Eins, zwei, drei, viele – Die Biologie und das Geschlecht

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.

Gen 1:27

Wieso eigentlich geschlechtliche Fortpflanzung?

Die Welt ist entzweit. Da sind die einen. Und dort sind die anderen. Dazwischen scheint es nichts zu geben. Oder? Wie ist das mit den Geschlechtern? Gibt es wirklich biologische und psychologische Geschlechter? Gibt es nur Geschlechterrollen, ist uns unser Geschlecht anerzogen worden? Können wir unser Geschlecht wechseln – und wenn ja, sind wir dann einfach das andere Geschlecht oder ein neues? Gibt es nur zwei Geschlechter? Gar keins? Oder viele?

Die Natur lächelt über solche Fragen. Schon früh hatte sie gemerkt, dass der Austausch von Erbgut ein guter Weg war um das Bestehen einer ArCIMG7088t zu sichern. Und so konnten und können auch heute noch Bakterien kleine DNA-Ringe austauschen, die hilfreiche Informationen enthalten. Doch die Lebewesen wurden komplexer. Man geht heute von einem einzigen Eukaroyten (Einzeller mit Zellkern) aus, unser Vorfahre, der als erster auf die Idee der geschlechtlichen Fortpflanzung kam. Sie nutzen dafür eine ähnliche Maschinerie wie jene der Bakterien. Eine grundlegende Vorraussetzung dafür war ein doppelt vorhandenes Erbgut, welches in der geschlechtlichen Fortpflanzung neu kombiniert wurde. Die Hälfte vom einen mit der Hälfte des anderen. Das hatte auch den Vorteil, dass genetische Information doppelt vorlag und bei einer Beschädigung eines Gens das andere als Vorlage für die Reparatur dienen konnte. Fossilien belegen, dass es diese Art von Fortpflanzung bereits vor 1,2 Milliarden Jahren gab. Hier war dies noch eine Rotalge mit dem klingenden Namen Bangiomorpha pubescens, die Gameten (Keimzellen, mit einem haploiden (die Hälfte des doppelten) Erbgut) produzierte. Das war damals noch wenig erotisch. Die Rotalge verließ sich auf die Meeresströmung, die Samen zur Eizelle tragen zu lassen. Nicht alle Einzeller mochten diese Idee und einige kehrten zur geschlechtslosen Fortpflanzung zurück. Doch ein Stein war ins Rollen gekommen.

Ersteinmal fand die Befruchtung der Eizellen durch die Spermien außerhalb des Organism us statt. Vor 385 Millionen Jahren begannen einige frühe Schotten mit etwas, was wir heute Sex nennen. Der Fisch Microbrachius Dicki, der damals noch keinen Kilt trug, entwickelte für die Männchen Klaspern und eine Genitalplatte für die Weibchen, die in etwa so funktionierten wie wir das heute aus Selbstversuchen kennen – nur seitwärts und händchenhaltend. Aber die Fische schienen wenig begeistert von dieser Sache und verwarfen die Idee wieder. Das mag daran gelegen haben können, dass die Genitalplatten der Weibchen wie Käsereiben aussahen.

Die Rekombinierung des Erbguts brachte einige Vorteile, so konnten sich die geschlechtlich fortpflanzenden Lebewesen schneller anpassen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich die höheren Lebewesen sexuell fortpflanzen. Und für diese Fortpflanzung benötigt es meistens zwei Geschlechter.

Meistens? Ja, nicht immer ist ein Partner von Nöten um sich fortzupflanzen. Vor allem besonders langsame oder gar stillstehende Lebewesen sind was ihr Geschlecht angeht unentschieden. Diese Zwitter oder Hermaphroditen weisen sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane auf. Das sind zum Beispiel viele Pflanzen, Regenwürmer, Nesseltiere und einige Schnecken.

 

I am but a small and feeble woman. But I have the heart and stomach of a concrete elephant!

Queenie, Blackadder

 

Warum gibt es eigentlich männliche und weibliche Lebewesen?

