Halbwissen schützt vor Schwurbelei nicht

BLOG: Mente et Malleo

Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
Mente et Malleo
Mangelhaftes Grundwissen und Halbwissen ist, wenn man unbedingt darauf eine eigene Theorie aufbauen will, meist nicht besonders förderlich. Das kann schnell dazu führen, dass man Dinge verknüpft, die absolut nichts miteinander zu tun haben. So wie Andreas Thiel es in den Video zum Beispiel mit Schatten, Photosynthese und grünen Wellensittichen macht.

Das kann allem Anschein nach auch Akademikern passieren. Ein gutes Beispiel ist hier Claudia von Werlhof, einer Professorin der Universität Innsbruck. Sie ist der Meinung, dass das Erdbeben von Haiti mittels HAARP ausgelöst wurde, um den Amerikanern einen Grund für einen Einmarsch zu geben. Florian Freistetter hat  den Fall sehr schön seziert. So ein bisschen muss ich aber hier auch noch meinen Senf dazu geben. Denn es zeigt sich hier meiner Meinung nach exemplarisch, wie man mit Halbwissen, Allgemeinplätzen und etwas Ideologie schnell ein verschwörungstheoretisches Weltbild zimmern kann. Leider machen dabei auch Journalisten nicht immer eine gute Figur. Das zeigt schon die Bericht auf ORF tirol:

Künstliche Erdbeben um Erdöl aufzuspüren Maschinen, die künstliche Erdbeben auslösen, sind Ausgangspunkt für die heftigen Diskussionen. Solche Maschinen sollen in einem Militärforschungszentrum in Alaska existieren und dazu benutzt werden, Erdölreserven aufzuspüren.

Diese ominösen Maschinen sollen also (angeblich) in einem Militärforschungszentrum in Alaska stehen. Dabei ist erst einmal nichts dubioses und verschwörerisches an derartigen Maschinen. Diese Verfahren, künstliche Bebenwellen zum Erkunden des Untergrundes und zum Aufspüren von Rohstoffen zu nutzen, ist eines der Standardverfahren in der Exploration, also dem Finden von Rohstoffen. Dazu benutzt man entweder Sprengungen oder spezielle Fahrzeuge mit Vibratoren sowie einer Reihe von Geofonen, welche die erzeugten Wellen aufzeichnen.

Vibroseis-Fahrzeug in München, Horemu CC-by-sa 3.0

Wie man unschwer sehen kann, ist daran also nichts geheimnisvolles. Wenn man aber, wie in dem Beispiel von Andreas Thiel, jetzt Dinge verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben, dann kommt man schnell auf eine seltsame Schiene. Frau von Werlhof hier verknüpft diese normale Explorationsseismik mit den Verschwörungstheorien um HAARP, und heraus kommt dann die Idee einer Erdbebenwaffe. Die Sache ist an sich nichts neues, um HAARP drehen sich eine Menge abgedrehter Verschwörungstheorien, die auch nicht abwegiger sind. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie jeglicher physikalischer und geophysikalischer Grundlage entbehren. Daher erstaunt es mich ein wenig, dass Frau von Werlhof sich darüber wundert, wenn ihr Institutsleiter ihr institutsschädigendes Verhalten vorwirft. Von einer akademisch gebildeten Person, wie sie es ist, sollte man eigentlich erwarten können, dass sie sich über die Grundlagen der Dinge informiert, über die sie sich öffentlich(!) äußert. Sie scheint sich auch nur wenig mit den geophysikalischen Grundlagen des Bebens von Haiti befasst zu haben, denn diese kommen in ihrer Argumentation nicht vor. Im Gegenteil:

Den Grund, den Herr K. für das Eintreten dieses angeblichen Schadens genannt hat, ist meine Aussage in einem Interview im Standard, Wochenendausgabe 13./14.2.2010 zum Thema Krise: „Wo ist das Geld?“, in dem ich unter der Überschrift „Kapitalismus, ein Zerstörungsprojekt“ am Schluss darauf hingewiesen habe, dass das Erdbeben in Haiti womöglich kein natürliches, sondern ein mechanisch produziertes gewesen sein könnte. Dies wird jedenfalls international diskutiert.

Nein, in den Fachkreisen, und nur um die geht es, wird genau das nicht diskutiert. Wenn sie aber de Kreise der Verschwörungstheoretiker meint, die das durchaus diskutieren, muss ihr eines klar sein: Diese Kreise sind wohl kaum einer wirklich ernst zu nehmende Quelle. Auch nicht, wenn sie der Präsident von Venezuela sind. Wer sich auf so dubiose Quellen stützt (im anderen Fall sollte sie schlicht seriöse Quellen nennen), der darf sich eigentlich nicht wundern, wenn der Ruf leidet.
Und von einer akademisch gebildeten Person darf man doch sehr wohl etwas mehr erwarten, oder?

