Formuliert auch die Wissenschaft Dogmen? Rupert Sheldrakes “zensierter” TED-Talk

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Immer wieder treffe ich auf zwei entgegenstehende, populäre Vorurteile. Das eine lautet: Während Religionen “ewige Dogmen” verkündeten, zeichne sich die Wissenschaft durch “Dogmenfreiheit” aus. Das andere lautet: Wissenschaftler seien doch auch nur “dogmatisch” und würden nur das erkennen, was ihnen derzeit zu sehen “erlaubt” sei.

Beide Vorurteile sind als Verallgemeinerungen falsch. So ist es wahr, dass viele Religionen nach ihrem eigenen Selbstverständnis “ewige Wahrheiten” verkünden. Doch in der historischen Analyse zeigt sich, dass auch diese Wahrheiten immer wieder neu ausgelegt werden (Variation), diese Auslegungen dann konkurrieren (Selektion) und schließlich unterschiedlich erfolgreich an kommende Generationen weiter gegeben werden (Reproduktion). Kurz: Nicht nur die jüdische Thora-Auslegung sogar der Ultraorthodoxen, sondern auch die Lehre der katholischen Kirche “evolviert” ständig. Für vieles von dem, was Papst Franziskus gerade in seinem ersten Apostolischen Schreiben “Evangelii Gaudium – Freude des Evangeliums” geschrieben hat, wäre er zu früheren Zeiten als “Ketzer” verurteilt worden.

FranziskusApostolischesSchreibenVon wegen Stillstand: Apostolische Papst-Schreiben bauen auf Gewachsenem auf und fügen zugleich eigene Deutungen und Gedanken hinzu.

Gewachsene Traditionen wissen von diesem Prozess übrigens: Die römisch-katholische Kirche versteht sich so als “pilgerndes Gottesvolk”, das fortlaufend “göttliche Wahrheit besser erfasse” – also an einem (stets umkämpften) Erkenntnisfortschritt teilhabe. So betont der erwähnte Franziskus beispielsweise, dass eine “heilsame Dezentralisierung” stattfinden und den “regionalen Bischofskonferenzen” mehr Gewicht beigemessen werden sollte (deren Texte er auch wiederum häufig zitiert).

Wie ist es nun mit der Wissenschaft?

In einer ideal gedachten Welt gäbe es auch hier keinerlei Dogmen, weil jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler “aus sich heraus” in der Lage wäre, alle Befunde selbst zu überprüfen. Faktisch ist das natürlich unmöglich. So “glaube” auch ich selbstverständlich nicht deswegen an den Wert der Evolutionstheorie, weil ich alle Befunde dazu einzeln überprüft hätte – sondern weil ich das in einigen Feldern meines Fachgebietes tat und im Übrigen auf die abertausenden Kolleginnen und Kollegen vertraue, die das ebenfalls tun. Auch hier haben wir einen kulturell-evolutionären Prozess: Ständig werden neue Hypothesen vorgestellt (Variation), diskutiert und getestet (Selektion) und schließlich unterschiedlich erfolgreich weiter gegeben (Reproduktion).

Wenn es aber kein zentrales, wissenschaftliches Lehramt gibt – wie geht dann “die Wissenschaft” mit jenen Teilen dieser Vielfalt um, die es wagen, auch zentrale, “wissenschaftlich derzeit gültige” Annahmen und Methoden zu hinterfragen?

Die meisten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern stören sich daran nicht und nehmen sie mal als Zeitverschwendung, mal als hilfreiche Anregung wahr. Aber es gibt – zugegeben – auch immer wieder welche, die tatsächlich meinen, den wissenschaftlichen Prozess “dogmatisieren” und Widersprechende “verstoßen” zu können.

Wie Rupert Sheldrake’s TED-Vortrag “zensiert” wurde

So wurde der Biochemiker Dr. Rupert Sheldrake vor ziemlich genau einem Jahr zum Vortrag bei einer regionalen TED-Konferenz (TEDx Whitechapel) eingeladen. Sheldrake ist ein solcher “Querdenker”, aber zumal man das weiß und die Konferenz unter der Überschrift “Challenging existing Paradigms” stand, passte das ganz gut. Der Saal war ausverkauft, die Stimmung gut und Sheldrake hinterfragte “10 Dogmen der Wissenschaft”.

