Schwere Erdbeben vor Sumatra

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Heute um 10:38 MESZ hat es im Meer rund 435 Kilometer vor der Küste Sumatras (Indonesien) ein schweres Seebeben mit der Magnitude 8,6 gegeben, dem um 12:43 MESZ ein Nachbeben der Magnitude 8,2 folgte. Die Gegend dürfte vielen noch in unguter Erinnerung sein, denn unweit des heutigen Bebens ereignete sich am 26. Dezember 2004 ein schweres Erdbeben der Magnitude 9,1. Der daraus resultierende Tsunami tötete mehr als 230 000 Menschen an den Küsten des Indischen Ozeans.

Anders als damals wurde sofort nach den Beben eine Tsunami Warnung herausgegeben. Doch diesmal konnte die Warnung schon bald darauf aufgehoben wurden, denn es trafen keine Tsunami auf die angrenzenden Küsten. Warum haben die heutigen Erdbeben anders als das Weihnachtbeben von 2004 keine nennenswerten Tsunamis erzeugt?

Da wären einmal die Unterschiede in der Stärke. Magnitude 8,6 und 8,2 sind stark, aber ein Beben mit der Magnitude 9,1 ist deutlich stärker. Die Magnituden-Skala ist logarithmisch. Die freigesetzte Energie der Erdbeben hätte aber durchaus für Tsunamis ausgereicht. Viel bedeutender war der hinter den Erdbeben stehende Mechanismus. War das Erdbeben Weihnachten 2004 ein typisches Subduktionszonen-Erdbeben, bei dem die Erdkruste sich vertikal bewegt und damit die Energie des Erdbebens sich gut auf das darüber befindliche Wasser überträgt.

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Der Ort des Epizentrums und Herdflächenlösung des heutigen Hauptbebens. Man kann gut erkennen, dass es sich deutlich auf der ozeanischen Kruste befindet. Die Subduktionsbeben, zu denen auch das Erdbeben vom 26. Dezember 2004 gehörte, liegen auf der anderen Seite der Plattengrenze (lila Linie) und zeigen eine andere Herdflächenlösung (liegende “Wasserbälle”). USGS

Die heutigen Erdbeben hingegen ereigneten sich nicht in der Subduktionszone, sondern auf einer ozeanischen Platte. Hier sind keine vertikalen Bewegungen zu erwarten, dafür bewegen sich die beteiligten Platten horizontal an Blattverschiebungen aneinander vorbei. Dies zeigt auch die Herdflächenlösung des Erdbebens. Diese kleinen Grafiken, die entfernt an einen Wasserball erinnern. Bei Subduktionsbeben liegt der Wasserball typischerweise auf der Seite. Bei unseren Erdbeben heute zeigt er uns seine Oberseite. Blattverschiebungs-Beben dieser Stärke sind zwar selten, aber auch nicht so ungewöhnlich. Viellicht war ich beim Schreiben des Textes ein klein wenig voreilig (Dank an Kommentator Mison). Mir war nicht bewusst, dass strike slip beben dieser Größenordnung bisher möglicherweise noch nicht gemessen worden sind, und daher durchaus als selten zu bezeichnen sind. Andererseits gab es historische beben, die möglicherweise auch als strike slip in dieser Liga spielten, so das Wairarapa-Beben von 1855, das eine geschätzte Magnitude von 8.2 hatte und Charles Lyell zu neuen Erkenntnissen inspirierte. 

Weitere Hinweise zu größere strike slip Erdbeben eben Romanowicz and Ruff, 2002.

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Die Herdflächenlösung des Hauptbebens vom 11.April 2012. USGS

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

6 Kommentare

  1. Herdflächenlösung

    …was es nicht alles gibt – hab ich noch nie gehört. OK, bin auch nicht vom Fach, von daher wundert das nicht so… (-;
    Aber ganz ehrlich: der verlinkte Wikipedia-Artikel ist ziemlich schwer verständlich, gibt’s da auch bessere (=laienverständliche) Erklärungen?

  2. nicht so ungewöhnlich?

    Da bin ich aber gespannt, welches Strike-Slip-Erdbeben mit Magnitude 8,6 Ihnen beim Formulieren dieses Satzes im Kopf war.

    Meines Erachtens ist dieses Erdbeben in nahezu jeder Hinsicht außergewöhnlich und wirft einige feste Annahmen der Seismologie völlig über den Haufen.

