Die Kirche ist sehr demokratisch!

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Bestimmt haben Sie beim Lesen der Überschrift gestutzt. Denn die meisten Menschen – Christen wie Nichtchristen – verstehen unter “der Kirche” fast reflexhaft die römisch-katholische Kirche. Doch ist dies zwar die zahlenmäßig größte, war aber niemals in der Geschichte die einzige Organisationsform von “Kirche”. Von der Urgemeinde an, in der wir bereits hebräisch- und griechischsprachige Flügel sowie verschiedene Strömungen unterscheiden können, bis in die heutige Zeit entfaltete sich das Christentum vielmehr als die Weltreligion der Vielfalt: Ständig entstanden neue Varianten, erblühten, scheiterten, befruchteten andere Traditionen, spalteten sich wiederum, verschmolzen. Das Christentum ist ein Paradebeispiel (bio-)kultureller Evolution: Immer wieder entsteht Vielfalt (Variation), die sich dann im Wettbewerb unterschiedlich erfolgreich bewährt (Selektion) und schließlich an unterschiedlich viele Nachkommen tradiert wird (Reproduktion). Über seine dynamische Vielfalt wurde das Christentum zur größten Weltreligion der Menschheitsgeschichte.

Aus Rückmeldungen geschätzter Leserinnen und Leser merke ich jedoch, dass diese Vielfalt oft kaum bekannt und präsent ist. Wer weiß z.B. schon von den Quäkern, die nahezu ohne jede äußere Form einer erstarrten Staatskirche gegenüber traten, Vorrechte nach Weihen, Geschlecht und Adel auch unter Todesgefahr ablehnten und mit Pennsylvania den ersten Staat der Weltgeschichte mit voller Religionsfreiheit schufen? Wer weiß schon, dass die Old Order Amish Kinder des Buchdruckes sind? Wer kennt die Geschichte der Baptisten, die für Erwachsenentaufe eintraten, die Trennung von Kirche und Staat forderten, sich strikt dezentral organisierten und bedeutende Aktionen im Kampf gegen Sklaverei und Rassismus hervorbrachten? Martin Luther King jr. war ein Baptistenpastor, die wohl berühmteste Rede der Weltgeschichte (“I have a dream”) eine zivilreligiöse Predigt. Oder wer kennt die Unitarier, die sich gegen die Trinitätslehre wandten, in den USA schließlich sogar Harvard prägten, dem dortigen “Transzendentalismus” und “Humanismus” ein Dach gaben und in deren Kirchen heute Glaubende und Nichtglaubende gemeinsam feiern? Manchmal denke ich, dass das Unwissen in der westlichen Welt über die “eigenen” Traditionen größer ist als über andere Weltreligionen, die in den Medien immerhin Exotenbonus genießen.

Auf Anregung eines Lesers enstand das sciebook “Baptisten, Quäker, Unitarier”, das in diesen Tagen auch als Taschenbuch erscheint.

Aber man muss auch gar nicht in die weite Welt oder Religionsgeschichte zurück gehen, um Unerwartetes zu entdecken. Werfen wir einen Blick auf die Evangelische Landeskirche Württemberg mit über 2 Millionen Mitgliedern. Geprägt auch durch die heute aus Unkenntnis oft belächelten, im 17. Jahrhundert entstandenen Reform-Basisgruppen des Pietismus hat die Kirche, in die auch ich mich als junger Erwachsener hinein taufen ließ, eine parlamentarisch-demokratische Struktur:

* Frauen und Männer sind in der Kirche völlig gleichberechtigt, alle Ämter stehen ihnen in gleicher Weise offen.

* Alle Kirchenmitglieder ab 14 Jahren sind wahlberechtigt und wählen sowohl die örtlichen Kirchengemeinderäte wie auch das Kirchenparlament, die Synode, die zu zwei Dritteln aus Laien besteht.

* Alle Finanzen der Kirche werden von diesen Parlamenten kontrolliert und beschlossen. Beispielsweise wurden aus dem Budget von rund 400 Millionen Euro angesichts der Katastrophen in Syrien und Lampedusa zuletzt 1,4 Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt.