Eigentlich ergibt es auf den ersten Blick gar keinen Sinn, verschiedene Arten von einem Lebewesen zu haben, die sich gegenseitig finden müssen um Nachwuchs zu produzieren. Wieso entwickelten sich also bei vielen Lebewesen männliche und weibliche Lebewesen? Wäre ein einziges Geschlecht nicht einfacher, deren Angehörige sich munter untereinander paaren? Ein Computermodell verneint dies: Kann sich ein Lebewesen mit einem beliebigen anderen Lebewesen seiner Art paaren, paart es sich sozusagen mit „dem nächstbesten“ das in der Nähe ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um einen Verwandten handelt ist groß und die genetische Variabilität sinkt. Muss es schon etwas mehr nach einem Partner suchen, weil es sich nur mit einem Teil der anderen Lebewesen paaren kann. Die genetische Variabilität – und damit die Anpassung durch genetische Veränderungen –  steigt.

Übrigens gibt es eine Krabbenart, die ein Geschlecht wieder abgeschafft hat. Eine Unterart der Marmorkrabben, Procambarus fallax f. virginalis, vermehrt sich nur noch über Parthenogenese, der Jungfernzeugung. Bei ihnen gibt es dann nur noch weibliche Tiere, da die Weibchen nur weibliche Nachkommen haben.

Aber wie entstehen diese Geschlechter eigentlich? Das ist in den verschiedenen Tierarten nämlich anders. Bei einigen Reptilien entscheidet zum Beispiel die Brüttemperatur, zu welchem Geschlecht sich der Embryo entwickelt. Eine weitverbreitete Methode sind jedoch die Geschlechtschromosomen. Dabei ist ein Paar des Chromosomensatzes, jeweils ein Chromosom von Mutter und eins vom Vater, für das Geschlecht zuständig. Wie dies geschieht ist oft unterschiedlich, bei Säugetieren unterscheidet man jedoch zwischen X und Y. Um diesen Artikel nicht ausufern zu lassen in der Kürze: Weibchen entstehen durch zwei X-Chromosomen, eines von der Mutter und eins vom Vater. Männchen entstehen durch ein X-Chromosom von der Mutter und ein Y-Chromosom vom Vater.

Allerdings ist das nicht immer so einfach. Bei einigen Tieren gibt es zwar Geschlechtschromosomen, jedoch kann die Temperatur das Geschlecht trotzdem umbestimmen. Andere Arten, wie zum Beispiel der Anemonenfisch (auch Clownfisch genannt) kann sein Geschlecht wechseln. Er ist ein Hermaphrodit, der erst zum Männchen wird. Verschwindet aber das dominante Weibchen aus seiner Gruppe, wird er zum Weibchen. So hätte Nemos Papa also eigentlich Nemos Mama sein müssen. Bei den Blaukopf Lippfischen ist es genau andersherum. Die Natur ist also sehr offen, was Geschlechtsumwandlungen angeht.

Im Tierreich ist außerdem die sogenannte Sexuelle Dysmorphie weit verbreitet, also das unterschiedliche Aussehen der weiblichen und männlichen Tiere, abseits der Geschlechtsorgane. Der Pfau oder der Hirsch sind offensichtliche Beispiele. Aber auch beim Menschen sehen Männer und Frauen nun mal anders aus. Anders hingegen hält es die Tüpfelhyäne. Die weibliche Tüpfelhyäne ist zwar von ihren inneren Organen her definitiv weiblich, jedoch ist ihre Klitoris zu einer Urogenitalröhre vergrößert, so dass sie wie ein Penis aussieht. Ihre Schamlippen sind verwachsen und gleichen den männlichen Hoden. Auch einigen Löwinnen wächst eine Mähne, die Gründe dafür sind aber noch unklar.

 

The enemy isn’t men, or women, it’s bloody stupid people and no one has the right to be stupid.

Terry Pratchett, Monstrous Regiment

Ist das menschliche Geschlecht binär?

Ich habe jetzt größtenteils von zwei Geschlechtern gesprochen und zwar jene, welche zur Fortpflanzung benötigt werden. Aber die Natur ist erfindungsreich und so kann es immer vorkommen, dass sich etwas ändert. Im Mutterleib machen die Geschlechtschromosomen beim Menschen viel aus. Gibt es ein Y-Chromosom bekommt der Embryo Hoden und entwickelt sich zum Mann. Oder? Im Normalfall ist das so – und „normal“ ist in diesem Artikel bitte immer nur statistisch zu verstehen, nicht wertend. Es kann durchaus sein, dass ein Embryo mit XY-Geschlechtschromosomen äußerlich zu einer Frau wird, nämlich dann, wenn er testosteronintolerant ist. Dies ist dann eine Form des Intersex, also ein nicht definiertes Geschlecht. Ein ähnlicher Fall ist das Swyer-Syndrom, bei dem ein Gen auf dem Y-Chromosom mutiert ist.

