibt aber zugleich doch Anpassung, denn im Kampf wird die Natur entwickelt zu dem, wonach sie gleichsam von sich aus strebt – zu Vielfalt, Eigenart und damit Schönheit, was sie aber ohne die Menschen nicht erreichen kann: wahre Kulturlandschaft. Zugleich stärken sich bei diesem Kampf um „Verwurzelung“ im „Boden“ der Heimat die Rassen – sofern sie schon von Anfang an stark genug sind, um nicht zu fliehen –, und eine unter ihnen entwickelt sich zur allen anderen Rassen überlegenen Herrenrasse.

Aufgrund ihrer Stärke sei diese nicht mehr angewiesen auf die Natur, die sie sich ihren Bedürfnissen gemäß gestaltet hat; sie werde nicht mehr, wie die schwächeren Rassen, in der Fremde degenerieren, vielmehr sei sie in der Lage, der dortigen Natur ebenfalls die ihr, der Herrenrasse, angemessenen Beschaffenheit zu geben. Deutsche Landschaft könne im Prinzip überall entstehen. Das schließt aber ein, daß den jetzt dort lebenden Menschen ihre Heimat genommen wird. Zugleich sei der nordische Mensch verpflichtet, sich außerhalb der eigenen Heimat niederzulassen und sich eine neue Heimat zu schaffen, denn nur er könne die dortige Natur zu dem entwickeln, was sie ihrem Wesen nach sein soll, während sie unter den Händen der jetzt dort lebenden minderwertigen Rassen verkomme; unter den Händen der „slawischen Rassen“ im Osten, so hieß es, „versteppt“ die dortige Natur, was nicht ihrem Potential entspricht.

Zweitens. Die Überlegenheit der Herrenrasse zeige sich nicht nur in ihrer inneren Stärke (d. h. vor allem ihrer Willenskraft), sondern auch in der modernen Technik, die diese Rasse entwickelt habe. Nicht der moderne, der Natur entfremdete Mensch mit seinem abstrakten Denken habe diese Technik entwickelt, sondern sie sei gleichsam eine Natureigenschaft der ihrer Natur nach stärksten Rasse. Moderne Technik kann darum gar nicht, wie der klassische Konservativismus meinte, naturzerstörerisch sein – solange die Technik in den Händen der Herrenrasse bleibt. Der Kult des Ursprungs in den germanischen Urwäldern, in dem man die Entstehung der Herrenrasse feiert, verbindet sich folglich mit einer euphorischen Begeisterung für den technischen Fortschritt.

Damit ist der konservative Rahmen verlassen, wie er auch damit verlassen wurde, daß die Idee der Heimatbindung verändert wurde zur Idee der Verwurzelung im Heimatboden, die nur dazu dient, so viel Kraft zu entwickeln, daß die Heimatbindung aufgegeben werden kann und ein territorialer Expansionismus möglich wurde.

 

Darum also ist das Glück der Heimat problematisch: weil in der Idee der Heimatlandschaft gefährliche Wege vorgezeichnet sind, die gegangen werden können und gegangen wurden. Die Frage ist: Läßt sich das Glück der klassisch-konservativen Heimatidee, in der Expansionismus unmöglich ist, in der die eigene Gemeinschaft offen ist gegen Außeneinflüsse und ebenso wie die Landschaft als maßvoll veränderbar gedacht wird, wo man auch nicht rassistisch denkt, dann ohne Probleme genießen, wenn man diese Wege vermeidet? Ist also der klassische Konservativismus eine empfehlenswerte Ideologie – sofern man nur auf gewisse Risiken achtet, die in ihm enthalten sind, wenn er gewisse Grenzen überschreitet?

 

Was ich vorgetragen habe, zieht also Anschlußfragen nach sich. Ich habe versucht zu zeigen, daß das Glück der Heimat „problematisch“ ist, weil von der basalen Idee der Heimat(-Landschaft) aus Wege naheliegen, vielleicht unter bestimmten Umständen sogar unausweichlich sind, die in verschiedene Varianten des Rechtsextremismus münden. Es scheinen mir zwei Gruppen von Fragen zu sein, die sich hier stellen und die Sie sich vermutlich schon gestellt haben. (1) Die eben angedeutete Frage: Kann man der Idee der Heimat nicht folgen, ohne auf solche Wege zu geraten? Lassen sich vielleicht Grenzen benennen, auf die man achten muß, so daß das Denkgebilde, in das diese Idee eingebunden ist, nämlich das der konservativen Zivilisationskritik, als akzeptabel, vielleicht sogar als das einzige akzeptable erscheint? Immerhin ist das, was die progressive Seite anzubieten hat, auch nicht gerade unbedenklich. (2) Ist diese Verortung der Idee der Heimat in der konservativen Zivilisationskritik überhaupt richtig? Ist das, was ich als Heimatidee vorgestellt habe, nicht nur eine Variante dieser Idee? Ließe sich das Glück der Heimat nicht auch denken ohne den konservativ-zivilisationskritischen Begründungszusammenhang?

Ich will diese Fragen nicht beantworten, könnte es ohnehin nur teilweise. Ich will sie nur etwas entfalten.