Als ich in diesen Tagen also die Wahlunterlagen für die Kirchenwahl nächsten Sonntag – den 1. Dezember – erhielt, musste ich wieder daran denken, dass “die Kirche” oft ganz anders ist, als es die Öffentlichkeit wahrnimmt. Selbstverständlich kann und will ich nicht behaupten, dass (m)eine Kirche oder auch nur ein einziges ihrer Mitglieder perfekt wären – das ist sicher nicht der Fall. Aber dass “Kirche” die christliche Botschaft auch anders, freier, demokratischer leben und atmen kann, als es populäre Vorurteile annehmen – darüber wollte ich doch mal informierend bloggen.

Wahlunterlagen zur Synodal- und Kirchengemeinderatswahl der Evangelischen Landeskirche Württemberg 2013
Foto: Benian Blume – Wahlunterlagen zur Synodal- und Kirchengemeinderatswahl der Evangelischen Landeskirche Württemberg 2013

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

29 Kommentare

  1. ‘Demokratisch’ adressiert eine Herrschaftsform, die dem Volk, typischerweise auf die Individuen bezogen, gleiche (Wahl-)Rechte gibt, aktiv wie passiv.
    Insofern kann hier überschriftlich nur “demokratisch” gemeint gewesen sein, wir beachten die Anführungszeichen bzw. die dadurch angedeutete Metaphorik.
    Dann könnte es halbwegs stimmen, das Christentum ist zivilisationsbestimmend (gewesen).

    MFG + schönen Sonntag noch,
    Dr. W

      • Das Christentum ist also insofern “demokratisch”, den wirklichen Demos meinend, das es die Herrschaftsform der modernen Demokratie nicht unterbunden hat.
        Die Strukturen des Christentums sind aber bestenfalls teilweise demokratisch.

        MFG
        Dr. W (der sich noch erlaubt anzumerken, dass durch innerkirchliche teilweise Demokratie wesentliche Glaubensinhalte hopp gehen können – ohne dbzgl. besonders zu klagen)

  2. Lieber Herr Blume,

    erklären Sie mal den Katherern was Sie mit Wettbewerb meinen!

    einen rosaroten Sonntach noch

    David

    • Lieber Herr Kornbaum,

      wie @Quercus weiter unten richtig schreibt, ist der Begriff “evolutionärer Wettbewerb (Selektion)” eine Beschreibung, keine Wertung – und enthält leider im Regelfall (!) auch Gewalt.

      Und so schreibe ich ja auch, dass die Vorstellung staatlich gesicherter Religionsfreiheit und also eines friedlichen Wettbewerbs erst ab dem 17. Jahrhundert in Europa und den USA von zunächst christlichen Minderheiten vertreten wurde (wobei es auch außerchristliche Vorläufer gab, z.B. den buddhistischen König Ashoka oder den jüdischen Rabbiner Gamaliel d. Ältere laut Apostelgeschichte). Evolutionären Wettbewerb friedlich zu organisieren ist m.E. ein ganz wichtiger Aspekt von Fortschritt (und das meine ich jetzt klar wertend).

      Auch Ihnen noch einen schönen Sonntag!

  3. ….mit Pennsylvania den ersten Staat der Weltgeschichte mit voller Religionsfreiheit schufen.

    Bei diesem Satz habe ich etwas gestutzt, denn m.W. bezieht noch heute der Wortlaut der Verfassungen diverser US-Bundesstaaten die Religionsfreiheit nur auf verschiedene Formen der Gottesverehrung. Und so lautet denn auch die Formulierung in der ersten “Verfassung” Pennsylvanias, des Frame of Government von 1682 (Hervorhebung von mir):

     