Außerdem kann es zu Chromosomenanomalien kommen. Sind zu viele oder zu weniger Geschlechtschromosomen da, also nur 1, oder 3 oder gar 4, kann alles ein bisschen durcheinander kommen. Der Reihe nach:

Beim Turnersyndrom gibt es nur ein X-Chromosom. Kinder die so geboren werden haben weibliche Geschlechtsmerkmale, sind jedoch unfruchtbar.

Beim Triplo-X-Chromosom haben die Kinder weibliche Geschlechtsorgane. Sie sind von „normalen“ XX-Frauen kaum zu unterscheiden, da das überflüssige X-Chromosom stillgelegt werden kann.

Beim XYY Chromosom entwickelt der Embryo männliche Geschlechtsorgane. Auch diese Chromosomenabnormalität ist meist unauffällig und wird oft nur zufällig diagnostiziert.

Beim Klinefeltersyndrom gibt es mehr X-Chromsomen als nötig und dazu noch ein Y-Chromosom (XXY, XXXY, XXXXY). Sie entwickeln männliche Geschlechtsorgane, haben lange Arme und Beine und können außerdem Brüste entwickeln.

Diese Anomalien können auch im Mosaik oder als Chimäre auftreten. Dabei sind nicht alle Zellen von den abweichenden Chromosomensätzen betroffen. Beim Mosaik treten die Chromosomenanomalien erst im Embryonalstadium auf, in dem bei einer Zellteilung ein Chromosom in die falsche Zelle rutscht. Bei einer Chimäre verschmelzen zwei verschiedene Embryonen miteinander. Dann kann es wieder zu einem Intersex-Geschlecht kommen. Es gibt natürlich noch weitere Möglichkeiten, die dazu führen können, ein Intersex-Geschlecht zu haben. Einige davon kennen wir vielleicht auch noch gar nicht.

Hier ist durchaus zu beachten, das Intersex oder auch Chromosomenanomalien an sich keine Krankheit bedeuten müssen (außer beim Turner-Syndrom, welches einige körperliche Beeinträchtigungen mit sich bringt). Krankheit definiert sich durch Leidensdruck. Hat der Betroffene einen Leidensdruck sollte auch nur auf dessen Wunsch behandelt werden.

 

Sage mir, Kind, hat denn die Seele ein Geschlecht?

Jean-Jacques Rousseau, Julie oder Die neue Héloïse/Claire

Transsexuell und die Macht der Hormone

Anders ist alles bei Transsexuellen. Sie haben zwar für gewöhnlich einen normalen Chromosomensatz, fühlen sich jedoch einem anderen Geschlecht zugehörig. Was genau hier der Auslöser ist weiß man noch nicht. Bei Transfrauen (XY) vermutet man, dass eine Variante des Testosteronrezeptors einen Einfluss hat. Tatsächlich entdeckt man auch Unterschiede im MRT zwischen Transmenschen und Cismenschen.

Was bei Transmenschen jedoch deutlich zu beobachten ist, ist die Macht der Hormone. Ich habe selbst mit einer Transfrau mal gesprochen, die von ihren vier Pubertäten berichtete. Erst die als männlicher Teenager, dann die vom jungen Mann zur jungen Frau und dann die vor und nach den geschlechtsangleichenden OPs. Neben dem üblichen Gefühlschaos kam es auch zu Verhaltensänderungen. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Reaktion des Umfelds, die wiederum das Verhalten beeinflussen. Diese Phasen zeigen deutlich, dass es eben nicht egal ist welches Geschlecht uns die Natur zugewiesen hat. Wir werden auf viele Wege darüber beeinflusst. Es ist allerdings schwer zu sagen, was genau wie beeinflusst wird. Denn wer Dinge vergleicht, wird immer Unterschiede finden. Die Frage ist, ob diese Unterschiede im Alltag relevanter sind als andere Faktoren. Es fehlt hier an negativen Kontrollgruppen, eine Basislinie, die ohne Hormone oder ohne Umweltfaktoren aufwächst. Das gibt es natürlich nicht.