Zu (1). Thomas Kirchhoff hat vor einigen Wochen in einem Referat hier in diesem Raum die These vertreten, daß der Naturschutz sich selbst aufgeben würde, wenn er sich nicht in einer Landschaftsidee, die eben die der konservativen Zivilisationskritik ist, begründen würde. Sonst wäre zwar Umweltschutz, nicht aber Naturschutz möglich. Es gebe keine anderen Möglichkeiten, als entweder zu fragen, was denn ein akzeptabler Konservativismus wäre, oder das Ziel des Naturschutzes überhaupt aufzugeben, denn ein in die progressive Tradition sich einfügender Naturschutz sei nicht möglich.

In der Tat ist die konservative Zivilisationskritik der weit vorherrschende weltanschauliche Hintergrund der Naturschutzbewegung – nicht nur damals, als diese sich offen dazu bekannt hat, sondern auch heute noch, wo wohl die meisten Anhänger dieser Bewegung es weit von sich weisen würden, konservativ zu sein. Dennoch kann man nicht von vornherein ausschließen, daß sich das Anliegen des Naturschutzes einigermaßen verlustfrei außerhalb des Rahmes dieser Weltanschauung formulieren läßt. Aber es bliebe auch dann zumindest eines an dem Kirchhoff’schen Argument: Der real existierenden Naturschutzbewegung wäre zuviel zugemutet, es wäre eine unrealistische Strategie, nicht nur einige progressive Modifikationen an der alten Natur- und Heimatschutzideologie vorzunehmen, sondern deren Kern aufzugeben. Das gilt nicht nur für die Naturschutzbewegung mit ihrem doch recht speziellen Anliegen. Sondern die konservative Zivilisationskritik ist aus unserer Kultur insgesamt nicht wegzukriegen. Ich will das nicht weiter begründen. Als Beweis soll reichen, daß das jeder an sich selbst sehen kann, wenn er sich nichts vormacht.

Thomas Kirchhoff hat zwei Grenzen genannt, die das konservative Denken einhalten müsse[14]: Erstens seien der Rassismus und andere Arten von wie auch immer begründeten Versuchen, die eigene Gemeinschaft als eine geschlossene zu verstehen, zu vermeiden, und zweitens müsse man sich auf die Ursprünge zurückbesinnen, wo die Heimatidee regionalistisch war und keineswegs nationalistisch, ja Regionalismus explizit als Gegensatz zu Nationalismus gesehen wurde. Es ist sicher diskussionswürdig, ob das ausreichende Ratschläge sind. Ich will darauf nicht weiter eingehen; man sieht jedenfalls, welche Art von Fragen man diskutieren müßte.

Zu (2) Ist diese Verortung der Idee der Heimat in der konservativen Zivilisationskritik überhaupt richtig? Ist das, was ich als Heimatidee vorgestellt habe, nicht nur eine Variante dieser Idee? Der Naturschutz mag seinem Wesen nach mit der konservativen Zivilisationskritik verbunden sein, aber gilt das auch für die Idee der Heimat? In der Tat gab es in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Versuchen, dieser Idee einen nicht-konservativen Inhalt zu geben. Sie arbeiten vor allem den Gedanken aus, daß man das Glück der Beheimatung nicht nur in dem finden kann, aus dem man herkommt, sondern auch in dem, was man sich schafft.

Nun, diesen Gedanken kennt die konservative Zivilisationskritik in ihrer klassischen Form auch. Heimat ist etwas von jeder Generation zu Schaffendes. Aber das ist sie immer nur auch, denn zugleich bedarf es der Bindung an die Herkunft, das Neuschaffen geschieht aus dem Geist der Herkunft. – Nachdenklich sollte einen machen, daß diejenige Idee der zu schaffenden Heimat, die die Bindung an die Herkunft nicht kennt oder nur in einer Weise kennt, die den Bruch mit ihr einschließt, historisch in zwei Varianten wirkmächtig gewesen ist, in denen die Schaffung neuer Heimat damit verbunden war, anderen die Heimat zu nehmen: der nationalsozialistischen und der mit dem Liberalismus verbundenen Kolonialisten-Ideologie, wie sie insbesondere das US-amerikanische Selbstverständnis prägt. Das Ideologem der Rechtfertigung von Vertreibung und Vernichtung der vorigen Bewohner dadurch, daß diese nicht in der Lage seien, die Natur ihres Lebensraumes zu wahrer Kulturlandschaft zu entwickeln, wird im Geiste des Liberalismus zu dem Gedanken, daß sie nicht in der Lage seien, die Natur ihres Lebensraums so umzuformen, daß sie ein Höchstmaß an abstraktem Gewinn bringt.

Vielleicht kommt hier der Einwand, daß das Üble an diesen Ideologien nur darin liege, daß hier die Kolonisatoren, ob nun im europäischen Osten oder in Nordamerika, als Gemeinschaft verstanden werden, als Rasse der nordischen Menschen oder der Weißen oder als kulturelle Gemeinschaft der Zivilisierten oder alles zusammen, jedenfalls als Gemeinschaft, die gegen andere Gemeinschaften, die der vorigen Bewohner, steht. Konsequent liberalistisch-individualistisch gedacht aber gebe es nur Individuen. Jedes habe das Recht, überall zu leben, wo es leben will. Jedes stelle Beziehungen zu den Orten und den Menschen her, mit denen es in Berührung kommt, egal, ob diese Menschen schon Generationen vorher dort waren oder eben erst angekommen sind, und diese Beziehungen können von einer Art sein, daß sie so etwas wie Heimatlichkeit vermitteln (falls es diese zu seinem Glück überhaupt braucht, vielleicht findet es sein Glück ja allein in der Ungebundenheit).

