Die Schlacht am Harzhorn

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Wenn man auf der Autobahn 7 von Göttingen Richtung Norden fährt, kommt man kurz hinter Northeim nicht nur an den vermutlich genauesten Entfernungsangaben auf deutschen Autobahnen vorbei (Echte 1000 m), sondern auch an einem etwas futuristisch aussehenden Holzbau. Dort, an der parallel zur Autobahn liegenden Landstraße von Echte nach Seesen gelegen, weist dieses Gebäude auf eines der am Besten erhaltenen antiken Schlachtfelder hin. Die alte Landstraße folgt hier (ziemlich grob) alten Wegen durch ein ziemlich unwegsames Gelände. Die Täler zwischen den Höhenzügen waren früher recht sumpfig, so dass man sich in früheren Zeiten besser entlang der Höhe bewegte.

Harzhorn
Das Besucherzentrum zur Schlacht am Harzhorn. Holz und Metall sollen Germanen und Römer symbolisieren, die Ecken stehen für den Konflikt. Eigenes Foto, CC-by-sa 2.0

Bis zur Jahrtausendwende schien es unter den Historikern und Archäologen ausgemachte Sache zu sein, dass sich die Römer nach dem Desaster mit dem abtrünnigen Hilfstruppenkommandeur Arminius um 9 nach Chr. nicht mehr weit ins germanische Hinterland getraut haben. Angaben wie sie in der Historia Augusta zu finden sind, dass Kaiser Maximus Thrax nach seinem Amtsantritt 235 n Chr. 300 bis 400 Meilen von Mainz aus nach Germanien vorgestoßen sei, wies man in das Reich der römischen Propaganda. Das sollte sich erst ändern, nachdem Hobbyarchäologen auf der Suche nach einer mittelalterlichen Burg auf seltsame Fundstücke gestoßen waren. Eines davon hatten sie erst als mittelaterlichen Kerzenständer klassifiziert, waren aber damit nicht ganz zufrieden. Als sie es 2008 in einem Internetforum zeigten und um Meinungen baten, was das sein könnte, wurde es als römische Hipposandale erkannt.

 

Harzhorn
Unterhalb des Schlachtfeldes läuft die alte Chaussee, von der noch altes Kopfsteinpflaster zu erkennen ist. Eigenes Foto, cc-by-sa 2.0

Da stellte sich natürlich die Frage, wie eine römische Hipposandale in die niedersächsische Provinz kommen sollte. Die zuständige Kreisarchäologin wurde daraufhin informiert und es begann eine erste Untersuchung. Diese zeigte sehr schnell, dass es im Bereich des Harzhorns im 3. Jahrhundert zu einer recht umfangreichen militärischen Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen gekommen sein muss. Die Erhaltungsbedingungen sind aufgrund der kalkhaltigen Böden (hauptsächlich Rendzinen) ideal, und so wurden weit mehr als 3000 Einzelfunde geborgen, die zusammen eine ziemlich spannende Geschichte einer römischen Truppe erzählen, die schwer beladen mit ihrem Versorgungstroß und der Kriegsbeute nach einem erfolgreichem Feldzug in Germanien auf dem Heimweg war. Die Germanen kannten das Gelände und wussten, dass hier eine günstige Gelegenheit für einen Überfall war. Sie hofften vielleicht auf eine Chance, einige der Troßfahrzeuge zu erbeuten und eventuell auch einige der gefangenen Sklaven zu befreien. Denn die schweren Wagen mit ihren Zugtieren mussten hier einen Anstieg bewältigen. Nach der Attacke gelang es den Angreifern wohl, Beute zu machen und damit zu fliehen. Ihre Spur lässt sich anhand von Fundstücken verfolgen.