Es gibt allgemein wenig gesicherte Forschung zu Hormonersatztherapien bei Transsexualität. Eventuell, weil die Gruppen sehr klein und heterogen und damit schwer zu vergleichen sind. Weitere Forschung wäre hier sehr spannend und könnte auch neue Erkenntnisse über die Wirkung von Hormonen im Allgemeinen bringen.

 

Was will uns der Autor damit sagen?

Die Natur probiert gerne herum. Sie hat eine Weile gebraucht um Geschlechter und Sex zu entwickeln. Leben bedeutet nun mal, dass alles im Fluss ist, sich alles weiter entwickelt. Das Geschlecht ist bei vielen Arten nicht in Stein gemeißelt und in der Natur kommt alles Mögliche vor. Was sie hervorbringt ist vielleicht nicht unbedingt häufig, aber normal. Dabei gibt es immer wieder Neues. Es ergibt keinen Sinn, etwas das man nicht versteht, in alte Kategorien zu drängen oder gar zu werten. Vielmehr wäre es wundervoll, zu staunen, was es alles so gibt. Und warum.

 

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Veröffentlicht von

zellmedien.de

Mein Name ist Anna Müllner, ich bin Biologin und habe in der Krebsforschung promoviert. Ich wohne im schönen Hessen und bin als PR-Beraterin für Gesundheitskommunikation tätig. Nach meinem Abitur beschloss ich Biologie zu studieren. Das tat ich zunächst an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, die weder in Bonn ist, noch am Rhein. Aber einer der drei Campusse liegt wirklich an der Sieg. Das letzte Jahr dieses Studiums verbrachte ich in Schottland, an der Robert-Gordon University of Aberdeen wo ich ein bisschen in die Biomedizin und die Forensik schnuppern durfte. Danach entschied ich mich für ein Masterstudium an der Universität Heidelberg in Molekularer Biotechnologie was ich mit der Promotion fortsetzte. Weitere Informationen und Möglichkeiten zu unterstützen finden Sie hier: https://linktr.ee/_adora_belle_

19 Kommentare

  1. “Fossilien belegen, dass es diese Art von Fortpflanzung bereits vor 1,2 Billionen Jahren gab.” – Da würde mich interessieren, wie diese datiert wurden, wenn sie um zwei Größenordnungen älter sind, als man das Universum schätzt ; ) Aber vermutlich klärt sich das einfach durch einen Übersetzungsfehler auf ; )

  2. “Fossilien belegen, dass es diese Art von Fortpflanzung bereits vor 1,2 Billionen Jahren gab. ”

    ich schließe mich meinen Vorrednern an. Es handelt sich um Milliarden Jahre. Das amnerikanische “billion” ist nicht identisch mit dem deutschen Billionen, sondern mit Milliarden

  3. Die simple Zellteilung als Fortpflanzungsmethode wurde also ergänzt durch die viel kompliziertere Neukombination einer Zelle/eines Lebewesens aus zwei Zellen/Lebewesen.
    Der evolutionäre Vorteil dieser Neukombination lässt sich sicher mathematisch berechnen. Wenn man aber schon soweit ist, Fortpflanzung quai evolutionär/spieltheoretisch zu betrachten und alle Optionen in Betracht zieht, dann müsste man auch fragen, warum es nicht eine Form der Fortpflanzung gibt, in der mehr als zwei Genome beteiligt sind. Die Antwort liegt wohl auf der Hand:Eine solche Art von Fortpflanzung in der mehr als zwei Exemplare eines Lebewesens beteiligt sind würde wohl recht kompliziert werden und der Aufwand würde sich nicht lohnen. Nur schon der Aufwand für die sexuelle Fortpflanzung ist enorm wenn man alle beteiligten Prozesse wie diploiden Chromosonesatz, Rekobmination usw. in Betracht zieht.