Nun, das mag das individualistische Daseinsgefühl der im Geiste des Liberalismus lebenden modernen, kosmopolitischen Menschen beschreiben. Er meint, die Gemeinschaften welcher Art auch immer, die ihn binden, weil er in sie hineingeboren oder -sozialisiert ist, als ideologische Konstrukte zu durchschauen. Er weiß, daß er sich von ihnen, da sie ohnehin nur Phantasmen sind, lösen kann, ob das nun die Familie ist oder das Volk oder die Rasse. Nur: Gilt das auch für die Gemeinschaften derer, auf die diese kosmopolitischen Individuen treffen? Gilt es auch dann, wenn es sich um Gemeinschaften vormodernen Typs handelt – ob das nun „indigene“ Stämme sind oder Kulturen von der Art der islamischen oder buddhistischen oder auch nur um die eingesessenen Gemeinschaften von europäischen Dörfern, die neuerdings mehr und mehr durch Zuzug solcher kosmopolitischer Individuen in Sommeraufenthaltsorte wohlhabender Städter verwandelt werden? Sind diese Gemeinschaften nicht doch etwas viel Realeres, nicht nur ideologische Konstrukte (was sie natürlich immer auch sind)? Hängt insbesondere das Glück der Heimat für die Menschen dieser Gemeinschaften nicht wesentlich daran, daß es eben diese Gemeinschaften als traditionelle ganz real gibt?

Ich will an dieser Stelle einfach aufhören. Ich meine, daß man hier sieht, welcher Art die politischen Fragen sind, die sich beim Thema „Glück der Heimat“ stellen, und ich meine, daß das im wesentlichen unbeantwortete Fragen sind.

 

 

[1] Die Gedanken, die ich hier vorstelle, stammen in ihren wesentlichen Zügen nicht von mir, sondern von Ulrich Eisel; Thomas Kirchhoff, Stefan Körner und Margrit Bensch haben wichtige Teile davon weiter ausgearbeitet.

[2] Man muß bereits die Überzeugung haben, daß man mit gewissen Handlungen gegen ein unbedingtes Sollen verstößt, damit das Gewissen sich bemerkbar machen kann. (Verstößt man gegen ein bedingtes Sollen, sind die sich einstellenden negativen Gefühle keine Gewissensqualen.) – „Das gerade Widerspiel des Prinzips der Sittlichkeit ist: wenn das der eigenen Glückseligkeit zum Bestimmungsgrunde des Willens gemacht wird“ (Kant, Anmerkung II zu § 8 in der KpV).

[3] „Klugheit im engsten Verstande“ bezieht sich auf die „Geschicklichkeit“ in der Wahl der Mittel. (Grundlegung)

[4] „Nun ist aber das Bewußtsein eines vernünftigen Wesens von der Annehmlichkeit des Lebens, die ununterbrochen sein ganzes Dasein begleitet, die Glückseligkeit“ (KpV, § 3)

[5] Kant spricht hier von „pragmatisch“ – die Klugheit ist hier zur „Wohlfahrt“ gehörig; bezüglich der „Klugheit im engsten Verstande“, die nur auf die Herstellung von Mitteln zu beliebigen Zwecken aus ist, dagegen spricht er von „technisch“, sie ist zur „Kunst“ gehörig. (Grundlegung und Metaphysische Anfangsgründe). – „… Man könnte die ersteren Imperative [„Klugheit im engsten Verstande“] auch technisch (zur Kunst gehörig), die zweiten pragmatisch (zur Wohlfahrt) …“ [nennen] (Grundlegung).

[6] Die Vernunft muß überall anderes berücksichtigen, aber es ist immer dieselbe Vernunft, die das tut. Es ist wie bei betriebswirtschaftlichen Planungen: Man muß in fernen Ländern das dortige Klima berücksichtigen und auch Gewohnheiten und „Mentalität“ der Bewohner, aber man beurteilt das doch alles nach der gleichen betriebswirtschaftlichen Logik. Der dort errichtete Betrieb wird etwas anderes aussehen als einer in anderen Ländern, aber all diese Betriebe sind doch untereinander sehr einheitlich verglichen mit Produktionsstätten, die ganz und gar aus dem dortigen „Boden“, aus der dortigen Tradition usw. „gewachsen“ sind.

[7] Formuliert schon in der Aufklärung von Kritikern der radikalen Aufklärung wie Herder, dann ausgearbeitet vor allem im Historismus des frühen 19. Jahrhunderts.

[8] Gegenaufklärung wird hier von Romantik unterschieden.

[9]Den Unterschied zwischen kulturell oder biologisch vererbt machte man noch nicht.

[10] So könnte man den Vorwurf der Gegenaufklärung formulieren. Genau genommen wird da nur die liberalistische Variante der Aufklärung kritisiert. Die in der rationalistischen Tradition stehende französische, demokratische Aufklärung ist davon nicht unbedingt getroffen, denn sie kennt höhere Ziele als das eigene Glück. Es sind ewige, notwendige Vernunftideen wie Gerechtigkeit, denen zu folgen ist.

