Haben sich die Ammoniten von Plankton ernährt?

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ResearchBlogging.org Neben den Dinosauriern (und eventuell den Trilobiten) gehören sie wohl mit zu den bekanntesten ausgestorbenen Tieren, die Ammoniten. Die meist schneckenartig aufgerollten Gehäuse dieser mesozoischen Kopffüßer finden sich in fast jeder Fossilsammlung. Häufig hatten sie einen Durchmesser von einigen Zentimetern, aber es gab auch regelrechte Giganten unter ihnen, wie zum Beispiel Parapuzosia seppenradensis, dessen Steinkern alleine einen Durchmesser von 174 Zentimetern hat. Vermutlich war das Tier noch um einiges größer.

Historische Rekonstruktion lebender Ammonitentiere von Heinrich Harder, vermutlich um 1916. Als überholt gilt die Deutung der Arme als Cirren und der Anaptychen als Gehäusedeckel. Wikimedia.

Ihr häufiges Vorkommen in mesozoischen Gesteinen zusammen mit ihrer raschen morphologische Evolution haben sie zu einem wichtigen Werkzeug in der Stratigraphie mariner mesozoischer Sedimente werden lassen, zu so genannten Leitfossilien. Sie dienen dabei der relativen Altersbestimmung der Gesteine, in denen sie zu finden sind. Obwohl sie aber so häufig zu finden sind, ist ihre ökologische Rolle in den längst untergegangenen Welten des mesozoischen Meeres, von ihrem ersten Auftreten im Unterdevon bis zu ihrem Verschwinden am Ende der Kreidezeit, noch ziemlich unbekannt. Das liegt zum größten Teil daran, dass sie ohne einen modernen Nachfahren verschwunden sind. Denn auch wenn die rezenten Vertreter der Perlboote, der Gattung Nautilus, den Ammoniten recht ähnlich sehen, sind sie nur sehr weitläufig miteinander verwandt. Diese ernähren sich heute räuberisch zum Beispiel von kleinen Krebsen, aber ob auch die Ammoniten so lebten, ist fraglich.

Jetzt hat ein französisch-amerikanisches Team um Isabelle Kruta die Ernährung von 3 Exemplaren der Gattung Bakulites (einem nichtaufgerollten Ammoniten mit geradem Gehäuse) einmal unter die Lupe genommen. Dazu haben sie an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble, Frankreich, mit Hilfe der Synchrotron Mikrotomographie dreidimensionale Röntgenbilder der Mundwerkzeuge angefertigt. Zur Überraschung wurden dabei nicht nur die Kiefer und die Radula, sondern vermutlich auch Überreste der letzten Mahlzeit dieser Kopffüßer gefunden. Es handelte sich dabei um planktonisch lebende Asseln (Isopoda) und Schalenreste von Larven benthischer Schnecken, die in diesem Stadium wohl ebenfalls planktonisch lebten. Diese fossilen Überreste wurden nur in der Mundregion der Ammoniten gefunden. Das bedeutet, sie haben ihn mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erst nach seinem Tod besiedelt, denn sonst wären sie sicher auch an anderen Orten im Ammoniten zu finden gewesen.

 

Die Unterkiefer von Bakulites und die Radula spiegeln die angenommene Ernährung wieder. Der Unterkiefer, Aptychus, besteht aus einem Paar schaufelförmiger, kalkiger Platten, mit einem Schlitz in der Mitte. Der Oberkiefer ist erheblich kleiner als der Unterkiefer, und die Radula besaß schlanke Zähne, welche das Fressen kleiner Beute ermöglichte. Ein scharfer Schnabel, wie ihn räuberische Cephalopoden häufig haben, fehlt. Dabei fällte die Ähnlichkeit der Mundwerkzeuge mit dem heutigen Papierboot (Argonauta argo) auf, dem ebenfalls der scharfe Schnabel fehlt. Papierboote ernähren sich von Quallen und Kleinkrebsen. Die Radula von Bakulites ähnelt der von Vertretern der Familie Pterotracheoidea, frei schwimmenden Schnecken, die sich vom Plankton ernähren.

