Existiert Gott? Ein Gastbeitrag von Eric Djebe

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Als Religionswissenschaftler habe ich mich der empirischen und evolutionären Forschung zu Religiosität und Religionen verschrieben – wissend, dass aus dieser Perspektive die Fragen nach der "Existenz" Gottes, der Menschenrechte oder eines Sinns im Leben nicht abschließend beantwortet werden können. Dafür sind m.E. Philosophien und Theologen wie der lebenskluge und wissenschaftlich solide Hermann Aichele zuständig. Allerdings verstehe ich auch, dass viele Kommentatorinnen und Kommentatoren auch auf "Natur des Glaubens" über ontologische Fragen lesen und diskutieren wollen und habe daher den "promovierten Logiker, Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Eric Djebe" (Blog im Aufbau hier) um einen Gastbeitrag zur "Existenzfrage" gebeten. Hier ist er:

Existiert Gott?

Jemand hat mir kürzlich berichtet, dass ihn ein Kind nach seinem Beruf gefragt hätte. Als er mit "Journalist" antwortete, fuhr es fort: "Dann kannst du mir sagen, ob es Gott gibt?" Und als es seinen Gesichtsausdruck sah, antwortete es selbst, gab es die Reaktion wieder, die es offensichtlich auf diese Frage immer bekommt: "Das weiß man nicht."

Dies ist eine für unsere restgläubige Kultur ebenso bezeichnende wie traurige Geschichte. Traurig ist sie deshalb, weil hier die Suche eines Kindes nach einer Antwort auf eine für es wichtige Frage offensichtlich ständig auf die frustrierende Verweigerung dieser Antwort trifft. Bezeichnend ist sie deshalb, weil sie ein Schlaglicht auf den augenblicklichen Status des "Glaubens an Gott" wirft, wie er sich, zumindest in unserer westdeutschen, Kultur darstellt-

"Gott" in der Wolke

Das Wort "Gott" und die dazu gehörigen Assoziationen tauchen in erster Linie deshalb in unserer Begriffswelt auf, weil sie uns durch unsere Sozialisation anerzogen wurden und in zweiter Linie, weil sich im Laufe unseres Lebens Gefühle und Erlebnisse daran angelagert haben, z.B. Gefühle der Ehrfurcht angesichts gewaltiger Naturschauspiele usw. Die Gesamt­heit dieser Assoziationen kann ich mir als eine Art Wolke vorstellen, in der durchaus unterschiedliche und sogar gegensätzliche Vorstellungen enthalten sein können.

So lebt trotz aller zeitgenössischen Aufweichungen im Kern dieser Wolke immer noch das Bild einer allmächtigen oder zumindest sehr mächtigen Person. Es zeigt sich vor allem in der weit verbreiteten Reaktion auf ein emotional erschütterndes Unglück: "Wie konnte Gott das zulassen?" Auf der anderen Seite wird "Gott", manchmal von den selben Leuten, als Name für ein vages esoterisches Etwas gebraucht, etwa wenn dem Buddhismus ein "apersonaler Gott" angedichtet wird, für den es nirgends in den glasklar formulierten Grundlagen dieser Religion auch nur den mindesten Ansatz gibt.

Angesichts einer solchen Assoziationswolke sind Aussagen wie "Gott existiert" oder "Gott existiert nicht" schwer mit Inhalt zu füllen und das ist es wohl auch, was hinter  diesem resignierten "Weiß man nicht" steht.

Angriff auf die Wurzeln

Vielleicht kommen wir hier einen Schritt weiter, wenn wir uns einfach einmal die möglichen Antworten auf die Frage ansehen: "Gibt es Gott?"  Ich würde sagen, es sind vier: "Ja", "Nein", "Vielleicht" und "Kann man so nicht sagen".

Antwort 1, also "ja", ist zunächst einmal die einzig mögliche in einer Kultur, für die die Existenz Gottes zu den selbstverständlichen Grundvoraussetzungen überhaupt gehört. Beispiel wäre das christliche Mittelalter. "Es gibt Gott" hat dort in etwa denselben Status wie "Es gibt die Sonne" und "Es gibt keinen Gott" wäre weniger eine ketzerhafte als vielmehr eine schlicht unverständliche Behauptung gewesen. Mit derselben Sicherheit können dies heute normalerweise nur Menschen behaupten, die eine sehr starke Sozialisation in einem sehr bestimmenden Elternhaus oder anderweitigen Umfeld empfangen haben. Allerdings können auch sie nachvollziehen, dass andere Menschen diese Frage verneinen, wenngleich sie dies selbst für falsch halten.

Der Grund dafür, dass Leute, die Frage heutzutage mit Version 2, also "nein" beant­worten, liegt oft, meiner Beobachtung nach sogar meist, in einer Ablehnung eben eines solchen christlich sozialisierenden Milieus, das sie dann mit "Kirche" gleichsetzen. Die vorgebrachten Argumente sind im Durchschnitt weit, oft geradezu grotesk überzogen, etwa wenn von Religonskriegen mit "Hunderten von Millionen" Toten gefaselt wird.

Interessant sind weniger diese Begründungen, als vielmehr eben die Stoßrichtung, die im Moment wohl richtige instinktive Einschätzung, dass der Glaube an Gott nur noch durch die vertikale Weitergabe von Generation zu Generation innerhalb einzelner Subkulturen überlebt, weil er seine laterale Überzeugungskraft (die Konversion über die Grenzen dieser Milieus hinaus) verloren hat. Auf dieser Ebene reduziert sich die Frage, ob Gott existiert, auf die Frage, ob genügend christliche Gemeinschaften existieren, die den Glauben an ihn weitergeben.

Irgendwie ganz anders

Keine der bisher diskutierten Standpunkte behandelt nun die Frage "Existiert Gott?" wie eine echte ja/nein-Frage, wie sie in der Wissenschaft oder auch im Alltag vorkommt. Dort gibt es für solche Fragen normalerweise irgendwelche Kriterien, nach denen sie, zumindest grundsätzlich, entschieden werden können: "Existiert auch Sonntag Abend eine Zugverbindung nach X?", "Existieren auf dem Mars einzelllige Lebewesen?" Die Assoziationswolke "Gott" gibt jedoch solche Kriterien nicht her, bzw. bietet immer genügend Ausweichmöglichkeiten, um sich aus einer allzu schwierigen Diskussion heraus zu ziehen.

Es gibt in der zeitgenössischen Theologie starke Tendenzen, eben dies als die einzig richtige Vorgehensweise in Sachen "Gott" zu verteidigen. Danach ist jeder Versuch, diese Assoziationswolke auf irgend einen Punkt zu bringen und demgemäß auch die Frage "Existiert Gott?" , von vorneherein abzulehnen, weil er die Unbegreifbarkeit Gottes leugnet (oder so ähnlich). Das ist dann in der obigen Aufzählung die Antwort Nr. 4: "Kann man so nicht sagen". Das heißt allerdings, dass man die Kinderfrage "Gibt es Gott?" nur mit einem Achselzucken oder mit einer Lüge beantworten kann (Antwort 3, also "Vielleicht" ist das verbale Äquivalent dazu). Und das heißt übrigens auch, dass ein solcher Glaube nicht überleben wird.

Die Wolke und der Punkt

Nun gibt es und vor allem gab es auch Projekte, diese Assoziationswolke zu kondensieren, auf einen begrifflichen Punkt zu bringen, eine Definition Gottes herzustellen, also: Gott ist eine Person, allmächtig, allwissend, allgütig usw. Über die Existenz eines so definierten Wesens lässt sich dann durchaus diskutieren; pro mit den mehr oder weniger gelungenen Gottesbeweisen, contra mit der Theodizeefrage, also der Frage, wie bei einem so beschaffenen Gott das Übel in der Welt erklärbar ist. Trotz dieser immer noch anhaltenden Diskussion ist ein solcher "philosophischer" Gottesbegriff inzwischen so verblasst, dass er für alle praktischen Zwecke als erledigt angesehen werden kann. Die Gründe hierfür sind:

(a) Er ist theoretisch zu wenig durchgeformt (siehe dazu Punkt (d))

(b) Inzwischen weiß niemand, wozu er gut sein soll. Er spielt weder in der Erkenntnis der Welt noch in der des menschlichen Schicksals eine sinnvolle Rolle.

(c) Es fehlt ihm eine überzeugende Fundamentierung in der Tradition, aus der er stammt, dh. vor allem der Bibel.

(d) Trotz seiner behaupteten philosophischen Selbstständigkeit kommt er nicht ohne Rückhalt in einem allgemein kulturellen Gottesverständnis aus. Schwindet dieses, wie heute, dann fällt er als erster.

Der letzte Punkt zeigt sich z.B. in den sogenannten Gottesbeweisen. Abgesehen davon, wie stichhaltig sie sind oder nicht sind, merken sie meist nicht einmal, dass sie bereits vor dem ersten Schritt ein solches allgemeines Gottesverständnis voraussetzen. Dies liegt in der stillschweigenden Annahme, dass ihre "bewiesenen" Entitäten untereinander und mit dem christlichen Gott identisch sind: Der "unbewegte Beweger", "dasjenige, über das hinaus etwas Besseres nicht gedacht werden kann" usw.

Was hilft gegen Frankenstein?

Heutzutage, bei den sogenannten modernen Atheisten, ist es allerdings Punkt (c), der die offene Flanke des christlichen Gottesverständnisses darstellt und über die sie angreifen. Da es im Moment keine anerkannte Kondensierung der Assoziationwolke "Gott" gibt, ist jeder Bestandteil in dieser Wolke als mehr oder weniger gleichwertig anzusehen. So haben Dawkins & Co. freie Bahn, um aus einzelnen Texten der Bibel und anderer christlicher Traditionen Gott als ein Frankenstein-Monster zusammen zu kleben und dieses dann dem Gelächter und dem Abscheu preis zu geben. Die Gegenwehr der Theologen ist dabei ziemlich schwach und besteht in Variationen von: "Ja, das steht in der Bibel, aber das ist heute einfach out, da sind wir uns in der Szene inzwischen einig."

Dawkins & Co. sind vielleicht unfair, aber sie zeigen klar das Defizit in der heutigen Auffassung von "Gott": Es fehlt ein Ansatz, der etwa folgendermaßen aussehen müsste:

(1) So und so ist der begriffliche Kern des "abrahamitischen" Monotheismus, den wir mit Juden und Muslimen teilen.

(2) So und so ist der begriffliche Kern der Grundlegung / Erweiterung, die Jesus von Nazareth in seiner Predigt beigetragen hat.

(3) So und so ist der begriffliche Kern der Interpretation, die das frühe Christentum für diese Tradition plus Kreuzigung / Auferstehung entwickelt hat.

(4) So und so sind die großen Linien in der Überlieferung (der Bibel), entlang derer sich diese Kerne entwickelt haben. Andere Texte sind als Bestandteile dieser Tradition zu ehren, sind aber von zweiter oder dritter Ordnung.

(5) 1 bis 4 zusammen bilden eine klare, zusammenhängende Aussage, eine Art Theorie über die menschliche Existenz, über das Schicksal des Menschen in dieser Welt (vergleichbar z.B. den vier edlen Wahrheiten des Buddha).

(6) "Gott" ist in dieser Theorie ein sogenannter theoretischer Term. Er spielt darin eine genau definierte Rolle und die Theorie funktioniert ohne ihn nicht.

Damit bekommt die Frage "Existiert Gott?" eine klare Form. Sie wandelt sich zu der Frage "Funktioniert diese Theorie?"

Ein Beispiel: Da das Licht für wellenförmig gehalten wurde, gab es die Vorstellung, dass das ganze Universum von einem Medium erfüllt ist, das diese Wellen weitergibt, es wurde "Äther" genannt. Die Frage "Gibt es den Äther?" ist aber so zu unspezifisch. Vielmehr muss die Natur dieses Äthers genauer beschrieben werden (das tat z.B. der Physiker Fresnel), bevor man daran gehen kann, eine solche Vorstellung zu bestätigen oder zu erschüttern.

Die Frage "Gibt es den Äther?" macht also nur Sinn in einer Übersetzung, z.B. : "Funktioniert die Äthertheorie von Fresnel?". Ebenso würde die Frage "Existiert Gott?" überführt in die Frage: "Funktioniert diese Theorie, die die Punkte (1) bis (4) erfüllt?". (Einige Voraussetzungen dafür habe ich in meinem Blog-Preview genannt:

http://www.ericdjebe.com/teaser-kategorien/credologie/ )

Somit bleibt mir an diesem Punkt die Abschätzung, wie wahrscheinlich es ist, dass (a) eine solche Theorie überhaupt existiert und dass sie auch (b) zeitnah gefunden wird.

Zu (a) wäre zu sagen, dass ich ohne einen solchen begrifflichen Kern den fulminanten Erfolg des Christentums über 20 Jahrhunderte unter jeweils ganz unterschiedlichen Bedingungen für extrem unwahrscheinlich halte.

Und zu (b) muss ich zugeben, dass ich selbst einen Entwurf dazu erstellt habe:

http://www.bod.de/index.php?id=296&objk_id=578583

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

112 Kommentare

  1. Erfolg / Christentum 2000 Jahre

    Und wie ist das mit dem Erfolg andere Religionen über z.B. 50 Jahrhunderte?

    Ist das wirklich ein Kriterium?
    Und vor allem wofür?

  2. Existiert er nun?

    Schöner Beitrag. Regt mich zum Nachdenken an.

    Wenn man “Gott” als allmächtiges Superwesen auf einer Wolke definiert, existiert er wahrscheinlich nicht.

    Gläubige beschreiben Gott meist eher mit Begriffen wie “die Liebe, die Schönheit, das Leben, die Kraft, die alles verbindet”. Wahrscheinlich tun sie recht, daran zu glauben.

    Wenn sie ihre Begriffe nicht explizit definieren, können sich Atheisten und Gläubige ewig streiten, ob dieser Gott nun existiert oder nicht.

  3. Danke für diesen schönen Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Ich freue mich sehr auf die anstehende Diskussion.

    Bei den möglichen Antworten auf die Gottesfrage plädiere ich ganz klar auf “Kann man so nicht sagen”. Selbstverständlich “existiert” GOTT nicht. Dazu müsste ER ein innerweltliches Objekt oder Phänomen sein. Und das würde ihn in einer Weise einengen, die zu seinem Attribut GOTT in unüberbrückbarem Widerspruch steht.

    Den Begriff der “Gotteswolke” finde ich als Ansatz zur Erfassung des Unfassbaren sehr sympathisch und möchte ihren wolkigen Charakter gerne verteidigen. Wir Menschen sind befähigt und angehalten, über Gott und seine Natur nachzudenken. Für den Menschen an sich ergibt sich dabei zunächst das Problem der immerwährenden Begrenztheit seiner Erkenntnisfähigkeit wie seines Intellekts. Für den religiös verankerten Theisten kommt noch das Problem der “Heiligkeit” Gottes hinzu. Es ist ihm durch die mosaischen Gesetze ausdrücklich verboten, sich ein Bildnis Gottes zu erschaffen – was er aber automatisch tut, wenn er sich eine Vorstellung von “Gott” schaffen. Und sei es nur in seinem Gehirn. Und diese Bilder haben – wie immer sie auch aussehen mögen und von wem sie auch immer erdacht worden sind – eines gemeinsam: Sie sind allesamt falsch. Unsere Endlichkeit, unsere Kreatürlichkeit und auch unsere “Sündhaftigkeit” (ich gebrauche diesen Begriff hier wertneutral) tritt in dem Augenblick, in dem wir uns “Gott” nähern, offen zutage. Bei Theisten wie A-Theisten. Trotzdem sind solche Bilder unvermeidbar, ja notwendig, und in einigen Fällen durch die “Offenbarung” für den allgemeinen Gebrauch regelrecht lizensiert. Der theistische Denker ist sich dessen immer bewusst (oder sollte es sein). Er verfügt damit über eine gewisse intellektuelle Bescheidenheit, die jedem Akademiker gut ansteht, und die ihm gegenüber dem A-Theisten beim Umgang mit solchen Grenzfragen einen gewissen Vorteil verschafft (mag sein, dass er dafür andere Nachteile hat). Nun ist auch ein “theoretischer Term” ein solches Gottesbild. Für die wissenschaftliche Alltagsarbeit geeignet, aber eben doch eine Abbildung dessen, was nach theistischen Vorgaben nicht abbildbar sein kann. Alles, was dem Theisten bleibt, ist die “Wolke”. Mr. Dawkins und seine Fans mögen ihm das als Schwäche auslegen. Aber ich halte es für möglich, dass die Erfahrung, “Gott” nur in Wolkenform wahrnehmen zu können, der “Wirklichkeit” näher kommt als das, was die Positivisten meinen, mit Instrumenten messen zu müssen.

  4. @Eric Djebe

    Schöner Einstieg!
    Vor zwei Tagen hatten wir Besuch, und der 7-jährige Sohn einer Freundin stellte mir die Frage, ob ich wisse, wo der Weihnachtsmann wohnt.
    Ich war in einem ziemlichen Dilemma, weil ich die Verunsicherung in seinen Augen sehen konnte, und annehmen musste, dass er in der Schule mit “wissenden” Kindern konfrontiert worden war, und nun nach Bestätigung für sein bisheriges Weltbild suchte.
    Ich sagte also wahrheitsgemäß: “Ich weiß es nicht”, was ihn aber alles andere als zufriedenstellte, und weil ich mir normalerweise, gerade bei seinen Fragen viel Zeit nehme, um sie mit ihm zusammen zu beantworten, wurde seine Verunsicherung noch größer……Bis zu unserer nächsten Begegnung muss ich mir eine bessere Antwort überlegen, denn locker lassen wird er nicht: Das hat er mir schon angekündigt.
    “Du kriegst doch sonst alles raus. Überleg doch mal genauer”
    Mir wurde klar, dass diesem Kind meine Antworten wichtig sind, und es mir vertraut, selbst wenn es nicht mein eigenes ist. Ich werde wohl nicht um eine echte Antwort herumkommen…
    Mir gefällt Ihre Vorgehensweise, Herr Djebe! Ich werde mich zu Ihrem Post sicher noch eingehend äußern.

  5. Erste Antworten

    Erst mal herzlichen Dank an alle für diesen Einstieg in die Diskussion!