[11] Funktional ist etwas im Rahmen eines Ganzen, das ein System von Ursachen (und Wirkungen) ist. Sinnvoll ist etwas im Rahmen eines Systems von Gründen.

[12] Siegmund, Andrea 2011: Der Landschaftsgarten als Gegenwelt. Ein Beitrag zur Theorie der Landschaft im Spannungsfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik und Gegenaufklärung. Würzburg:  Königshausen und Neumann. S. 321.

[13] Man kann ja gemeinsamer Abstammung sein und doch biologisch ganz unähnlich.

[14] Ich schreibe das hier aus der Erinnerung. Es stimmt vielleicht nicht (ganz).

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

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  3. “Ich merke es auch an mir: Wenn sich die Nachbarschaft verändert, lässt mich das vergleichsweise kalt. Aber wenn im Garten ein Baum weg soll, weil den Nachbarn das Laub stört, dann fällt es mir die Trennung wirklich schwer. Wenn ich heute aus dem Fenster schaue, dann ist an der Stelle, wo vor kurzem noch eine schöne Baumkrone war, eine Leerstelle, es fehlt ein Stück der vertrauten Heimat.”

    Sie sind ja, nehme ich an, auch kein Konservativer. Der Satz mit der “unveränderten Menschengemeinschaft” bezog sich auf eine Entwicklung, die sich innerhalb des konservativen Denkens im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzog.

  4. Ludwig Trepl: »Ich merke, das Thema dieses Artikels stößt unter den Scilogs-Kommentatoren nicht auf sonderlich viel Interesse, jedenfalls nicht auf so viel, daß eine Diskussion entsteht…«

    Da nimmt man sich mal etwas zurück, weil man denkt, man könnte nerven, aber dann ist es, so scheint’s, auch wieder nicht recht…

    „Heimat“ ist nun nicht so mein Ding, aber beim Lesen des Vortrags fiel mir auf, dass ich des Öfteren an die Probleme im Nahen Osten (Israel/Palästina) denken musste. Dort scheint das Problem „Heimat“ noch viel virulenter zu sein, als hierzulande. Aber das nur am Rande.

    Unveränderte Heimatlandschaft heißt vor allem: unveränderte Menschengemeinschaft.

    Vor allem? Die Menschengemeinschaft ist zwar wichtig, aber ebenso wichtig scheint mir die unveränderte (Stadt-/Land-/Kultur-)Landschaft zu sein. Man braucht sich nur mal vor Augen zu führten, wie erbost die Menschen reagieren, wenn man grundlos große Bäume fällt, wie kürzlich in Wiesbaden geschehen:
    http://www.rhein-zeitung.de/region/panorama_artikel,-Baumskandal-in-Wiesbaden-53-gesunde-Kastanien-gefaellt-_arid,1234319.html#.VHciP8mDFe4.

    Ich merke es auch an mir: Wenn sich die Nachbarschaft verändert, lässt mich das vergleichsweise kalt. Aber wenn im Garten ein Baum weg soll, weil den Nachbarn das Laub stört, dann fällt es mir die Trennung wirklich schwer. Wenn ich heute aus dem Fenster schaue, dann ist an der Stelle, wo vor kurzem noch eine schöne Baumkrone war, eine Leerstelle, es fehlt ein Stück der vertrauten Heimat.

  5. Ich merke, das Thema dieses Artikels stößt unter den Scilogs-Kommentatoren nicht auf sonderlich viel Interesse, jedenfalls nicht auf so viel, daß eine Diskussion entsteht – obwohl es, wie ich meine, für alle von höchstem politischen Interesse sein müßte, im Alltag kommen sie gar nicht darum herum, sich damit zu befassen. Aber es ist zur Zeit nicht in Mode. Mode ist unter Wissenschaftlern derzeit offenbar das Thema Naturalismus, und in einer größeren Öffentlichkeit das Thema Religion. Da das, worüber ich schreibe, etwas mit „Landschaft und Ökologie“ zu tun haben soll, werde ich jetzt einen Artikel hier veröffentlichen, in dem es nicht etwa darum geht, wie sich ausgehend von Umweltbedingungen die Entstehung von Religion oder Religiosität erklären läßt, sondern spezieller: die Art der Götter, an die man glaubt. Da ich kein Fachmann für diese Fragen bin – meinem Eindruck nach gibt es dafür überhaupt keine Fachleute –, wird es nicht sehr tiefgehend sein, was ich da schreibe, aber ich rechne doch damit, daß es etwas eifriger diskutiert wird.

  6. Wenn in einem anderen, einem nicht-konservativen weltanschaulichen Rahmen von Heimat die Rede ist, dann ist das nichts als eine Anleihe bei der konservativen Zivilisationskritik, als zu sagen, es gebe außer der konservativ-zivilisationskritischen Heimatidee noch andere Heimatideen, z. B. sozialistische.

    Dieser Satz scheint zwei sich widersprechende Interpretationen zuzulassen:
    1. wenn statt “nichts”, “nicht” gemeint war, dann meint der Satz, dass es auch andere Heimatidee, z. B. sozialistische, gibt.
    2. Wenn man das “als zu sagen” irgendwie weglässt, könnte man darauf kommen, der Satz wolle eigentlich sagen, es gibt eben keine sozialistische Heimatidee, sondern die Idee einer Heimat sei per se bereits konservativ.