  4. Danke, sehr guter Text, vielleicht ergänzend:
    Eine Wettbewerbsgesellschaft benötigt Kategorien, nach denen bewertet wird. Leider verstehen die Betroffenen nicht, daß ihr Anspruch auf eine eigene Kategorie, nicht das Problem der Bewertung durch Kategorien lösen kann. Sprache wertet nicht, es ist der Mensch, der wertet.
    Herrschaft funktioniert nur, wenn andere Menschen Minderwertigkeitskomplexe entwickeln, denn Herrschaft funktioniert nicht über Macht, sie baut auf Ohnmacht auf. Wobei die Hierarchiegläubigen, Herrscher wie Beherrschte, übersehen, daß sie selbst nur ihre eigenen Minderwertigkeitskomplexe reflektieren.

    Oder mit den Worten von Franz Maria Arwee zur Beschreibung von GLAUBEN:

    Wettbewerb ergibt nur dann einen Sinn, wenn es eine einzig wahre Wahrheit gibt, denn dann kann es keine zweite einzig wahre Wahrheit geben.
    Das Dumme hierbei ist, daß diese einzig wahre Wahrheit zwingend unveränderlich sein muß, denn sonst wäre dies ja eine andere einzig wahre Wahrheit.

    Dann jedoch ist es völlig gleichgültig, was auch immer wir tun oder eben auch lassen, denn wir können ja eh nichts ändern und alles geht seinen unveränderlichen, vorherbestimmten, determinierten Lauf des Schicksals aller Dinge…

  5. Spricht aus biologischer Sicht und den Menschen meinend etwas gegen diese Einschätzungen, außer dass sie vollständiger hätten ausfallen können?
    1.) Es gibt das unveränderliche Merkmal, das die Zeugungsfähigkeit meint, in dieser Ausprägung den Mann meint.
    2.) Es gibt das unveränderliche Merkmal, das die Gebärfähigkeit meint, in dieser Ausprägung die Frau meint.
    3.) Es gibt (in seltenen Fällen) Individuen, die so nicht zugeordnet werden können.

    Steht dieser Artikel in direkten Zusammenhang mit der kleinen Kontroverse, die sich zwischen Ulrich Kutschera und den sogenannten Gender Studies ergab?

    Was genau ist hier genau gemeint – ‘Gibt es wirklich biologische und psychologische Geschlechter?’ – mit dieser Es-Gibt-Frage i.p. Existenz und i.p. (sinnhafter) Konstruktion?

    MFG + danke für diesen Post,
    Dr. Webbaer

    • Inwiefern sind diese Merkmale unveränderlich? Ob ein Individuum zeugungsfähig und/oder gebärfähig ist, ändert sich doch sehr wohl im Laufe des Lebens.

      • @ john :

        Dies ist richtig ergänzt, weiter oben stand ja auch was im Konditionalsatz von ‘außer dass sie vollständiger hätten ausfallen können’.
        Es kann also (unbestritten und eben vorab angekündigt) Unfruchtbarkeit entstehen, im Human-Sexuellen.

        MFG
        Dr. Webbaer

  6. ‘Warum gibt es eigentlich männliche und weibliche Lebewesen?’

    Die naheliegendste Antwort scheint mir die zusätzliche sexuelle Selektion zu sein, welche gegenüber der rein natürlichen Selektion eine schnellere Optimierung und Anpassung einer Art an Umweltbedingungen erwarten lässt.

    • Zudem wird Spezialisierung unterstützt, Männer können bspw. besser “verheizt” werden, wobei dies womöglich für Männchen generell gilt.
      Dann gibt es noch die Besonderheit, von der der Schreiber dieser Zeilen aber wenig versteht, hier gerne hinzulernen würde, dass Männchen und Weibchen anders vererben, wie bspw. die Liger-Töwe-Besonderheit nachweist.

  7. @cero
    “Wofür oder wogegen argumentierst du?”
    Für vieles. Ich fang mal ganz von vorne an.

