2014 ist das Internationale Jahr der Kristallographie

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Nicht immer bekommen die wissenschaftlichen Durchbrüche auch die Aufmerksamkeit, die ihnen eigentlich zusteht. OK, dieses Lamento dürfte wohl aus fast allen Disziplinen zu hören sein. Aber mal im Ernst, wer außerhalb der Geowissenschaften (und auch dort sicher nicht alle außerhalb der Mineralogie) hat von Kristallographie und Röntgenbeugung gehört?

Ich vermute, das dürften nur sehr wenige sein. Damit tut man der Kristallographie aber ziemlich unrecht, denn auch wenn viele Menschen sich kaum etwas darunter vorstellen können, hat die Röntgenbeugung einige ganz handfeste Auswirkungen auf unsere Welt.

Bragg
Schema der Bragg-Beugung. By Dipl.-Phys. (JPG-version), Matthias M. (SVG-version) (/home/matthias/Desktop) [Public domain], via Wikimedia Commons.

Das Ganze fing vor knapp 100 Jahren an. 1913 entwickelte das Vater-Sohn Gespann William Henry Bragg und William Lawrence Bragg auf der von Max von Laue entdeckten Röntgenbeugung ein Verfahren, mit dem man die Strukturen der (kristallisierten) Materie bestimmen kann. Die Braggsche Gleichung, nλ = 2d sin Θ dürfte sich wohl in die Hirne vieler Studenten eingebrannt haben, wenn sie kristallographische Vorlesungen besucht haben.

d steht dabei für den Abstand der Gitterebenen des Kristalls

λ für die Wellenlänge der Röntgenstrahlen

Θ ist der Winkelzwischen Röntgenstrahl und Gitterebene. Er wird auch als Glanz- oder Braggwinkel bezeichnet.

n ist eine ganze Zahl und gibt die Beugungsordnung an.

Mit diesem Instrumentarium kann man nun eine ganze Menge anstellen. Es ist quasi ein Schlüssel für sehr viele Türen. Denn wenn man den strukturellen Aufbau von Stoffen kennt, kann man viele ihrer Eigenschaften erklären. Man erkennt, warum Graphit weich und Diamant hart ist. Warum Eis eine geringere Dichte als Wasser hat und so weiter. Viele Produkte unserer modernen Welt wären ohne die Strukturaufklärung wohl nicht möglich gewesen. Insofern stellt das Jahr 1913 und das folgende einen der wissenschaftlichen Schlüsselmomente dar, auch wenn dieser Moment hier etwas im Schatten anderer historischer Ereignisse dieser Zeit stehen mag.

Und nicht nur bei der Strukturanalyse kann uns die Braggsche Gleichung helfen. Auch bei der Frage, wie ein Stoff chemisch zusammengesetzt ist. Denn die wellenlängendispersive Röntgenanalytik, wie sie beispielsweise in der Röntgenfluoreszenzanalytik eingesetzt wird, kommt ohne Analysatorkristall nicht aus. Dieser soll die erzeugten elementtypischen Röntgenwellenlängen gezielt beugen und so die jeweils interessanten Wellenlängen heraus greifen.

Darum ist 1914 2014 auch das internationale Jahr der Kristallographie.

 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

8 Kommentare

  1. Wer hat davon gehört? Jeder Physiker, jeder Strukturbiologe, jeder Chemiker und Materialforscher und alle irgendwie verwandten fachbereiche

  2. Berichtigt mich, wenn ich mich irre.
    Aber bei mir als Biologiestudentin (Schwerpunkt Genetik) klingelt es bei “Kristallographie” ganz gewaltig. Immerhin hätten Watsen und Crick ohne die wunderbare Röntgenstrukturanalyse von kristallierter DNA durch Rosalind Franklin nie ihren Nobelpreis erhalten…
    Dass es das gibt und auch (heute noch) benötigt wird, ist wohl jedem Biologen bewusst.
    Für andere Fachbereichen möchte ich mir kein Urteil erlauben.

  3. Die grosse Herausforderung unserer Tage scheint mir gerade, Strukturaufklärungen ohne Kristallographie machen zu können. Denn Kristallographie geht nur mit Kristallen. Nicht von allen Substanzen lassen sich aber Kristalle herstellen, auch wenn man noch so erfinderisch ist (Es wurden nämlich viele Tricks entwickelt wie man Substanzen doch irgendwie zur Kristallbildung “verführen” kann, weil es ohne Kristallbildung keine Strukturaufklärung gab).

  4. Sicher haben viele auch davon gehört, und viele wenden die Strukturanalysen auch an. Aber ich war immer wieder erstaunt (eigene Erfahrungen in den Geowissenschaften), wie wenig manche doch in die verwandten Fächer schauten. Und wie viele Geologen der Ansicht waren, man könne das Fach auch ohne profunde Kenntnisse in Physik und Chemie durchziehen.

    @ Martin Holzherr. das ist richtig. da wartet noch eine Menge Arbeit auf kluge Köpfe.

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