    Die Aufklärung war universalistisch: Auf Basis der allen Menschen gemeinsamen Vernunft gestalten diese die Welt so, wie es der Vernunft gemäß ist, und die Vernunft sagt ihnen auch, daß sie das tun sollen, nicht nur, wie sie vorgehen sollen, um bestimmte Interessen zu realisieren.

    und

    Die Heimatlandschaft ist also etwas Faktisches. Im typischen Denken der Aufklärung läßt sich ein Sollen daraus nicht ableiten.

    Wie sagt ihnen die Vernunft das?
    Grade im Zusammenhang dieser beiden Sätze, stellen sich mir doch die Frage, wie “die Vernunft” den Leuten bindende moralische Imperative vorschreiben soll.
    Entweder diese Imperative folgen aus etwas faktsich vorliegenden (etwa den menschlichen Bedürfnissen und den sinnerfüllenden Wunsch, diese zu befriedigen; aus dem Willen Gottes, der sich in der Geschichte oder der Natur manifestiert (ein Gedanke, der vielen früheren Naturwissenschaftlern und Historikern durchaus nicht fremd war!); moralisches gut oder böse als separate Eigenschaft, ungleich aller anderen natürlichen Eigenschaften von Dingen, Handlungen oder Personen (der Hintergrund des sog. “Naturalistischen Fehlschlusses”) oder sie folgt nicht aus etwas faktisch vorliegenden. Das Vorliegende kann natürlich (nach allgemeiner Auffassung) durch die Vernunft als “Erkenntniskraft” entdeckt werden. Wenn es also ein universelles moralisches Ziel oder einen moralischen Imperativ gibt, dann kann man den mittels der Vernunft entdecken, ebenso wie man ein neues Naturgesetz entdecken kann.

    Für den Fall, dass moralische Imperative nichts vorliegendes sind, dann können sie auf diese Weise nicht entdeckt werden. Was bedeutet es dann aber, dass uns die Vernunft etwas vorschreiben will?
    Ist die Vernunft denn eine Art eingepflanzter Code, der alle Menschen zu ähnlichen handeln bringt?
    Dieser bestimmte Imperativ oder dieses Ziel soll ja nicht aus sich selbst heraus als optimal erscheinen, sondern als eine Art Gebot der Vernunft. Aber vorin soll der bestehen?
    Da scheint mir die zweckrationalistische Auffassung wie bei Hume, demnach “die Vernunft nur die Sklavin der Affekte” ist, deutlich nachvollziehbarer.

    Die Zwecke selbst aber folgen nicht aus etwas Faktischem, nicht aus der ererbten Beschaffenheit der Menschen(gemeinschaften) selbst und nicht aus der Beschaffenheit der umgebenden Natur, würde man seit der Aufklärung sagen. Die Menschen setzen sich vielmehr ihre Zwecke autonom – ob sie dabei beliebigem Nutzenvorstellungen folgen können oder vielleicht vernunftnotwendigen, ewig gültigen Ideen (wie Gerechtigkeit) zu folgen haben, sind Differenzen innerhalb der Aufklärung, die hier nicht interessieren müssen.

    Dabei klempt man doch grade eine wesentliche Diskussion, die für diesen Beitrag wesentlich wäre, ab, oder nicht?

    Ich will hier nicht der Frage nachgehen, ob man überhaupt widerspruchsfrei so denken kann, ob man derart hinter die Aufklärung zurück oder über die Aufklärung hinaus kann, ob sich diese Theorie in ihrer Logik rechtfertigen läßt.

    Wieso sollte man nicht widersprüchlich denken können? 😉

    In der Hoffnung, dass diese Anmerkungen konstrutiv verstanden werden.

    • Ludwig Trepl, @ Skeptiker:

      „Dieser Satz scheint zwei sich widersprechende Interpretationen zuzulassen:
 1. wenn statt “nichts”, “nicht” gemeint war, dann meint der Satz, dass es auch andere Heimatidee, z. B. sozialistische, gibt.
 2. Wenn man das “als zu sagen” irgendwie weglässt, könnte man darauf kommen, der Satz wolle eigentlich sagen, es gibt eben keine sozialistische Heimatidee, sondern die Idee einer Heimat sei per se bereits konservativ.“

      Ich kann die Möglichkeit zweier einander widersprechender Interpretationen nicht erkennen. Der Satz ist wörtlich so gemeint, wie er dasteht, „nichts“ und nicht „nicht“, und „als zu sagen“ darf man nicht weglassen; der Satz will in der Tat eigentlich sagen, daß es eben keine sozialistische Heimatidee gibt, sondern die Idee einer Heimat ist per se bereits konservativ. Aber bedenken Sie bitte: Ich habe das nicht behauptet, sondern es nur als Möglichkeit, wie man es auch sehen kann, dargestellt, als Möglichkeit, die vielleicht die bessere ist („Und es ist vielleicht sogar besser zu sagen“). Ich sage, daß es vielleicht falsch ist, was viele meinen: daß es z. B. eine sozialistische Heimatidee gibt (etwa im Sinne von Ernst Bloch) und die Konservativen den Heimatbegriff nicht für sich in Beschlag nehmen dürfen. Hier formuliere ich, wohlgemerkt im Konjunktiv, die Gegenposition: Heimat ist ein Begriff, der an das konservative Weltbild gebunden ist. Andere, z. B. Sozialisten oder auch Liberale, möchten den Konservativen diesen Begriff aber nicht lassen, finden auch was gutes daran, und formulieren dann, unter Weglassung gewisser unaufhebbar konservativer Züge, einen in ihr eigenes Weltbild passenden Heimatbegriff. Und die Behauptung der Konservativen wäre dann: Das geht nicht, das ist (1) ein Plagiat, wir haben das Original, (2) es funktioniert nicht, es geht nicht auf, ist in sich widersprüchlich, nur das Original, der konservative Heimatbegriff, ist in sich konsistent. – Ich habe dazu im Text nicht Stellung genommen, ich halte es für eine offene Frage, wer da ist Recht ist.

