Tsunamis und ihre geologischen Spuren (mit Video)

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Tsunamis stellen für Küstenbewohner an geologisch aktiven Meeren eine nicht zu vernachlässigende Gefahr dar. Das sollte sich nicht erst seit dem verheerenden Weihnachtstsunami in Indischen Ozean, ausgelöst durch das Sumatra-Andamanen beben vom 26. Dezember 2004 oder dem Tsunami vom Tohoku-Beben im März 2011 herumgesprochen haben. Dabei sind nicht nur die direkt dem Erdbeben benachbarten gebiete gefährdet, sondern auch sehr weit entfernte Küsten. Also Menschen, die von dem auslösenden Erdbeben nichts mitbekommen haben.

Daher kann es also sehr wichtig sein, über die jeweilige Tsunami-Geschichte der eigenen Küste im Bilde zu sein. Das Problem dabei ist allerdings, dass die menschliche Erinnerung trügerisch ist. Große und verheerende Tsunamis können mehrere Jahre oder gar Jahrhunderte auseinander liegen. Zum Beispiel gab es beim Tohoku Beben und Tsumami durchaus Vorläufer, die ähnlich groß waren.Zum Beispiel das so genannte Jōgan-Sanriku-Erdbeben von 869. Es war also tatsächlich ein Jahrtausendbeben. Leider vergessen Menschen im laufe der Zeit diese Dinge, und kaum eine Vorschrift dürfte 1000 Jahre durchhalten. Und was, wenn die Menschliche Anwesenheit oder schlicht nur die schriftliche Überlieferung in einer besiedelten Gegen nicht weit genug zurück reicht? Sich einfach auf sein Glück verlassen? Das dürfte wohl etwas zu blauäugig sein.

Zum Glück ist man aber auch ohne Überlieferung nicht vollkommen wehrlos. Tsunamis verraten sich durch recht charakteristische Ablagerungen. Diese sind denen großer Sturmfluten nicht unähnlich (was die Sache hin und wieder recht kompliziert werden lässt), sie reichen aber meist deutlich über die Linie, die Sturmfluten erreichen. Durch ihre scharfe Begrenzen lassen sie sich meist (aber leider auch nicht immer) von tektonischen (oder sonstigen) Verlagerungen der Küstenlinie unterscheiden. Wenn nun also ein großer Tsunami über eine Küste gerauscht ist, dann wird er eine Menge Gerölle (die zum Teil ziemlich groß werden können, nach Goff et al. 2001 kann die Korngröße von Silt bis hin zu 750 m3 großen Blöcken reichen) dort abgeladen haben. Das Problem für uns ist aber, egal wie gewaltig die Umwälzungen durch den Tsunami auch waren: in geologisch recht kurzer Zeit werden die Gerölle von Vegetation bedeckt werden. Und damit dem suchenden Auge der Geologen verborgen. Also muss nach ihnen gegraben werden, entweder mit Bohrern oder per Suchgraben. Die einsetzende Vegetation hat aber auch einen großen Vorteil. Sie ist es, die den Geologen die zeitliche Einordnung ermöglicht. Das gilt natürlich besonders im Falle wiederholter Tsunamiablagerungen, bei denen  das Spiel das Ablagerung mit anschließender Vegetationsüberdeckung zu rhythmischen Ablagerungsmustern führt. Im günstigen Fall kann man damit eine einigermaßen präzise Einschätzung der Häufigkeit großer Flutwellen für einen Küstenabschnitt bekommen. Und natürlich (vorausgesetzt, die Höhe der Küstenlinie ist für den gegebenen Zeitraum als stabil anzusehen) eine gute Abschätzung der Höhe eines zu erwartenden Tsunamis. Und wenn man eine potentielle Gefahr kennt, kann man sich auch gegen sie wappnen.

Das Video des Neuseeländischen Geologischen Dienstes zeigt das Prinzip.

 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

3 Kommentare

  1. Hallo Gunnar!

    Du schreibst über die Schwierigkeiten, „wenn […] die schriftliche Überlieferung in einer besiedelten Gegen nicht weit genug zurück reicht?“

    All das wurde in Japan in der Gegend um Fukushima bedacht und klug umgesetzt. Dort sind vor langer Zeit mächtige Gedenksteine für die Nachkommen aufgestellt worden. Sie tragen die tief eingravierte Warnung, nicht unterhalb dieser Stellen zu siedeln. Die Schrift auf diesen Steinen ist heute noch gut lesbar.
    Die Quelle kann ich jetzt nicht angeben, aber im Netz habe ich Fotos von solchen Warnsteinen gesehen.

    Die 2011 zerstörten Städte lagen alle weit unterhalb dieser Warnungen.

    Was will man denn noch machen, wenn nicht mal die Einheimischen den überlieferten Katastrophen ihrer Vorfahren Glauben schenken? Menschen sind einfach zu blöd. Und gewiss nicht nur in Japan.

    Matthias

    • Hallo Matthias,

      Das mit der schriftlichen Überlieferung sollte sich eigentlich auf Neuseeland und weniger auf Japan beziehen. Dort war die Erinnerung an das Jōgan-Sanriku-Erdbeben von 869 durchaus noch vorhanden, sowohl in schriftlicher Form als auch in den erwähnten Warn- und Gedenksteinen. Dennoch hatte man dort nach all der Zeit wieder gesiedelt. Schlimmer noch, man hat dort Kernkraftwerke errichtet, ohne sie gegen einen zu erwartenden Tsunami zu härten. Wir erinnern uns, das Beben haben haben die Reaktoren gut ausgehalten und sich nach allen Regeln der Kunst abgeschaltet. Leider haben die Ingenieure nicht daran gedacht, die Notstromgeneratoren für die Kühlung tsunamisicher aufzustellen, sonder diese im Keller platziert. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Das war, wenn man die Warnungen betrachtet, eine Katastrophe mit Ansage.

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