Dabei habe ich nichts Geringeres als die theoretisch, ja paradigmatisch völlig neue Sicht der in Innsbruck in über 20 Jahren entstandenen „Kritischen Patriarchatstheorie“ auf die Neuzeit und Moderne als „kapitalistisches Patriarchat“ und historisch tief verankertes Projekt einer „Schöpfung aus Zerstörung“ vertreten, die es inzwischen objektiv nötig macht, der – an ihre dadurch nun auftretenden Grenzen geratenen – westlichen Zivilisation eine Alternative entgegen zu setzen.

Whow! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Vielleicht ist Frau von Werlhof ja mal so freundlich und erklärt uns Geowissenschaftlern, was diese "kritische Patriarchatstheorie" über die Entstehung von Erdbeben so aussagt. Die geophysikalischen Theorien über die Entstehung von Erdbeben allgemein und die Daten zum Beben in Haiti lassen jedenfalls wenig (nein eigentlich sogar keinen) Spielraum für eine künstliche Auslösung. Die Herdflächenlösung des Bebens zeigt ganz eindeutig den Zusammenhang mit einer Transversalverschiebung, eine solche liegt mit der Enriquillo-Plantain-Garden-Verwerfung vor, der Abschnitt des Bebens war seit über 200 Jahren verdächtig ruhig. man kann sogar so weit gehen, dass dieses Erdbeben von den Geophysikern regelrecht vorhergesagt wurde (ich werde irgendwie das Gefühl nicht ganz los, dass auch diese Tatsache in die Verschwörungstheorien ihren Eingang finden wird).

Der bahnbrechende Fortschritt, den die Kritische Patriarchatstheorie damit für die Wissenschaft bedeuten könnte, wird angesichts eines angeblich anderen „Wissenschaftsverständnisses des Instituts“ also von dessen Leiter noch nicht einmal bemerkt

Oh ja. Da sollte sie vielleicht mal dran Arbeiten. Ich persönlich kann keinen "bahnbrechenden Fortschritt" dieser Theorie in Bezug auf die Geophysik erkennen. Und Erdbeben sind  nun einmal Gegenstand der Geophysik. Ich gehe sogar so Weit und hege arge Zweifel, dass es sich bei dieser "kritischen Patriarchatstheorie" um eine wissenschaftliche Theorie im engeren Sinne handelt. Schlicht und einfach aus dem Grund, weil wohl kaum eine Theorie aus der Politikwissenschaft so ohne Weiteres einen Geltungsbereich in der Geophysik beanspruchen kann (oder in der Biologie, der Astronomie oder der Chemie etc.). Es ist meiner Meinung nach eigentlich ein gutes Zeichen für pseudowissenschaftlichen Unsinn, wenn Theorien so deutlich über ihren ursprünglichen Erklärungsbereich hinaus Anwendung finden sollen und am Schluss quasi als einfache Erklärung zu einer „Theorie für Alles“ werden.

Wie, wenn es stimmt, wenn Haiti tatsächlich nicht durch ein natürliches Beben zerstört worden wäre? Diesen furchtbaren Verdacht, der mir die Haare zu Berge stehen lässt, kann man doch nicht im Raume stehen lassen.

Wie, wenn Frau von Welhof sich einmal mit einem Geophysiker darüber ausgesprochen hätte? Ist es für kritische PatriarchatstheoretikerInnen so ein Problem, sich über Dinge zu informieren, über die man sich öffentlich äußern möchte? Oder besteht vielleicht doch ihre ganze Sache darin, möglichst unbelastet von Basiswissen Ideen zusamenzuzimmern, egal ob sie irgendeinen Bezug zur erfahrbaren Realität haben, oder eben nicht? Aber, so stellt sich mir die Frage, wie will sie den  Ernst genommen werden, wenn sie genau das nicht tut? OK, so wie sich ihr Text für meine Augen darstellt, sieht sie jegliche Kritik als Beleg für eine chauvinistische Verschwörung gegen sich. Ich kann ihr aber gerne versichern, auch wenn sie ein Mann wäre, ich hätte den selben Text verfasst.

„Moralisch“ besteht die Möglichkeit, dass die Haiti-These stimmt, technisch angeblich auch (das HAARP in Alaska und seine Möglichkeiten, wie z.B. auch der Wettermanipulation, sind seit langer Zeit bekannt, z.B. auch dem EU-Parlament, und politisch – geopolitisch, ressourcenpolitisch – erst recht, wenn es nämlich stimmt, dass vor Haiti und Cuba riesige Ölvorkommen entdeckt wurden. 