      „Wie sagt ihnen die Vernunft das?
 Grade im Zusammenhang dieser beiden Sätze, stellt sich mir doch die Frage, wie “die Vernunft” den Leuten bindende moralische Imperative vorschreiben soll.“

      „Entweder diese Imperative folgen aus etwas faktisch vorliegenden (etwa den menschlichen Bedürfnissen“ usw.), dann sind es keine moralischen Imperative, sondern technisch-praktische oder pragmatische (egal, ob das Bedürfnis ist, ein warmes Zimmer zu haben, oder Gott zu gefallen, damit er einen in den Himmel läßt). „Oder sie folgt nicht aus etwas faktisch vorliegenden … also ein universelles moralisches Ziel oder einen moralischen Imperativ gibt, dann kann man den mittels der Vernunft entdecken, ebenso wie man ein neues Naturgesetz entdecken kann.“ Die Analogie ist zwar etwas schief, aber so ungefähr ist es schon. So macht es der „gemeine Verstand“ und so machen es z. B. rationalistische Philosophen. „Das Vorliegende kann natürlich (nach allgemeiner Auffassung ) durch die Vernunft als “Erkenntniskraft” entdeckt werden“ kann man allerdings nicht sagen. Die Empiristen (z. B. Hume) hätten dem nicht zugestimmt. Der „gemeine Verstand“: niemand unter den Menschen mit gemeinem Verstand denkt, (ein Kant’sches Beispiel) wahre Freundschaft solle deshalb nicht sein, weil es in der Erfahrungswelt wahre Freundschaft nirgends gibt. Sie soll ganz unabhängig davon sein, ob es sie als Tatsache gibt oder nicht. Hume ist da ganz und gar nicht „nachvollziehbarer“.

      „Was bedeutet es dann aber, dass uns die Vernunft etwas vorschreiben will? … 
Dieser bestimmte Imperativ oder dieses Ziel soll ja nicht aus sich selbst heraus als optimal erscheinen, sondern als eine Art Gebot der Vernunft. Aber worin soll der bestehen?“

      Ja, das wüßte ich auch gern. Im Moment fällt mir nur ein: Die Vernunft begründet sich aus sich selbst insofern, als die Antwort ja wieder von der Vernunft gegeben werden müßte. Wir kommen aus ihr nicht heraus. Heraus kommen wir nur aus unserer subjektiven (individuellen, kulturgebundenen …) Vernunft.

      „Die Menschen setzen sich vielmehr ihre Zwecke autonom – ob sie dabei beliebigem Nutzenvorstellungen folgen können oder vielleicht vernunftnotwendigen, ewig gültigen Ideen (wie Gerechtigkeit) zu folgen haben, sind Differenzen innerhalb der Aufklärung, die hier nicht interessieren müssen.“ (Zitat von mir)
      „Dabei klemmt man doch grade eine wesentliche Diskussion, die für diesen Beitrag wesentlich wäre, ab, oder nicht?“

      Das wäre die Diskussion zwischen englischer, liberaler, empiristischer, utilitaristische Aufklärung und französischer, demokratischer, rationalistischer, tugendethischer Aufklärung in ihrer Weiterentwicklung durch die deutsche, kantische (so geht ja die übliche Einteilung) um die Heimatidee. Ich wollte das nicht vertiefen, weil mein Thema nicht dieser Gegensatz war, sondern der zwischen Aufklärung oder „fortschrittlichen“ Weltanschauungen auf der einen, Gegenaufklärung und konservativen, antimodernen Weltanschauungen auf der anderen Seite. Ich hätte zwar einige Vermutungen, was das bezüglich der Idee der Heimat herauskäme, wenn man den Gegensatz zwischen den beiden Hauptströmen der Aufklärung zugrundelegt, aber alles in allem scheint mir das noch recht im Dunkeln zu liegen, im Vergleich zur konservativen Heimatidee. Und das ist ja auch kein Wunder, denn letztere ist ein Zentralstück des konservativen Denkens überhaupt, aber welcher Liberale befaßt sich denn schon mit der Idee der Heimat, außer negativ. Es wird schon vorkommen, aber selten.

      „Wieso sollte man nicht widersprüchlich denken können?“

      Kann man schon, aber dann ist’s halt widersprüchlich. Und wenn ich sage: jetzt hat es hier 20 Grad und für eben diese Zeit und diesen Ort behaupte: jetzt hat es hier 40 Grad, dann widersprechen sich diese beiden Aussagen und eine muß falsch sein. Daß es kompliziertere Formen des Denkens in Widersprüchen gibt, z. B. die von Hegel bekannte, weiß ich schon, aber ich dachte, das wäre in unserem Zusammenhang nicht relevant.