    1. Wurde noch nie auch nur annähernd ein Beben dieser Magnitude registriert, das sich abseits einer Subduktionszone ereignete. Nicht annähernd! Ich müsste mal einen Katalog durchgehen, aber mein Bauchgefühl wäre, dass die Grenze für Strike-Slip bisher unter 7.8 lag.

    2. Ist es äußerst ungewöhnlich, ein Nachbeben von 8.2 zu registrieren. Die Lage könnte dafür sprechen, dass die gleiche Fault an einer anderen Stelle nach zwei Stunden weitergebrochen ist.

    3. Liegt das Epizentrum 300 km von allen Plattengrenzen entfernt. Auch das wurde noch nie für ein Beben dieser Stärke beobachtet.

    Wahrscheinlich hat das Sumatrabeben von 2004 Spannungen in der subduzierenden Platte zurückgelassen, die sich jetzt abgebaut haben, aber noch mal: Mit einer solchen Stärke ist das absolut sensationell.

    Die Auswirkungen auf die Gefährdungsanalyse sind natürlich enorm. Bisher gingen wir davon aus, dass die stärksten Beben an sich eher ungefährlich sind (es sei denn, sie verursachen Tsunamis), da sie immer am Trench und damit im Meer stattfinden (außerdem sind Reverse Fault-Beben wegen der hauptsächlich vertikalen Bodenbewegung weniger gefährlich für Gebäude).
    Wenn aber ein 8.6 innerhalb einer Platte (und damit potentiell auch an Land) auftreten kann und dazu noch hauptsächlich horizontale Bewegungen auslöst, könnte dies unvorstellbare Schäden anrichten.

    Die Tatsache, dass wir dies zum ersten Mal beobachten, spricht dafür, dass es sich um seltene Ereignisse handelt, wir werden also nicht gleich alle Hazard Maps überarbeiten müssen.
    Aber dieses Beben ist nun wirklich alles andere als “nicht so ungewöhnlich”.

  3. @ Mison

    danke für die Hinweise. Ich hatte der Sache eigentlich garnicht so eine Bedeutung zugemessen.

    Was große Strike-Slip Beben angeht, so gab es durchaus schon welche im Bereich 8.2 (auch wenn hier der Wert wohl nur grob abgeschätzt werden kann). Das Wairapara Erdbeben 1855 hatte eine geschätzte Magnitude von 8.2. Ich hatte grob die Liste von Romanowicz, B.; Ruff, L. J., On moment-length scaling of large strike slip earthquakes and the strength of faults, 10.1029/2001GL014479, 2002. ( http://seismo.berkeley.edu/…S/rom-ruff-grl02.pdf) angeschaut. Von daher hatte ich diese Beben nicht als so außergewöhnlich wahrgenommen. Auch was das Nachbeben angeht.

    Die Vermutung, dass das Sumatra-Beben von 2004 zu einer erhöhten Spannung auf die Platte geführt hat, liegt eigentlich durchaus nahe. Die Plattenbewegung (ich meine mich an rund 8 cm pro Jahr zu erinnern), ist ja auch alles andere als langsam in der Region.

  4. Ich frage mich…

    Ob der Ninetyeast Ridge was damit zu tun hat. Soweit ich das erkennen kann stößt dessen nördliches Ende gerade an die Subduktionszone. Wenn die Subduktion dadurch gebremst wird, weiter südlich aber mit hoher Rate weitergeht, würde ich erwarten, dass am Nordende des Wharton-Beckens massive Dehnungsspannungen und entsprechend starke Seismik auftritt.

  5. Alles noch komplizierter

    Danke für das Romanowicz-Paper. Hatte zwar davon gehört, aber es natürlich nicht gelesen. Wenn man mal das seismische Moment dieses Bebens (laut USGS 85·10^20 Nm) mit denen in dem Paper genannten vergleicht und mit M~L^1 die die Bruchlänge abschätzt, landet man bei > 1000km. Das halte ich jetzt mal einfach so für Quatsch. Das wird man im Lichte dieses Bebens ganz neu betrachten müssen.

    Die Finite-Fault-Lösungen des NEIC
    (http://earthquake.usgs.gov/…05e/finite_fault.php)
    deuten ja auf eine recht kompakte Quelle unter 250 km Länge hin.