Harzhorn
Ein römischer Legionär in (fast) voller Pracht. 11 Kilogramm brachte das Kettenhemd, 5 Kilogramm der Helm. Eigenes Foto, cc-by-sa 2.0

Es dauerte einige Zeit, bis die römischen Legionäre vom Marschmodus auf Kampf umgestellt hatten und reagiere konnten. Gut 36 Kilogramm Ausrüstung schleppte er mit sich herum und es dauerte vermutlich 6 bis 8 Minuten, bis er schließlich kampfbereit war. Das war also die Zeit, welche die Germanen nutzen mussten. Danach wurde es ungemütlich, davon zeugen die vielen Geschoßspitzen von Torsionsgeschützen, die man am Harzhorn gefunden hat. Die Römer besaßen eine nicht zu verachtende Feldartillerie. Es waren eben diese Torsionsgeschütze, die Ballisten, welche die Beteiligung starker römischer Kräfte an der Schlacht eindeutig machten. Es wird vermutet, dass auf der mittleren Höhe des Berges ein germanischer Sturmangriff in heftiges römische Sperrfeuer geriet. Kenntlich ist das heute durch kleine farbige Fahnen, welche die einzelnen Fundstücke markieren. Je nach Farbe handelt es sich um germanische Funde oder römische, unterteilt in Nahkampf und Fernwaffen. Das macht auch heute noch nach fast 2000 Jahren die Dramatik der Schlacht deutlich.

Harzhorn
Hier am Hang ging es damals heiß her. Die orangen Fähnchen stehen für römische Geschosse, die eventuell einem germanischen Angriff vom Hügel her galten. Eigenes Foto, cc-by-sa 2.0
Harzhorn
Durch diese hohle Gasse mussten sie kommen. Blick vom Besucherzentrum Richtung Norden. Wo heute die Autobahn im tal verläuft, war damals Sumpf. Die Legionen haben wohl den Weg über die Hügelkuppen gewählt, denn hier war es für schweres Gerät wegsamer. Eigenes Foto, cc-by-sa 2.0

Am Ende sorgte wohl die Kavallerie der Römer für eine Entscheidung. Allerdings fühlten die Römer sich trotz ihres Sieges nicht ganz sicher und verließen das Schlachtfeld rasch, so dass die Funde erst in unserer Zeit geborgen werden konnten. Es ist nicht immer ganz leicht, ein so komplexes Fundfeld zeitlich einzuordnen. Aufgrund von Münzen und archäologischen befunden muss die Schlacht aber irgendwann zwischen 228 und 240 n Chr. Stattgefunden haben.Heute ist das Schlachtfeld für Besucher hergerichtet. Die bunten Markierungen zusammen Hinweistafeln weisen darauf hin, was sich vor knapp 2000 Jahren hier zugetragen hat. Ein Besucherzentrum bietet an Sonntagen auch Führungen auf das Gelände an, die wirklich empfehlenswert sind. Die auffällige und futuristisch anmutende Architektur des Besucherzentrums aus Messing und Holz soll auf den Gegensatz der römischen Legion (Metall) und der Germanen (Holz) hindeuten. Seine Spitzen und Kanten sollen die Waffengewalt symbolisieren. Gleichzeitig kann man von einem Balkon aus die Autobahn 7 sehen, die grob dem Weg der Römer folgt (allerdings viel weiter im Tal, für die Autobahn ist hier eigens ein Damm in dem sumpfigen Gelände aufgeschüttet worden).

Harzhorn
Hier wurde ein gut erhaltenes Kettenhemd gefunden. Sorgsam zusammengelegt wartete es auf einen Besitzer, der niemals kam. Eigenes Foto, cc-by-sa 2.0

Mir hat der Besuch sehr viel Spaß gemacht.

 

http://www.roemerschlachtamharzhorn.de/

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

2 Kommentare

  1. Wieder ein sehr interessanter Beitrag. Gibt es eine Vorstellung, wieviel Menschen an der Schlacht beteiligt gewesen sein könnten? Hunderte? Tausende?

    • Wenn ich die Einlassungen des Guides richtig verstanden habe, dann hat sich das römische Heer in mehreren Marschsäulen bewegt, wenn es in Feindesland unterwegs war. Am Harzhorn ist mindestens eine dieser Marschsäulen verwickelt worden. Die Anzahl der beteiligten Römer wird irgendwo zwischen 1000 Mann (ca. 2 Kohorten) bis etwa Legionsstärke geschätzt, also irgendwo zwischen 4000 und 6000, eventuell auch 9000 Mann.

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