      „In der Hoffnung, dass diese Anmerkungen konstruktiv verstanden werden.“

      Was veranlaßt Sie denn dazu zu befürchten, es könnte nicht so sein?

  7. „Glauben Sie, Herr Dr. Trepl …“

    Ich muß Ihnen mal wieder Benimm-Unterricht erteilen. Das hab’ ich zwar zum selben Punkt schon einmal getan, aber es ist offenbar nicht angekommen. Wir sind hier nicht in Amerika. In Mitteleuropa ist „Professor“ anders als dort nicht die Bezeichnung einer Art von Tätigkeit, sondern ein Titel. „Professor“ entspricht nicht „Kompaniechef“, sondern „Hauptmann“. Nicht jeder Hauptmann ist Kompaniechef und umgekehrt. Und wenn ein Untergebener den Hauptmann mit „Herr Leutnant“ anredet, wird er gewaltig zusammengeputzt. Das sehe ich auf Sie zukommen, zumindest wird da einer tief gekränkt sein, wenn Sie so weitermachen. Mir wäre es, nebenbei, am liebten, wenn man mich nicht mit dem Titel anredet, aber wenn schon, dann mit dem richtigen.

    • War nicht bös, gemeint, ‘Professor’ ist eine Amtsbezeichnung, diese pflegt sich der Schreiber dieser Zeilen nicht zu merken. – Ihr langjähriges Wirken ist aber bekannt, no prob,
      MFG
      Dr. W

      • „Ist Heimat I.E. etwas spezifisch Deutsches?“

        Nein, bestimmt nicht. Aber der deutsche Heimatbegriff hat spezielle Nuancen, die andere Heimatbegriffe nicht haben. Zum deutschen gehört z. B., daß man aus der Heimat stammt und daß die Vorfahren dort möglichst seit Generationen, ja, von Urzeiten an lebten. In manchen Gegenden Deutschlands gehört man ja bereits nicht zu denen, die dazugehören, wenn die Eltern von woanders her zugezogen sind. Das ist z. B. in Amerika nicht möglich. Da ist die typische Heimat ein Gebiet, das man selbst oder wenigstens die Vorfahren erobert haben, man „stammt“ immer von Übersee. Das Siedeln in einem unerschlossenen Land voller „Wilder“ und die zugehörigen Pionier-Tugenden gehören da zur Heimatidee. Eine rein durch soziale Beziehungen definierte Heimat, ohne Ortsbezug, kann es eigentlich nur in Gruppen geben, die sich ganz ohne territorialen Bezug definieren, etwa den Juden. Ich weiß aber nicht, ob das so ist.

        „’Professor’ ist eine Amtsbezeichnung“.

        Das stimmt nicht. „Ordentlicher“ und „Außerordentlicher Professor“ sind Amtsbezeichnungen, aber nicht Professor an sich, das ist in Deutschland und umliegenden Ländern ein Titel. „Außerplanmäßiger Professor“ bezieht sich nicht auf ein Amt. Ein solcher kann ganz verschiedene Ämter haben oder auch gar keines, sondern z. B. von Hartz IV oder ererbtem Vermögen leben, aber den Titel eines Professors trägt er doch.

        • Eine rein durch soziale Beziehungen definierte Heimat, ohne Ortsbezug, kann es eigentlich nur in Gruppen geben, die sich ganz ohne territorialen Bezug definieren, etwa den Juden.

          Gut, so schaut es aus, Herr Trepl, Heimat kann (oder muss?) auch durch die Kultur entstehen, die christliche, die islamische und die aufklärerische Kulturen böten sich hier an.

          Hochgehalten wird der Begriff der Heimat im ursprünglichen Sinne besonders aber womöglich im Deutschen, no prob here, vgl. auch mit derartigem Versuch:
          -> https://www.heymat.hu-berlin.de/

          Die moderne skeptizistische Wissenschaftlichkeit hat eine Heimat oder “Heimat”, die im Aúfklärerischen und im Sapere Aude steckt.

          Sie tragen ja in der Regel so vor, dass Ihr Kommentatorenfreund im Fazit zuzustimmen vermag, auch wenn Sie vorher abfeimen, beispielsweise oder typischerweise den Nationalsozialismus meinend; das zieht sich so durch Ihre Nachrichten.

          International betrachtet bedarf es dieser Abfeimung nicht, es könnte stattdessen auch “einfach so” sinnhaft beigetragen werden, Gruppenbezüge betreffend und deren Sinnhaftigkeit.

          Diese Unterscheidung stieß hier zudem ein wenig auf:
          ‘Dieser fremdenfeindliche Rechtsextremismus ist nicht nationalsozialistisch.’

          Nationale Sozialisten oder Nazis sind nicht mit den Konservativen oder “Rechten” in einen Topf zu werfen, es ist nicht so, dass es “im Rechten” eine Kontinuität “Rechts-Rechter-Nazi” [1] gibt, “im Linken” dagegen gibt es diese Konsequenz schon.
          Der relevante Widerstand gegen Adolf war beispielsweise “rechts”.