    @einer
    Mit den 50 Jahrhunderten meinen Sie den Hinduismus? Ich halte Ihn für eine Sonderform, siehe mein letzter Gastblog:

    scilogs.spektrum.de/chrono/blog/natur-des-glaubens/grundlagen/2011-10-02/vertikale-und-laterale-verbreitungen-von-religionen-ein-gastbeitrag-von-eric-djebe

    Ich selbst würde als Beispiel den Buddhismus nennen. Sein “lateraler” Erfolg weist ihn als Religion mit einem starken begrifflichen Kern aus. Reiner Blödsinn hätte einen solchen Erfolg nicht.

    @Kasslerin
    Schwierig. Ich bin noch nicht ganz soweit, aber ich würde vielleicht sagen: “Ja, es gibt ihn, so wie die Zahl eins. Man kann sie nicht anlangen oder fotografieren, aber es gibt sie.”

    @Gerhard Markus
    Ich behaupte in der Tat, dass es eine klare Grundlegung dieses Gedankens gibt. Darf ich zu diesem Thema (hüstel) noch einmal auf den Link zu meinem Buch aufmerksam machen?

    @Peter S.
    Ich finde Ihren Kommentar ebenfalls sehr schön und es tut mir leid, Ihnen widersprechen zu müssen.
    Zuerst einmal darf ich darauf aufmerksam machen, dass das Bilderverbot im Alten Testament ausnahmslos jedes Bild untersagt. Ich empfinde es als etwas unfair, sich problemlos Fotografien auf den Schreibtisch zu stellen, aber jede genauere Spezifizierung des Gottesbegriffs mit Rückgriff auf dieses Verbot zu untersagen.
    Und natürlich ist jeder christliche Glaube angefüllt mit Bildern. “Vater im Himmel” ist ein sehr mächtiges Bild, durch die Offenbarung für den Gebrauch lizenziert, wie sie sagen. Gibt es nun einen erlaubten Grad, bis zu dem man diesem Bild nachforschen darf, bis zu dem man den Versuch treiben darf, es genauer zu verstehen? Ab wann beginnt die “Falschheit”? Erst einmal bis hierhin …

    @Francois Pütz
    Natürlich muss man erst einmal mit den Eltern reden. Ich persönlich würde ihm bei einer solchen Frage reinen Wein einschenken, aber die bittere Wahrheit versüßen durch eine möglichst barocke Erzählung vom heiligen Nikolaus, die die Stellvertretung durch Eltern usw. mit einem hohem Wert versehen würde.
    Aber das ist, glaube ich, bei Ihnen nicht so einfach 😉

  6. Einheits-Theorie?

    Das Problem ist wohl weniger, ob *eine* „solche Theorie überhaupt existiert“. Das Problem ist eher, dass es *viele* Theorien gibt – ja, auch solche, die Ihre Punkte 1-4 erfüllen könnten. Die ersten großen Entwürfe bei den „Kirchenvätern“, also in den ersten Jahrhunderten schon.
    Immer wieder wurde versucht, das kirchenamtlich zu bündeln. Das war allerdings zu oft mit Machtfragen verquickt und mindestens insofern nicht nur erquicklich. Und zeigt: Auch die tatsächliche oder unterstellte Einheitlichkeit einer Theorie kann zum Problem werden, weil sie Probleme überdeckt.
    Spätestens mit dem sichtbaren Aufbrechen der mittelalterlichen Einheitlichkeit kamen in immer wieder neuen Schüben die Theorien. Und das setzt sich fort bis heute. Ich möchte nicht unterstellen, dass sich Theologen grundsätzlich von dieser Aufgabe dispensieren oder nur in bequeme Seitennischen verkriechen.
    Nun, es gibt natürlich immer solche, die sich an den römischen Katechismus halten – Roma locuta, causa finita ? Ich glaube, was die Kirche glaubt? Da sind dann auch die Standpunkte ganz klar. Aber ich halte das nicht für erstrebenswert.

    Dass das Christentum trotz der Vielfalt der Entwürfe und Theorien bisher überlebt hat – und obwohl so viele meinten, genügend Gegenpropaganda würde alles erledigen – könnte nun auch zeigen, dass es dafür auf die Einheitlichkeit einer Theorie so gar nicht ankommt. Der Glaube ist wohl auch etwas anderes als die Zustimmung zu einer mehr oder weniger plausiblen Theorie.

    Trotzdem ist es sinnvoll, wenn Theologen begrifflich einigermaßen klar (und das heißt auch: immer wieder jeweils aktuell durchdacht) sagen, was sie meinen und nicht dem Verdacht Vorschub leisten, sie würden nur ausweichen. Ich kenne derartiges, aber ich muss es wohl nicht schildern. Der Protest dagegen begleitete jedenfalls von Anfang an mein Theologiestudieren.

    Nun, meine Form der Auskunft ist ja bekanntermaßen:
    Ich möchte die alten Ausdrücke religiöser (und dann auch theologischer) Tradition verstehen als Reflektionen über, als Chiffren für die Zusammenhänge dessen, was Menschen in Aktion und Interaktion widerfährt (und sich bis tief in sie hinein spiegelt).
    Das sind mehr Ereignisse als Entitäten; und deshalb habe ich ja schon erklärt, dass ich auch bei Gott den Begriff „existieren“ für denkbar ungeeignet halte. Denn wenn man das mit diesem Begriff fassen will, dann bleibt es stecken in den Denkgeleisen der abendländischen philosophischen Tradition. Und diese führen zumindest in der Frage nach Gott von der wirklichen Lebenspraxis weg. (Das sehen Sie ja in Bezug auf den „philosophischen Gottesbegriff“ ähnlich).

    Das ist kein Ausweichen – „kann man so nicht sagen“. Sondern der Versuch, angemessenere Begrifflichkeit zu finden. Ich weiß aber auch meine Kräfte und Kompetenzen einzuschätzen und werde nicht einfach dem lautesten Kanonendonner nachrennen (entsprechend Ihrem Link zu Ihrem Blog-Preview) . Zumindest brauche ich einen Wegeplan. Ist vielleicht auch schlau zu sehen, wer schon die richtige Richtung einschlägt. Also mache ich mich speziell auf diesem Gebiet derzeit kundiger als ich es in den letzten 40 Jahren der Berufstätigkeit konnte.

  7. @Aichele

    Danke für Ihren Beitrag! Und ich freue mich, dass Sie dem Link auf meine Website gefolgt sind. Ich wäre geehrt, wenn ich Sie auf meinem Blog begrüßen dürfte. Umso mehr, als ich Ihnen einiges zumute, das ist mir klar.

    Ihr Hinweis darauf, dass die Geschlossenheit eines Gottes- und Weltbilds nicht das Maß aller Dinge sein kann, ist natürlich richtig. Ja, viele antike und mittelalterliche Interpretationen des christlichen Glaubens haben ein solche geschlossenen Konstrukte geschaffen, die auf Dauer eher Knebeln und Fesseln waren als Hilfe zum richtigen Verständnis. Ich würde allerdings meinen, dass zumindest einige im damaligen Zusammenhang bewundernswerte Leistungen darstellten.
    Nun möchte ich Ihnen aber doch widersprechen, wenn Sie meinen, dass jemals eines davon meine Punkte (1) bis (4) erfüllt hätten. Als Beispiel dafür möchte ich die Theologie von des augenblicklichen Papstes nennen. Verzeihen Sie, wenn ich dafür wieder einen Hinweis auf meine Ausführungen dazu auf meinem Blog-Teaser einfüge :
    http://www.ericdjebe.com/teaser-kategorien/catholica

    Diese Theologie ist zwar einheitlich, nimmt aber weder den abrahamitischen Monotheismus ernst (Punkt 1) noch die tatsächliche Predigt des Jesus von Nazareth (Punkt 2) usw. Stattdessen wird das Pferd von hinten aufgezäumt und erst einmal eine sehr eingeschränkte (augustinische) Sicht auf Plato als Ausgangspunkt gewählt und von diesem philosophischen Standpunkt aus die gesamte Tradition einschließlich der Bibel gefiltert und zurechtgebogen. Zum heutigen Zeitpunkt kann niemand hinter Luther und nachfolgend die kritische Exegese zurück. Eine “Theorie”, die diese Ergebnisse mit einbezieht, habe ich in all den Jahren nirgends gefunden, deshalb auch meine eigene Rekonstruktion.

    Noch ein persönliches Schlusswort: Es schmerzt mich wirklich, so vielen ernsthaft Suchenden, zu denen Sie selbstverständlich gehören, ins Gesicht zu sagen: “Du hast nicht recht.” Einer der Gründe, warum ich es trotzdem tue, ist der, dass ich das Überleben dieser wertvollen Tradition der Menschheitsgeschichte namens Christentum nicht so zuversichtlich sehe, wie Sie das tun. Die augenblickliche “Verdunstung” dieses Glaubens findet flächendeckend und massiv statt, auch unter dem Firnis sogenannter Fundamentalismen.

    Das allein ist es aber nicht. Es gibt ein Wort unter den Sufis, das lautet: “Der Islam ist als Fremder in die Welt gekommen und er wird als Fremder wieder gehen.” Das könnte auch für das Christentum gelten. Es sollte aber nicht SO gehen. Bevor wir es ad acta legen, sollten wir mit all unseren Kräften versuchen, einen Blick darauf zu bekommen, was wir da ablegen. Letzten Endes geht es darum, die Kinderfragen in uns ernst zu nehmen: Ist das wahr? Und, was bedeutet es?

  8. Kinder und Erwachsene

    Eine gute Grundfrage im Post – Kinder stellen sie gern. Da tun sich die Erwachsene schon eher schwer – auch weil es ein breites Thema über die Jahrtausende ist. Prus hat in seinem Buch Pharao einen Vergleich gebracht. Beide Kriegsparteien beten zu Gott – er möge sie gewinnen lassen. Das Gebet fliegt als leichtes Tongefäß zum Himmel(!) – Beide Gefäße treffen sich unterwegs – stoßen zusammen und stürzen ab. Das Gebet eines Kindes kommt bei Gott an.
    Eine Bekannte erzählte mir vor Kurzem, dass ihr Partner ein Blutgerinsel hatte – sie hat stundenlang gebetet – und als am Morgen die Untersuchung begann – war kein Blutgerinsel mehr zu finden. Ob die Medikamente über Nacht gewirkt haben… Es wird aber immer wieder mal nach Gebeten von mehr oder weniger Spontanheilungen gesprochen.
    Es gibt aber auch Phantasiebeschreibungen religiöser Fanatiker. Ein älterer Herr reichte mir das Flugblatt und sagte: „Das ist Wissenschaft.“ Mit dem oft zitierten Artikel: http://www.kreuz.net/article.5187.html habe ich mich auseinandergesetzt, hier die Kurzvariante: http://www.kreuz.net/article.6667.html . In einer umfangreichen Recherche bin ich auf ganz interessante Hintergründe gestoßen, die ich in einem 2-teiligen Artikel veröffentlicht habe „Mißt Dr. Stowell die Kraft des Gebetes?“ http://www.deistung.de/weltall/beitraege-2011.htm
    Menschen, die Gutes erlebt haben, haben oft auch kein Problem es Gott zuzuschreiben.
    Es ist unbestritten, der Glauben an Gott kann den Menschen helfen – sie haben einen Ansprechpartner, eine Pfahl zum Aufrichten und Festhalten.

  9. Eine ? Antwort

    Ohne den Artikel gelesen zu haben fällt mir dazu erst mal mein Namensvetter ein:
    “Existiert Gott?: Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit” von Hans Küng.
    Das ist allerdings ein 880 Seiten dickes Werk, wofür man sich Zeit nehmen sollte.
    Aber ich werde mir den Artikel noch mal vornehmen. Mal sehen, ob mir auch noch ein besserer Kommentar einfällt…

  10. Werter Eric Djebe,
    der barocke Nikolaus spielt bei meinen eigenen Kindern eine große Rolle, und das ist nicht nur meiner Herkunft geschuldet. Ich habe große Sympathien für den Zauber dieser Figur, den ich am eigenen Leib verspüren durfte.
    Bei der von mir geschilderten Situation, die, wie es der Zufall will, gerade vor ihrem Post eingetreten ist, sind natürlich meine Gedanken von einer anderen Überlegung geprägt:
    Die Suche des Kindes nach einer Antwort, wo es in der Gottesfrage eine solche dem Kind entsprechende Antwort eigentlich gar nicht geben kann. Ihr Post und der in meinen Augen exzellente Kommentar von Hermann Aichele zeigen das Dilemma auf:
    Diese Überlegung sind einem Kind, und ich fürchte auch den meisten Erwachsenen oft nur mit Mühe zu vermitteln. Ich habe des Öfteren in dem Zusammenhang Bemerkungen hören und lesen müssen, die in eine Richtung gingen, die mir fremd und recht unsympathisch ist. Zusammenfassend war es ein “Man sollte die Menschen doch mit ihrem Kinderglauben in Ruhe lassen! Sie sind sowieso nicht in der Lage theologische Überlegungen nachzuvollziehen.”
    Ich halte das für eine extrem arrogante Position, die mir aber immer wieder begegnet.
    So wie man ein Kind in seiner Suche nach dem Wahrheitsgehalt des ihm vermittelten Weihnachtsmannbildes ernstnehmen sollte, so sollte man aus meiner Sicht auch die Suche der Menschen nach dem Gottesbild ernstnehmen, und sie nicht auf dem Kinderglauben sitzen lassen, weil es zu mühsam ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
    Als Atheist denke ich aber, dass man auch in diesem Falle reinen Wein einschenken muss, und den Menschen zumindest ihr sehr einfaches Gottesbild modernisieren hilft, wenn sie damit Probleme bekommen. jetzt bin ich immer noch nicht dazu gekommen, meine Überlegungen zum Hauptthema auszuführen, aber ich versuche mich langsam heranzutasten.

  11. Theorie und Macht

    Noch ein Nachschlag zu zwei Vorurteilen, die allgemein verbreitet sind und auch hier in einigen Kommentaren durchscheinen. Danach ist eine stringente Darstellung des christlichen Glaubens schon deshalb abzulehnen, weil sie das freie Denken knebelt und behindert. Denn

    (1) eine solche geschlossene Theorie, wenn man das so nennen will, ist unempfindlich gegen Kritik und
    (2) eine solche Theorie ist ein Instrument zur Durchsetzung von Macht.

    Beides ist so nicht richtig.
    (1) ist systematisch falsch. Zwar ist es richtig, dass Gegenargumente nicht so leicht zu finden sind, da sie sich gegen ein geschlossenes Ganzes behaupten müssen. Wenn aber ein solches Argument auf dem Tisch liegt, gerät die betreffende Theorie in erhebliche Schwierigkeiten. Ein Beispiel ist der erste Entwurf einer Mengenlehre durch Frege, der durch das Paradoxon von Russel auf einen Schlag zerstört wurde.

    (2) stimmt nicht mit der Erfahrung überein. Macht lässt sich in ihrer Ausübung ungern von theoretischen Überlegungen dreinpfuschen. Man tut zwar so, als würde man ewige Wahrheiten verteidigen, geht aber in Wirklichkeit so vor, wie man will. Die päpstliche Bulle “Exsurge Domine” gegen Luther z.B. war ein schlampig zusammengebasteltes Machwerk ohne echten Inhalt. Ähnliches lässt sich z.Zt. bei den islamischen Fundamentalisten sehen. Bei ihren Imamen steht einfach alles im Koran (angeblich), was ihnen ihre restriktive Sozialisation so eingeblasen hat. Resultat ist ein furchterregendes Aggregat von haarsträubender Beliebigkeit.

  12. @Eric Djebe

    Kurze Ergänzung:
    Frege hat nicht den ersten Entwurf einer Mengenlehre geliefert(da scheint eine Verwechslung mit Georg Cantor vorzuliegen). Frege versuchte lediglich seine “Grundgesetze der Arithmetik” auf ein mengentheoretisches Axiomensystem aufzubauen, was er aber nach Russells Brief in der Form nicht weiterführen konnte.
    Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang aber etwas Anderes: Frege hat nicht nur sofort verstanden, was Russells Paradoxon für seine Bemühungen bedeutete, sondern hat auch sofort eingeräumt, dass er einem Denkfehler aufgesessen ist.
    Seine Arihmetik wurde deswegen auch nicht “zerstört”, sondern Frege hat sie, zusammen mit Russells Einwand, publiziert, und fortan andere Wege der Begründung beschritten.
    Intellektuelle Redlichkeit at its best!

  13. @Francois Pütz

    Ein bisschen langweilige Wissenschaftsgeschichte: I stand corrected, es war die Begründung der Mathematik in einer naiven Mengenlehre, die Frege vornahm.
    Aber sein Gebäude wurde tatsächlich durch das Paradox von Russell zerstört, er hat nur deshalb publiziert, weil er irrtümlich glaubte, es mit einer nachgeschobenen Einschränkung des Komprehensionsaximons retten zu können.

    Noch einmal die Anwendung: Bei einem so stringenten Werk wie die von Frege ist ein Gegenbeweis schwierig, ist er aber gefunden, kann er nicht einfach ignoriert werden.

    Überspitzt gesagt: Theologen reden oft aneinander vorbei, Logiker nie. Und je stringenter eine Darstellung des Christentums ist, desto relevanter wird die Diskussion darüber sein.