Hier der Vortrag:

Die 10 Dogmen des sogenannten modernen wissenschaftlichen Weltbildes, die es laut Sheldrake kritisch zu hinterfragen gilt, sind die folgenden:

1. Die Natur sei mechanisch, maschinenähnlich

2. Materie habe kein Bewusstsein

3. Die Natur werde von unverändlichen (nicht selbst evolvierenden) Gesetzen und Konstanten beherrscht

4. Die Gesamtmenge an Energie und Materie sei immer gleich

5. Es gebe keine Zwecke oder Ziele “in der Natur”

6. Das biologische Erbe sei ausschließlich materieller Natur

7. Erinnerungen bestünden nur im Kopf als materielle Spuren

8. Der Geist befinde sich im Kopf, sei “nicht mehr” als Gehirnaktivität

9. Außersinnliche Phänomene wie z.B. die Telepathie seien eine Illusion, denn wissenschaftlich unmöglich

10. Mechanistische Medizin sei die einzige, die funktioniert

RupertSheldrakeTEDxTalkDrei Monate geschah wenig…

…der TEDx-Talk wurde von den einen interessiert aufgegriffen, von den anderen als Zeitverschwendung abgetan. Dabei wäre es wohl geblieben, wenn nicht einige Blogger des sog. “neuen Atheismus” wie Jerry Coine und P.Z. Myers sich über Sheldrakes Infragestellungen so empört hätten, dass sie TED aufforderten, den Vortrag von ihrer Seite zu streichen. Die TED-Organisatoren berieten, beriefen sich schließlich auf einen “anonymen Beirat” – und verschoben Sheldrake’s TED-Talk tatsächlich von der Hauptseite.

Die Folge war ein Aufschrei. Viele Menschen waren empört, dass TED einer “Zensur” zugestimmt hatte und vermuteten, dass in Zukunft kritische, neue Stimmen wohl gar nicht mehr eingeladen würden. Sheldrake’s TED-Talk wurde auf zahlreichen Spiegelseiten “sicherheitskopiert” und Hunderttausendfach angeschaut, er selbst wurde in alten und neuen Medien vielfach interviewt und zitiert. Auch seinen Buchverkäufen dürfte der “Zensurversuch” nicht geschadet haben.

Der Wert von Freiheit und Vielfalt

Der Sheldrake-TED-Vorfall ist eine gute Erinnerung daran, wie wichtig Freiheit – wie die Freiheit von Forschung und Lehre, die Religionsfreiheit usw. – sind. Nur sie ermöglichen die ständige Variation, aus der erst wieder Überprüfung (Selektion) und Tradierung (Reproduktion) möglich werden. Selbstverständlich kostet das Zeit und Nerven und man braucht keine Verschwörungstheorien zu bemühen, um zu verstehen, warum Autoritäten der gerade “herrschenden” Lehrmeinung lästige Herausforderer gerne loswerden wollen – ob es sich um religiöse oder wissenschaftliche “Abweichler” handelt. Früher konnte eine “falsche” Lehrmeinung dabei noch Leib und Leben kosten, aber auch z.B. eine Biologin würde all ihre wissenschaftlichen und beruflichen Chancen riskieren, wenn sie ohne sehr überzeugende Belege die Evolutionstheorie in Frage stellen würde.

Letztlich verweist der Sheldrake-TED-Prozess meines Erachtens aber doch darauf, dass gerade auch durch das Internet Zensurversuche erfolgreich unterlaufen werden. Coyne, Myers & Co. haben Sheldrake mit ihrem Unterdrückungsversuch viel stärker gemacht, als er es sonst geworden wäre.

Auch in hundert Jahren werden sich einige der “Dogmen” heutiger Wissenschaften und Religionen bewährt haben, andere werden verändert und ersetzt worden sein. Und Päpste wie auch Wissenschaftler werden aus der Fülle des ihnen zugewachsenen – und doch immer nur vorläufigen – Wissens und der Autorität früherer Generationen lehren, pendelnd zwischen den Ansprüchen auf Ewigkeit und neue Erkenntnis.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

65 Kommentare

  1. Wobei es bei der Wissenschaft einer ihrer Vorzüge ist, daß sie evolviert. Wo Religionen evolvieren handelt es sich dagegen lediglich um Wischiwaschivarianten, die man nicht ernstnehmen kann/darf/soll und die eh keinen Hund hinterm Ofen mehr hervorlocken 😉
    So geht doch die gängige Argumentationslinie, oder?

    • Ja, das habe ich mich auch schon öfter gefragt. Als Wissenschaftler sehe ich es als Stärke an, wenn jemand bereit ist, seine Positionen angesichts neuer Erkenntnisse auch zu verändern. Verrückterweise aber wird das Religionsgemeinschaften gerne zum Vorwurf gemacht, so nach dem Motto: “Das ist ja dann gar kein richtiger Christ/Muslimin/Buddhist mehr!”

