Von einem T-rex, der hungrig blieb

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Wenn man von vergangenen Lebewesen nur meist kümmerliche Überreste findet, ist es meist recht schwer, auf ihr Verhalten und ihre Lebensweise zu schließen. OK, manches mag vielleicht mehr trivialer Natur sein. Man kann einiges aus Skelettbau und Zahnform herauslesen. Aber es geht um die Feinheiten.

Ein sehr gutes Beispiel ist die Frage, ob der König der Tyrannenechsen nun ein mehr harmloser Aasfresser war oder ein furchterregendes und blutrünstiges Raubtier, vor dem die kreidezeitlichen Steppen nur so zitterten. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es heute nur wenige reine Aasfresser (Geier zum Beispiel) gibt, hingegen kaum ein echtes Raubtier eine Mahlzeit für Lau verschmäht.
Oder hat, was ja auch verschiedentlich angedacht wurde, der T-rex seine schiere Größe und Kraft nur eingesetzt, um andere und erfolgreichere Jäger von ihrem Riss zu verscheuchen? Wäre ja möglich, Löwen zum Beispiel sind dafür (zumindest in Hyänenkreisen) durchaus berüchtigt.

Kann man die heutigen Savanenkönige noch in flagranti beobachten, so ist das bei ausgestorbenen Tieren naturgemäß schwerer, die Quelle ihrer Nahrung zu ermitteln. Selbst Bissmarken und gelegentliche beim fressen heraus gebrochene Zähne sind nicht besonders hilfreich. Denn das Tier, in das hier hinein gebissen wurde, kann ja auch aus einem ganz anderen Grund gestorben sein, und der vermeintliche Raubsaurier hat hier nur den Kadaver als Mahlzeit gesehen. In ganz seltenen Fällen hat ein unglaublicher Glücksfall dafür gesorgt, dass Räuber und Beute im Kampf nicht nur gemeinsam verendeten, sondern auch gemeinsam fossil überliefert wurden. Ein berühmtes Beispiel ist der Velociraptor, der im Kampf mit einem Protoceratops umkam, während er diesen selber ebenfalls tötete. Nun, darauf zu hoffen, dass man einen T-rex in der Lage findet, dürfte wohl kaum helfen.

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Zähne eines Tyrannosaurus rex (B-rex). Der Größenmaßstab ist 5 Zentimeter lang. Fundveröffentlichung von John R. Horner, Mark B. Goodwin, Nathan Myhrvold – http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0016574. Lizenziert unter CC BY 2.5 über Wikimedia Commons.

Vergleichbares gilt, wenn man die körperlichen Fähigkeiten der Tiere versucht, in Betracht zu ziehen. Verschiedentlich wurde angemerkt, Tiere wie T-rex und andere große theropode Raubsaurier seien viel zu langsam gewesen, um ihre potentielle Beute zu verfolgen. Hingegen würden der Geruchssinn zum Beispiel beim T-rex gut ausgebildet sein. Er hätte also durchaus verstreute Kadaver auffinden können. Andere Modellierungen zeigten aber, dass ein T-rex (das dürfte auch für andere, vergleichbare Raubsaurier wie Tarbosaurus und Co. gelten) durchaus gut zu Fuß gewesen sein dürfte. Es werden Geschwindigkeiten von 20 bis 40 km/h genannt. Das dürfte durchaus ausgereicht haben. Hinzu kommt ein ungemein kräftiger Biss, mit einem Beissdruck von 35 000 bis 57 000 Newton, bei dem selbst Hyänen vor Neid erblasst wären (und der es durchaus mit dem Weißen Hai, möglicherweise sogar mit dem Megalodon hätte aufnehmen können).