  14. Ich erlaube mir die Prognose, dass eine stringente Darstellung des Christentums kaum möglich sein wird, auch weil es sich nicht um ein naturwissenschaftliches Thema handelt.
    Es sind meiner Meinung nach auch nicht die “christlich sozialisierenden Milieus”, die abgelehnt werden, sondern es ist tatsächlich, und deswegen passt es jetzt genau hierher, die mangelhafte bis nicht existierende Begründung eines Gottes- und Weltbildes, das bei Atheisten auf Ablehnung stößt, umso mehr, als von christlicher Seite oft darauf bestanden wird, dass eine saubere Begründung nicht wichtig ist. Dem steht aber eben dann der Anspruch vieler Christen entgegen, in ihrem Glauben ernst genommen zu werden, was z.B. von philosophische-logischer Seite unter den Umständen kaum zu leisten ist.
    Insofern ist Ihr Versuch, dem Ganzen zu einer stringenten Form zu verhelfen zwar eigentlich der richtige Weg: ich kann aber nicht erkennen, wie dergleichen anzupacken wäre. Ich bin ehrlich gespannt.
    Nochmal zu den “christlich sozialisierenden Milieus”: Vieles, was dort üblich ist und gefördert wird, stößt auch bei Atheisten auf große Sympathie. Es ist lediglich das unstabile Gebäude, das dem teilweise sicher nachahmenswerten Handeln zugrunde liegt, das nicht sehr ernst genommen wird.
    Um dann das Eingangsbeispiel noch mal aufzugreifen: am liebsten würden Atheisten reinen Wein einschenken, und sagen, dass es eine Diskussion, ob es Gott gibt oder nicht, bei der Faktenlage und bei der extremen Divergenz der persönlichen und offiziellen Gottesvorstellungen, noch nicht geben kann. Da sie aber aufgrund der langen Geschichte der Theologie nicht mehr daran glauben, dass eine Einigung auf ein stringentes Gottesbild oder eine stringente Darstellung des Christentums möglich ist, gehen sie andere Wege.
    Für mich und viele andere sind beispielsweise Dawkins oder auch in besonderem Maße Daniel C. Dennett keine Feinde des Christentums(so sehen sie sich selber übrigens auch nicht), sondern ihnen fehlt wie anderen auch die Überzeugung, dass Religionen einen theoretischen Unter- und Überbau liefern können, weil sie immer wieder daran gescheitert sind.
    Die Botschaft eines neuen Atheismus lautet deswegen: Lasst uns neue Wege ausprobieren.
    Das ist in erster Linie wirklich nicht religionsfeindlich gedacht, sondern erwächst aus einer Resignation, die auch aus der intensiven Beschäftigung mit den Religionen heraus entstanden ist.
    Dieser neue Atheismus greift also die Religionen gar nicht mehr an,. sondern lässt sie einfach links liegen, was aus der Sicht vieler religiöser Menschen, so habe ich den Eindruck, noch viel schlimmer ist.

  15. Die Götter der Geschichte, logisch?

    Viele Völker haben überliefert, dass Götter ihnen dies und jenes gezeigt, erklärt haben. Sie kamen vom Himmel (wir singen heute noch: Vom Himmel hoch da komm ich her…, M. Luther im Druck von 1567), allein oder mehrere. In Amerika zeigten sie den Ureinwohnern u. a. wie man Gold gewinnt und bearbeitet – für sie war es das gelbe Metall der Götter – was die spanischen Eroberer nicht verstehen konnten.
    Die Ureinwohner waren der Meinung – als die Spanier kamen – es wären die Götter! Warum waren sie der Meinung? Sie hatten ihnen versprochen wieder zu kommen, zu diesem Zeitpunkt war ein Kalenderzyklus um. Jesus und Henoch, der schon zwischen Erde und Himmel mehrfach reiste, werden auch wieder kommen.
    Die Bibel überliefert, dass Gott und seine Begleiter mit Abraham und Sara gegessen haben. Gott hat Sara sogar noch versprochen, dass sie mit 90 Jahren endlich ein Kind bekommen wird.
    Gott spricht in der Bibel mit seinen Propheten – es sind wörtliche Reden!
    In der Wüste ließ Gott ein Tag- und ein Nachtzeichen für die Wandernden fliegen, es gab einen fliegenden rauchenden Ofen. Und der Reverent B. Cannon baute als Ingenieur das Fluggerät nach Ez 1, 4-28… nach http://www.altereddimensions.net/…ellCannon.aspx
    Gott, Götter – sie haben ihre Spuren in den Völkern und Schriften hinterlassen – und wir fragen…

  16. @Eric Djebe:

    »Ich bin noch nicht ganz soweit, aber ich würde vielleicht sagen: “Ja, es gibt ihn, so wie die Zahl eins. Man kann sie nicht anlangen oder fotografieren, aber es gibt sie.” «

    Dann würde das kluge Kind vielleicht antworten: “Aha, dann gibt es ihn, Gott, also nicht wirklich, nicht so, wie es Dinge, Menschen, Tiere und Pflanzen gibt. Wozu dann zu ihm beten, wenn er doch nur in den Köpfen der Menschen existiert, so wie die Zahlen?”

  17. @Balanus

    Die Aussage ist nicht ganz kindlich und ich bin im Zweifel, wem ich antworten soll, Ihnen oder dem Kind ;-). Beiden würde ich zunächst sagen, dass es die Zahl eins natürlich wirklich gibt. In allen Sprachen gibt es ein Wort dafür, ohne kommt man nicht aus. Du hast einen Kopf und nicht zwei und eine Nase und nicht zehn. Sie ist nicht materiell, aber sie ist ganz klar Teil der Wirklichkeit.

  18. @ Balanus

    “…Wozu dann zu ihm beten, wenn er doch nur in den Köpfen der Menschen existiert, so wie die Zahlen?”

    Als Vater, der ich nicht bin, würde ich antworten: beten ist nicht das Herunterleiern frommer Gedichte, sondern das “Vaterunser” ist eine innere Vertrauenshaltung. Ob “Vater” nun das “höhere Selbst”, welches das, was wir “Ich” nennen zu sich zieht, weiß ich nicht zu sagen.

  19. @Eric Djebe

    Vielleicht würde das Kind sich zunächst damit zufrieden geben. Aber später dann – es ist schließlich ein sehr kluges Kind –, käme ihm vielleicht der Gedanke, dass der Mensch in grauer Vorzeit ja erst mal zählen lernen und dafür Zahlen erfinden musste. Wurde Gott also genauso von den Menschen erfunden wie die Zahlen? Waren, bevor es Menschen gab, Zahlen wirklich Teil der Wirklichkeit? Und was wird aus den Zahlen, wenn irgendwann mal keiner mehr da ist, der die Dinge zählen kann? Verschwindet Gott zusammen mit den Zahlen?

    (Man darf Kinder niemals unterschätzen ;-))

  20. “Wie konnte Gott das zulassen?”

    Ich möchte kurz eingehen auf: “Wie konnte Gott das zulassen?”
    Antwort: einerseits ist es ihm egal und andererseits nicht.
    Nicht egal ist es ihm dann, wenn die Schrift erfüllt wird und egal ist es ihm, wenn es nichts mit der Schrift zu tun hat. Aber ein ‘ist ihm egal’ kann sich auch rückwirkend wandeln, dies geschieht kurz vor dem jeweils nächsten Jüngsten Tag (und dann geht der “Zauber” Stück um Stück wieder von vorne los bis zum nächsten Gerichtstag).

  21. Balanus

    Dem Kind würde ich dann antworten: Du bist ein wirklich kluges und aufgewecktes Kind, Klasse! Aber unsere Vorfahren haben die Zahlen gar nicht ‘erfunden’, sondern ‘entdeckt’! Und ebenso erging es ihnen später mit Gott! +_+

  22. @ Dietmar Hilsebein

    Beten als “innere Vertrauenshaltung” ist ja schön und gut, lieber Vater, der du nicht bist, aber schau doch mal, wie sich die Menschen in Kirchen, Moscheen, Synagogen und sonstigen Tempeln verhalten, und das, obwohl Gott nicht wirklicher zu sein scheint ist als eine beliebige Zahl…

  23. “(Man darf Kinder niemals unterschätzen ;-))”

    Da sagen Sie ein wahres Wort: “…wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder…”

    “Beten als “innere Vertrauenshaltung” ist ja schön und gut, lieber Vater, der du nicht bist, aber schau doch mal, wie sich die Menschen in Kirchen, Moscheen, Synagogen und sonstigen Tempeln verhalten, und das, obwohl Gott nicht wirklicher zu sein scheint ist als eine beliebige Zahl…”

    Ich weiß natürlich nicht, was darauf der Vater antworten würde. Aber ich würde sagen: als Vater braucht er eine unendliche Geduld -vom Furz vor dem Urknall bis zum Menschen und die Hoffnung, einmal darüber hinaus zu kommen. Also ich hätte die Geduld nicht. Aber ich bin auch nicht der Vater -“Gott” sei Dank!

  24. Balanus

    Kein einzelner Kopf, wohl nicht einmal Ihrer ‘_* , hätte die Zahl oder Gott alleine entdecken können. Damit ist Ihre Frage wissenschaftlich beantwortet. ^_^

    PS: Dieser Blog ist einfach sehr stark gefragt, thank God! ^_^

  25. Gott?

    Im Grunde habe ich keine Ahnung, aber was Nietzsche schreibt, gefällt mir:

    Ich kenne mancher Menschen Sinn Und weiss nicht, wer ich selber bin! Mein Auge ist mir viel zu nah – Ich bin nicht, was ich seh und sah. Ich wollte mir schon besser nützen, Könnt’ ich mir selber ferner sitzen. Zwar nicht so ferne wie mein Feind! Zu fern sitzt schon der nächste Freund – Doch zwischen dem und mir die Mitte! Errathet ihr, um was ich bitte?

    (F.Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Scherz, List und Rache, §25)

  26. Nachtrag

    Wie soll man “Gott” definieren, wenn ER nicht einmal weiß, wer er selber ist? Geht es uns Menschen nicht ähnlich?

    “Wer bin ich?” Hat jemals jemand auf diese Frage anders als mit einer Tautologie (“ich bin, der ich bin”), oder einer Tätigkeitsfeststellung (“cogito, ergo sum”), oder einer Aufzählung einer Liste von Akzidentien (“ich bin 52, heisse Heinz, wohne in..”) geantwortet? Selbst die Tautologie aus dem Dornbusch ist noch Verweis: das Ich verweist auf sein Sein. “Wer bin ich?” “Ich.” So geht’s. Nur ist’s halt, weil’s wirklich die nackte Identität, frei von jeder Relation ist, auch eine völlig leere Aussage. Ebensogut könnte man antworten: “Nichts”

    (Helmut Wicht)

     

  27. Was ich bin..

    @Hilsebein

    Ich bin, was ich erlebe, was ich erinnere und was andere in mir sehen (aka Heinz, 52, aus…)
    oder:
    eine Illusion, die wie eine Seifenblase zerplatzt bei ihrem Tod
    oder:
    das physische Wesen, das jetzt hier schreibt.

    Insofern… doch, ich weiss, wer ich bin.

  28. @Thomas

    Das ist bloße Identifikation. Den Namen, den Sie tragen, ist nicht Ihr Name. Sie sind nur benannt. Sie könnten auch eine Nummer tragen.

    “eine Illusion, die wie eine Seifenblase zerplatzt bei ihrem Tod”

    Kann eine Illusion eine Aussage über sich als Illusion treffen?

    “das physische Wesen, das jetzt hier schreibt.”

    Bedienen Sie sich Ihres Körpers nur, so, wie Sie sich Ihres Verstandes bedienen? Kann ein Pianist seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, wenn ihm ein Fortepiano nicht zur Verfügung steht?

  29. @Eric Djebe & all

    Grüße aus Jena! Das Seminar heute (“Naturwissenschaft & Religion”) lief wieder sehr erfreulich, ausgebucht und bis gerade eben habe ich den Vortrag für morgen vorbereitet (ich nehme dazu immer gerne Themenanregungen der Studierenden vom ersten Seminartag auf).

    Freut mich, dass der Gastbeitrag & die Debatte hier so gut läuft! Ich sollte wohl einfach öfter mal ein paar Tage weg sein und NdG fähigen Gastautoren überlassen… 😉

    So, jetzt geht es in die Falle und morgen weiter im Blockseminar. Beste Grüße!

  30. Götter, Zahlen, Theorien

    Noch ein Nachschlag zu einigen Themen, die hier aufgekommen sind: Gibt es die Zahlen nur im Bewusstsein der Menschen? Übertragen auf Gott: Gibt es auch ihn nur im Bewusstsein der Menschen? Und was würde sich daran ändern, wenn man ihn als theoretischen Term auffassen würde?

    Gegenfrage: Gibt es die Erdanziehungskraft? Natürlich, antwortet man. Sieh doch her (nimmt einen Bleistift vom Tisch und lässt ihn fallen).

    Was sieht man da? Erst einmal sieht man einen Bleistift, der sich nach unten bewegt, bis er auf den Boden auftrifft. Aristoteles und seine Anhänger hätten einen Bleistift gesehen, der seinem natürlichen Ort im Erdmittelpunkt zustrebt. Ab der Newtonschen Theorie sehen wir einen Bleistift, der von der Masse der Erde angezogen und zu ihrem Mittelpunkt hin beschleunigt wird.

    Wir legen also eine Theorie, wie hier die von Newton, wie einen Raster über das, was wir in der Welt beobachten. Funktioniert dieser Raster, also die Theorie, sehr gut, dann sehen wir seine Terme (“Erdanziehungskraft”) wie Wörter der natürlichen Sprache und die Dinge, die sie bezeichnen, als Gegenstände unserer Welt. Und das mit Recht. Etwa analog hierzu kann auch der Term “Gott” in Anspruch nehmen, etwas Existierendes zu bezeichnen, wenn die Theorie, in der er eingebettet ist, hier das Christentum, gut funktioniert (ich würde sagen: Gut funktioniert in Weltbeschreibung, Ethik und Lebensführung)

  31. Götter-Zahlen-Theorien @Djebe

    Ja, da wollte ich einhaken.
    “Gibt es die Zahlen nur im Bewusstsein der Menschen? Übertragen auf Gott: Gibt es auch ihn nur im Bewusstsein der Menschen? Ich fände es nicht so schlimm, wenn ich meine Aussage, z.B. HIER, dazu halte: „ Bilder sind selbst keine Wirklichkeit, aber sie repräsentieren Wirklichkeit… Warum sind Menschen (besonders “Europäer”?) so drauf versessen, dass nur das Wirklichkeitsqualität hat, was außerhalb der Menschen (zeitlich davor und danach) ‚existiert’?“
    Also, ich könnte zugeben, dass das Wort „Gott“ in unseren Köpfen entstanden ist (wie auch die Zahlen in unseren Köpfen entstanden sind). Aber doch nichts bloß Subjektives, nicht bloß unser Hirngespinst; denn mit diesem Begriff er-finden wir keine Wirklichkeit; sondern das ist unser Greifen nach einer Wirklichkeit, die wir vor-finden. Und wir können uns mit diesem Wort über Wirkzusammenhänge verständigen (keine physikalischen, biologischen – um einen disclaimer zu diesem Missverständnis wenigstens zu signalisieren – eher politische, gruppendynamische).
    Na, zu „Wirklichkeit“ empfehle ich immer wieder einen Blick in Hoppes Blog „Wirklichkeit“ – die ersten Blogbeiträge von 2007: ganz interessante Zusammenhänge europäischer Theologie-Philosophie-Geschichte, die zu diesem Ausdruck führten.
    Das mit dem „Term“ gefällt mir – ist mir aber noch gewöhnungsbedürftig. Das hörte ich vor 40 Jahren an der Uni nicht.
    Üblicherweise höre ich von Religionswissenschaftlern: Ist doch uns egal, ob Gott existiert. Wir erforschen den Glauben, dass Gott existiert. Und diesen Glauben gibt es. Der ist jedenfalls wirksam – egal ob Gott existiert
    Diese Art der Ontologie halte ich für sehr brauchbar.
    “Wenn die Theorie … gut funktioniert“ – die Theorie des Christentums, schreiben Sie. Bevor da wieder jemand was hineinliest: Sie und ich werden es so verstehen: Es kommt hier auf die objektive Feststellung einer Funktionsfähigkeit an, nicht auf die Bewertung, was daran gut oder nicht so gut ist. [Könnte man übrigens anstatt „Weltbeschreibung“ auch „Weltorientierung“ sagen, damit niemand meinen muss, es konkurriere oder kollidiere gar mit den wissenschaftlichen Weltbeschreibungen?]
    Und als notwendige Bedingung dafür sehen Sie eine einigermaßen plausible kohärente Theorie. Da nehme ich ja etwas Abstand: Manches funktioniert auch trotz mangelhafter Theorien. Es gibt sogar produktive Irrtümer – wozu ich zB die urchristliche Naherwartung rechne. Aber das enthebt uns nicht der Mühe um eine einigermaßen plausible Theorie.

    Noch etwas: Vielleicht geht es Ihnen mehr als mir um die Theorie einer Religionsorganisation, um die corporate identity, die eine Religion insgesamt zusammenhält, ihr ein einheitliches Bild gibt und ihren mehr oder weniger „fulminanten Erfolg“ oder ihren nachhaltigen Bestand erklärt. Und mir mehr um Theorien (durchaus in der Mehrzahl), um Einsichten, die in den kulturellen Schatzkammern der Menschheit, den Religionen *), (aber nicht nur hier) bereitliegen: Um Theorien, die das Leben deuten, die helfen es zu bewältigen. Und die dann erst in einem zweiten Schritt als gemeinsames Bündel von Lebensbewältigungsstrategien, als gemeinsame Religion, identifiziert werden. Eigentlich kein totaler Gegensatz; aber eine etwas andere Blickrichtung.
    *) Diese Bezeichnung der Religionen habe ich übrigens von Schmidt-Salomon.

  32. Nachtrag OR eigentl Antwort @Djebe

    Ich bin noch was schuldig zu Ihrer ersten Replik:
    Das mit dem Papst: Ich kenne seine Theologie eigentlich nur aus wenigen Aufsätzen bzw. seinen bekannten Reden, sonst aus Sekundärliteratur. Er gehört nicht zu denen, von denen ich wesentliche Erkenntnisse erwarte.
    Und Sie dürften Recht haben: Geschlossene Theorie, aber nicht so furchtbar stimmig bzw. krampfhaft auf eine nur in sich stimmige Linie zurechtgebogen.
    Ja, und die historisch-kritische Exegese sollte man auch ernst nehmen. Aber da werden auch Evangelische rückfällig. Und immer noch merkwürdig, wie wenig davon in den Gemeinden ankommt. Das ist allerdings eine etwas komplizierte Geschichte. Und eine zähe zugleich:
    Heute zB im Gottesdienst gehört: „So schreibt der Apostel Paulus im Epheserbrief…“ Was ein halbes Jahr vorher in der Bibelwoche über die Vermutungen zur Verfasserschaft gesagt wurde – einfach vergessen.
    Dazu noch: ich sehe das Überleben der christlichen Tradition nicht nur „zuversichtlich“. Ein bisschen die Angst: Die schrecklichen Vereinfacher aller Schattierungen (und die sich marktgerecht verhalten) werden das Rennen machen. Einerseits unsere Fundis, andererseits auch gewisse atheistische Strömungen. Und dazwischen das große Desinteresse bzw. geistige Langeweile.
    Ich schätze immer noch die, die’s auch ihren eigenen Freunden, ihrer eigenen weltanschaulichen Gruppe nicht zu einfach machen. Aber das ist vielleicht schon altmodisch.
    Ja und: wir brauchen wohl eine kluge Theorie dazu, warum kluge Theorien allein die Menschen auch nicht besser machen.