      In der Religionswissenschaft nennen wir das “Essentialismus”. Demnach bilden Menschen über eigene und andere Gruppen stereotype Annahmen und sind dann enttäuscht, wenn diese Erwartungen in der Realität nicht erfüllt werden. (Zum Beispiel: “Wie, sie trägt kein Kopftuch? Dann ist es ja keine richtige Muslimin mehr!”…)

      • Uwe geht jeden Samstag ins Stadion um Schalke 04 spielen zu sehen, fiebert mit ihnen mit und hofft, dass sie gewinnen. Ähnliches tut er für keine andere Mannschaft. Gleichzeitig bezeichnet er sich als überzeugten Bayern-Fan.
        Liege ich dann falsch, wenn ich sage “Uwe ist gar kein richtiger Bayern-Fan!”?

        • @tom Das müssen – und sollten – Sie den Uwe fragen, er wäre auf jeden Fall ein interessanter Fall! (Als Wissenschaftler wäre ich echt neugierig, warum Verhalten und Äußerungen so weit auseinander klaffen – oder kann er sich vielleicht nur ganz profan die Bayern-Tickets nicht leisten? 😉 )

        • Ja. Denn Sie massen sich damit an, in andere Personen hineinzuschauen und ihnen eine eigene Meinung/Weltanschauung abzusprechen. Mag es noch so legitim sein, das Verhalten anderer Personen als heuchlerisch zu kritisieren, das gibt einem noch lange nicht das Recht, anderen Personen ihre Weltanschauungen abzusprechen.
          Beispiel:
          Wenn Sie Uwe (aus obigem Beispiel) das Bayern-Fan-Sein absprechen, dann ist das genauso wie wenn religiöse Fundamentalisten behaupten, dass es keine Atheisten gibt.

  2. Die Wissenschaft formuliert keine “Dogmen”. Aber der Kram von Sheldrake ist genau so wenig Wissenschaft wie es Astrologie, Homöpathie u.ä. ist. Muss jetzt auch jeder Astrologe einen TED-Talk halten dürfen? Und wenn ja: Darf man dass dann als Wissenschaftler nicht mehr kritisieren?

    Nur weil Sheldrake von der Wissenschaft kritisiert wird, folgt daraus nicht, dass er ein verkanntes Genie ist (das ist ein klassischer Fehlschluss und nennt sich “Galileo Gambit”). Sheldrake wird von der Wissenschaft kritisiert, weil er Pseudowissenschaft betreibt. Und wenn ein seriöser Veranstalter wie TED so eine Kritik dann ernst nimmt, und einen Vortrag aus seinem Programm entfernt, hat das nichts mit “Zensur” zu tun. Meinungsfreiheit heißt nicht, seine Meinung immer und an jedem Ort kund zu dürfen.

    (Und mit dem ach so bösen “neuen Atheismus” hat das auch nicht viel zu tun. Sheldrake wird nicht kritisiert weil er religiös ist (ist er das?) – sondern weil er Pseudowissenschaft betreibt und das als Wissenschaft ausgibt.)

    • Klar, nicht jeder sich als “unterdrückt” empfindender Wissenschaftler ist ein Galilei, ebenso wenig wie jede “Sekte” zur neuen Weltkirche aufsteigt.

      Wobei mein Lieblingsbeispiel ja Abbe Lemaitre und der Urknall ist. Was haben die (meisten) Physiker, die damals ein ewiges Steady-State-Universum lehrten, seinerzeit nicht über den kleinen Priester abgelästert – “Big Bang” war ja ursprünglich eine höhnische Spottbezeichnung (und noch nicht der Titel einer Fernsehserie 😉 ). Tja, und dann hatte der Abbe doch Recht – und war dennoch weise genug, den Papst davor zu warnen, den Urknall als “Gottesbeweis” anzuführen (was er genauso wenig sein kann wie jede andere wissenschaftliche Theorie).

      Ich finde, es war ein dummer Fehler von Coyne, Myers und Co., Sheldrake durch nachträgliche Streichung “zu adeln” und damit erst Recht bekannt zu machen. Dass sie ihre Blogs, also das Internet, dazu benutzt haben, ist wissenschaftsgeschichtlich ebenso interessant wie die dadurch ausgelösten Reaktionen.

      Letztlich haben Wissenschaften und Religionen das sehr ähnliche Problem, in ihren Systemen und Gemeinschaften “gültiges” von “ungültigem” Wissen unterscheiden zu müssen. Das nennt sich dann “wahre Lehre” vs. “Ketzerei” oder – wie auch gerade – “Wissenschaft” gegen “Pseudowissenschaft”. Und natürlich wirkt dabei auch die (jeweilige) Angst, “auf der falschen Seite” zu landen und damit Zukunftschancen zu verbauen. So organisieren sich immer wieder gültige Lehrmeinungen. Und es lohnt sich, darüber hin und wieder auch mal nachzudenken…

      • D.h. Astrologen und Homöopathen sollten Ihrer Meinung nach auch TED-Talks halten dürfen.