    XXXIV. That all Treasurers, Judges, Masters of the Rolls, Sheriffs, Justices of the Peace, and other officers and persons whatsoever, relating to courts, or trials of causes or any other service in the government; and all Members elected to serve in provincial Council and General Assembly, and all that have right to elect such Members, shall be such as possess faith in Jesus Christ, and that are not convicted of ill fame, or unsober and dishonest conversation, and that are of one and twenty years of age, at least; and that all such so qualified, shall be capable of the said several employments and privileges, as aforesaid. XXXV. That all persons living in this province, who confess and acknowledge the one Almighty and eternal God, to be the Creator, Upholder and Ruler of the world; and that hold themselves obliged in conscience to live peaceably and justly in civil society, shall, in no ways, be molested or prejudiced for their religious persuasion, or practice, in matters of faith and worship, nor shall they be compelled, at any time, to frequent or maintain any religious worship, place or ministry whatever.

    Also, nur wer an Jesus Christus glaubt, darf ein öffentliches Amt ausüben, und Religionsfreiheit gibt es nur für die, die an einen allmächtigen Gott glauben. Es sollte sich verstehen, dass man das im Jahr 2013 nicht ernsthaft als volle Religionsfreiheit bezeichnen kann. Es gibt allerdings noch spätere Fassungen des Frame of Government, die ich jetzt nicht alle gelesen habe. Hat sich das noch geändert, und wenn ja, wann? Wie lautete die Regelung? Die bis heute gültige Verfassung von Pennsylvania unterscheidet davon jedenfalls nur im Detail:

    Religious Freedom Section 3. All men have a natural and indefeasible right to worship Almighty God according to the dictates of their own consciences; no man can of right be compelled to attend, erect or support any place of worship or to maintain any ministry against his consent; no human authority can, in any case whatever, control or interfere with the rights of conscience, and no preference shall ever be given by law to any religious establishments or modes of worship. Religion Section 4. No person who acknowledges the being of a God and a future state of rewards and punishments shall, on account of his religious sentiments, be disqualified to hold any office or place of trust or profit under this Commonwealth.

    1682 mussten Amtsträger also Christen sein, heute dürfen sie z.B. auch Moslems sein (denn die haben Himmel und Hölle), dafür wären dem Wortlaut nach “Wenn es die Hölle gibt, dann muss sie leer sein”-Christen außen vor. Praktisch ist das zwar anscheinend bedeutungslos (Art. 6 der Bundesverfassung verbietet religiöse Zugangshürden für öffentliche Ämter, und der Supreme Court hat daher entsprechende Regelungen für unanwendbar erklärt), aber grotesk ist es schon, dass es einige Staaten bis heute nicht  geschafft haben, von sich aus eine Religionsfreiheit einzuführen, die diese Bezeichnung verdient.

    Damit wir uns richtig verstehen: Die innerchristlichen, innermonotheistischen usw. Religionsfreiheiten waren natürlich in ihrer Zeit jeweils wichtige Fortschritte auf dem Weg zu einer umfassenden Religionsfreiheit (bzw. Weltanschauungsfreiheit, was eine bessere Bezeichnung ist).

    • Hallo @Quercus,

      danke für die sehr gute Recherche – das Interesse freut mich! 🙂

      Ja, die volle politisch-rechtliche Gleichstellung von Nichtchristen, Frauen usw. war noch lange nicht erreicht – und sie wurde erst sehr viel später u.a. mit dem Wahlrecht der Frauen und der Abschaffung rassistischer Gesetze in den Südstaaten erst im 20. Jahrhundert umfassend verwirklicht!

      Faktisch aber bot Pennsylvania als erster Staat u.a. Juden und Native Americans erstmalig “das Recht(!)” auf Religionsfreiheit, auch von einer Verfolgung von “Atheisten” ist mir nichts bekannt (vgl. aber dazu noch John Locke, der ebenfalls meinte, Nicht-Theisten könnten keine treuen Staatsbürger sein!). Dafür gaben die Quäker später ihre politischen Ämter im Hinblick auf Kriegs-Kompromisse, die sie nicht mittragen konnten, selbst auf. Auf den gleichen Pfad in Richtung voller Religionsfreiheit begab sich auch das von Baptisten geprägte (aber deutlich kleinere) Rhode Island.