  33. Das Thema des Posts lautete “Existiert Gott?”
    Inzwischen sind wir nach teilweise sehr klugen Kommentaren(ich möchte hier besonders Hermann Aichele und den Gastblogger hervorheben) wieder genau da angelangt, wo man eigentlich immer ankommt, wenn dieses Thema auf der Agenda steht.
    Es kommt zu wahrhaften Ausweich- und Äpfel und Birnen-Orgien, die ein immer nebulöseres Bild entstehen lassen, das man dann gar nicht mehr fassen kann. Meistens hören dann auch die Debatten auf, dennoch wundert es mich, dass gläubige Menschen sich mit dergleichen immer wieder zufrieden geben.
    Es bleibt auch hier nur der(sehr verständliche) diffuse Wunsch übrig, an einer Vorstellung eines wie auch immer gearteten Gottes möge irgendwas dran sein.
    Mir ist das, wie schon weiter oben bemerkt, zu wenig, um mich intensiver damit zu befassen. Die gedanklichen Perlen, die bei diesen Diskussionen entstehen, schätze ich. Gott droht aber bei solchen Debatten vollends zu verblassen. Für mich ist das soweit kein Problem….stellt sich nur die Frage, ob gläubige Menschen auch mit dieser Entwicklung zufrieden sind.

  34. ich kann mich herrn aichele wieder voll und ganz anschließen….@cydonia alias francoise pütz….zitat: Für mich ist das soweit kein Problem….stellt sich nur die Frage, ob gläubige Menschen auch mit dieser Entwicklung zufrieden sind….
    ich hab damit auch kein problem….für gläubige: erkenne, dass du ein staubkorn bist in der zeitlichen dimension des universums….alles andere ist ein anthropozentrisches weltbild….und nimmt den menschen als spezie zu wichtig….

  35. @Eric Djebe:

    »Etwa analog hierzu kann auch der Term “Gott” in Anspruch nehmen, etwas Existierendes zu bezeichnen, wenn die Theorie, in der er eingebettet ist, hier das Christentum, gut funktioniert (ich würde sagen: Gut funktioniert in Weltbeschreibung, Ethik und Lebensführung) «

    Also “Gott” analog zu “Erdanziehungskraft”, zum Beispiel. Nun liegt Letzterem aber eine konkrete Beobachtung zugrunde, was bei Ersterem nicht so leicht einsichtig ist.

    Zudem gibt es zum Term “Gott” gefühlte 4000 oder mehr verschiedene “Theorien”, sprich Religionen. So etwas werte ich als ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass dieser Term nichts Konkretes bezeichnet und/oder dass die ihm zugrundeliegenden Beobachtungen oder Annahmen unzureichend sind.

    @Hermann Aichele:

    »Warum sind Menschen (besonders “Europäer”?) so drauf versessen, dass nur das Wirklichkeitsqualität hat, was außerhalb der Menschen (zeitlich davor und danach) ‚existiert’? «

    Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck so zutrifft. Man denke da etwa an das weite Feld der Psychologie. “Versessen” sind Menschen darauf, zwischen Konkretem und bloß Gedachtem verlässlich zu unterscheiden. Solche Unterscheidungen können lebensrettend sein.

    @Francois Pütz:

    »Inzwischen sind wir […] wieder genau da angelangt, wo man eigentlich immer ankommt, wenn dieses Thema auf der Agenda steht.

    […]

    Gott droht aber bei solchen Debatten vollends zu verblassen. «

    Wie könnte etwas verblassen, was gar nicht existiert?

    Aber es stimmt schon, je wissenschaftlicher bei der Frage nach der Existenz Gottes argumentiert wird, desto diffuser wird das Gottesbild. Oder eben wolkiger… 😉

  36. Nun, Frau Kneiseler, einen Gott anzunehmen, der sich ganz speziell um diese Staubkörner sorgt ist ja wohl noch um Einiges anthropozentrischer, meinen Sie nicht?
    Francois ohne E ist übrigens die männliche Form, FrancoisE die weibliche. Ist mir nicht ganz so wichtig, da Sie es aber immer wieder machen, dachte ich, es sollte kurz klargestellt wserden.

  37. @Balanus & Francois Pütz

    @Balanus

    “Also “Gott” analog zu “Erdanziehungskraft”, zum Beispiel. Nun liegt Letzterem aber eine konkrete Beobachtung zugrunde, was bei Ersterem nicht so leicht einsichtig ist.”

    Diese Unterscheidung (konkrete Beobachtung vs. ???) ist nicht hinreichend. Natürlich legt der Glaubende vielfach konkrete Beobachtungen zugrunde (z.B. bei der Seeschlacht von Lepanto das Drehen des Windes für die christliche und gegen die osmanische Flotte) Wir würden nur heute sagen dass dieses spezielle Raster nicht funktioniert, weil z.B. andere Beobachtungen (Erdbeben von Lissabon) dagegen stehen.

    Zum Thema “Kosmogenese”, also Entstehung des Weltalls, gibt es ebenfalls gefühlte 4000 oder mehr verschiedene Theorien, sprich Mythen und Sagen. Dies ist schwerlich ein Argument gegen die jetzigen physikalischen Modelle.

    @Francois Pütz

    Es stimmt, dass ich diesen Post bewusst provokant und etwas am Inhalt vorbei überschrieben habe. Das Thema lautet eigentlich nicht “Existiert Gott”, sondern “Was könnte es bedeuten, dass Gott existiert”. Insofern spreche ich darin über eine Theorie, die ich hier nicht dargestellt habe. Dafür muss ich hier leider wieder auf mein Buch verweisen ;-), einfach, weil sie schwerlich in einen Post oder in einen Kommentar passt.

    Immerhin ein Anfang dazu ist mein erster Kommentar hier auf diesem Blog “Eingriffe überempirischer Akteure”:

    https://scilogs.spektrum.de/…osophie-zum-schmunzeln…

  38. *grins*

    Gott spielt seit Äonen,
    wie der Pianist auf dem Klavier.
    Dafür schuf er sich die Neuronen-
    Was spricht dagegen, was dafür?

  39. Ist es die Kunst, die ihn leitet?
    Sucht er nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten?
    Hielt allein die Kunst ihn am Leben?
    Vertrauend darauf, endlich sich seiner Existenz sicher zu sein?
    War es Einsamkeit, die ihn dazu verführte, sich ein Gegenüber zu schaffen?
    Will er gar wohl noch am End’
    sich mit seinem Werke eins machen?
    Ein Haus, eine Hütte unter den Menschen?

  40. Konkretes, Anschauliches, Gedachtes

    Das Problem, an dem sowohl Eric Djebe überlegt als auch ich (auf unterschiedlichen Wegen), wie von Gott sinnvoll die Rede sein kann, ohne dass es in Belanglosigkeit absinkt bzw. verblasst – das besteht. Und Djebe wirft es auch gegenwärtiger Theologie vor, dass sie diesem Problem weitgehend ausweiche – was ich natürlich so nicht gelten lassen will.
    Aber dass es deshalb von vorn herein darauf verweist, dass an der ganzen Sache sowieso nichts dran ist (bzw. mit den Worten von Balanus: „je wissenschaftlicher bei der Frage nach der Existenz Gottes argumentiert wird, desto diffuser wird das Gottesbild. Oder eben wolkiger…“) das möchte ich auch bestreiten.
    In Bezug auf einige Zusammenhänge gilt doch auch sonst: je wissenschaftlicher argumentiert wird, umso eher entzieht es sich unserer Vorstellung:
    Ich habe irgendwo (in Honerkamps Blog?) in letzter Zeit das Problem mit der Materie (=Energiefelder?) genannt. Oder: Man denke an das in heutiger Wissenschaft öfters zitierte Problem des Augustinus mit der Zeit:
    „Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ (Confessiones XI, 14) – zitiert nach Wikipedia.
    Es erinnert mich auch an Christian Hoppes Vergleich zwischen Gottesbegriff und den Begriff vom Ich

    Ein Vergleich an dieser Stelle: Ich hatte in einem früheren Kommentar einmal geschrieben, dass man jemandem, der einige persönliche Erlebnisse berichtet hat – “Ich habe dies erlebt, ich habe das erlebt” -, mitteilen könnte, dass sein Bericht sinnlos sei, weil es ein “Ich” nach Überzeugung der meisten Hirnforscher gar nicht gäbe. In dem Moment, wo der Angeschuldigte Widerstand leistet und behauptet: “Doch, natürlich gibt es ein Ich” – hat er verloren! Das Interessante ist, dass er das – was nun von der Gegenseite bestritten und von ihm verteidigt wird: “Es gibt ein Ich” – ursprünglich niemals behauptet hatte. Er hatte lediglich, grammatikalisch korrekt, das Wort “Ich” verwendet, um auf Erlebnisse zu verweisen, die speziell ihm widerfahren sind.

    [Den „früheren Kommentar“ finde ich nicht] Der Vergleich ist interessant und ich spielte darauf in meinem, nunmehr schon fast zwei Monate alten, Blogpost zum Thema an :
    Existiert etwa das „Ich“? Es gibt begründete Einwände. Und dennoch: Menschen möchten und müssen lernen, „Ich“ zu sagen und von ihrer Willensentscheidung reden zu können. Nun, als solches Schlüsselwort menschlicher Lebensvollzüge kann auch das Wort „Gott“ verstanden werden .
    Aber man sollte den Vergleich auch nicht überdehnen. Die Rede von Gott wird eben nicht bloß so wie bei der Rede vom Ich als lediglich grammatisch korrekte Form aufgefassst, um auf persönliche Erfahrungen zu verweisen, sondern dahinter steckt bei den allermeisten die Behauptung, dass es ihn auch außerhalb der jeweiligen Rede „gibt“. Und da fangen die Schwierigkeiten an. Aber der Vergleich – ohne Gleichsetzung – bleibt mir interessant.

    Also: Je genauer man hinsieht, umso weniger vorstellbar wird manches. Insofern lässt es auch nicht bloß als theologisches Ausweichmanöver denunzieren, wenn in der Neuzeit der Gottesbegriff einige Anschaulichkeit verlor. Was anderweitig angemessen ist, ist es beim Gottesbegriff möglicherweise auch.

    Und die Unterscheidung zwischen Konkretem und bloß Gedachtem (Balanus): Ja, die müssen wir natürlich oft treffen – etwa zwischen einem konkreten Raubtier und einem gedachten Raubtier. Aber wir wissen doch auch, dass etwa ein Traum von einem fressenden Raubtier auf sehr konkrete (psychosomatische) Gefährdungs-Zusammenhänge verweisen kann. Zu sagen, das sei „nur“ ein Traum, nimmt solche Zusammenhänge nicht ernst genug. Nicht nur Ärzte, sondern auch Politiker wissen, dass manches Gedachte sehr konkret wirken kann. Und Diktatoren haben Grund, dies zu fürchten.
    In letzter Zeit dachte ich öfters an den Brief eines Pfarrers aus Thüringen vom Herbst 1953, den ich mal im Archiv fand: der Pfarrer beklagte sich über den scharfen Ostwind, der ihm und der Kirchengemeinde zu schaffen mache.
    Das sind Verweise auf sehr konkrete Zusammenhänge. Ich weiß nicht, ob es die Zensur bemerkt hat. Es hätte aber nichts genützt, wenn man gesagt hätte „war ja nur symbolisch“ . ‚Eben deshalb’, hätte der Zensor gesagt.

    Worte und Gedanken – Wortbilder und Symbole – sind jedenfalls nicht zu unterschätzen. Aber, um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Sie können auch verblassen, verdunsten… Und mir geht’s (gegen dieses Verblassen) drum, auf welche Wirkungszusammenhänge der Symbolbegriff „Gott“ verweist. Oder ob man dazu – wie Djebe – eine Theorie dazu braucht, die die Rede von seiner „Existenz“ als sinnvoll erklären kann.

    P.S.
    Das sollte nur ein kurzer Einwurf sein. Wurde so lang wie ein Blogbeitrag. Na, da kann sich ja jeder denken, was ich jetzt denke. Und wenn ich drüber nachdenke, was andere denken – über solche Gedanken entsteht der Gedanke an Gott

  41. @Hermann Aichele

    Werter Herr Aichele,
    “..je wissenschaftlicher argumentiert wird, umso eher entzieht es sich unserer Vorstellung…”
    Da würde ich doch ganz entschieden widersprechen wollen. Welche Chance haben wir denn, etwas zu verstehen, wenn wir es an wissenschaftlicher Präzision bei der Beschreibung mangeln lassen? Natürlich ist es immer günstig, die “Das kann man nicht verstehen”-Karte zu ziehen, wenn es um Bereiche geht, die schwierig sind. Nur hat uns diese Haltung noch nie bersonders weit gebracht, denn eigentlich ist es eine Variante des alten “Lass es uns darauf beruhen lassen”-Schutzarguments.
    Entweder man bemüht sich wirklich zu ergründen “was die Welt im Innersten zusammenhält”, oder man lässt es. Ich bin niemandem böse, wenn er es lässt.
    Es ehrt Sie, dass Sie nicht ausweichen wollen, und sich nochmals in die Diskussion begeben.
    Dennoch warte ich seit Jahren auf Substanzielles von theologischer Seite, und glaube, wie gesagt, nicht mehr, dass da noch viel kommt.
    Für das Verstehen von wichtigen Vorgängen in der Natur und auch im inneren der menschlichen Psyche hat sich der Gottesglaube im Laufe der Zeit als nicht sehr vorteilhaft erwiesen.
    Ich erinnere mich an die donnernde Stimme meines Religionslehrers: “Man wird niemals verstehen, wie das Leben(biologisch, meinte er) wirklich funktioniert, niemals!” Das scheint mir der falsche Ansatz zu sein.
    Wir verstehen viel, und wir verstehen immer mehr. Ob das immer gut ist, wäre eine andere Diskussion, aber so ist es.
    Nur das Wissen von Gott hat nicht nur keine Fortschritte zu verzeichnen, sondern vieles sicher Geglaubte wurde inzwischen auch von den Gläubigen selbst aufgegeben.
    Es bleibt eigentlich nur der Rückzug in eine wissenschaftlich nicht (an)greifbare und sprachlich verschleierte Mystik, die in diesem Thread auch mehrmals anklingt.
    Gesichertes Wissen von Gott ist weit und breit keines vorhanden, und die Versuche, solches Wissen dennoch irgendwie zu behaupten, führt dann zu merkwürdigen Vergleichen und Sprachtricks, die aber aus meiner Sicht nur notdürftig verschleiern können, dass da nicht viel übrig geblieben ist.
    Allerletzte Rückzugsburg ist dann ein persönliches Spüren, ein vages Gefühl. Dies sei jedem unbenommen, nur lässt sich darauf kaum eine argumentativ saubere Diskussion aufbauen.

  42. @ Francois Pütz

    “Dennoch warte ich seit Jahren auf Substanzielles von theologischer Seite, und glaube, wie gesagt, nicht mehr, dass da noch viel kommt.”

    Sie können darauf vertrauen, daß Physiker das Higgs-Boson finden (oder auch nicht) Aber “Gott” wird nicht durch Theologen gefunden, wenn, dann nur von Menschen. Sie sind ein Mensch, also suchen Sie selbst und erwarten Sie nicht von anderen, daß sie Ihre ureigenste Arbeit übernehmen.

  43. Entschuldigen Sie den Irrtum Herr Hilsenbein!
    Ich dachte bis jetzt, Theologen seien Menschen und sie hätten sich der Wissenschaft von Gott verschrieben. Vielleicht verraten sie mir dann, was Theologen so treiben.
    Und genau solche Bemerkungen wie die Ihre gerade meinte ich. “Du musst Gott selbst suchen und in dir finden!” Klingt gut, ist aber dennoch ein Offenbarungseid. Wenn die Spezialisten einen nur auf sich selbst zurückwerfen, ist das recht wenig überzeugend.

  44. @ Francois Pütz

    Nach allem, was ich erforschte, gibt es weder Spezialisten noch Autoritäten in Gottesfragen.

    1. “ich kannte dich nur vom Hörensagen, jetzt hat mein Auge dich geschaut.”

    2. “Ich gehe… und dorthin könnt ihr mir nicht folgen, damit der Beistand in euch ist.”

    3. “Er selbst liebt euch und wird euch leiten.”

    Also für mich stellt sich die Frage nach der Theologie nicht! Denn ich selbst habe Herz und Verstand!

  45. Jetzt sage ich etwas, was schwer verdaulich ist: wer in Gottesfragen Bücher schreibt, hat nicht begriffen, daß er auf der Schulter des Nazareners steht. So sinnlos es ist, hinter Kant sein Zelt aufzuschlagen, so sinnlos ist es auch, den Mann aus Nazareth vergessen machen zu wollen.

  46. Nicht, daß man mich mißversteht: auch ich muß mich immer wieder neu daran erinnern, daß alles was ich schreibe, für mich schreibe als therapeutischer Akt, Ausdruck eines Wahns, eines Sprungs in der Schüssel sein kann.

  47. Gut Herr Hilsenbein, so Sie mir dann Herz und Verstand nicht absprechen steht es 1:1.
    Sie halten Gott aus eigener Erfahrung für real, ich nicht.
    Und dieses Unentschieden lässt sich dann auch nicht ändern.