        • @Physiker

          Auch wenn Dawkins Memetik empirisch krachend gescheitert ist und er ohne jede religionswissenschaftliche Fachkompetenz bei TED über “militanten Atheismus“ predigen durfte, würde ich ihn doch nicht als “Astrologen und Homöopathen“ abtun. Ein paar provokante Querdenker sollte der Wissenschaftsdiskurs m.E. auch einfach als Anreger gelassen aushalten.

  3. Die “Dogmen der Wissenschaft” die Sheldrake kritisiert scheint er nicht zu kennen. Nummer 4 “Die Gesamtmenge an Energie und Materie sei immer gleich” passt nicht zur ART…

    • Und ich kann nur hoffen, dass er auch bei “5. Es gebe keine Zwecke oder Ziele “in der Natur””, falsch liegt. Ich will nicht glauben, dass immer noch eine Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen so einen neo-darwinistischen Quark vertreten würde…

      Aber wenn Sheldrake dazu führt, dass sich ein paar mehr Leute über wissenschaftliche Axiome und Theorien Gedanken machen, soll es mir Recht sein. 🙂

      • Gibt es Beobachtungen die diese Behauptung stützen? Wo in der Natur gibt es Zwecke oder Ziele?

        • Klar gibt es die – Sie selbst zum Beispiel!

          Sie haben gerade einen Blogkommentar verfasst, also absichtsvoll und zweckgerichtet gehandelt. Und das Ganze sogar aus einem hehren Ziel heraus – um an einer wissenschaftlichen Diskussion teilzunehmen!

          Und nur ein Evolutionsleugner könnte bestreiten, dass Sie, Sven, ebenfalls ein gewachsener Teil der Natur sind!

          • Wow. In acht Minuten vom Neo-Darwinisten zum Evolutionsleugner ;).

            Würden Sie dem Handeln einer computergesteuerten Spielfigur in einem Videospiel ebenfalls Zwecke/Ziele zuweisen?

          • Nein, aber dem, der sie programmiert hat. Wenn also jemand behaupten würde, in der Welt der Computerspiele gebe es keine Ziele und Zwecke, würde ich klar widersprechen.

          • Haben nur Menschen Zwecke und Ziele? Wie ist es mit anderen Säugetieren, Insekten, Bakterien, Viren, Molekülen, Elementarteilchen?

          • Das ist genau die richtige Frage, Sven!

            Ziel- und zweckgerichtetes Handeln evolviert, bis es z.B. bei Ihnen beobachtbar ausgeprägt ist!

            Logisch kann es also nicht “der Natur“ widersprechen.

          • Mit meinen Fragen wollte ich eher herausfinden, was genau Sie unter “ziel- und zweckgerichtetem Handeln” verstehen. Es gibt hier sehr viele Möglichkeiten durch unterschiedliche Begriffsverwendung aneinander vorbeizureden und Dinge zu kritisieren, die das Gegenüber gar nicht meinte.
            Als eine Art Metapher die die Beschreibung und Untersuchung des Verhaltens bestimmter Systeme vereinfacht oder erst sinnvoll möglich macht, sehe ich “Ziele und Zwecke” als offensichtlich existent an. Allerdings kenne ich keinen Grund anzunehmen, dass sie ein fundamentales Konzept der Natur sind. (Und das ist ja vermutlich was Sheldrake propagiert.)

          • Ja, Begriffe und Metaphern begegnen einem in der interdisziplinären Evolutionsforschung überall…

            Was verstehen Sie zum Beispiel unter einem “fundamentalem Konzept der Natur“, Sven? Ist das irgendwo klar definiert? Gehören da Bäume und Menschen auch dazu oder sind sie nicht so ganz “existent“?

            (Ich finde unseren munteren Austausch übrigens sehr erfreulich und danke dafür! 🙂 )

          • “Fundamental” würde ich gemäß aktuellem physikalischem Dogma (*g*) das Standardmodell der Teilchenphysik nennen plus die Raumzeit und ihr Verhalten gemäß Relativitätstheorie. Da die beiden nicht wirklich zusammenpassen, es hier noch einige ungelöste Probleme gibt und da immer neue Erkenntnisse möglich sind, ist das natürlich keine Definition von “fundamental”.

            Ich bin Reduktionist und bevorzuge grundsätzlich die Beschreibung von Systemen anhand ihrer Bestandteile und deren Verhalten und Wechselwirkungen. Ein Grund hierfür ist, dass die Bestandteile üblicherweise einfacher sind. Ein anderer, dass die Bestandteile ja auch “existieren” und ebenfalls beschrieben werden “müssen”. Als Ausgangshypothese bietet es sich daher meiner Ansicht nach an anzunehmen, dass sich das System komplett durch das Verhalten der Bestandteile und deren Wechselwirkungen beschreiben lässt.
            Wenn sich bei der Untersuchung eines Systems zeigt, dass eine solche Reduktion nicht funktioniert (das System verhält sich anders als das Modell bestehend aus den Bestandteilen), spricht das dafür, dass etwas “fundamentales” fehlt (vorausgesetzt die Beschreibung der Bestandteile ist ausreichend genau, beim Zusammensetzen wurden keine Fehler gemacht, …).