      1776 haben wir dann mit der Virginia Declaration of Rights dann die erste politische Menschenrechtserklärung (auch die Pennsylvania Frame of Government war ja noch eine hoheitliche Gewährung!), die dann später auch die Französische Menschenrechtserklärung (1789) mit-anstößt. Nicht die großen Staats- und Amtskirchen und auch nicht alleine Philosophen der Aufklärung, sondern v.a. christliche Progressive verschiedenster, oft kleiner Konfessionen treiben den Prozess zu Religionsfreiheit und Menschenrechte in Europa und den USA voran. Ist aber leider öffentlich fast unbekannt… )-:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Virginia_Declaration_of_Rights

  4. Und wieder ist die Formatierung verhauen 🙁 (in der Vorschau von Write Area, das ich inzwischen dank einem Tipp eines Mitkommentators benutze, sah es noch korrekt aus). Im ersten Zitat gehört vor “XXXV.” ein Absatz.

  5. …und ins 2. Zitat vor “Religion” gehört natürlich auch ein Absatz, und dahinter (vor “Section 4”) ein Zeilenumbruch.

  6. @David Kornbaum

    erklären Sie mal den Katherern was Sie mit Wettbewerb meinen!

    …oder dem Löwenbaby, das von Mamas neuem Verehrer totgebissen wird, damit sie ihn ranlässt?

    Klar, auch brennende Scheiterhaufen können Mittel – oder sagen wir, um nicht in die ewige teleologische Falle zu tappen: Ereignisse – der Evolution sein. Es sollte doch klar sein, dass Michael Blume das Wort “Wettbewerb” deskriptiv verwendet hat, nicht wertend.

  7. Da ich grade meine Diplomarbeit beginne zu schreiben (Geschichte), hätten Sie Herr Blume Lust einen Essay über das Verhältnis Nation, Volk und Religion am Balkan/Jugoslawien zu lesen????

    Würde ihnen gerne schicken

    Hat mit ihrem Thema teilweise zu tun.

      • Bitte nehmen Sie einfach über das Kontak[t]formular meiner Homage Kontakt auf, ich freue mich auf die Lektüre!

        Freudscher Fehler. – Zudem wird ein Inhaltsangebot, ein sogenanntes WebLog des Internets betrieben, das bestimmte Eigenschaften aufweist, das es von anderen Angeboten trennt. Die Homepage ist die Startseite eines Nachrichtenangebots im Web, ein ähnlicher Fehler wäre es von Webseiten (kommt wohl von: Website) zu schreiben oder zu sprechen, eine Webseite ist eine Web-Page oder ein einseitiges Web-Dokument, das die bekannte Web-Sprachlichkeit (HTML, JS, CSS etc.) nutzt für die Zwecke der clientseitigen Darstellung.

        HTH
        Dr. W

          • Hihi, stimmt! “Schuld” ist die Autokorrekturfunktion meines Smartphones, das die das Wort “Homepage” nicht mag… 🙂

            Durch Computer entstehen neue Formen der Poesie… 😀

            @Webbär – Da aber Computerprogramme philosophisch gesehen keine Verantwortung tragen bleibt der Benutzer der Schöpfer, oder??

  8. Wichtich bleibt eine solide Sprachlichkeit bevor es sich um hochwertige Fragen zu bemühen gilt.
    ‘Homepage’ wäre auch ein Lapsus gewesen…

  9. Das christliche Kirchen- und Amtsverständnis kann nicht demokratisch verhandelt werden; schon gar nicht obliegt es dem Gusto Außenstehender zu entscheiden, wie die Kirche sich zu organisieren habe.

    Die Entstehung einer bestimmten Ämterstruktur ist neutestamentlich überall zu greifen; die Kanonisierung der neutestamentlichen Schriften selbst ist bereits ein klares Anzeichen für die Entstehung einer entscheidungsbefugten Ämterstruktur. Schließlich ist das Petrusamt neutestamentlich unumstritten. In allen frühkirchlichen Glaubensbekenntnissen ist von der Apostolizität der Kirche der Rede – gemeint ist die Ämterstruktur und die Ausübung der Ämter in apostolischer Sukzession.