          Dies nur am Rande angemerkt, nöh!, an sich schon alles OK, was Sie so auf hohem Niveau verlautbaren, Ihr Kommentatorenfreund kann nicht immer folgen, Sie sind ja auch recht tief in Ihrer Argumentation, aber er konnte sich dank Ihrer Hilfe ein wenig munitionieren.

          MFG
          Dr. W

          [1] heutzutage ist ja schon in D für einige bspw. ‘rechtsextremistisch’, wer den I nicht gut findet, ihn als intrinsisch verbrecherisch erkennt *

          * natürlich nur in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext

  8. Ergänzend angefragt und nachträglich:
    Glauben Sie, Herr Dr. Trepl, dass diesem Ihrem Vortrag gefolgt werden kann, wenn nicht langjährige, intensive Beschäftigung mit dem erfolgt ist, was Sie lehren oder gelehrt haben?

    MFG
    Dr. W

    • „Die Heimat, wie bearbeitet, dürfte schon etwas Bundesdeutsches sein, … auch das Bundesdeutsche betreffend …“

      Wie kommen Sie denn auf „Bundesdeutsch“? Ich habe über die Diskussion im Einflußbereich der deutschen Kultur geschrieben. Der schloß damals, als diese Diskussion hauptsächlich geführt wurde, auch Skandinavien und Ungarn ein, unter anderem.

      „Es gibt eben andere Sichten, die anders zentriert sind und sich anders bemühen, die anderen (Erkenntnissubjekte) betreffen.“

      Ich glaube nicht, daß es jemanden gibt auf der Welt, der diesem Satz einen Sinn entnehmen kann.

      „Glauben Sie, Herr Dr. Trepl, dass diesem Ihrem Vortrag gefolgt werden kann, wenn nicht langjährige, intensive Beschäftigung mit dem erfolgt ist, was Sie lehren oder gelehrt haben?“

      Ich war nicht auf der Tagung, das Manuskript wurde von jemand anderem vorgelesen und das hatte eine lange und intensive Diskussion zur Folge. – Meinen Texten kann man recht leicht folgen, denn im Gegensatz zu Ihnen bemühe ich mich, klar und deutlich zu schreiben. Allerdings handelt es sich halt um Wissenschaft, und so wie es nicht möglich ist, ein Buch über höhere Mathematik so zu schreiben, daß es auch der typische Bild-Leser versteht, so auch hier. Etwas Mühe muß man sich schon geben.

  9. Bevor hier niemand Feedback gibt:
    Die ‘Heimat’ oder Heimstätte oder das vielen Heime oder Traute meint den gewohnten sozialen Bezug und im weiteren Sinne den Bezug, die jeder und jede Begrifflichkeit benötigt.
    Es handelt sich begrifflich nur scheinbar um eine deutsche Spezifität [1], den Gedanken gibt es international und wird oft über die Region oder Nation oder über einen anderen Bezugsrahmen gewürdigt.

    ‘Heimat’ ist in diesem Sinne nicht nur gut, sondern auch notwendig, wenn es um Existenzen geht, aber auch um Konzepte, Ideen und Begrifflichkeiten.
    Auch bspw. die moderne skeptizistische Wissenschaftlichkeit hat eine Heimat.

    MFG
    Dr. W (dem die in D typische Gegenrede bekannt ist, der auch im Artikel die Verwendung des Begriffs Rassismus beobachtet hat, auch diese Aussage ‘Dieser fremdenfeindliche Rechtsextremismus ist nicht nationalsozialistisch.’ zur Kenntnis nahm, allein!, es benötigt derartiger Exkurse nicht, um derart (“Heimat”) Rahmen zu bilden und diese zu verteidigen)

    [1]
    vgl. -> http://de.wikipedia.org/wiki/Heimat (hierbei auch gerne mal ins Anderssprachige gehen)

    • “es (er?) benötigt derartiger Exkurse nicht, um derart (“Heimat”) Rahmen zu bilden und diese zu verteidigen)”.
      Da kann man Ihnen aber gratulieren. Sie haben damit ein – wie sagt man? – Alleinstellungsmerkmal. Sie sind überhaupt ein glücklicher Mensch: “Die ‘Heimat’ oder Heimstätte oder das vielen Heime oder Traute meint den gewohnten sozialen Bezug”, Sie kommen mit dem Einfachsten aus.
      Vielleicht lesen Sie erst mal den Artikel, bevor Sie kommentieren. Ich habe über die Heimatidee im deutschen zivilisationskritischen, antimodernen Denken geschrieben, dem die Landschaft wesentlich ist, nicht darüber, was eventuell das Gemeinsame aller irgendwie ähnlichen Begriffe auf der Welt ist.

      • Es gibt eben andere Sichten, die anders zentriert sind und sich anders bemühen, die anderen (Erkenntnissubjekte) betreffen.
        Die Heimat, wie bearbeitet, dürfte schon etwas Bundesdeutsches sein, no prob, Ihr Kommentator sieht’s allgemeiner und versandte dementsprechend Nachricht.
        Ihre besonderen Ideen und Ausführungen, die Heimat betreffend, waren also im freundlich bemühten obigen ersten Feedback nicht umfänglich berührt, korrekt.

        MFG
        Dr. W (der sich nicht überall auskennt, auch das Bundesdeutsche betreffend nicht; der’s “mal so allgemein” gefasst hat)