            Bäume und Menschen halte ich nicht für “fundamental”. Sie bestehen aus Zellen und können durch das Zusammenwirken der Zellen beschrieben werden (jedenfalls ist mir nichts gegenteiliges bekannt). (Falls Zellen nicht ausreichen (etwa weil interzelluläres Material relavant ist), könnte man auch tiefer auf die Ebene der Moleküle gehen.)

            Ob Bäume und Menschen deshalb nicht existent sind, hängt dann wieder von der nächsten Begriffsklärung ab. Existiert dieser Kommentar oder existieren nur ein paar tausend Bits oder ist es nur eine Verschiebung in der Position von einem Haufen Elektronen?
            Die Reduktion auf Bestandteile ist oft nicht praktisch durchführbar, mit viel Aufwand verbunden, und kann von relevanten Eigenschaften ablenken. Deshalb wird man in den allermeisten Fällen mit “nicht-fundamentalen” Konzepten (wie Atomen, Molekülen, Zellen, Flüssigkeiten, Lebewesen, Planeten, Galaxien) arbeiten. Zumindest in unseren Modellen von der Wirklichkeit existieren solche Konzepte daher.
            Ein schönes Beispiel hierfür ist die Thermodynamik (tut mir leid falls dieses Beispiel zu langweilig ist; ich bin halt nur Physiker): Mit statistischen Methoden lässt sie sich auf die Mechanik oder Quantenmechanik zurückführen. Temperatur und Druck sind deshalb meiner Ansicht nach keine “fundamentalen Konzepte”, trotzdem sind sie in vielen Kontexten sehr sinnvoll. Man stelle sich den Wetterbericht mit “fundamentalen Konzepten” vor 😉

          • @Sven

            Gefällt mir! 🙂

            Und das wirklich Spannende ist, dass diese Reduktionsversuche von Wesen unternommen werden, die selbst über Leben, Bewußtsein, zielgerichtetes Handeln, die Fähigkeit zu glauben, zu hoffen, zu lieben usw. verfügen!

            Gerade wenn wir nicht davon ausgehen wollen, dass diese Zutaten der Materie nachträglich (woher, wie und von wem?) zugefügt wurden, müssen sie also alle schon in der Materie angelegt worden sein! Die wirklich spannenden Antworten liegen also ggf. noch vor uns, also lassen wir Leute wie Dawkins oder Sheldrake spinnen und suchen! 🙂

          • Bislang ist die einizige Materie bei welcher wir Zielsetzung beobachten Gehirne bei hochentwickelten Tiren.

      • @ Michael

        “Und ich kann nur hoffen, dass er auch bei “5. Es gebe keine Zwecke oder Ziele “in der Natur””, falsch liegt. Ich will nicht glauben, dass immer noch eine Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen so einen neo-darwinistischen Quark vertreten würde…

        hast du da nicht etwas falsch verstanden? Die Punkte sind doch alle zu hinterfragende Dogmen der Wissenschaft, wenn ich deine Auflistung richtig verstanden habe. Also sagt Punkt 5, dass es falsch sein könnte, also hinterfragbar ist, Zwecke und Ziele in der Natur anzuzweifeln, dass es sie nach ihm also gibt.

        Ich würde aber nach der intensiven und detaillierten Diskussion bei Ludwig Trepl sagen, dass es sich in diesem Fall wohl nur um philosophiebegriffliche Missverständnisse handelt

        ( …habe gerade erst den Artikel entdeckt…. von daher erst mal Gute Nacht..)

        • Nein, @Grenzgängerin, von diesen zehn Aussagen “behauptet“ Sheldrake, dass es allgemein gültige “Dogmen der Wissenschaft“ wären. @Sven und ich haben jedoch an zwei dieser Aussagen demonstriert, dass sie keinesfalls allgemein anerkannt bzw. als dürftig erkannt sind. Gerade auch der ewig grantelnde Blognachbar Trepl steht eindrucksvoll dafür, der würde bestimmt keinen der zehn Sheldrake-Sätze unterschreiben! 😉