  48. @Francois Pütz

    Mein leiser Hinweis auf den o.a. Link scheint nicht recht gefruchtet zu haben. Sonst hätten Sie Ihren Religionslehrer mit seiner falschen Argumentation in seinem Ruhestand belassen. Ich erlaube mir hier deshalb ein etwas überarbeitetes Recycling meines damaligen Kommentars:

    Gott und Naturgesetze bewegen sich auf verschiedenen Feldern. Der Fehler Ihres Lehrers war es, den abrahamitischen Gott als Lückenbüßer in die Evolution einzubauen. Die Problematik von Eingriffen Gottes in die Kausalitäten des Seins wird immer wieder falsch verstanden, und zwar als Überspringen oder Außer-Kraft-Setzen von Naturgesetzen. Das Feld der Religion ist aber das menschliche Leben und das ist bekanntlich kontingent

    Ein einfaches Beispiel: Beim Würfeln wird das Ergebnis vermutlich hundertprozentig von präzisen physikalischen Gesetzen bestimmt (Richtung und Wucht des Wurfs, Ausrichtung des Würfels, Reibung der Unterlage usw.) Trotzdem ist das Ergebnis de facto zufällig. De facto, das heißt auf der Ebene des menschlichen Lebens, z.B. dem des Würfelspielers, der auf ein “Wunder” hofft, nämlich auf 3 Sechser, mit denen er die Verluste des Abends auf einen Schlag wieder wettmachen könnte.

    Wenn dieses “Wunder” eintritt, kann er sich bei Gott oder bei den Ahnen oder bei sonst irgendjemand bedanken. Er muss dafür keineswegs annehmen, dass diese “überempirischen Akteure” zu seinen Gunsten in die grundlegenden physikalischen Gesetze eingegriffen haben. Was hier außer Kraft gesetzt wurde, war nicht die Physik und auch nicht die Wahrscheinlichkeit (dieser glückliche Wurf wird die allgemeinen Wahrscheinlichkeiten des Würfelns nicht verletzen). Was außer Kraft gesetzt wird, sind die allgemeinen, “vernünftigen” Erwartungen (er wird keine 3 Sechser schaffen).

    Nehmen wir die Wunderheilungen Jesu als Beispiel göttlichen Tuns. Das Wort “Wunder” drückt genau den Sinn, die Richtung solcher Geschehnisse aus (lateinisch “miraculum”, von “mirari” / sich wundern). Ich wundere mich über das Unerwartete, über das, was meine Erwartungen über den Lauf des Lebens durchbricht. Es ist nicht notwendig, dass dabei Naturgesetze gebeugt werden. Wenige Ärzte werden Spontanheilungen auch bei dramatischen Krankheitsbildern als Durchbrechung von Naturgesetzen ansehen. Entscheidend ist die extreme Unwahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses, d.h. die feste Erwartung, dass es nicht eintreten wird und demensprechend das “Wundern”, wenn es doch geschieht. (Notabene: Das lässt die Frage offen, ob Jesus tatsächlich solche Heilungen durchgeführt hat, darum geht es hier nicht).

    P.S. Natürlich freue ich mich sehr darüber, dass Sie mein Buch lesen wollen. Von meiner Autorenmarge kann ich mir jetzt vielleicht sogar ein sehr, sehr kleines Bier kaufen …

  49. @ Francois Pütz

    “Gut Herr Hilsenbein, so Sie mir dann Herz und Verstand nicht absprechen steht es 1:1.”

    Ohne ‘n’ liest es sich schöner. Egal. Ich würde niemals einen anderen Menschen irgendetwas absprechen. Wer bin ich denn? Ja, ich glaube an Gott, aber ich bin Kantianer genug, um Glauben mit Wissen nicht zu verwechseln. Ich glaube an Gott, weil ich das Gefühl habe, bei dem, was ich bisher geschrieben habe, nicht dabei gewesen zu sein. Aber Obacht: es könnte immer auch Wahn sein!

  50. Ich muss gestehen, dass ich Gottes Feld gerade nicht erkennen kann. Der Zufall ist also Gottes Feld? Sollte es Menschen geben, die alles Zufällige (“Wunderheilung”, ein Gewinn,…) einem Gott zuschreiben, weil sie den Zufall als solches nicht akzeptieren können?
    Fiele mir nicht unbedingt ein……
    P.S.: Wenn Sie mir das Buch direkt zukommen lassen, können Sie sich vielleicht ein großes Bier leisten…

  51. Dietmar Hilsebein

    Ja, Herr Hilsebein(entschuldigen Sie das “N”), wenn Sie den Wahn nicht ausschließen können, wird es, denke ich, doch recht schwierig….aber es ist Ihr Glaube. Solange Sie ihn anderen nicht aufzwingen sehe ich keine größeren Probleme.

  52. entschuldigung francois ! pütz, danke für die korrektur, war mir noch nicht aufgefallen….ihre antwort befremdet mich. habe ich an irgendeiner stelle behauptet, dass es einen gott, außerhalb des menschlichen denkens, gibt? wenn man die natur an sich als gott bezeichnet, wozu natürlich auch irgendwelche urknallgeschichten gehören….wenn man also, wie ich, die natur als gott betrachtet, womit der begriff selber obsolet wird. wie kommen sie dann darauf dass dies anthropozentrisch ist, wenn man sagt, dass es die natur einfach nicht juckt, ob es menschen gibt oder nicht….und alle die dies nicht so sehen sind natürlich anthropozentriker….nichts anderes wollte ich damit gesagt haben….das haben sie eindeutig missverstanden….
    gott, an den ich in anderer form nur als zwischenmenschlichen glaube, so wie es herr aichele in seinem block beschrieben hat, als alle zwischenmenschlichen erfahrungen in ihrer gesamtwirkung untereinander, jetzt, früher, oder später, halte ich sehr wohl für existent….nur dies braucht man dann auch nicht gott zu schimpfen….

  53. @ Francois Pütz

    “wenn Sie den Wahn nicht ausschließen können, wird es, denke ich, doch recht schwierig”

    Es ist schwierig, es ist verdammt schwierig. Aber es ist auch gut so: es erzieht zur Bescheidenheit.

  54. @Monika kneiseler

    Tja, Frau Kneiseler: Ein Missverständnis von Ihnen, eins von mir. Damit sind wir dann erstmal quitt….Danke für die Präzisierung Ihrer Position.

  55. @Francois Pütz

    Erst einmal herzlichen Dank für die Hartnäckigkeit, mit der Sie hier die Diskussion am Leben halten! Und ja, ich kann Ihrer Art zu Denken und zu Fragen einiges abgewinnen. Sie schreiben: “Ich muss gestehen, dass ich Gottes Feld gerade nicht erkennen kann. Der Zufall ist also Gottes Feld? Sollte es Menschen geben, die alles Zufällige (“Wunderheilung”, ein Gewinn,…) einem Gott zuschreiben, weil sie den Zufall als solches nicht akzeptieren können?”

    Ein durch und durch merkwürdiger Gedanke, den aber die allermeisten Menschen genau so denken würden und der deshalb den Startpunkt des abrahamitischen Monotheismus sehr gut illustriert. Also (dauert leider etwas länger):

    Zunächst einmal: Das Feld des Christentums (und jeder Religion) ist das menschliche Leben. Klar erkennbar in Buddhismus und Konfuzianismus, nicht überall klar erkennbar in der christlichen Lehre. Das menschliche Leben reitet aber in jedem Augenblick auf einer schäumenden Welle der Kontingenz, des alles durchtränkenden Zufalls. Die Ereignisse, wie sie bei unseren Sinnen und unserer Erkenntnis ankommen, sind das Ergebnis einer unüberschaubaren Vielzahl von darunter liegenden Prozessen (physikalischen etc). Vieles ist regelmäßig in unserem Leben, aber diese Regelmäßigkeit beruht auf Wahrscheinlichkeiten, also auf Zufällen. Meist wird bei hundert Würfen mindestens einmal die Sechs kommen, trotzdem ist bei jedem einzelnen Wurf der Zufall am Werk.

    In Ihrer Replik bauen Sie stillschweigend einen Gegensatz auf zwischen dem “Zufälligen” in unserem Leben und … ja, und was? Ich würde sagen, der Täuschung des Regelmäßigen, Gesetzmäßigen. Wir stehen jeden Tag auf, nehmen das gewohnte Frühstück zu uns und fahren mit dem gewohnten Bus in die gewohnte Arbeit (zum Beispiel). Unwillkürlich kommt es uns so vor, als sei dies gesetzmäßig, auf der gleichen Stufe wie die Naturgesetze. Diesen Irrtum pflegen wir, indem wir (a) alles davon Abweichende so weit wie aussteuern, meist durch die Technik und (b) indem wir unsere Wahrnehmung filtern. Gerade auf dem Weg zur Arbeit kommen wir an so vielen neuen und merkwürdigen Ereignissen vorbei, wir entscheiden uns aber, sie zu ignorieren und weiter zu gehen. Und es kommt uns so vor, als würden unsere Füße naturgesetzlich weiter laufen; wir sind eingebunden und aufgehoben in eine Ordung, die uns wie die Ordnung des Universums vorkommt und die doch unsere eigene Schöpfung, unsere eigene Illusion ist.

    Die Idee, das Bild von Gott, ist eine, ist die grundsätzliche Technik, um diese Illusion bis in ihre letzten Wurzeln zu zerstören. Ich lasse mein ganzes Leben, d.h., das Universum, in dem ich lebe, aus der Hand einer einzigen, allmächtigen, keiner Regel unterworfenen, also absolut willkürlich agierenden Person kommen. (Wohlgemerkt: Nicht das abstrahierte Universum der Naturwissenschaften). Ergebnis ist ein Flash, ein Blick in eine Existenzweise, die dem Menschen eigentlich angemessen ist, die Befreiung aus der Stumpfheit des vorgetäuscht Regelmäßigen, das Ankommen im Leben auf der Erde … Schluss. So weit. Weiter geht es hier nicht.

    Das ist es.

    P.S. Mit dem Zuschicken des Buches: Danke für das Angebot, aber dazu müsste ich z.B. erst mal Ihre Anschrift usw. haben …

  56. Wissenschaft @Francois Pütz

    Autsch, das mir nicht passieren dürfen – mein Zitat: “..je wissenschaftlicher argumentiert wird, umso eher entzieht es sich unserer Vorstellung…” Was Sie aufgespießt haben, ist schlampig formuliert gewesen – zumindest missverständlich.
    Na, es war so gemeint wie an anderer Stelle in meinem Kommentar:
    „Je genauer man hinsieht, umso weniger vorstellbar wird manches“. Oder noch genauer: Je tiefer wir in die Materie eindringen – umso eher erscheint es dem Laien als nebulös – Beispiele: die Analyse der Materie, der Zeit des Ichs. Wissenschaftliche Erklärungen sind nicht auf dem Level dessen, was der „gesunde Menschenverstand“ sich vorstellen möchte – „kontraintuitiv“ nennt man es wohl auch.
    Und ich wollte mal andeuten, dass man für den Gottesbegriff vielleicht ähnliche Vermutungen anstellen kann und die für den Laien nebulöse Redeweise nicht automatisch als Ausweichmanöver denunzieren muss.

    Na, vielleicht genügt das zur Richtigstellung, Klarstellung des gestern Gemeinten. Aber ich seh’ mal wieder, wo man hineintappen kann.
    Dabei jetzt nachgeschoben: Ich möchte nicht bestreiten, dass es bei Theologen solche Ausweichmanöver ins Nebulöse gibt. Etwa, wenn ich aus gehabtem Religionsunterricht den Satz kenne: Dagegen können Sie nicht logisch argumentieren – das ist theo-logisch. Oder Das ist eben dialektisch. Damit kann man natürlich jede Diskussion beenden.
    Man könnte Ähnliches ja auch manchmal bei ärztlichen oder psychologischen Diagnosen vermuten; aber bei Theologen ist’s diese Vermutung schon des öfteren naheliegend. Nur, nicht jede theologische Argumentationsweise verdient diesen Vorwurf.
    Die Argumentationsweise Ihres Religionslehrers kenne ich auch. Und ob er nach dem Wunsch Djebes im „Ruhestand“ ist (wie ich 😉 ), weiß ich ja nicht. Aber das setzt sich ja fort: Gott als Lückenbüßer bzw. gar als Lückenfüller naturwissenschaftlicher Fragen. Ja, es mag Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und erkenntnistheoretische Grenzen geben. Ich bin zB immer noch fasziniert von dem Satz, der irgendwo (vorne als Motto?) in „Sofies Welt“ steht, den ich jetzt nicht heraussuche sondern frei zitiere: Wenn unser Gehirn so einfach wäre, dass wir es erklären könnten, wären wir zu dumm, um es zu erklären.
    Da haben sich Philosophen sicher schon genauere Gedanken dazu gemacht. Ich sage dazu jetzt aber einfach so: Da könnte eine Grenze markiert sein. Nur: Warum vermutet man Gott gerade hinter derartigen Grenzen? Wer sagt denn, dass die aus guten Gründen behauptete Transzendenz Gottes etwas mit unseren erkenntnistheoretischen Grenzen oder mit den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis zu tun hat?
    Demgegenüber kann ich mich zumindest in dem Punkt mit Djebe verbünden, wenn er erklärt: „Das Feld der Religion ist aber das menschliche Leben und das ist bekanntlich kontingent“. Ob ich alle seine Erläuterungen zur Kontingenz teile, das muss ich noch überlegen. (Und ich gebe zu: Ich lese sein Buch auch schon). Aber das dürfte doch unstrittig sein: Religion ist zu einem wesentlichen Teil Strategie zur Kontingenzbewältigung.
    Und direkt zur Bibel und ihrem Aktionsfeld: Ja, es gibt in ihr Überlegungen, die naturwissenschaftlich relevante Themen streifen: Die berühmten Geschichten um die „Schöpfung“ herum etwa. Auch ihnen geht es in erster Linie um Darstellung und Bewältigung menschlichen Lebens. Nur – muss man ihnen das zum Vorwurf machen ? – sie stellten dieses dar unter Benützung von – damals zu ihrer Entstehungszeit aktuellen – allgemein anerkannten Vorstellungen über Himmel und Erde (dreistockiges Weltbild). Und man hat natürlich versäumt, diese jeweils zu updaten. So wie wir normalerweise von einem Sonnaufgang schwärmen, ohne beckmesserisch festzustellen, dass die Sonne dabei ja gar nicht „geht“. Ich würde entsprechende Lieder deshalb auch nicht updaten.

    Erst in nachbiblischer Zeit, als man die ursprünglichen Entstehungsbedingungen der alten Texte nicht mehr kannte, meinten manche, diese Vorstellungen hätten ein besonderes Recht gegenüber dem Fortschritt naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Damit bekamen sie aber ein unangemessenes Eigengewicht.
    Deshalb hat scheints schon Augustin widersprochen. Mir ist der Gedanke zwar mehrfach begegnet, aber einen genauen Beleg finde ich gerade nicht. Deshalb so: Laut Richard Schröder in einem Interview mit dem Tagesspiegel“ :

    Schon Augustinus hat gesagt, wo immer die Bibel zu Erkenntnissen der Wissenschaft in Widerspruch stehe, solle man akzeptieren, dass die Bibel nach der Meinung des Volkes rede und die Wissenschaft gelten lassen. Nichts sei peinlicher, als wenn ein Christ gegen eine offenkundige wissenschaftliche Tatsache zu Felde zöge.“

    Trotz dieser eigentlich doch auch uralten Erkenntnis wollen immer noch manche Leute aus der Bibel kosmologische, biologische Einsichten oder sonstige Behauptungen herausdestillieren. Oder freuen sich, wenn Naturwissenschaft nicht alles erklären kann. Oder werden mit Recht vorsichtig, wenn ein Theologe in Lücken der Naturwissenschaft bohrt – und wenn es nur, wie bei mir, eine Schlamperei in der Formulierung war.

  57. @Eric Djebe

    Dieses Gotteskonzept finde ich jetzt wirklich interessant! Es ist quasi das Negativ einer atheistischen Weltsicht, wie ich sie pflege…nein, falsch, es ist mehr oder weniger das Gleiche mit anderen Voraussetzungen, einer anderen Basis.
    Das “vorgetäuscht Regelmäßige” wird aus meiner Sicht durch ein sehr verbreitetes Gottesbild repräsentiert. Dieses unaufmerksame “auf Schienen leben” scheint mir in vielen Fällen gerade durch die unreflektierte Gottesvorstellung gestützt zu werden.
    Die angeblich durch einen Gott gewährleistete Ordnung des Universums ist es, die mir bereits früh gegen den Strich ging, und die aus meiner Erfahrung bei vielen Menschen dazu geführt hat, dass sie sich, unfähig sich von DIESER Illusion zu lösen, dem Sicht- und Erfahrbaren gar nicht erst stellen.
    Das “Ankommen im Leben auf der Erde” bestand für mich darin, Gott einen guten Mann sein zu lassen, und herauszufinden, was Sache ist.
    Ich kann mich irren, aber ich halte es für wahrscheinlich, dass es nur sehr wenige Menschen gibt, die Gott als Illusionszerstörer ansehen. Schließlich basieren die mir bekannten Gottesvorstellungen auf einem recht starren Gebäude, das Illusionszerstörungen nicht unbedingt fördert.
    Eine Frage, die ich noch gehabt hätte, haben Sie schon beantwortet: Ihr Gott ist allmächtig und keiner Regel unterworfen, sowie willkürlich agierend. Nicht nur Spinoza hätte Ihnen da vehement widersprochen.
    Weiter gefragt: Wo und wie zeigt sich das Agieren Ihres Gottes?
    (P.S.: googeln Sie mich und Adresse sowie mail-Adresse wird Ihnen angezeigt…falls Ihnen die Buchversendung nicht zuviel Mühe macht)

  58. @Hermann Aichele

    Herr Aichele, dass Sie ein Lückenbüßergläubiger sein könnten, wäre mir auch nicht im Traum eingefallen. Ich halte sie aber für in entscheidenden Fragen sympathisch inkonsequent.
    Sie gehören, denke ich, zu der Gruppe von Theologen, die z.B. Dennett als mehr oder weniger atheistisch bezeichnet, weil ihr Gott sich schon aus vielen entscheidenden Bereichen zurückgezogen hat. Das Etikett ist auch nicht verunglimpfend gemeint, sondern drückt eher eine gewisse Anerkennung aus, auf die sie aber natürlich gerne pfeifen können.
    Und ich bin auch gegen das Updaten und mache die wirklich schönen Lieder(die ich gerne höre) und die hochinteressanten Texte auch niemandem zum Vorwurf. Das wäre in der Tat eine extrem billige Vorgehensweise.Ich stimme mit denen von Ihnen genannten Punkten
    weitestgehend überein, und ich habe Augustinus auch so verstanden….aber…
    “Religion ist zu einem wesentlichen Teil Strategie zur Kontingenzbewältigung” schreiben Sie. Das bezweifle ich, und zwar vehement.
    Die von den diversen Religionen angebotenen Strategien mögen in alten Zeiten durchaus funktioniert haben. Wenn aber ein Mensch sich heutzutage mit den Strategien der Religion an die Kontingenzbewältigung heranwagt, muss er zuerst das tun, was Sie und viele andere ernstzunehmende Gläubige schon getan haben, und das Glaubensgebäude grundsanieren. Ich und viele andere hatten den Eindruck, dass das Gebäude diese Sanierung nur in einem bestimmten Maße verträgt, weil sonst nur noch die Fassade übrigbleibt, davon mal abgesehen, dass das permanente Sanieren für den Gläubigen recht anstrengend sein dürfte. Ohne Sanierung ist aber das Gebäude für die Kontingenzbewältigung völlig unbrauchbar.
    Ich und viele andere Atheisten lassen das schöne alte Gebäude lieber unsaniert stehen, und bewundern seine Pracht. Wohnen würde ich darin aber nur sehr ungern. Wir bauen uns was neues, mit ganz anderen tragenden Elementen, in der Hoffnung, dass das Gebäude trägt, und im Bewusstsein, dass es immer wieder verbessert und ausgebessert werden muss, was aber kein Problem darstellt, weil eherne Wahrheiten nicht zu den Stützpfeilern gehören.

