Der Boden des Jahres 2013 – Plaggenesch

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Der diesjährige Boden des Jahres stellt eine kleine Besonderheit dar. Denn es handelt sich nicht um einen “natürlich” gewachsenen Boden, sondern einen durch menschliche Eingriffe gekennzeichneten, den Plaggenesch.

Das ist in diesem Fall nichts schlechtes, der Mensch greift eigentlich seit langer Zeit in die Böden ein, seit der Erfindung der Landwirtschaft. Aber es handelt sich hier nicht um einen gewöhnlichen Ackerboden, sondern quasi auch um ein Kulturdenkmal, das allerdings in der heutigen zeit immer seltener wird. Wohl schon seit beginn der landwirtschaftlichen Aktivitäten des Menschen hat sich dieser darüber Gedanken gemacht, wie er die Erträge seiner Äcker nicht nur sicherstellen, sondern auch steigern kann. Und aus diesem Grund wurden verschiedene Methoden der Bewirtschaftung erfunden, wie zum Beispiel die Dreifelderwirtschaft.

Plaggenesch über Podsol

Profil eines Plaggeneschs mit 40 bis 50 cm Auflage über fossilem Podsol. In der Nähe von Engter / Osnabrück. By Begonia (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons.

Die Plaggenwirtschaft war eine andere Methode, die besonders im Nordwesten Deutschlands auf der Geest eine bedeutende Rolle spielte. Die natürlichen Böden der Geest sind meist nährstoffarme Sandböden, die sich bei den hier herrschenden mittleren bis hohen Niederschlägen zu Podsolen entwickelt haben (seltener kommen Plaggenesche auch auf Brauerden oder Moorböden vor). Diese Podsole stellen keine guten Ackerstandorte dar. Und vor der Erfindung mineralischer Dünger musste man sich halt etwas anderes einfallen lassen, um die Erträge der Böden zu halten oder gar zu steigern.

Ab dem 10. Jahrhundert kam man auf die Idee, in den (meist dorfferneren) als gemeines Land genutzten Allmende oder auch Mark die Gras- Kraut oder auch Strauchsoden mitsamt ihrem Wurzelwerk und dem anhaftenden Bodenmaterial zu entfernen und als Streu in die Viehställe zu verbringen. Hier wurde es mit dem Kot der Tiere (und oft auch mit anderem Material wie Abfällen, Holzkohle oder Küchenabfällen) angereichert, anschließend kompostiert und am Schluss als Dung auf die dorfnahen Felder gefahren. Diese Felder in der Nähe des Dorfes wurden auch als Esch bezeichnet. Oft kann man noch heute anhand der Farbe des Plaggeneschs auf die Herkunft der Plaggen schließen. So überwiegen beim grauen Plaggenesch die Heide-, beim braunen Plaggenesch die Wiesenplaggen.

Dies führte über de Zeit zu zwei entgegen gesetzten Entwicklungen. Die Eschs wurden aufgrund der ständigen Materialzufuhr immer höher (Hochäcker) und verbesserten dabei ihre Standortbedingungen für die Feldfrüchte. Auch heute noch zeigen Plaggenesche höhere Bodenwertzahlen und zeigen erhöhte Werte der Nährstoffe wie Phosphor (Kot) und Kalium (durch Asche). Die zusätzliche Anreicherung mit organischer Substanz verbesserte auch den Nährstoff- Wasserhaushalt der Böden. Für die abgeplaggten Bereiche war die Methode hingegen verheerend. Sie verarmten zusehends und waren, zumindest in der Zeit nach dem Abplaggen, der Erosion durch Wind und Wasser schutzlos ausgesetzt. Oft gingen die Boden- und Nährstoffverluste so weit, dass sich in weiten Bereichen Wanderdünen bildeten. Auch weite Bereiche der heute als Ausflugsziel beliebten Heidegebiete rühren (zumindest teilweise) von dieser (naturnahen) Bodenbearbeitungsmethode her.

Früher wurden die Plaggenesche hauptsächlich für den Roggenanbau genutzt. Die Methode setzt auch Zeitlich mit dem Aufkommen des kontinuierlichen Roggenanbaus ein. Heute finden sich auch Kartoffeln und zunehmend Mais auf ihnen. In einigen Bereichen sind die Plaggenesche auch gute Böden für Baumschulen. Bei der Entnahme der Bäume mit ihren Ballen findet aber immer auch ein Materialverlust statt, der den Plaggenesch mit der zeit verschwinden lässt.

Die Plaggenwirtschaft endete ziemlich abrupt mit der Einführung des Mineraldüngers im 20. Jahrhundert. Dieser mag den Landwirt vielleicht etwas teurer gekommen sein, als die Plaggen, aber er sparte sich die harte Arbeit des abplaggens. Spätestens in den 30´er Jahren des letzten Jahrhunderts endete damit diese traditionelle Ackermethode und die Plaggenesche sind landwirtschaftliche und kulturelle Relikte.

Aufgrund ihrer meist dorfnahen Lage sind sie zuletzt stark durch Baumaßnahmen gefährdet. Besonders in der Nähe größerer Städte sind viele Plaggenesche bereits verschwunden oder versiegelt. Und nicht nur durch die weitere Nutzung verschwindet dieser Bodentyp. Die Natürliche Entwicklung der Böden, die siuch zumeist auf Podsolen befinden, wird im Laufe der Zeit auch wieder zu Podsolen führen. Dies alles wird in Zukunft dazu führen, dass der Plaggenesch als Boden einer bestimmten Epoche und landwirtschaftlichen Methode langsdam aber sicher immer seltener wird. Dabei ist er nicht nur als Ackerboden interessant. Mit den Plaggen sind auch viele Artefakte mit auf die Felder verbracht wirden, die uns heute noch viel über das Leben auf dem land im Mittelalter und der frühen Neuzeit erzählen. Geschützt in Plaggeneschen konnten diese archäologischen Relikte bis in unsere Zeit überdauern.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

5 Kommentare

  1. Plackerei

    „…aber er sparte sich die harte Arbeit des abplaggens“. Harte Arbeit – kommt da vielleicht des Wort „Plackerei“ her? Wo ist ein Etymologe, wenn man einen braucht? 😉

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