    Das inkarnatorische bzw. sakramentale Kirchenverständnis versteht die Geschichte der Kirche als eine Geschichte konkreter Personen, die sich wirklich begegnet sind und die durch Handauflegen Personen zur Ausübung von Dienstämtern in der Nachfolge Jesu geweiht haben – ebenso wie diese sich selbst diesem Dienst mit ihrem Leben geweiht haben. In diesem (sakramentalen) Kirchenverständnis stehen die orthodoxe und die katholische Kirche und halten auf diese Weise eine geradezu materiell greifbare Treue zum Ursprung, letztlich zur Person Jesu selbst (z.B. “Du bist Petrus, der Fels. Auf dir will ich meine Kirche bauen” u.ä.).

    Bei einem pneumatischen Kirchenverständnis erlangen die Personen direkt durch Einwirkung des Hl. Geistes ihre Berufung und dann Amtsbefugnisse. Sie stehen nicht mehr in apostolischer Sukzession und beanspruchen dies auch nicht mehr. Ein irgendwie historisch-personal vermittelter Bezug zum Ursprung – letztlich zu Jesus selbst – wird nicht mehr benötigt; die Weihe ist kein Sakrament und wird eher zu einer Beauftragung. Irrtümlich wird der Topos vom “Priestertum aller” mit der frühkirchlichen Gestaltung des kirchlichen Amtes verwechselt – im Neuen Testament bestand in diesem Punkt jedoch gar keine Verwechslungsgefahr.

    Aus katholischer und orthodoxer Sicht fehlt vielen (allen?) protestantischen Kirchen das Merkmal der Apostolizität, das in allen frühkirchlichen Glaubensbekenntnissen genannt wird. Diese Kirchen haben sich daher entgegen ihrer eigenen Grundprinzipien (“sola scriptura”) vom Ursprung entfernt; sie haben sich ihre Ämterstruktur irgendwann aufgrund irgendwelcher Überlegungen sozusagen selbst ausgedacht. — Interessanterweise ist das Grundprinzip selbst (“sola scriptura”) nicht zu halten – siehe Kanonisierung der neutestamentlichen Schriften; aber die frühe Kirche, die hier die Weichen stellte, war eben allseits unbestritten eine apostolisch und damit sakramental strukturierte Kirche.

    Wir können ein allzu weltliches Amtsverständnis in der Kirche kritisieren: Kirchliche Ämter sind Dienstämter, ein Aufstieg in der kirchlichen Hierarchie darf niemals mit einer weltlichen Karriere und mit materiellen Gewinnen assoziiert sein, sondern resultiert aus Selbsthingabe. Dienste sind in vielfältiger Weise in der Kirche möglich; das Amt ist nur eine Möglichkeit.

    Aber nicht diskutiertbar ist, dass das apostolische Amtsverständnis am besten mit der frühkirchlich bezeugten Ämterstruktur korrespondiert und dass das Neue Testament selbst bereits Resultat der Entscheidungsprozesse in einer solchermaßen strukturierten Kirche ist. Diese Fragen sind keine Marginalien, das Kirchenverständnis berührt Grundfragen der Theologie, insbesondere das Verständnis der Inkarnation und des Sakraments. Dem pneumatischen Kirchenverständnis der meisten protestantischen Kirchen liegt ein nicht hinreichend inkarnatorisch fundiertes Verständnis des Hl. Geistes zugrunde – sozusagen Gottesgegenwart ohne Inkarnation, am Christusgeschehen vorbei. Das ist aus katholischer Sicht unhaltbar.

    Vielfalt wird in der Kirche nach katholischem und orthodoxem Verständnis nicht als Pluralismus – jeder darf machen was er will – verstanden, sondern als Vielfalt in der Einheit. Diese Einheit wird durch die Ämterstruktur repräsentiert, d.h. am Ende durch konkrete Personen.