        • Langsam, langsam Michael,
          zum Einen meine ich, dass Ludwig Trepl zum Teil komplizierte aber notwendige Klärungs- bzw. Aufdröselarbeit macht, was die diversen wissenschaftlichen Begriffe, Kategorien, Ebenen etc. betrifft. Ich habe einiges dabei gelernt. Du scheinst dir ja nicht unbedingt die Zeit zu nehmen/stehlen, solchen teils komplizierten Diskussionen genauer zu folgen, um das nachvollziehen zu können. (Ich frage mich schon auch, ob diese vielen, mitunter komplizierten, wissenschaftstheoretischen Unterscheidungen hilfreich sind und man nicht besser nach Wegen suchen sollte, etwa Begriffsbestimmungen, die auch in der Populärwissenschaft benutzt werden können.)
          Und zum Anderen verstehe ich dann den vorangegangenen Austausch zwischen dir und Sven nicht:

          Sven: “Gibt es Beobachtungen die diese Behauptung stützen? Wo in der Natur gibt es Zwecke oder Ziele?”
          Michael Blume:“Klar gibt es die – Sie selbst zum Beispiel!”

          Bestätigst du damit nicht eindeutig die Sicht von Sheldrake?

          Denn: wenn Sheldrake das wissenschaftliche Dogma: “5. Es gebe keine Zwecke oder Ziele “in der Natur” als hinterfragbar ansieht, dann heißt das doch, dass er genau das anmahnt, was du dem Sven ‘verklickert’ hast, eben dass es in der Natur sehr wohl Teleologie gibt. Aber genau das ist so ein von mir gemeintes, begriffliches Missverständnis, bei dem Natur anders, unklarer verstanden wird als in der Naturwissenschaft zulässig. Du bringst da m.E. auch etwas durcheinander, wenn ich Herr Trepls Erläuterungen richtig verstanden habe.

          Die Natur, so wie von der heutigen Naturwissenschaft streng naturwissenschaftlich verstanden, kennt tatsächlich keine Teleologie und so, wie er es erklärt, kann ich das auch nachvollziehen. Aber dafür muss man genauer hinschauen. Und ich bin mir nicht sicher (muss mir den Vortrag von Sheldrake erst noch anhören,insofern er darüber Auskunft gibt) ob Sheldrake auch nur die Begriffe ungenau anwendet, (was ich vermute, nicht jeder Wissenschaftler ist ein Theorieexperte ) oder tatsächlich im strengen Sinne der Naturwissenschaften in der Natur Teleologie sieht.

          Ihm übrigens Wissenschaftlichkeit abzusprechen, wie Martin Holzherr und andere das tun, das hast du ja auch berechtigt kritisiert, bezeugt nur deren eigene Kurzsichtigkeit. Die Wissenschaften schießen auch immer erst einmal wie alle anderen mit Theorien ins Kraut, ehe sie mit Hilfe von Experimenten falsifizieren können.

          Und schon gar nicht kann man Sheldrake, so sparsam ich seine Arbeiten auch kenne, unterstellen, er wolle “… lediglich Zweifel sähen und alles möglich machen….” und dabei nutze er “die Unwissenheit des Publikums aus.”

          Damit geht unser werter Herr Holzherr entschieden zu weit und verrät nur eigene Engstirnigkeit oder wie du sagst:
          “Letztlich beurteilen (auch) Sie nach Weltanschauung – ob diese atheistisch-“rechtgläubig” (Dawkins) oder “ketzerisch” (Sheldrake) sei. Und genau so funktioniert Dogmatisierung”
          ____________
          von daher auch
          @Holzherr

          “(Motto: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt) “

          Es gibt in allen Berufen und Gruppierungen und Disziplinen exzellente und weniger exzellente Wissenschaftler, so bei den Atheisten, Agnostikern, Mechanisten, Esoterikern, Christen, Muslimen etc.etc. und es gibt bei allem wissenschaftlichen Hauptkonsens dennoch verschiedene wissenschaftliche Herangehensweisen und das ist auch gut so, die muss es geben. Es ist m.E. dumm, (ein Wort,das ich selten anwende) Wissenschaftler einer Kategorie oder Gruppierung oder Ideologie unter einen Kamm zu scheren und nicht nach exzellente und weniger exzellente zu unterscheiden. Letzteres ist natürlich schwierig, aber dann sollte man doch mit dem Urteilen vorsichtig sein, sonst entgehen der Gesellschaft kostbare Entdeckungen.

          • @Grenzgängerin

            Wenn die Natur“wissenschaft“ aus methodischer Selbstbeschränkung keine Aussagen über Ziele und Zwecke treffen kann, heisst dies doch gerade nicht, dass es z.B. in der Natur des Menschen keine “gibt“. Naturwissenschaftler finden ja auch z.B. keine Rechte, nehmen diese aber in Anspruch wie andere Menschen auch.

            Die Akademie Hohenheim hat just zu dem Thema Teleologie in der Natur gerade eine interdisziplinäre Tagung mit Natur- und Geisteswissenschaftlern veranstaltet, an der ich zeitweise teilnehmen konnte und deren Vorträge und Debatten unter “Forum Grenzfragen“ kostenlos abrufbar sind.