    Ein Ingenieur* muss das Einmaleins im Fleisch und Blut haben. Wer als Soziologe oder Genderforscher unterwegs ist, muss die grundlegenden Mechanismen der Evolution und wesentliche biologische Zusammenhänge in Fleisch und Blut haben. Natürlich nicht um damit irgendeinen Sachverhalt reduktionistisch naiv zu erklären, dazu ist das ineinandergreifen von Umwelt und genetischer Disposition bekanntlich viel zu komplex. Er muss aber jederzeit in der Lage sein die biologische bzw. evolutionäre Perspektive einzunehmen um andrerseits nicht Gefahr zu laufen reduktionistisch naiv Umwelt/Rolle/Kultur als alleinigen und hauptsächlichen Erklärungsfaktor warzunehmen.
    Bei einigen Genderforschern scheint das aber nicht in ausreichendem Masse der Fall zu sein, wie ich erschrocken feststellte, als ich diesen 3 Jahre alten Artikel aufstöberte.
    http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede
    “In den folgenden Tagen habe ich dann noch zwei weitere Einführungen in die Genderforschung gelesen. Irritierenderweise tauchte das Wort “Hormon” nur zwei- oder dreimal am Rande auf, das Wort “Evolution” überhaupt nicht. ”
    *Ja, ich habe mich entschlossen in dieser aufgeschlossenen Runde, das generische Maskulinum zu verwenden, falls es zum sprachlichen Verständnis des Sachverhalts ausreicht. Unter anderem kenne ich einfach zu viele brillante Frauen, für die es im Jahre 2016 fast einer Beleidigung gleichkäme sprachlich gesondert hervorgehoben werden zu müssen.

  8. »The Evolutionary Enigma of Sex«,

    so hat Sarah P. Otto ihren Aufsatz über das Rätsel der evolutionären Entstehung der sexuellen Fortpflanzung überschrieben (American Naturalist, 174: S1-S14.). (PDF hier)

    Ganz so eindeutig und klar scheint die Sache mit dem Vorteil durch Sex doch nicht zu sein, zumindest nicht aus evolutionsbiologischer Sicht:

    A sexual parent transmits only 50% of ist genes to the next generation, compared with 100% for an asexual parent.

    »Die Natur lächelt… « 🙂

  9. Danke für den schönen Text. ja, Geschlechter sind binär. So wie alles was im Fluss ist, zwangsläufig binär sein muss, denn eine Bewegung kennt nur (eine) Richtung. Will sie auf der Stelle bleiben, ist sie gezwungen sich hin und her zubewegen, quasi zwischen zwei endpunkten. Nur so bleibt sie im Fluss und damit am existent. Umgekehrt bedeutet das binarität entsteht durch Bewegung oder durch den Faktor Zeit.

    • @ Jade :

      Biologische Geschlechter sind in diesem Sinne (erst einmal) binär, es ist kein Vorurteil, wenn behauptet wird, dass ausschließlich Frauen Kinder bekommen, so wie der Schreiber dieser Zeilen sinngemäß in bestimmten Forschungsgebiet zu lesen bekommt, sondern zur Biologie übergriffig, wie er findet, aber es könnte schon mit der Dreiwertigen Logik [1] gearbeitet werden, auch Unbestimmbares/Unbekanntes so einschließend.
      Mit dieser “Trans-Geschichte” wird Ihr Kommentatorenfreund insofern nur unglücklich.

      MFG
      Dr. Webbaer

      [1]
      Diese ist bspw. in fast jedem System der Datenhaltung unterstützt, Relationale Datenhaltung und so, jeder Datenbankentwickler hat dbzgl. sozusagen auch Philosoph zu sein.

    • @ Jade :

      Biologische Geschlechter sind in diesem Sinne (erst einmal) binär, es ist kein Vorurteil, wenn behauptet wird, dass ausschließlich Frauen Kinder bekommen, so wie der Schreiber dieser Zeilen sinngemäß in bestimmten Forschungsgebiet zu lesen bekommt, sondern zur Biologie übergriffig, wie er findet, aber es könnte schon mit der Dreiwertigen Logik [1] gearbeitet werden, auch Unbestimmbares/Unbekanntes so einschließend.
      Mit dieser “Trans-Geschichte” wird Ihr Kommentatorenfreund insofern nur unglücklich.

      MFG
      Dr. Webbaer

      [1]
      Diese ist bspw. in fast jedem System der Datenhaltung unterstützt, Relationale Datenhaltung und so, jeder Datenbankentwickler hat dbzgl. sozusagen auch Philosoph zu sein.