    Interessante weiterführende Lektüre: Andreas Theurer, Warum werden wir nicht katholisch? Dominus Verlag 2012; oder grundlegender und tiefsinninger: Karl Heinz Menke, Sakramentalität – Wesen und Wunde des Katholizismus, Friedrich Pustet 2013.

  10. Und diese aktuelle Publikation verdeutlicht mehr als mein Geschreibsel den möglichen Sinn eines Petrusamtes in der Kirche. Ich habe den Papst kürzlich in Rom erlebt. Der Mann macht keine Show, ist völlig normal, kein Guru; ich war genau davon sehr beeindruckt. Ich bin persönlich wirklich gespannt, was sein Pontifikat (etymologisch vermutlich = “Brückenbauer”) der Kirche bringen wird.

    • Lieber Herr Behnde,

      ganz einfach: Das ist ein religionswissenschaftlicher Blog, der sowohl über die Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen wie auch zu heutigen Phänomenen und Sozialformen informiert. Damit gibt er Menschen die Chance, über diesen wichtigen Aspekt menschlicher Natur-, Kultur- und Geistesgeschichte (sowie Zukunft) Wissenswertes zu erfahren.

      • Hallo Herr Blume,

        Religionen als selbstreferentielle Sinnstiftungen kann man sicherlich wissenschaftlich betrachten, wenn es auch meiner Auffassung nach eher müssig ist. Wenn nun aber unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit Loblieder auf das ach so demokratische Wesen der Kirche angestimmt werden, hat das dann doch eine gewisse Geschmacksnote.

        Und womit beschäftigt sich gleich nochmal die “Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen”?

      • Auf anderen Wissenschaftsblogs wird so viel über Religion(en) hergezogen, dass es auch welche geben sollte, die wenigstens die gröbsten Vorurteile widerlegen – zum Beispiel im Gerede über “die Kirche“. Wer die eigenen Überzeugungen gar nicht mehr hinterfragen will, muss ja nicht – unterlasse dann aber bitte den Anspruch auf Erkenntnisoffenheit.

        Die Evolutionsforschung zu Religiosität und Religionen geht bis auf den studierten Theologen Charles Darwin zurück und erforscht die Religiosität aus der gleichen, evolutionären Perspektive wie z.B. Musikalität oder Sprachfähigkeit. In den letzten Jahren erlebt sie dynamische Fortschritte, davon versuche ich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten zu berichten. Sie sind herzlich eingeladen, sich ein Bild zu machen, als Einführungsartikel könnte sich z.B. “Homo religiosus“ eignen, hier: http://www.gehirn-und-geist.de/alias/religiositaet/homo-religiosus/982255

  11. @K. Behnde: Ich gebe Ihnen Recht, auch wenn die Theologie noch immer eine fakultätentragende Wissenschaft ist (samt der sogenannten Ekklesiologie, also der Lehre von der Kirche), ging das hier wohl zu weit, sorry. SciLogs verstehe ich auch eher als Forum für Naturwissenschaft und deren Deutung.

    • Also, ich finde Deine Kommentare stets interessant, Christian. Und wenn sich auch andere scilogger über Fragen der Philosophie, Willensfreiheit, Ethik oder gar Politik auslassen, warum solltest Du dann nicht das Recht haben, theologische Positionen vorzustellen?

      Lass Dich nicht so leicht ins Bockshorn jagen, die scilogs sind für Menschen eine Chance, sich auch über die Wissensbereiche zu informieren, die sie nicht kennen. Und wer nicht mag, braucht ja nicht klicken. 😉

    • Vielen Dank, so habe ich die SciLogs bisher auch aufgefasst. Wäre schön, wenn der naturwissenschaftliche Rahmen gewahrt bliebe (auch wenn Religions”wissenschaften” ja auf alles, aber wirklich alles eine Antwort haben ;-).

      • Nicht nur eine Antwort, sondern auch den Scilogs-Preis 2009! Solange sich Physiker über Religion äußern dürfen, werde ich mir die Feder nicht verbieten lassen – sonst hört das Denken, Forschen und Entdecken vor lauter Positivismus ja irgendwann ganz auf! 😉

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