          • @ Michael Blume

            ….irgendwie missverstehen wir uns. Mir ging es darum, dass du dir selber widersprochen hast und eben mit Sheldrake in diesem Punkt 5 sehr wohl einer Meinung bist, also dass es in der Natur Zielgerichtetheit gibt, er darin also keinen Unsinn redet oder ihr beide den gleichen Unsinn. … 😉

            “….heisst dies doch gerade nicht, dass es z.B. in der Natur des Menschen keine[Teleologie] “gibt“.”

            Ich sehe jetzt aber, dass es dir mehr darum ging, dass er angeblich “die” Wissenschaften allgemein kritisiert/ in Frage stellt und nicht nur die Naturwissenschaften, bei denen die Infragestellung möglich ist, da sie in der Tat Teleologie in der Natur ausschließen. Der Adressat scheint bei Sheldrake aber nicht eindeutig zu sein, weshalb ich hier einfach “nur” begriffliche Missverständnisse vermute. Aber deshalb bist du mit ihm in der Sache doch einer Meinung, dass es in der Natur Teleologie gibt.

            ….aber ist so wichtig auch wieder nicht.

          • Jetzt ist es angekommen – ich meine, dass Sheldrake hier kein “Dogma“, sondern eine bereits absterbende Position attackiert. In ernsthaften interdisziplinären Diskussionen macht es sich längst niemand mehr so einfach.

  4. Rupert Sheldrake ist mit seinen esoterischen Überzeugungen quasi im Mainstream eines ganzen Kollektivs heutiger Menschen, die der Gewöhnlichkeit ihres Lebens mit dem Glauben an Aussersinnliches, Übersinnliches und Engel eine transzendentale Überhöhung geben wollen

    Doch auch Esoteriker werden jeden Tag von Zweifeln befallen – wie jeder geistig gesunde Gläubige. Rupert Sheldrake ist nun ein ideales Antidot gegen solche Zweifel verbindet er doch die Welt der Wissenschaft mit der Esoterik.

    Doch hören wir im TED-Talk einen Menschen, der die wissenschaftliche Methodik anwendet und weiter bringen will? Nein. Er will lediglich Zweifel sähen und alles möglich machen (Motto: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt) bis hin zu einer täglich sich ändernden Gravitationskonstante. Dabei nutzt er die Unwissenheit des Publikums aus. Denn Physiker nehmen die Gravitationskonstante durchaus nicht einfach axiomatisch als konstant an. Es gibt viele Experimente, die etwa nachweisen wollen wie stark sich die Gravitationskonstante ändert – wenn überhaupt. So wird Gaia, der kürzlich gestartete Astronometrie-Satellit, der unter anderem die Position der Sterne unserer Milchstrasse vermessen wird, eine mögliche zeitliche Änderung der Gravitationskonstante G mit einer Genauigkeit von besser als 10^−13/Jahr erfassen.

    Wenn TED, das sich als seriöses Portal versteht, einem solchen Gaukler eine Platform gibt, dann disqualifiziert es sich selbst. Deshalb kann ich sehr gut verstehen, dass dieser Talk entfernt wurde.

    • Meines Wissen hat Richard Dawkins mehrfach bei TED gesprochen – obwohl dessen “Memetik” empirisch krachend gescheitert ist und ein eigenes “Journal of Memetics” nach Jahren der Erfolglosigkeit wieder eingestellt werden musste.

      Ist Dawkins also ein “Pseudowissenschaftler”, den man nicht mehr zu Vorträgen einladen sollte? Oder wird hier doch mit zweierlei Maß gemessen?

      • Viele Wissenschaftler haben eigenartige Hobbies. Newton’s Hobby war die Alchemie (“„Heimlich des Nachts experimentierte derselbe Mensch, der über die Grundlage der gesamten Naturlehre nachsann, oft in versteckten Laboratorien.“”)
        Wenn Dawkins für die “Memetik” stehen würde und nicht für die Evolutionsbiologie, dann gäbe es weniger Anlass ihm einen TED-Auftritt zu gewähren.

        Dawkins ist aber insoweit mit Rupert Sheldrake zu vergleichen, als dass er in der Öffentlichkeit nicht für seine wissenschaftlichen Arbeiten bekann ist sondern für seine populärwissenschaftlichen Bücher. Zudem sind viele Ideen aus der Evolutionsbiologie nicht als reine Wissenschaft sondern als Interpretation von Phänomenen zu sehen. Diese Interpretationen haben auch gesellschaftspolitische Bedeutung. In der Wikipedia liest man dazu: “Mary Midgley has suggested that the popularity of Dawkins’s work is due to factors in the Zeitgeist such as the increased individualism of the Thatcher/Reagan decades”

        Dass Dawkins soviel Aufmerksamkeit erhielt liegt also auch daran, dass er populär formulieren kann. Gleichzeitig ist der Wissenschaft verpflichtet. Deshalb war er ein idealer TED-Referent.

