Heute vor 106 Jahren gefunden – der Cullinan Diamant

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Als die Elandsfontain Farm in Südafrika noch Willem Prinsloo gehörte, war ein eine geologische Erkundung nicht zu denken. Aber nach dem Tod des Farmers kaufte Thomas Cullinan die Farm für 52 000 britische Pfund und ließ die Premier (Transvaal) Diamond Mining Company Limited am 1. Dezember 1902 registrieren. Der Abbau in der Mine, die zu den produktivsten in Südafrika gehören sollte, begann kurz darauf.

Eines Nachmittags am 26. Januar 1905, befand sich der Produktionsleiter Captain Frederick Wells auf einer Routineinspektion. In rund 9 Metern tiefe im Schacht erregte etwas in der Schachtwand seine Aufmerksamkeit. Ein heller Kristall, der dort glitzerte. Wells dachte zuerst, die Minenarbeiter hätten sich einen Scherz erlaubt, und dort an der prominenten Stelle ein Stück Glas hineingesteckt. Obwohl er sich sicher war, dass der Fund wertlos war, nahm er den rund 621 Gramm schweren Stein mit und ließ ihn untersuchen. Es stellte sich heraus, dass es sich hier um einen 3106 Karat großen rohen Diamanten in Schmucksteinqualität handelte, mehr als doppelt so groß wie jeder bis dahin gefundene Diamant. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass der Stein ursprünglich noch größer gewesen ist. Eine Seite ist nämlich glatt, als wenn der Diamant hier auf natürliche Weise gespalten wurde.
Der Fund wurde nach dem Minenbesitzer, Thomas Cullinan, benannt und für 150 000 Pfund an die Regierung von Transvaal verkauft. Frederick Wells erhielt 3500 Pfund Belohnung. Der Premierminister von Transvaal, Louis Botha schlug vor, den Stein dem englischen König, Edward VII, zu schenken. Die Stimmung war jedoch nach dem Burenkrieg nicht gerade günstig, und erst nach längeren Debatten und dem fürsprechen von Winston Churchill stimmte der König zu. Churchill erhielt für seinen Einsatz eine Replik des Steins, die er später bei besonderen Anlässen gerne zeigte.

 

Der Transport des Steines von Südafrika nach England stellte ein enormes Sicherheitsproblem dar. Man fürchtete, der Stein könne auf dem Wege gestohlen werden. Daher wurde das Dampfboot, welches die wertvolle Fracht transportieren sollte, mit großem Sicherheitsaufgebot ausgestattet. Es transportierte dennoch nur eine Nachbildung. Das Original wurde in einer schlichten Kiste mit der englischen Post verschickt. Auch beim Spalten des Steines, welches alleine schon aufgrund der Menge an Steinen wichtig war, die aus dem Fund hergestellt werden konnten, gestaltete sich als nicht sehr einfach. Es wurde einer der besten Schleifer seiner Zeit damit beauftragt, I.J. Asscher and Company in Amterdam. Drei Monate brauchte er für die Vorbereitung, aber als es soweit war und er die Spaltklinge ansetzte, zerbrach die Klinge. Beim zweiten Versuch, so wird berichtet, sollen ein Arzt und eine Krankenschwester anwesend gewesen sein. Diesmal spaltete sich der Stein perfekt, und Asscher soll anschliessend in Ohnmacht gefallen sein, andere Quellen behaupten sogar, er wäre Tod umgefallen, beide Geschichten gehören aber wohl in das Reich der Mythen. Die beiden Stücke, 1977,5 und 1040 Karat groß, wurden weiter gespalten und anschliessend geschliffen, bis 9 größere und 96 kleinere Brillianten nebst 9,5 Karat ungeschliffener Reste übrig blieben.

 

Anlässlich seines 66. Geburtstags am 9. November 1907 wurden die beiden größten Steine dem englischen König überreicht. Anschliessend kaufte er den Cullinan VI, einen 11,5 Karat großen Stein, für Queen Alexandra. Die restlichen Steine blieben bei dem Schleifer als Lohn, wurden aber ebenfalls von der britischen Krone aufgekauft.

Die einzelnen Steine:

Cullinan I Der größte Stein wiegt 530,2 Karat (106,04 g) und ist unter dem Namen Der große Stern von Afrika (Great Star of Africa) bekannt geworden. Er wurde birnenförmig/tropfenförmig geschliffen und in das königliche Zepter von König Edward VII. eingearbeitet. Er misst 53 x 44 x 29 mm und besitzt 76 Facetten (einschließlich Kalette und Tafel). Als Besonderheit kann der Diamant aus dem Zepter herausgenommen und als Nadel oder Anhänger getragen werden.

Cullinan II (auch Kleinerer Stern von Afrika) (Lesser Star of Africa) ist ein kissenförmig geschliffener Diamant und wiegt 317,4 Karat (63,48 g). Er wurde mittig in die Stirnplatte der britischen Königskrone (Imperial State Crown) gesetzt.

Cullinan III wiegt 94,4 Karat (18,88 g) und wurde birnenförmig/tropfenförmig geschliffen. Er kam zusammen mit Cullinan IV 1911 in die Krone von Königin Mary. Cullinan III und IV können zusammen als Anhänger/Brosche getragen werden.

Cullinan IV wiegt 63,6 Karat (12,72 g) und wurde quadratisch geschliffen. Er befindet sich heute im Band der Krone von Königin Mary.

Restliche

  • Cullinan V: 18,5 Karat (3,7 g); heute in einer Brosche
  • Cullinan VI: 11,5 Karat (2,3 g)
  • Cullinan VII: 8,8 Karat (1,76 g); heute in einer Brosche
  • Cullinan VIII: 6,8 Karat (1.36 g); heute in einer Brosche
  • Cullinan IX: 4,39 Karat (0,878 g); heute in einem Ring

 

Warum wurde der Stein gespalten, und nicht als Ganzes geschliffen? Der Stein zeigte zwar eine erstaunliche Klarheit, aber auch Anzeichen für interne Spannungen. Diese hätten ihn, wenn man ihn als Ganzes geschliffen hätte, möglicherweise unkontrolliert zerspringen lassen. Daher war es sinnvoll, ihn so zu spalten, dass die internen Spannungen möglichst gering sind. Außerdem versucht man beim Schleifen möglichst wenig Ausschuss zu produzieren. Das wäre bei dem Stein in seiner natürlichen Form nicht so ohne weiteres möglich gewesen. Indem man ihn aber in insgesamt 105 Steine aufspaltete, konnten möglichst viele geschliffene Steine produziert werden und der Anteil an unschleifbarem Abfall war gering.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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