    Sie legen auch nahe, dass beide Beben entlang der SSW-NNE-Fläche brachen. Damit liegt das Nachbeben direkt auf der Bruchfläche des ersten Bebens. Es scheint, dass es sich um ein Beben in zwei Schritten handelt.
    Die gemeinsame Bruchfläche reichte dann vom Trench im Norden, wo die indische Platte subduziert wird, bis zu dieser unklaren konvergenten Störung zwischen alter australischer und indischer Platte (hier mögen
    mich die Geologen korrigieren, darüber weiß ich nichts).

    @ Lars Fischer: Ich denke eigentlich nicht, dass das Ninety-East-Ridge hiermit im Zusammenhang steht, es ist ja doch noch 600 km von der Bruchfläche entfernt, aber wissen tue ich es natürlich nicht…

    Meine Vermutung wäre, dass die indische Platte nach dem riesigen Versatz durch das 2004-Beben (>30m Versatz, 1200km Bruchlänge) allein aus
    geometrischen Gründen unter Spannung stand (beim Abtauchen wird die Platte ja gestaucht, außerdem ist der Trench nicht gerade), sodass sich das jetzt quasi im Hinterland der Subduktion ausgleichen musste.
    Insgesamt scheint es, als hätten die beiden Beben zusammen ein 400×200 km großes Dreieck von der indischen Platte abgeschert (siehe Fig. 4 bei http://www.geol.ucsb.edu/…012/04/10/sumatra.html).
    Und bei dieser Magnitude reicht der Bruch wahrscheinlich vom Meeresboden bis zum Erdmantel.

    Interessanterweise zeigen jetzt erste Backprojectionrechnungen von Miaki Ishii, dass das Beben sich doch auf der Ost-West-Fault abgespielt haben könnte, was evtl. auch besser zu den Nachbeben passt.

    Das wird eine spannende EGU-Tagung nächste Woche!

    Für Nichtseismologen: Die Herdflächenlösung nimmt an, dass die Energie
    des Bebens in einem Punkt freigesetzt wurde. In diesem Fall ist die
    Abstrahlung eines Bebens auf der einen Bruchfläche im Wasserball (hier
    links-rechts) gleich der eines Bebens auf der oben-unten Bruchfläche
    (links=West, oben=Nord, usw).
    [Aufmerksame werden fragen, wie man eine Bruchfläche in einem Punkt
    haben kann. Kann man nicht, anstelle zweier Bruchfläche nimmt man eine
    Momentenquelle, also zwei entgegengesetzte Kräfte in einem gewissen
    Abstand an, ähnlich einer Kraft an einem Hebelende. Da das Moment gleich
    Kraft mal Hebellänge ist, bleibt es gleich, wenn man den Hebel
    infinitesimal klein macht, und gleichzeitig die Kraft erhöht, mann kann
    es also in einem Punkt konzentrieren. Und hier kommt die zweite Fläche
    ins Spiel: Da die Quelle rotationsfrei sein muss, braucht es ein zweites
    Moment senkrecht zu ihr.
    Real bricht aber natürlich nur eine Fläche.]

    Für Beben ab etwa Mag. 6 kann man aber anhand der seismischen Wellen
    unterscheiden, auf welcher der beiden Flächen das Beben stattfand. Das
    liegt daran, dass der Bruch irgendwo beginnt (im Hypozentrum, das direkt
    unter dem Epizentrum liegt) und dann die Bruchfläche “entlangwandert”.
    Die Bruchgeschwindigkeit ist ungefähr gleich der
    Scherwellengeschwindigkeit im Medium, es entsteht also ein
    Dopplereffekt. An Messstationen, die in Verlängerung der tatsächlichen
    Bruchfläche liegen, sind die Pulse der seism. Wellen gestaucht, an
    denen, die in Richtung der zweiten Fläche liegen (also senkrecht zur
    ersten), sind sie gestreckt.

    Bei sehr großen Beben, ab etwa 7.0 kann man eine sog.
    Finite-Fault-Lösung errechnen. Dabei wird zuerst mit oben genannter
    Methode eine Bruchfläche (Fault) ausgewählt. In dieser Richtung wird
    dann eine Fläche von in diesem Fall z.B. 40×400 km definiert, auf die
    einzelne Punktquellen verteilt werden, die zu einer bestimmten Zeit mit
    einer bestimmten Stärke Energie abstrahlen. Nun invertiert man die
    gemessenen Seismogramme an ca. 100 Stationen um das Beben herum nach
    Zeit und Stärke dieser Punktquellen.
    Als Ergebnis kriegt man dann quasi einen Film, wie der Bruch sich vom
    Hypozentrum aus auf der Fläche ausbreitet.

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