Die Phlegräischen Felder – Europas Supervulkan

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Wenn von “Supervulkanen” die Rede ist, dann geht es oft um den Yellowstone-Vulkan und eventuelle Weltuntergangsfantasien. Aber eigentlich müssen wir garnicht nach Amerika blicken, um einen “Supervulkan” (so ganz werde ich ja nicht warm mit dem Begriff) zu finden. Wir müssen eigentlich nur nach Italien fahren, bis kurz vor Neapel. Bei Neapel und Vulkanen fällt einem sicher sofort der Vesuv ein, aber der ist nicht die einzige Gefahr aus der Tiefe, die dort lauert. Und so groß seine geschichtliche Wirkung sein mag (man denke nur an Pompeji und Herculaneum), er wird von seinem Nachbarn möglicherweise noch deutlich übertroffen. Denn unweit westlich von Neapel, direkt unter der Stadt Pozzuoli liegen die Phlegräischen Felder. Diese scheinbar lose Ansammlung von rund 24 kleinen Kratern und vulkanischer Aktivität liegt mitten in einer gewaltigen Caldera mit einem Durchmesser von rund 13 Kilometern.

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Die Phlegreischen Felder, wie sie der Advanced Land Imager des Earth Observing 1 Satellit am 9 Juli 2012 sah. Foto: NASA

Auch heute noch ist das Gebiet durchaus aktiv, wie man an verschiedenen Stellen gut beobachten kann. Am bekanntesten ist die Solfatara direkt im Stadtgebiet von Pozzuoli, wo nach der Überlieferung der römische Gott der Vulkane, Vulcan, hausen soll. Jedem, der sich für Vulkane interessiert, sei ein besuch durchaus empfohlen. Wenn man in die Städte und Dörfer kommt, stellt man schnell fest: Die Häuser sind entweder brandneu, oder (und das ist meistens der Fall) alt und sehen merkwürdig baufällig aus. Aber bevor man das in irgendeiner Art und Weise südeuropäischem Schlendrian zuschreiben mag, sollte man bedenken: Sie stehen in einem durchaus noch aktiven Vulkan. Und dieser Vulkan füllt von Zeit zu Zeit seine Magmenkammer (die er nach neueren Untersuchungen wohl mit dem benachbarten Vesuv gemeinsam hat). Einströmendes Magma hebt die Erdoberfläche. Zwischen den Jahren 1968 und 1972 zum Beispiel ging es um rund 1,7 m aufwärts. Noch mal passierte ähnliches 1982 bis 1984, diesmal 1,8 m. Das zusammen mit flachen (rund 4 Kilometer tiefen) Erdbebenschwärmen hatte zu Befürchtungen geführt, ein Ausbruch könne bevorstehen. Man kann sich ohne Probleme vorstellen, welche Wirkung dieses Fahstuhlverhalten auf die Bausubstanz hat.

Die Gegend ist voller geschichtlicher Bedeutung, aber bleiben wir bei der Geologie. Denn knapp an der heutigen Küstenlinie steht das Macellum, ein alter römischer Markt für Lebensmittel. Die dortigen Säulen zeigen Spuren von Bohrmuscheln, die deutlich anzeigen, dass hier ein Stück Land einstmals im Meer versanken und später wieder über die Meeresoberfläche gehoben wurden. Sowohl Charles Lyell als auch George Cuvier hatten die Gegend besucht und erkannt, dass das Bauwerk im Laufe der Jahrhunderte unter den Meeresspiegel absank, um dann wieder als trockenes Festland zu erscheinen. Es wurde angenommen, dass sich die Kruste in mehr oder weniger regelmäßigen Zeiträumen hob und senkte und somit die ehemaligen Meere zu Festländern und die trockenen Festländer zu Ozeanen wurden. Auch hier macht sich das Bradyseismik genannte Phänomen der sich füllenden Magmenkammer bemerkbar.
Macellum, Säulen
Das Macellum oder auch serapis Tempel gennate Bauwerk in Pozzuoli. Deutlich erkennbar sind die Streifen mit den Bohrmuscheln, welche die These der aufsteigenden und absinkenden Landmassen beflügelten. Eigenes Foto.