Auch hier wieder der Hinweis auf verschwörungstheoretische Quellen. Die besagte Anhörung des EU-Parlaments fand am 5. Februar 1998 statt. Einziger Befragter, obwohl auch Vertreter der USA und NATO eingeladen waren, bei dieser Anhörung war der Buchautor und Geschäftsmann Nick Begich jr.. Er vertritt die Meinung, dass die HAARP-Anlage für „geophysikalische Kriegsführung“ genutzt werden könne. Er beruft sich dabei auf ältere erteilte amerikanische Patente, die jedoch aufgrund von Einschränkungen nicht realisierbar sind. Patente können in den USA unabhängig von ihrer Realisierbarkeit erteilt werden. So soll bei einem der von Begich genannten Patente etwa ein Drittel des Strombedarfs der gesamten USA für eine derartige Anlage zur Verfügung stehen müssen. Das Ergebnis dieser Anhörung ging in einen Entschließungsantrag an das Europäische Parlament ein, in dem Bedauern über die Informationspolitik der USA bezüglich HAARP und der Bedarf nach weiterer unabhängiger Forschung zu den Auswirkungen von HAARP ausgedrückt wird. Das als Beleg fürd die Existenz einer "Erdbebenwaffe" zu nehmen oder gar für einen Angriff der USA auf Haiti mit dieser Waffe, ist mehr als nur dünn.

Und was bittte soll die Bemerkung „Moralisch“ besteht die Möglichkeit, dass die Haiti-These stimmt,…“? Soll das so viel heissen wie: Wenn sich auch die Fakten meiner These verweigern, so bin ich moralischer Sieger über die Realität!? Oder ist das nur eine der Worthülsen, mit der hier Ahnungslosigkeit vor dem werten Publikum kaschiert werden soll?

Auch faktisch könnte vieles darauf hinweisen, wie z.B. die Tatsache, dass in der gleich angrenzenden Dominikanischen Republik keinerlei Folgen dieses Erdbebens registriert wurden, 

Leider hat Frau von Werlhof es verpasst, sich über Erdbeben zu informieren. Hier besonders über die Ausbreitung von Erdbebenwellen. Ein Beben der Stärke 7.0 hat nicht unbedingt so überregionale Auswirkungen. Ein einfacher Blick zum USGS hätte da schon geholfen.

Karte der Intensitäten des Erdbenens von Port-au-Prince vom 12. Januar 2010, USGS

Wie man unschwer erkennen kann, reichen die Intensitäten oberhalb von VII und VIII, sie sind anders als die Magnitude von der Auswirkung des Bebens auf die Landschaft und künstliche Strukturen abhängig, nicht weit vom Epizentrum weg.
oder die logistische Meisterleistung, 10.000 US-Soldaten bereits 3 Tage nach dem angeblich so überraschenden Beben organisiert einmarschieren und die Macht in Haiti übernehmen zu lassen.
Wenn ich mir die Unternehmungen der US Army in den letzten Jahrzehnten so anschaue, dürfte das diese wohl kaum vor nennenswerte Herausforderungen gestellt haben. Und egal, wie man den Amerikanern gegenüber eingestellt ist. Irgendjemand musste in Haiti was unternehmen, der Staat Haiti, der ja schon vor dem Erdbeben nicht sonderlich effizient organisiert war, war bei dem Edbeben weitgehend kollabiert. Präsident  Préval wusste in den ersten Tagen ja noch nicht einmal, welche seiner Minister überlebt und welche seiner Behörden nicht vollständig eingestürzt waren. Schon vor dem Beben wurde Haiti vom Fund for Peace als Schwacher Staat, von Foreign Policy sogar als gescheiterter Staat klassifiziert. 

Ohne dass also auswärtige Kräfte quasi eine Art Gewaltmonopol herstellten, hätten es viele Hilfsorganisationen sehr schwer gehabt, effiziente Hilfe vor Ort leisten zu können. daraus aber eine Verschwörung zu stricken, ist ein klein wenig dünn, wenn nicht sogar boshaft den USA gegenüber.

Mein Wissenschaftsverständnis orientiert sich an der erfahrenen Realität und nicht an irgendwelchen Kalkülen.

Das wäre mir ohne diesen Hinweis wirklich nicht aufgefallen. Gut, dass sie es sagt. Schlecht, dass sie es allem Anschein nach bei Worten belässt und daraus keine Konsequenzen zieht. Wie wäre es also, hier mal einen Realitätscheck zu machen. Geophysiker soll es ja sogar in Innsbruck geben, auch wenn sie sich weniger mit Seismik beschäftigen. Mir scheint hier doch Anspruch und Wirklichkeit ein klein wenig auseinanderzudriften.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

1 Kommentar

  1. eu-ausschuss

    die Ausschuss die damit beauftragt war HAARP zu untersuchen hat führende Persönlichkeiten der NATO, US-army und die akademische Wissenschaft eingeladen. Niemand ist aufgetaucht. Und im nachhinein heisst es, die Untersuchung sei so einseitig…diese Strategieen sind leider alzu bekannt. o(z.B. Gen-technik)

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