  59. @Hermann Aichele

    Ergänzend zu Francois Pütz Antwort:

    Ich denke, ich hatte Sie schon so verstanden, wie Sie es gemeint hatten: “Je tiefer wir in die Materie eindringen – umso eher erscheint es dem Laien als nebulös – .

    Diese Beobachtung ist korrekt, basiert aber doch auf einem ganz anderen “Erkenntnismechanismus” als die Klärung eines beliebigen Gottesbegriffs.

    Bei der Materie werden die Dinge durch ein Übermaß an Wissen unübersichtlich und wegen der Winzigkeit der Teilchen unanschaulich, wobei jede geklärte Frage an die Natur neue, oft schwierigere Fragen gebiert.

    Beim Gottesbegriff scheint es sich eher um so etwas wie einen Scheinriesen zu handeln: Von weitem betrachtet ist er klar und deutlich zu sehen, doch je näher man kommt und je genauer man hinschaut, desto kleiner und unschärfer wird er – ohne dass wir auch nur ein klein bisschen mehr von oder über Gott wüssten als vorher.

  60. @ Francois Pütz & Balanus

    Entschuldigung, im Moment sind meine Antworten eher spärlich, da ich mit meiner Existenzgründung voll beschäftigt bin …

    @Francois Pütz
    Ihre Fragen:
    (a) “Ihr Gott ist allmächtig und keiner Regel unterworfen, sowie willkürlich agierend. Nicht nur Spinoza hätte Ihnen da vehement widersprochen.” Es gibt grundsätzlich keinen Punkt in der Assoziationswolke “Gott”, der nicht Widerspruch hervorrufen würde, wenn man ihn zum Ausgangspunkt des Ganzen macht und ihn dementsprechend wirklich ernst nimmt. Er kommt dann ja in Konflikt mit den anderen Elementen, die nur deshalb neben einander existieren können, weil sie eben nicht ernst genommen werden.
    (b) “Weiter gefragt: Wo und wie zeigt sich das Agieren Ihres Gottes?” Leider habe ich das wohl nicht genügend klar gemacht. Die ganze Kontingenz unserer Existenz, also schlichtweg alles, was uns zustößt, kommt aus diesem einen Punkt.

    @Balanus
    “Beim Gottesbegriff scheint es sich eher um so etwas wie einen Scheinriesen zu handeln: Von weitem betrachtet ist er klar und deutlich zu sehen, doch je näher man kommt und je genauer man hinschaut, desto kleiner und unschärfer wird er” Nur ein Hinweis: Michael Ende hat den Scheinriesen erfunden (Herr Tur Tur). Und der ist aus der Nähe scharf, von Weitem wird er zwar groß, verschwimmt aber irgend wann einmal am Horizont 😉 Das Problem mit Gott ist, dass man sich nicht einig ist, wie man ihm nahe kommen kann, ob man das überhaupt darf usw.

  61. @Eric Djebe

    Hmja Herr Djebe…da schlägt aber jetzt mein Schwurbeldetektor gefährlich aus….später mehr.
    ( Und die mail kam an, Danke!)

  62. @Eric Djebe

    Das Problem ist und bleibt die “Assoziationswolke”. Ohne den Ansatz einer Definition bleiben wir bei den persönlichen Vorstellungen hängen und können nicht darüber sprechen, geschweige denn diskutieren.
    Das “Agieren” beschränkt sich also auf die “Punktexistenz”?

  63. @Francois Pütz

    Leider verstehe ich Ihre Frage nicht. Meinen Sie mit Punktexistenz das Leben des Menschen (das ja immer nur in der Gegenwart stattfindet)?
    Wenn ja, dann verstehe ich den Terminus “beschränkt” nicht. Könnten Sie genauer definieren, wo denn sonst das “Agieren” stattfinden soll?

  64. @Eric Djebe

    Kein Wunder, dass Sie mich nicht verstehen. Wenn ich mal eben einen Satz hinschmeiße, der nur aus meinen inneren Überlegungen heraus verständlich wird, kann ich mir keine Antwort erwarten. Tschuldigung…So, jetzt nehme ich mir etwas mehr Zeit:
    Meine Frage hing mit diesem Ihren Satz zusammen: “Die ganze Kontingenz unserer Existenz, also schlichtweg alles, was uns zustößt, kommt aus diesem einen Punkt.”
    Diesen Punkt hätte ich gerne genauer beschrieben gehabt, respektive von Ihnen die Bestätigung, dass sie diesen Punkt mit Gott gleichsetzen. Und dann nehme ich einen von Ihnen postulierten Gott an, für den es lineare Zeit nicht gibt. Der also immer schon eingegriffen hat, sozusagen. Ist das so ungefähr in Ihrem Sinne gedacht?

  65. @Francois Pütz

    Schwierig. Vielleicht bin ich auch heute Abend überhaupt zu doof, um Sie zu verstehen.

    Also: Der Monotheismus ist, von außen betrachtet, eine mentale Technik (Dass jemand, der in diese Technik eingetreten ist, sie noch einmal ganz anders bezeichnen würde, ist jetzt unerheblich) Die Technik besteht darin, dass ich im Geiste ein bestimmtes Raster, ein bestimmtes Verständnis der Welt über diese Welt lege. Dieses Raster funktioniert von ferne wie eine Theorie, z.B. die der Newtonschen Mechanik, mit der ich in einem herunterfallenden Bleistift die Anziehungskraft der Erde sehe. Nur sehe ich in diesem Fall die Welt, in der ich lebe (alles, was mir zustößt), als aus dem Willen des einen Gottes entspringend (unbeschränkt mächtig, an nichts gebunden).

    Dieser eine Gott, das meine ich mit dem Punkt, aus dem alles entspringt. Dass es für ihn “die lineare Zeit nicht gibt”, grübel. Ich gebe mal eine Antwort, mit der Sie vielleicht etwas anfangen können oder auch nicht:

    Wichtig ist dieser Augenblick, in dem ich lebe. Eine Kontinuität der Welt spielt dabei keine Rolle. Ich würde sagen, es ist der Witz dieser mentalen Technik, sie auszuschließen oder zurückzudrängen. Denn Kontinuität denken wir immer zusammen mit Regelmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit usw.

    Erst mal so weit …

  66. Gut, also so etwas wie eine Theorie….aber ohne Belege….eine Art mentale Technik….aber nicht näher beschreibbar….
    Hm…..ich versuchs ja, aber wenn es so schwierig ist, es sprachlich zu formulieren, oder auch sonst irgendwie auszudrücken, dann landen wir letztendlich wieder bei Wittgenstein.
    Über diese, oder sogar DIE wichtigen Dinge kann man anscheinend wirklich nicht sprechen. Damit wären Gläubige fein raus, weil sie sich auf etwas sprachlich nicht Kommunizierbares zurückziehen können, was dann auch mit Sprache, Logik oder was auch immer nicht in Frage gestellt werden kann.
    Dafür sind mir die Aussagen in anderen Zusammenhängen doch wieder viel zu konkret.
    Ich fürchte, da muss ein bisschen mehr kommen, damit ich mich nicht gezwungen sehe es als reine Immuniserungstaktik zu interpretieren.

  67. …und weil heute der 77 Geburtstag von Carl Sagan wäre, ein kleines Zitat von ihm:
    “We make our world significant by the courage of our questions.”

  68. Mooment. Sooo unverständlich finde ich meinen Kommentar auch im Nachhinein nicht.

    Die Theorie:
    Grob gesagt, lautet sie: Jedes Ereignis wird von einem unbegrenzt mächtigen … usw … Wesen verursacht (Gott). Das lässt sich übrigens konsitent darstellen, z.B. ohne Kollisionen mit der Physik. Allerdings ist diese Theorie trivial, sie fügt unserem Wissen über die Welt nichts hinzu. “Gott hat den Tsumani X verursacht” lässt sich ohne Informationsverlust übersetzen in: “Der Tsunami X hat stattgefunden”. Insofern wäre dieser Theorie redundant und würde Occams Rasiermesser zum Opfer fallen.

    Die mentale Technik:
    Ihren Wert gewinnt diese Theorie, indem sie der Auf- und Angelpunkt einer mentalen Technik ist, mit Hilfe derer wir uns von der Illusion des Gesetzmäßigen in unserem Leben befreien (innerhalb dieser Technik könnte das heißen: Indem wir uns in Gottes Hand begeben).

    Christen verstehen einander, außen Stehende nicht:
    Trotz der eben verwendeten christlichen Ausdrucksweise: Wie Sie in diesen Kommentaren gesehen haben sollten, reden “wir Christen” inzwischen heftig aneinander vorbei (trotz des gleichen Vokabulars). Ich weiß nicht, wie viele der christlichen Leser hier noch in etwa bei mir sind.

    (Hallo? Da draußen? Hört mich noch jemand?)

  69. Wieso, Herr Djebe, ist denn der Gott, den Sie postulieren, keine Gesetzmäßigkeit? Kann er gegen die Naturgesetze verstoßen?
    Und Sie postulieren ihn, als Trick und Technik um die Wirklichkeit “aufzumischen”.
    Belege sind nach wie vor für mich nicht erkennbar, dass es sich bei diesem Gott um mehr handelt als eine von Ihnen geschaffene, sagen wir, Erkenntnishilfe.
    Und dass Christen einander verstehen halte ich wirklich für wenig mehr als einen frommen Wunsch.

  70. @Eric Djebe:

    »Ihren Wert gewinnt diese Theorie, indem sie der Auf- und Angelpunkt einer mentalen Technik ist, mit Hilfe derer wir uns von der Illusion des Gesetzmäßigen in unserem Leben befreien (innerhalb dieser Technik könnte das heißen: Indem wir uns in Gottes Hand begeben). «

    Abgesehen davon, dass ich das mit der “Illusion des Gesetzmäßigen” nicht verstanden habe, was wäre damit gewonnen, wenn wir uns “in Gottes Hand begeben”, also eine Illusion gegen eine andere tauschen?

    Dient das dem Seelenfrieden?

    (Ist der Mensch in dieser Täuschung gefangen, so wie das bei der gefühlten, illusionären Freiheit bei Willensentscheidungen der Fall ist? Das heißt, auch wenn wir wissen, dass es sich bloß um eine Täuschung handelt, sind wir gezwungen, die Ordnung der Welt als Gesetzmäßigkeit zu erleben.)

  71. “Es gibt viele gute Gründe, an einen Gott zu glauben. Allerdings gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass dieser Gott auch in irgendeiner Weise existiert”
    Daniel C Dennett
    Ihre Aussagen scheinen dem bis jetzt recht nahe zu kommen.

  72. @Francois Pütz

    (Tiefes Atemholen)

    Gestern, um 13:16, waren wir uns doch schon fast einig: Das Feld Gottes ist die menschliche Existenz. Auf dieser Ebene interferieren die Auswirkungen der Naturgesetze auf nicht berechenbare Art und Weise (Kontingenz des menschlichen Lebens). Insofern muss er nicht gegen Naturgesetze “verstoßen”. Verstößt eine unglaubliche Spontanheilung gegen die Naturgesetze? Oder 20 Mal hintereinander die Zahl 13 im Roulette? Vermutlich nicht. Vielleicht ja. Was ist der Unterschied, bezogen auf mein Leben?

    Und ja, “Erkenntnishilfe” ist in Ordnung. Die vier edlen Wahrheiten des Buddhismus sind eine Erkenntnishilfe. Das Tao Te King ist eine Erkenntnishilfe. Wo ist das Problem?

  73. @Eric Djebe

    Genau deswegen war ich ja auch überrascht, dass Sie von “unbegrenzt mächtig” sprechen. Wird die Macht denn nun durch Naturgesetze begrenzt oder nicht?
    “Erkenntnishilfe”, ok. Und weiter? Sonst nichts?

  74. @Francois Pütz

    Ich glaube, ich werde es nach dieser Antwort für heute Nacht bleiben lassen. Irgendwie kommen wir nicht weiter (Kann auch an mir liegen).

    Die Kontingenz des Lebens und die Naturgesetze. Nehmen Sie als Parallele das Verhältnis zwischen Atomphysik und Chemie. Wir können inzwischen die Gesetzmäßigkeiten der Chemie zum größten Teil auf die Atomphysik zurückführen. Trotzdem ist sie unabhängig davon. Wenn sich die Gesetze der Physik aufgrund neuer Erkenntnisse ändern würden, würde das die Chemie wenig tangieren.

    Also: Wird die Chemie begrenzt durch die Atomphysik? Grundsätzlich ja. Praktisch nein. Die Arbeit des Chemikers ist davon absolut unabhängig.

  75. @Eric Djebe:

    »Das Feld Gottes ist die menschliche Existenz. Auf dieser Ebene interferieren die Auswirkungen der Naturgesetze auf nicht berechenbare Art und Weise (Kontingenz des menschlichen Lebens). «

    Die Auswirkungen der Naturgesetze sind in vielen Bereichen nicht (voraus) berechenbar. Der Mensch ist in dieser Beziehung überhaupt nichts Besonderes.

  76. @Eric Djebe

    Ich denke, meine Frage war klar genug.
    Nochmal: “unbegrenzt mächtig” heißt also NICHT, dass Ihr Gott die Naturgesetze ändern kann? Sagen Sie einfach “richtig”, und darauf basierend machen wir morgen weiter.
    Und dann: Wenn Gott nur eine imaginierte “Erkenntnishilfe” ist, dann hat er nicht besonders viel Substanz. Oder ist da, für sie, doch mehr?

  77. @Francois Pütz

    Nach langem Nachdenken:

    In Hinblick auf die Naturgesetze kann ich Ihnen noch keine Antwort geben, die den Graben zwischen uns überbrücken würde. Bitte haben Sie Geduld.

    Und Ihre abfälligen Bemerkungen über die imaginierte Erkenntnishilfe: Bevor ich hier antworte, hätte ich noch gerne Ihre Antwort bzgl. den 4 edlen Wahrheiten und dem Tao Te King.

  78. @Eric Djebe

    Das war nicht abfällig gemeint! Ich halte Erkenntnishilfen für sehr sinnvoll, aber die von Ihnen angesprochenen sind eben nicht gottähnlich, sondern es sind lediglich sehr interessante Texte. Für mich klang es so, als wollten Sie Gott auf eine von Ihnen imaginierte Erkenntnishilfe reduzieren, was mich überrascht hat. Deswegen die Frage, ob da nicht doch mehr ist.
    Ich habe öfters die Erfahrung gemacht, dass hartnäckiges Nachfragen als Aggression empfunden wird. Es hat aber wirklich nur mit dem grundsätzlichen Verstehen-Wollen zu tun.
    Was Sie nicht erwarten können, ist Respekt vor einer Ideologie. Vor Ihnen habe ich Respekt, aber die von Ihnen vertretenen Ansichten sind für mich immer hinterfragbar. Wenn ich es an Höflichkeit mangeln lassen sollte, dann geben Sie mir bitte einen Wink.
    Und natürlich habe ich Geduld. Lassen Sie sich Zeit. Ich hatte fälschlicherweise angenommen, die Frage wäre naheliegend und Sie hätten eine klare Position, die eben nur mir nicht verständlich geworden war.

  79. @Francois Pütz

    Sorry für meinen Ausbruch gestern Nacht. Die Situation ist für mich deshalb so frustrierend, weil mir durch die Situation eine hohe Bringschuld aufs Auge gedrückt wird. Ich kann mich nämlich in Ihre Position versetzen, aber Sie nicht in meine. Deshalb muss es mir überlassen bleiben, den Graben zwischen den beiden zu überbrücken oder es wird eben nicht passieren. Ihre Frage ist “naheliegend”, enthält aber einen verzwickten Kategorienfehler.

    Also: Nochmal: “unbegrenzt mächtig” heißt also NICHT, dass Ihr Gott die Naturgesetze ändern kann? Lassen Sie mich das überspitzt formulieren: Wenn ich Eric Djebe genügend zusetze, muss er entweder passen oder ehrlicherweise Nein sagen. Dann hat aber sein Gott in der Welt der Naturgesetze nichts verloren und muss sich als ein imaginiertes Etwas entlarven lassen

    Stellen Sie sich ein Gespräch vor zwischen einem extrem geduldigen Physikprofessor (P) und einem Studenten (S).
    P: Wenn man einen gasgefüllten Behälter in einen Raum bringt, in dem Vakuum herrscht und dann öffnet, wird es einen Druckausgleich geben, der nach der folgenden Formel berechnet wird. (Geräusch von Kreide auf Tafel)
    S: Ist das ein Naturgesetz?
    P: Ja, das kann man so sagen. Diese Formel gilt immer und überall.
    S: Ist es nicht einmal theoretisch möglich, dass das einmal nicht so funktioniert?
    P: Nun, da jedes einzelne Gasmolekül eine von Zufall bestimmte Brownsche Kurve beschreibt, ist es rein theoretisch sogar möglich, dass das Gas im Behälter verbleibt und sich nicht verteilt. Aber das ist so extrem unwahrscheinlich, dass es seit Bestehen des Universums nicht eingetreten ist.
    S: Aber das wissen Sie nicht sicher?
    P (jetzt doch ziemlich genervt): Nein.
    Nun gibt es 2 mögliche Fortsetzungen:
    S1: Ha! Dann sind Ihre sogenannten Naturgesetze Hirngespinste, weil sie in Wirklichkeit nur Wahrscheinlichkeiten darstellen!
    S2: Ha! Dann kann Gott Ihre Naturgesetze ändern, indem er doch einmal alle Moleküle in der Flasche lässt!