Und manchmal will das Magma dann auch heraus. Perioden vulkanischer Aktivität finden sich immer wieder, so beispielsweise 1538, al sich innerhalb von acht Tagen der Monte Nuovo, der Neue Berg, erhob und der Lago d´Averno (selber ein kleiner Kratersee) vom Meer abgeschnitten wurde. Verständlich, dass man gerne mehr über das verhalten der Magmenkammer und damit über diesen Vulkan inmitten einer dicht besiedelten Zone Europas wissen möchte. Lars Fischer berichtete in seinem Blog über ein Bohrvorhaben, mit dem man dem Vulkan auf den Pelz rücken wollte.

Diese vergleichsweise kleinen vulkanischen Aktivitäten sind natürlich nichts gegen den Vesuv in der Nachbarschaft. Und noch weniger gegen die vorgeschichtlichen Ausbrüche des Vulkans. Und wenn man die betrachtet, dann kann einem schon schlecht werden (und man versteht, warum der italienische Zivilschutz sicher manchmal schlaflose Nächte haben könnte).

Zwei Ablagerungen fallen einem ins Auge, wenn man die Gegend besucht. Das eine ist der graue Kampanische Tuff von runden 37000 Jahren und der gelbe Neapolitanische Tuff, der mit rund 12 000 Jahre alt ist. Beide Gesteine gehören in die Ignimbrite, sind also gewaltige Glutwolkenablagerungen und zeugen von den zwei heftigsten Ausbrüchen des Vulkans.

Der Ausbruch, der den Kampanischen Tuff produzierte, förderte zwischen 150 und 350 Kubikkilometer vulkanisches Material. Das ist genug, um auf dem Vulkanexplosivitätsindex die Stufe 7 zu erreichen. Und mit sehr großer Sicherheit hatte dieser Ausbruch seine Folgen für die Umwelt. Möglicherweise hat er auch in unsere eigene Geschichte eingegriffen, denn im vergleichbaren Zeitraum verschwanden in Europa die Neandertaler und der anatomisch moderne Mensch wanderte ein. Es gibt einige Forscher, die hier durchaus einen Zusammenhang sehen (Golovanova et al. 2010, Fedele et al. 2002). Es ist also durchaus möglich, dass wir als Spezies diesem Vulkan einiges zu verdanken haben, und es verdeutlicht auch die gefahren, die von einem Vulkan ausgehen, der zu Eruptionen des Explosivitätsindexes 7 fähig ist. man sollte das durchaus im Hinterkopf behalten.

Der letzte Großausbruch fand vor rund 12 000 Jahren statt und förderte “nur” 40 Kubikkilometer Material. Das ist immer noch doppelt so viel wie beim Ausbruch des Krakatau 1883.

F. G Fedele, B. Giaccio, R. Isaia, G. Orsi, Ecosystem Impact of the Campanian Ignimbrite Eruption in Late Pleistocene Europe, Quaternary Research, Volume 57, Issue 3, May 2002, Pages 420-424.

Golovanova L. V., V. B. Doronichev, N. E. Cleghorn, M. A. Koulkova, T. V. Sapelko, and M. Steven Shackley, Significance of Ecological Factors in the Middle to Upper Paleolithic Transition, Current Anthropology, Vol. 51, No. 5 (October 2010), pp. 655-691

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Tuff

    Wie wird eigentlich das Volumen des bei einem Ausbruch ausgeworfenen Materials abgeschätzt? Existiert dafür so etwas wie eine vulkanologische Standardformel, wie das aus der Dicke der abgelagerten Schicht zu rekonstruieren ist?

    Der graue und gelbe Tuff haben mich etwas verwirrt. Nach [1] wäre stets der Kampanische Tuff grau und der Neapolitanische gelb. Falls dies korrekt ist, wäre vermutlich im Text einmal grau gegen gelb und einmal gelb gegen grau auszutauschen?

    [1] http://en.wikipedia.org/…ields#Geological_phases

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