Wie bereits gesagt, man findet durchaus Zähne großer theropoder Raubsaurier in Knochenansammlungen von anderen, vegetarisch lebenden Sauriern. Das könnte durchaus ein Hinweis darauf sein, dass die großen Theropoden Aas zumindest nicht verschmähten, wenn es ihnen so nett vor die Schnauze kam. An so einer großen menge Fleisch, wie sie eine zugrunde gegangene Herde anderer Dinosaurier darstellt, dürfte schwer vorbeizukommen sein. Das galt damals genau wie heute in der Serengeti oder sonst wo. Wenn Pflanzenfresser in größeren mengen, zum Beispiel beim überqueren eines Gewässers sterben, haben die Fleischfresser fettlebe.

Und selbst wenn man verheilte Bissmarken findet, wie es verschiedentlich geschah, ist es sehr schwer, den Verursacher des Bisses zu identifizieren. Verheilt heißt in diesem Fall aber schon einmal eines; das Opfer ist dem Angreifer entkommen, und es hat zumindest nach dem Angriff noch so lange überlebt, bis der Heilungsprozess einsetzte. Damit hätten wir es sehr vermutlich mit einem aktiven Jäger zu tun, denn Aasfresser (also reine Aasfresser) greifen meist keine anderen, größeren Tiere an. OK, man kann an Bissmarken erkennen, dass ein bestimmter Triceratops eventuell von einem sehr großen Raubtier angegangen wurde. Aber auch da kommen noch andere in Betracht. Aber es mag ein guter Hinweis sein.

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Die Wirbel in der Seitenansicht (A) und im Schnitt als CT-Scan (B). Der eingewachsene Zahn des Raubsauriers hebt sich im im CT-Bild hell gegen das Knochengewebe ab. Die Maßstäbe sind jeweils 1 cm. Nach DePalma et al. 2013, modifiziert.

Und manchmal kommt einem wieder das erwähnte Finderglück entgegen. In diesem Fall allerdings kein leibhaftiger Tyrannosaurus, der sich in tödlichem Zweikampf mit seiner beute verewigte. Aber auch nicht viel schlechter. In der Hell Creek Formation in South Dakota, die für ihre endkreidezeitliche Dinosaurierfauna bekannt ist, wurden zwei miteinander verwachsene Wirbel eines Hadrosauriers gefunden. Soweit sicher nichts sensationelles. Die Wirbel zeigten deutliche Hinweise auf eines Biss eines anderen Tieres, mit anschließender Infektion und Heilung. Alles in allem deutete es auf einen Angriff eines großen Beutegreifers hin, der danach wohl hungrig ins Bett gehen musste. Denn der Hadrosaurier, den er zum Abendessen eingeladen hatte, kam mit dem Leben davon. Aber der Angreifer hatte etwas hinterlassen (und das war wohl zu einem Teil für die Infektion der Wunde verantwortlich). Eingewachsen im Wirbel konnte ein abgebrochener Zahn entdeckt werden. Und dieser Zahn, der mit großer Wahrscheinlichkeit vom Angreifer stammt, konnte aufgrund seiner Merkmale als ein Zahn eines T-rex identifiziert werden. Das bedeutet, dass hier ein Tyrannosaurier einen lebenden Hadrosaurier angegriffen und gebissen hat. Da dies für einen einen Aasfresser ein sehr unwahrscheinliches Verhalten darstellen würde (warum sollte er dann so etwas tun? Und mehr noch: warum sollte er sich dann einem lebenden Hadrosaurier soweit nähern?), deutet hier alles auf einen aktiv jagenden Raubsaurier hin. Zumindest war er dazu in der Lage.

Und dass seine Beute entkam, muss auch nicht gegen einen aktiven Jäger sprechen, Auch bei den heutigen Beutegreifern ist längst nicht jeder Angriff von Erfolg gekrönt. Im Gegenteil. Fast die Hälfte der Angriffe schlägt meist fehl und der Jäger geht leer aus. Möglicherweise könnte der Biss in den Schwanz auf eine Verfolgung einer fliehenden Beute hindeuten.

R.A. De Palma II, et al., 2013. Physical evidence of predatory behavior in Tyrannosaurus rex. Proceedings of the National Academy of Sciences. doi:10.1073/pnas.1216534110 

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

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