    (Parallele Argumentationen ließen sich in der Quantenphysik finden.)

    Wichtig: S1 und S2 sind hier beide nicht direkt falsch, aber leere Spiegelfechtereien. In diesem Zusammenhang hat P. absolut recht, wenn er diese Formel als ein festes Naturgesetz annimmt. S1 und S2 sind beide Kategorienfehler. S1 schleppt die Mikroebene (Brownsche Kurve) hinauf auf die Makroebene (Gasdruck), wo sie hier nicht hingehört, S2 schleppt umgekehrt die Makroebene (Gott) hinunter in die Mikroebene (Gasdruck), wo auch sie nicht hingehört.

    “Gott” als Theorie funktioniert auf der Makroebene meines Lebens, auf der die alle Naturgesetze des Universums auf nicht determinierbare Art und Weise zusammenwirken. Wenn diese Theorie funktionieren soll, dann muss sie ihn als allmächtig ansehen. Nur so ist er in der Lage, unsere hartnäckigen Erwartungen und Projektionen von Regelmäßigkeit zu zerstören und uns so in die Realität unseres Lebens zu katapultieren.

    Gerne erwarte ich Ihre nächste hartnäckige Frage. Sie sollte nur nicht so harmlos aussehen und so verzwickt zu beantworten sein 🙂 Ich muss meine Antworten nämlich alle aus dem Vollen fräsen.

  80. Kontingenz ff @Djebe/Pütz/Balanus

    Ja, ich habe mich etwas rausgezogen. Diese Zuspitzung der Diskussion auf den Begriff der unbegrenzten Mächtigkeit Gottes – die dann Angelpunkt einer mentalen Technik ist und physikalisch gesehen ausdrücklich nichts aussagt – ist so meine Sache nicht. Sicher ein interessanter Gedanke, der einen zu wiederum interessanten Gedanken provozieren kann – in gutem Sinn provozieren, herausfordern. Aber ich bin noch nicht davon überzeugt, dass das DIE Theorie ist, die den monotheistischen Religionen Schubkraft gab oder gar: wiederum geben könnte, wenn man sie nur endlich wieder ernsthaft verfolgen würde.
    Also hier reden Sie, Herr @Djebe, und ich wohl in verschiedenen Richtung (oder Wellenlängen): „(Hallo? Da draußen? Hört mich noch jemand?)“.
    Den Ball mit der Kontingenz spielte ich auch in einer anderen Richtung weiter als der, wofür Sie ihn einsetzen: Mit Kontingenzbewältigung wollen Sie wohl nur sehr indirekt etwas zu tun haben. Eher: Erkennen, dass wir uns in keinen Sinnzusammenhang reinkuscheln können?
    Ich gestehe meinerseits auch offen zu (@Francois Pütz), dass das mit der Kontingenzbewältigung heutzutage nicht mehr so einfach klappt wie es früher zu klappen *schien*. Die Sanierungsbedürftigkeit von einigem ist heutzutage deutlicher; und es gibt vielfältigere Parallelangebote. Allerdings schon auch zu bedenken, von wie vielen Seiten in zugespitzten Krisensituationen Pfarrer und andere kirchlich Beauftragte einen Vertrauensvorschuss bekommen (Ich arbeite in der ökumenischen Notfallseelsorge mit). Oder wie viele Leute bei Katastrophen auf die eben von Kirchen angebotenen Rituale zurückgreifen. Das alles nicht mehr ausschließlich und nicht mehr automatisch selbstverständlich, aber doch überwiegend.
    Und auch mit dem Eindruck: WAS man von Kirchens hören wird – das will man lieber nicht auf die begriffliche Goldwaage legen; aber so oder so wird durch kirchliche Worte und Riten etwas aufgespannt wie ein gemeinsames Netz, an das man sich klammern UND über das man mit anderen verbunden ist.
    Ach was, das mit den „ehernen Wahrheiten“: Schade, dass der Blick auf die christliche, insbesondere katholische Dogmengeschichte oft den Blick dafür verstellt, was religiös auch möglich wäre: Ein Jude zB oder auch ein Buddhist hätte wenig Verständnis für diesen Einwand.
    Und vielleicht könnte ich trotz allem mit Dennett ein Bier trinken. Aber ich habe bisher nur kurze Zusammenfassungen/Hinweise gelesen. Und würde auch nicht überall erzählen, was ich mit jemand beim Bier bereden würde 😉
    Das mit Gott und dem Gottesbegriff – anschaulich oder nicht… Es war eine Überlegung zur Begrifflichkeit. Der Vergleich mit Erforschung der Materie hinkt – da ist Ihr, @Balanus, Einwand zumindest verständlich. Der vergleich mit dem Begriff des Ich oder der Zeit wird schon weniger hinken. Aber, es sollte nur ein Gedankenanstoß sein; und mal unterstreichen: Nicht jede Unanschaulichkeit ist ein Ausweichmanöver. Wichtiger ist mir, dass das nicht auf einem falschen Geleise stehen bleibt: Begriffliche Genauigkeit zum Thema „Gott“ ist etwas ganz anderes als „Gott vertrauen“, ihm was zutrauen ff = glauben.
    Da kann der Naivste, dessen Gott über den Wolken sitzt und wie ein Spielzeugeisenbahner die Weichen stellt (was ich ja für begrifflich entsetzlich halte) trotzdem sein Herz auf dem rechten Fleck haben und seinen Mut in Gott setzen und sich verbünden mit dem, was Menschen bewegt – während ein anderer, der die ganze Philosophiegeschichte gedanklich verarbeitet hat und in erkenntnistheoretisch korrekter Weise etwa vom Unterschied zwischen dem Seienden und dem Sein Gottes redet (oder, wie ich wünsche: den Begriff „Existenz“ Gottes ins Archiv auslagert) irgendwelchen anderen Interessen nachlaufen und Zwängen sich ausliefern, die ihn vom oben angedeuteten Netz abschneiden.
    Es kommt um Gottes Willen also weniger auf die korrekten Begriffe an (und die ehernen Wahrheiten). So sagte ja mal der große Theologe des letzten Jahrhunderts, Karl Barth, – mein Lieblingszitat, frei zitiert; aber ich müsste es mal wieder genau nachlesen : Wenn die Gottlosen Gott besser verstehen als die Christen, muss man Gott die Ehre und also den Gottlosen Recht geben.
    Na ja, ich gehe hier gegen naive Begrifflichkeit an, denn das kann blockieren. Trotzdem – man sollte die Ebenen angemessene Gottesbegriffe und ehrliche Gotteserkenntnis nicht vermischen: Letzten Endes kommt’s weniger auf korrekte Begriffe in geistiger Höhe an, sondern (jetzt mit Drewermann gesagt): Es kommt drauf an, was unten rauskommt – ob Menschlichkeit bewahrt und bewährt wird.

  81. @Eric Djebe

    Aus Ihrer Antwort an Francois Pütz (10.11., 10:11) (!) entnehme ich, dass Gott nur im Rahmen der Naturgesetze agiert. Er kann, weil er allmächtig ist, auch höchst unwahrscheinliche Ereignisse bewirken. Ein solcher Gott steht natürlich nicht im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Das heißt, alles, was geschieht, geschieht letztlich durch Gott, erscheint den Menschen aber naturgesetzlich.

    Dabei ist es im Grunde auch unerheblich, ob Gott nur im Bewusstsein der Menschen existiert, oder auch außerhalb als “überempirischer Akteur”. Im Ergebnis gibt es keinen Unterschied.

    (Na, habe ich die Pointe Ihrer Theorie nun erfasst, oder doch wieder nicht? 😉 )

  82. @Balanus

    Ja, 10.11., 10:11. Hoffentlich kein Hinweis, dass diese Diskussion knapp am Karneval vorbeigeht (11.11. 11:11).

    Ich bin entzückt! Die hauptsächliche Pointe haben Sie erfasst. Ich würde das nicht genau so formulieren, aber ich kann erst einmal sehr gut damit leben. (@Michael Blume: Geisteswissenschaftliche Gespräche drehen sich eben nicht immer nur im Kreis 😉 !)

    An einem einzigen Punkt würde ich es gerne noch ein bisschen präzisieren: Alles, was ihnen zustößt, erscheint den Menschen naturgesetzlich, also analog den Naturgesetzen regelmäßig. Tatsächlich aber spielen die Naturgesetze auf dieser Ebene auf unvorhersehbare Weise zusammen. Der Glaube an den allmächtigen Gott sprengt die Illusion der Gesetzmäßigkeit auf.

    Wäre das ok?

  83. @Eric Djebe

    Wieso sind Sie sich so sicher, dass ich mich nicht in Ihre Situation hineinversetzen kann?
    Gut, ich überlasse Ihnen die Professorenrolle, was im Bereich formale Logik wahrscheinlich auch sinnvoll ist, und mache Sie nur darauf aufmerksam, dass Geduld und Durchatmen bei solchen Diskussionen auf beiden Seiten vonnöten ist.
    Zum Gespräch zwischen Professor und Student: Es geht hier um ein Gespräch über Naturwissenschaften, in der der Professor sich als guter Wissenschaftler erweist, indem er zugibt, dass etwas nicht ausgeschlossen werden kann, solange es theoretisch möglich ist. Der Student piesackt den Professor mit Fragen, die er sich, wäre er wissenschaftlich gebildeter, selbst beantworten könnte, und er sowieso eine ähnliche Position wie die des Professors einnehmen müsste.
    Wir reden aber hier nicht über sehr genau definierte Gasmoleküle, oder über die Brownsche Kurve, die man verifizieren kann, sondern über Ihre persönliche, kaum definierte und auf keinste Weise nachprüfbare Vorstellung von Gott.
    Gott ist kein Naturgesetz, oder zumindest habe ich ihn unter den mir bekannten Naturgesetzen noch nicht entdecken können. Wenn Gott jetzt für Sie die Naturgesetze sind, nähern wir uns einem pantheistischen Bild, das aber mit manchen Ihrer Aussagen in Konflikt kommen dürfte.
    S1 ist dämlich, weil der Student offensichtlich nicht verstanden hat, was Wissenschaften sind.
    S2 ist auch dämlich, weil Naturgesetze nicht dadurch in Frage gestellt werden, weil ein unwahrscheinlicher aber möglicher Fall eintritt.
    Gott als Theorie müsste erstmal sauber erarbeitet werden, um überhaupt als Theorie bezeichnet werden zu können.
    Ich habe als kritisch denkender Philosoph kaum Erwartungen von Regelmäßigkeit, und jede ungewöhnliche und/oder irritierende Beobachtung wird mit Freuden registriert, und dann wird mein Weltbild eben korrigiert, wenns nicht passt.
    Den Kunstgriff “Gott” brauche ich nicht, um mich aus der Regelmäßigkeit herauszureißen, weil ich mich von dieser Regelmäßigkeit längst verabschiedet habe.
    “Wenn diese Theorie funktionieren soll, dann muss ich…” Falsch rum, Herr Professor! Sie müssen gar nichts. Sie dürfen auch nicht. Entweder die Theorie ist konsistent und stabil, oder nicht. Wenn die Theorie ihre Entscheidung Gott als allmächtig anzusehen braucht, um Bestand zu haben, ist es keine Theorie, sondern ihr undefiniertes sowie selbst gebautes Konstrukt, dem Sie zwar frönen können, das aber keine Allgemeingültigkeit erlangen kann.
    Meine Position, die ich aber bei Bedarf noch präziser Begründen kann.

  84. @Balanus

    Ja, sehe ich auch so, aber es ist das, was ich als Teflonargument zu bezeichnen pflege. Auf diesen Gott hat man keinen Zugriff mehr, weder logisch noch sonstwie. Er ist der kritischen Überprüfung und auch jedem Definitionsversuch entzogen.

  85. @Aichele

    Nachdem ich mich bemüht, habe, in eine Richtung Brücken zu schlagen, stehe ich nun wohl auch Ihnen gegenüber in der Pflicht. Zunächst einmal haben Sie ganz richtig erkannt, dass es mir um Kontingenzerkenntnis statt Kontingenzbewältung geht. Allerdings (meine Behauptung) hält der Monotheismus die Menschen für fähig, die Kontingenz des Lebens genau damit in den Griff zu bekommen: “Die Wahrheit wird euch frei machen”

    Ich unterstelle Ihnen zunächst, dass Sie meinen Ansatz vielleicht ganz interessant finden, dass Sie aber ihn für eine unzulässige Verengung des Gottesbegriffs halten. Während ich sozusagen im tiefen Dschungel nach der einen Quelle des Nils suche, sehen Sie ein ganzes großes System von Zu- und Abflüssen, die grundsätzlich alle eine analoge Wertigkeit besitzen (vielleicht mit Ausnahme von einigen, die für Sie ganz furchtbar sind).

    Ich versuche, über diesen Punkt hinaus zu gelangen, indem ich Sie das Folgende frage:

    Ab einem gewissen Punkt in der Entwicklung des altjüdischen Glaubens werden alle anderen Götter als falsch abgelehnt. Sie sind nicht machtloser als Jahwe, auch nicht von irgendwie minderer Qualität, sondern es gibt sie nicht. Sie sind bloße menschliche Konstrukte (exemplarisch sichtbar an der Tatsache, dass sie durch handwerklich hergestellte Götterstatuen verehrt werden). Im Gegensatz dazu ist der Gott Israels auf irgend eine Weise objektiv wahr. Irgendwo im Inneren dieses Glaubens gibt es also dieses scharfe und hundertprozentige Kriterium, was wahr und was falsch ist. Wo finden Sie das persönlich in Ihrem breiten Flußsystem, in dem es dann letzlich nur darauf ankommt, ob Menschlichkeit bewahrt und bewährt wird?

  86. @Eric Djebe

    Nachtrag: ich möchte nochmal betonen, dass ich Diskussionen hart zu führen pflege, was die Argumentationsebene belangt. Bitte sehen Sie es nicht als persönlichen Angriff. Ich trenne Person und Argument sehr scharf, selbst wenn das im deutschsprachigen Raum oft nicht üblich ist. Ich fühle mich aber in meiner Vorgehensweise eher der englischsprachigen Debattenkultur verpflichtet.

  87. @Francois Pütz

    Lieber Herr Pütz, bitte machen Sie sich keinen Kopf wegen meiner Jammerei (muss auch mal sein). Wer, wie ich, in seinem Post Neuland betritt und sich der Diskussion stellt, sollte Fragen dieser Art erwarten. Und außerdem bin ich ja hinterher immer äußerst stolz auf meine genialen Antworten 😉

  88. Teflonargument /@Francois Pütz

    So (als Teflonargument) würde ich das nicht bezeichnen wollen.

    Das schöne am religiösen Glauben bzw. Unglauben ist ja, dass man sich nicht dafür oder dagegen entscheiden muss, das kommt ganz von alleine.

    Wir, Sie und ich, sind hinsichtlich des Gottesglaubens fein raus. Weil für uns Gott eine Schöpfung des Menschen ist, steht unser Gottesbild nicht im Konflikt mit den Aussagen der Naturwissenschaften. Alles ist gut.

    Der Gläubige hingegen muss seine Gottesvorstellungen mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen irgendwie in Einklang bringen (sofern ihm die Wissenschaften wichtig sind).

    Und an diese Gläubigen richtet sich Herrn Djebes Überlegungen, nicht an uns. Sie (die Überlegungen) sollen für Gläubige einen möglichen Weg aufzeigen, wie Glaube und Vernunft miteinander vereinbart werden können. Damit alles gut wird.

  89. @Hermann Aichele@Eric Djebe

    Größtenteils einverstanden, Herr Aichele.
    Eine Einrichtung wie die Notfallseelsorge darf nicht wegfallen, unter keinen Umständen. Allerdings bin ich der Meinung, dass wir uns langsam darum kümmern müssten, dergleichen auf säkulare Füße zu stellen. Daran arbeite ich gerade aktiv mit.
    Auch die klassischen Rituale scheinen mir bald nicht mehr weit genug verbreitet zu sein: Friedwald”begräbnisse” mit weltlichem Redner nehmen zu, und sind längst keine Randerscheinung mehr.
    Ich kann auch meinen Mut nicht auf Gott setzen, da ich nicht weiß, was das sein soll. Ich bin also, wie viele andere auch, gezwungen, das Bewahren der Menschlichkeit in jedem Sinne anders zu unterfüttern. Für mich gehört es eben zur intellektuellen Redlichkeit einen Gott nicht aus rein praktischen Gründen bestehen zu lassen, obwohl ich seine Existenz auf keine Weise belegen kann.

    “Im Gegensatz dazu ist der Gott Israels auf irgendeine Weise wahr” schreiben Sie, Herr Djebe. Da möchte ich mit dem kleinen Ferkel aus Michael Schmidt-Salomons Buch nachfragen, wieso sich der Rabbi denn so sicher ist, dass sein Gott wahr ist, wenn er soeben alle anderen Götter als Hirngespinste abgetan hat? Über eine reine Behauptung geht das nicht hinaus, und auch dieser Thread hat eigentlich nicht dazu beigetragen, die “Wahrheit” dieser Gottesvorstellung zu untermauern.
    Und nochmal zu Herrn Aichele. Ich nehme an, dass Sie, da Sie zu einer anderen Generation gehören, des Englischen nicht ganz so mächtig sind. Sollte ich mich geirrt haben, so sehen Sie sich doch mal einen Vortrag von Dennett im Netz an. Es lohnt sich.