 

Bakulites hat also seine planktonische Nahrung im offenen Wasser gefunden, und nicht größeren Lebewesen am Meeresboden nachgestellt, wie man es lange Zeit für Ammoniten, analog zum heutigen Nautilus, angenommen hat. Das gilt vermutlich auch für andere aptychophore Ammoniten, die in der Kreidezeit weit verbreitet waren. Kruta et al. sehen in dieser Ernährungsweise auch das Geheimnis ihres Aussterbens bzw. des Überlebens der recht ähnlichen Nautiliden erklärt. Der Asteroideneinschlag, welcher die Kreidezeit und mit ihr das Mesozoikum beendete, ließ das Plankton in den Weltmeeren sterben. Die von ihm abhängigen Ammoniten verhungerten, während die räuberischen und aasfressenden Nautiliden immer noch genug zu fressen fanden. Dabei wird aber übersehen, dass andere Gattungen der Ammoniten (z. B. der Familien Phylloceratidae und Lytoceratina), deren Mundswerkzeuge denen der Nautiliden stärker ähnelten, und die vermutlich eine sehr ähnliche Art des Nahrungserwerbs zeigten, ebenfalls am Ende der Kreidezeit ausstarben, während die Nautiliden aus der Katastrophe als Überlebende hervorgingen. Damit ist die Ernährungsweise der adulten Tiere als einziger Grund für das Hinscheiden der Ammoniten und das Überleben der Nautiliden wohl etwas zu eindimensional gedacht, und würde nur gelten, wenn alle Ammoniten dieselbe Lebensweise gehabt hätten, was aber wohl nicht sehr wahrscheinlich ist. Zumindest als adulte, erwachsene Tiere. Denn frisch geschlüpfte mesozoische Ammoniten hatten sehr kleine Gehäuse, verglichen mit denen frisch geschlüpfter moderner Nautiliden. Sie hatten nur Gehäusedurchmesser von rund 0,5 bis 1,8 mm. Das könnte bedeuten, dass die Ammoniten eine große Zahl sehr kleiner Eier legten (oder in diesem Fall wohl in das Plankton gaben), und dass die Larven sich von Plankton ernährten. Das wieder könnte dann am Ende der Kreidezeit den Effekt gehabt haben, dass die Ammoniten durch das verschwinden des Planktons empfindlich getroffen wurden und schließlich ausstarben, nachdem sie rund 340 Millionen Jahre lang in den Meeren der Erde überlebt hatten.

Parapuzosia seppenradensis, der größte Ammonit der Welt, ich habe mich mal als Maßstab danebengestellt. Da es sich um einen Steinkern (und um ein Bruchstück davon) handelt, war das ursprüngliche Tier wohl um einiges größer.

Und so in etwa hat man sich das lebende Tier vorzustellen. Beides eigene Fotos.

 

Kruta I, Landman N, Rouget I, Cecca F, & Tafforeau P (2011). The role of ammonites in the mesozoic marine food web revealed by jaw preservation. Science (New York, N.Y.), 331 (6013), 70-2 PMID: 21212354

 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. viele neue Infos zum Ammoniten

    Hallo Herr Ries,
    vielen Dank für den informativen und hintergründigen Artikel über die fantastischen Ammoniten. Soviel Neues über meine Lieblinge habe ich schon lange nicht mehr gelesen.
    Der Riesenammoniten ist schon sehr beeindruckend.

  2. Sehr geehrter Herr Ries,
    mein Sohn Charalampos, 9 Jahre alt, möchte gerne wissen, wie viele Nachkommen Nautiliden, bzw. das Perlboot, haben. In den Tierlexika und im Internet konnten wir keine Antwort darauf finden.

    Über eine Antwort würden wir uns sehr freuen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Charalampos und Sylvia Papadopouloa

    • Da bin ich leider ein wenig überfragt.Kopffüßer setzen normalerweise auf eine hohe Anzahl von Nachkommen. Sie unterscheiden sich von den anderen Kopffüßern jedoch durch eine vergleichsweise hohe Lebensspanne. Während “normale” Kopffüßer nur rund 1 Jahr alt werden und nach der Eiablage sterben, leben Nautiliden rund 4 Jahre und können in dieser zeit auch mehrmals Eier legen. Anfang der 1990´Jahre wurden einige Nautiliden vor Neukaledonien (Nautilusmacromphalus) gefangen und in einem Aquarium gehalten. Dort legten sie im Zeitraum vom Mai 1992 bis März 1995 rund 278 Eier. Ich weiß aber nicht, ob sich diese Zahl auf ein Weibchen oder mehrere bezieht, noch wie viele Eier jeweils auf einmal gelegt wurden.

      Jedenfalls scheint die Sterblichkeit bei den Eiern sehr hoch gewesen zu sein, aus nur 19 Eiern schlüpften nach 268 bis 362 Tagen Jungtiere (Wassertemperatur dabei zwischen 22° und 24°C).

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