  10. @ralph,

    Warum gibt es eigentlich männliche und weibliche Lebewesen?

    Da muss man unterscheiden, denn das sind zwei verschiedene Fragen:

    1. Wieso gibt es genetische Rekombination durch Sex, die Produktion von haploiden Gameten, die dann fusionieren.

    2. Warum gibt es Eizellen (groß, wenige) und Spermien (klein, viele), also m und w.

    Auf beide Fragen gibt es nicht DIE eine, bewiesene Antwort, aber doch recht schlüssige Ideen.
    Zu 1. – wieso kann sich Sex gegen Jungfernzeugung durchsetzen – habe ich mal gebloggt:
    http://panagrellus.de/wie-die-jungfrau-zum-kind-kommt/

    zu 2. gibt es die Hypothese, dass das eine Art “parasitisches Arms-Race” war: Anfangs waren die Gameten demnach gleich groß, aber manche Genotypen konnten über viele Generationen von Variation & Selektion einen Fitness-Vorteil erlangen, indem sie ein klein wenig weniger Material in die Fusion einbrachten als es “fair” wäre – so konnten mehr Gameten produziert werden, die Genotyp-Frequenz dieses “Cheater”-Typs nimmt zu.
    Das wiederum könnte dazu führen, dass andere Gametengenotypen ebenfalls einen Vorteil haben, indem sie genau die umgekehrte “Strategie” fahren (unbewusst natürlich, durch den Prozess von Mutation & Selektion) – nämlich mehr in ihre Gameten zu investieren, um für die Cheater kompatibel zu bleiben. Dieser Prozess könnte sich gegenseitig bis zum Extrem aufschaukeln, das wir heute haben – also nur eine Handvoll Eizellen im ganzen Leben einer Fr vs. astronomische Anzahl Spermien, die ein Mann pro Ejakulation produziert.

  11. Ihren Satz “Die Natur probiert gerne herum” würde ich anders formulieren, denn die Natur ist weder eine Person, noch verfolgt sie ein Ziel. Aber die geschlechtliche Vermehrung sorgt für ausreichend Variation in den Nachkommen. Die “glücklicheren” Nachkommen haben Gene, die ihr Überleben (und das ihrer Nachkommen) auch unter ungünstigen Umweltbedingungen sichern. Darum gibt es uns (noch) trotz der Umweltkatastrophen, die die Erde schon erlebt hat (Asteroideneinschläge, Eiszeiten, Seuchen, …). Aber die große Variabilität hat einen Preis: Es gibt auch immer Nachkommen, die “Pech” haben, nicht gut angepaßt sind, unfruchtbar sind, ein Verhalten haben, durch das eine Vermehrung verhindert wird, oder durch eine Chromosomenanomalie (z.B. Trisomie) “behindert” sind. Mir gefällt das Wort “behindert” besser als “krank”, weil man bei “krank” gewöhnlich nach einer Therapie fragt, während man mit Behinderungen in der Regel leben muß. Man soll – wie Sie schreiben – nicht werten, sondern staunen, was es alles gibt, aber auch nicht alle Unterschiede einebnen, weil sie z.B. nicht in eine Ideologie wie “Gender Mainstreaming” passen: Unter dem Stichwort “Geschlechtssensible Pädagogik” kann man in Wikipedia lesen: “Konstruktivistische Ansätze kritisieren die Zweigeschlechtlichkeit als Konstrukt aus der Erfahrung heraus, dass es immer wieder Menschen gebe, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht (siehe Transgender) zuordnen ließen. Die Kernaussage ist, dass Frauen und Männer Konstrukte seien.” Solche Aussagen erinnern an die Leugnung der Evolution durch Kreationisten, haben aber erhebliche gesellschaftliche Bedeutung, denn im Absatz “Anwendungsfelder” des Wikipedia-Artikels steht “Die Geschlechtssensible Pädagogik findet Anwendung in der Kindergartenpädagogik und der Schulpädagogik”. Dementsprechend heißt es in den Aufgaben und Zielen der geplanten neuen bayerischen Richtlinien: ” … die Sexualerziehung in der Schule … hilft den Kindern und Jugendlichen, ihre geschlechtliche Identität sowie sexuelle Orientierung zu finden und anzunehmen”.

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