  90. @Balanus

    Das möchte ich so nicht gerne stehenlassen. Dass man sich nicht für oder gegen einen Glauben entscheiden muss, halte ich für ein Gerücht. Wenn Sie in eine sehr gläubige Umgebung hineingeboren wurden, dann ist zu erwarten, dass ihre Erkenntnisse irgendwann mit den “Glaubenswahrheiten” in Konflikt kommen. Und dann müssen Sie sich entscheiden, wie sie sich verhalten.
    Und der Gläubige kann in vielen(allen?) Fällen seinen Glauben nicht mit den naturwissenschaftlichen Kenntnissen in Einklang bringen. Also wird der Glauben Schritt für Schritt “entschärft”. Ich würde mir als Glaubender irgendwann ver…… vorkommen, deswegen kann ich die Kreationisten und Ähnliche auch gut verstehen, die sagen: “Jetzt ist Schluss! Entweder es stimmt oder nicht. Ich kann doch nicht jeden Tag einen Positionswechsel vornehmen.”
    Hernn Aicheles Position scheint mir die einzig haltbare zu sein. Sie ist pragmatisch, und pocht auf die positiven Resultate. Gott ist allerdings raus, aus meiner Sicht.

  91. @Balanus ist ganz nahe dran. Der Monotheismus macht Aussagen über die Welt, in der ich lebe. Es ist von Vorteil, wenn ich klar formulieren kann, wie und wo er mit meinen sonstigen Erkenntnissen über die Welt zusammen hängt. An diesem Punkt überlappt mein Glaube mit der sonstigen Welterkenntnis und in diesem Schnittbereich ist es gut, wenn ich sauber definiere und argumentiere.

    @Francois Pütz
    Sie haben mich ja implizit autorisiert, auch meinerseits härter ranzugehen. Das nehme ich jetzt gerne in Anspruch.

    Zunächst einmal wäre es natürlich schön, wenn Sie lesen würden, was ich geschrieben habe, statt bei jedem Halbsatz rot zu sehen und vom Leder zu ziehen. Zum Beispiel bei: Im Gegensatz dazu ist der Gott Israels auf irgend eine Weise wahr. Ihr Ferkel in allen Ehren, hier geht es um ein Zitat und genau um die Frage, die sie hier stellen: wieso sich der Rabbi denn so sicher ist, dass sein Gott wahr ist, wenn er soeben alle anderen Götter als Hirngespinste abgetan hat? Also: Erst mal die Antwort herausbekommen und dann darauf eindreschen. Die Reihenfolge ist klar? Gut.

    Dann scheinen Sie sich nicht ganz im Klaren zu sein, ob ich jetzt eine Definition der Theorie vorgelegt habe oder nicht. Hier das Zitat (von 20 Metern weiter oben):

    Die Theorie:
    Grob gesagt, lautet sie: Jedes Ereignis wird von einem unbegrenzt mächtigen … usw … Wesen verursacht (Gott).

    Dazu kleine Ausschnitte aus Ihrem Flächenbombardent: Ihre persönliche, kaum definierte … Vorstellung von Gott.; Gott als Theorie müsste erstmal sauber erarbeitet werden, um überhaupt als Theorie bezeichnet werden zu können.; ihr undefiniertes … Konstrukt; Er ist … jedem Definitionsversuch entzogen. usw. Möglicherweise passt Ihnen die Theorie nicht. Sie ist auch als Theorie etwas merkwürdig, eben weil Sie nur den Schnittbereich präzisiert (s.o.). Dann würde es aber die Diskussion weiter bringen, wenn Sie darauf auch antworten würden.

    Bevor Sie sich aber darauf einlassen, sollten Sie sich einige Ihrer Vorstellungen über Theorien näher ansehen: Entweder die Theorie ist konsistent und stabil, oder nicht. Wenn die Theorie ihre Entscheidung Gott als allmächtig anzusehen braucht, um Bestand zu haben, ist es keine Theorie, sondern ihr undefiniertes sowie selbst gebautes Konstrukt

    Hier stimmt so gut wie gar nichts. Erstens: Die obigen Theorie ist konsistent, weil sie ein trivialer Kunstgriff ist. Darin liegt ihr Defizit als Theorie, wie ich auch im Anschluss erläutert habe. Vermutlich ist sie deshalb auch “stabil”, was auch immer das heißt. Dann, zum Vergleich: “Wenn die Theorie Keplers die Planetenbahnen als elliptisch ansehen musste, um Bestand zu haben, ist es keine Theorie, sondern …” Bevor Sie sofort wieder loslegen, dass Kepler nachprüfbare Wissenschaft gebaut hat im Gegensatz zu mir usw. überlegen Sie sich das tertium comparationis hier. Bitte! Zu “undefiniert” siehe oben und “selbstgebaut”, das war jede Theorie irgendwann.

    Was meinen Professorendialog angeht (und jetzt wirds wirklich hart): Ich habe mir riesige Arbeit gemacht mit meiner Antwort auf ihre Frage “Allmacht und Naturwissenschaft”. Sie sich mit Ihrer aber überhaupt keine. Ich habe den Eindruck, sie haben ab diesem Punkt den Bettel hingeworfen und sich auf die triviale Beobachtung zurückgezogen, dass “Gott” kein naturwissenschaftlicher Term ist, dass Aussagen über ihn deshalb nicht mit den Methoden der Naturwissenschaften verifizierbar sind und dass er deshalb wertlos ist (und per Kontaktinfektion folgt daraus mit der Zeit, dass meine Darstellung methodisch nichts taugt). Dann hätten Sie aber gleich sagen können, dass Sie diese Karte ziehen, wenn Ihnen die Diskussion zu anstrengend wird. Hätte mir viel Arbeit erspart.

    Nur noch zum Schluss: Meine Antwort mit dem Professorendialog hat Spass gemacht, weil es eine echte Herausforderung war und ich hier wirklich ein Problem bis in die Tiefe analysiert habe. Und natürlich auch deshalb, weil jemand (@balanus) sie gelesen und verstanden hat. Das hier war genau so viel Arbeit, hat aber gar keinen Spass gemacht.

  92. @Eric Djebe

    Habe ich Sie wirklich implizit autorisiert? Ich glaube, ja 🙂

    Zum Rabbi: dann war das ein Missverständnis von mir. Ich war recht sicher, Dass Sie Herrn Aichele mitteilen wollten, dass Sie der Meinung sind, dass es für Herrn Aichele schwierig sein dürfte dieses “scharfe und hundertprozentige Kriterium” in seinem “breiten Flussystem” zu finden. Für mich war damit klar, dass Herr Aicheles Ansatz für Sie dadurch nicht attraktiv ist, weil eben nicht klar wird, was “wahr und was falsch ist”. Um diese Position zu vertreten, dachte ich mir, müssten Sie eine Position vertreten, wo das klar wird. Einen Monotheismus mit wahrem Kern also.
    Zu Theorie: Eine Theorie ohne Belege und ohne Definitionen der Grundlagen würde Ihnen mit Sicherheit zumindest heute um die Ohren gehauen. Ein bisschen Substanz sollte eine Theorie schon haben. Ganz selbstgebaut ist sie dann doch nicht besonders überzeugend, und es wird schwierig, ernsthaft über sie zu diskutieren, wenn man nichts hat, was man überprüfen kann.
    Und Nein, ich habe die Bettel nicht hingeworfen. Ich war lediglich irritiert von Ihrer Idee, Gott und Gas quasi gleichzusetzen. Ich muss dann auch auf einer Definition bestehen, wenn Sie Gott in den wissenschaftlichen Bereich transferieren. Ich habe Sie nicht gezwungen, dies zu tun: wenn Sie es aber, wenn auch nur als Beispiel, tun, dann können Sie sich eigentlich nicht wundern, wenn ich dann Gott auch etwas näher definiert haben möchte. Pudding an die Wand nageln ist nämlich auch frustrierend.
    Ich denke, die Erwartungen sind auch unterschiedlich. Ich suche nach Gewissheiten: Sie scheinen mit bestimmten Konzepten zufrieden zu sein, die aus Ihrer Sicht aufgehen. Ich kann mich aber, wie immer, auch irren.
    Was ich aber wieder sehe ist, wie schwierig Diskussionen zwischen Atheisten und Gläubigen sein können, wie schnell Emotionen hochkochen, und auch wie schnell man denkt, das Gegenüber würde die eigenen Mühen nicht im Geringsten honorieren(mir geht es genau so).
    Dennoch denke ich, dass wir versuchen sollten, weiterzumachen. Zumindest Missverständnisse sollten auflösbar sein.
    P.S.: ich weiß Ihre Mühe sehr wohl zu schätzen.

  93. @Francois Pütz

    »Dass man sich nicht für oder gegen einen Glauben entscheiden muss, halte ich für ein Gerücht. Wenn Sie in eine sehr gläubige Umgebung hineingeboren wurden, dann ist zu erwarten, dass ihre Erkenntnisse irgendwann mit den “Glaubenswahrheiten” in Konflikt kommen. Und dann müssen Sie sich entscheiden, wie sie sich verhalten. «

    Das sind nach meinem Empfinden zwei Paar Schuhe, die Entscheidung, ob ich gläubig bleibe (oder werde), oder die Entscheidung, wie ich mich verhalte, nachdem ich “den Glauben verloren” (oder durch eine Gotteserfahrung “zum Glauben gefunden“) habe.

    Ersteres geht meiner Ansicht nach nicht. Glaube ist m. E. ein Gefühl, wie die Liebe (oder der Hass ;-)). Sie können entscheiden, ob Sie mit einem/r Partner/in zusammenleben möchten oder nicht, aber nicht, ob Sie einen Menschen mögen oder nicht.

    Wohl aber kann man, wenn man von seiner Persönlichkeitsstruktur her zur Gläubigkeit neigt, sich eventuell entscheiden, welchem speziellen Glauben man folgen möchte. Die Auswahl ist riesig.

    (Bauchentscheidungen zähle ich nicht zu den echten, also rationalen Entscheidungen)

  94. @Balanus

    Fangen wir doch mit dem “gläubig werden” an: Nur ein verschwindend geringer Prozentsatz wird aus eigener Entscheidung oder wegen einer “Gotteserfahrung” gläubig.Die meisten halten an dem Kinderglauben fest, den man Ihnen beigebracht hat. Von Entscheidung kann da wirklich keine Rede sein.
    Glaube ist also in den weitaus meisten Fällen kein “Gefühl”, sondern eine Gewohnheit.
    Und die Auswahl scheint recht gering zu sein, denn Im Iran “entscheiden” sich fast alle für den Islam, in christlichen, deutschen Familien fast alle für das Christentum.
    Rationale Entscheidungen beim jeweiligen Glauben? Selten, und auch dann meist kulturell bedingt, also nicht im klassischen Sinne rational.

  95. @Francois Pütz

    »Glaube ist also in den weitaus meisten Fällen kein “Gefühl”, sondern eine Gewohnheit. «

    Wir reden hier doch vom “richtigen”, tief empfundenen Glauben, den man nicht einfach per Willensakt ablegen kann. Nur hier entstehen Konflikte zwischen naturwissenschaftlichem Denken und dem Gottesglauben.
    Wie zum Beispiel hier bei Patrick Becker

    Dass viele nur gewohnheitsmäßig sonntags zur Kirche gehen, steht auf einem anderen Blatt.

  96. @Eric Djebe

    »Die hauptsächliche Pointe haben Sie erfasst. «

    Das freut mich 😉

    »An einem einzigen Punkt würde ich es gerne noch ein bisschen präzisieren: Alles, was ihnen zustößt, erscheint den Menschen naturgesetzlich, also analog den Naturgesetzen regelmäßig. Tatsächlich aber spielen die Naturgesetze auf dieser Ebene auf unvorhersehbare Weise zusammen. Der Glaube an den allmächtigen Gott sprengt die Illusion der Gesetzmäßigkeit auf.

    Wäre das ok?«

    Ich hatte weiter oben schon geschrieben, dass ich die Sache mit der “Illusion der Gesetzmäßigkeit” nicht verstehe.

    Seltene Ereignisse wie ein Sechser im Lotto oder die völlig unerwartete Wiedergesundung einer Kuh erscheinen mir nicht naturgesetzlich im Sinne von ‘zwangsläufig’, sondern im Sinne von ‘den Naturgesetzen nicht widersprechend’.

    Für regelmäßig auftretende Ereignisse gilt das Gleiche.

    Und was soll das heißen, dass die Naturgesetze auf dieser Ebene auf unvorhersehbare Weise zusammenspielen?

    Das ist entweder einfach nur banal, weil sämtliche Naturgesetze immer und überall gelten, oder das ist so nicht richtig, weil oft genug sehr wohl vorhersehbar ist, dass ein bestimmtes Ereignis eintreten wird. Wenn ich zum Beispiel auf die heiße Herdplatte fasse, ist klar, was passieren wird, die Naturgesetze werden gnadenlos und auf vorhersehbare Weise zusammenspielen. Das Ergebnis, die verbrannten Finger, sind dann jedenfalls keine Illusion.

    Also, lieber Herr Djebe, da müssten Sie leider noch mal nachlegen, wenn Sie möchten, dass ich Ihr Argument verstehe.

  97. @alle

    Zunächst möchte ich mich bei allen Kommentatoren und Lesern entschuldigen, die auf Antwort von mir gewartet haben. Ich war die letzten Tage in einem Internet-Loch (wusste ich vorher nicht).

    Vielen Dank für die Diskussion hier und auch für die Zuschauer (sagt man das so?). Ich habe viel gelernt dabei; dies war mein erster heißer Disput in Sachen Christentum. Ich hatte gegen Ende den Eindruck, als würde sich das Gespräch verzetteln und habe damit begonnen, einen ganz grundsätzlichen Kommentar zum Thema zu schreiben, in dem ich die Möglichkeit von Wahrheit / Wahrheitsfindung / echte (fruchtbare) Diskussion und notwendiges Aneinander-Vorbei-Reden auf diesem Gebiet darstellen wollte.

    Wie erwartet, sind die Gedanken dabei immer tiefer und tiefer geworden und ich habe gemerkt, dass ich da richtig Arbeit hineinstecken muss. Vielleicht setze ich den Kommentar dann noch einmal hierher, vielleicht wird er aber mein erster Post in meinem eigenen Blog am 29.11.

    Noch eine extra Entschuldigung @balanus. Die Anfrage hätte noch einmal eine Antwort verdient, damit die auch richtig sitzt, muss ich aber noch heftig Arbeit reinstecken. Ich kann einfach nicht versprechen, dass ich die noch liefern werde.

    Zum Schluss noch meinen Dank an Michael Blume für seine Gastfreundschaft hier!

  98. Extra Entschuldigung /@Eric Djebe

    Kein Problem, Herr Djebe, es müssen ja nicht immer alle Fragen auf einen Schlag geklärt werden. Danke für den Beitrag!

    Auf ein andermal! 🙂

  99. Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
    Ich bezweifle auch nicht, dass ein Text höhere Relevanz für einen selbst erhält, wenn man ihm eine Art Göttlichkeit zuspricht. Allerdings kann ich nicht erkennen, was der Vorteil einer derartig erhöhten Relevanz sein sollte. Die Gefahr, dass der Text dann kaum noch einer halbwegs objektiven Interpretation zugänglich wird, wächst, und die Gefahr, dass sich Menschen dann im Besitz der Wahrheit wähnen, und die Wahrnehmung anderer inhaltsreicher Texte leidet, wächst ebenfalls.
    Ob es religiösen Menschen wirklich häufiger gelingt, einen “Sinn” zu konstruieren, bezweifle ich. Ich vermute eher, dass sie sich schneller mit etwas zufrieden geben, was sie dann als “Sinn” bezeichnen. Intensive Nachfragen meinerseits lösten meistens Verwirrung aus, weil die befragten Menschen nicht verstanden, wieso man ihren “Sinn” genauer beschrieben haben wollte. In dem Falle scheint das religiöse Umfeld das Nachdenken über diesen Sinn zuweilen recht effektiv zu unterbinden.
    Beim Überschätzen stimme ich Ihnen zu….wahrscheinlich denke ich aber an etwas anderes als Sie. Dass Menschen sich z.B. zutrauen, Genaueres über das überempirische Wesen sagen zu können, und auch noch sicher sind, dass es stimmt, ist schon recht unbescheiden.

  100. @Francois Pütz

    Gehe ich Recht in der Annahme, dass der Kommentar in diese Diskussion hätte eingestellt werden sollen?
    https://scilogs.spektrum.de/…und-religi-se-erfahrungen

    Ich kann ihn leider nicht einfach verschieben, aber wenn Sie ihn dort noch einmal einstellen würden, würde ich dort gerne noch einmal darauf antworten.

  101. Gibt es GOTT?

    GEGENFRAGE – WELCHEN?

    Es gab in der Vergangenheit TAUSENDE davon. Unermesslich mächtig und wahrhaftig. ALLE wurden abgeschafft, ohne dass sich ein einziger davon blutig gerächt hätte.
    Weshalb soll der von Priestern nach der babyl. Gefangenschaft etablierte hebräische Gott, der NUR sein auserwähltes Volk mag und alle anderen verabscheut (also auch Christen!)”echt” sein? Weil ein Mann im bunten Kleid behauptet, er sei der Stellvertreter dieses hebräischen Stammesgottes?
    Bitte unbedingt die schreckliche Wahrheit lesen:
    http//the-jewish-fraud.zxq.net

  102. @Michael Blume

    Sie gehen vollkommen recht, Herr Blume. Entschuldigen sie das Versehen. Löschen können Sie hoffentlich ohne Probleme. Vielen Dank.

  103. Schön ist…

    … das jemand sich der Frage annimmt, Gott und Religion zu begründen und erklären.

    Eher Unschön ist, sie hinter der Paywall zu verbergen.

    Da Gottglaube und Religiösität inzwischen schon einige Jahrtausende menschliche Zivilistionen und Kulturen dominieren und also bis in den Kern der jeweiligen Strukturen hinein wuchsen oder aus ihm herraus wucherten, ist die Frage nicht nur eine ästhetische hinsichtlich der Erwartung in einem Recht zu sein im Glauben, sondern auch eine technologisch relevante, welche es nun langsam zu offenbaren gilt. Also sei das keine Dienstleistung und Konsumangelegenheit, sondern ontologisch relevante Aufklärung, die alle angeht und deshalb ohne Bedingungen zu stellen zur Erkenntnis gebracht und veröffentlicht gehört – ohne den Umweg über ein Vermarktungssystem(Buchhandel).

    Wir wissen doch: Glaubenssysteme sind Herrschaftsinstrumente. Und eigendlich ist uns inzwischen umfangreich suggeriert, dass wir “aufgeklärt” sind. Angesichts solcher Begebenheiten aber kann davon keine Rede sein. Anstatt zu “wissen”, sind wir gezwungen weiterhin zu glauben.

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