        • Entschuldigung, ich habe nicht verstanden, warum Sie Dawkins trotz nie widerrufener Memetik als TED-Redner begrüßen, Sheldrake aber nicht? Könnten Sie das noch einmal verständlich erläutern?

          • Dawkins baut auf gesichertem Wissen auf und bietet dazu auch ein mögliches Weltbild. Sheldrake aber will Wissen in Frage stellen um den Boden für Esoterik zu bereiten. Esoterik als (Zitat Wikipedia) ” eine philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten „inneren“ Personenkreis zugänglich ist” verträgt sich aber nicht mit Wissenschaft.

          • @Martin Holzherr, Dawkins predigte bei TED über “militanten Atheismus“! Wenn das keine “philosophische Lehre, die nur für einen begrenzten “inneren“ Kreis zugänglich“ ist, was dann? Empirische Wissenschaft ist es ganz sicher nicht, wie die Memetik auch nicht. 😀

  5. Bei Sheldrake gibt es mehrere Probleme, er macht Experimente wie auch die anderen Parapsychologen die nur bei ihnen positive Ergebnisse erzielen. Auch Skeptiker wie auch Neutrale sollten diese Ergebnisse bekommen. Tun sie aber nicht.

    Desweiteren sollte jemand wer so ein “Dogma” angreift auch Beweise gegen es haben. Er greift nun 10 an ohne Beweise. Also was soll dies.

    Zu Martin Holzhammer, naja als esoterisch wird heute alles von Homeopathie bis Parapsychologie, die wollen ja das ihre “Ergebnisse” anerkannt werden. Werden sie aus verschiedenen Sachen.

    Zu Dawkins ich finde zwar viele seiner Thesen (ohne Religion wäre die Welt friedlicher, die Menschheit wird mit der wissenschaftlichen Erkenntnissen verschwinden e.t.c.). Obwohl sein Weltbild nahe an meinem ist, ich bin eher ein Stufe 4,5 oder 5 Atheist/Agnostik statt wie er nahe der 7 wie er in seiner Tabelle definiert hat. Aber in der Evolutionstheorie hat er nie irgendwelche unbeweisbaren Dinge behauptet.

  6. Nein, @Martin Holzherr, nichts An Dakwins “Memetik” ist empirisch haltbar und von Religion(swissenschaft) hat der Mann auch kein “gesichertes Wissen”.

    Letztlich beurteilen (auch) Sie nach Weltanschauung – ob diese atheistisch-“rechtgläubig” (Dawkins) oder “ketzerisch” (Sheldrake) sei. Und genau so funktioniert Dogmatisierung. 😉

  7. @Zoran Jovic

    Die von Dawkins propagierte “Memetik” ist empirisch auf ganzer Linie gescheitert, ein eigenes “Journal of Memetics” musste mangels Substanz eingestellt werden, trotzdem hat sich Dawkins – im Gefensatz z.B. zu Susan Blackmore – nie von seinen “Thesen” distanziert.

    Ich verstehe, dass Ihnen Dawkins weltanschaulich nahe steht, aber das sollte Ihr wissenschaftliches Urteil nicht trüben, oder?

    • Er steht mir Nahe in dem Bereich das er von Gott nicht ausgeht. Wobei wie ich gesagt habe ich bin deutlich agnostischer als er in dieser Frage. Auch glaube ich nicht die Welt besser wäre ohne Religion, noch das es möglich ist Religionen zu verdammen. Von der Idee Eltern zu verbieten ihre Kinder religiös zu unterrichten will ich nicht mal kommentieren, ist völlig utopisch. Seine geschichtlichen Vereinfachungen in Bosnien/Irland kämpfen Leute unterschiedlicher Religion gegeneinander=also die Religionen sind schuld, sind mir einfach nur Flach.

      Aber als Biologe hat er nie Dinge vertreten für was man keine Beweise hat, außer die Memtheorie wobei ich bis heute nicht weiß was Meme sein sollen anderes als ein anderes Wort für Idee.

    • Hat Dawkins bei TED empirisch widerlegte Dinge über Memetik erzählt? Auf ted.com sehe ich zwei Vorträge von ihm und zumindest die Titel (“Militant atheism”, “Why the universe seems so strange”) klingen nicht nach Memetik. Und der erste ist aus dem Februar 2002 als es das Journal of Memetics noch gab…

      • @michael

        Ja, und solange ein Evolutionsbiologe und “Memetiker“ ohne jede religionswissenschaftliche Ausbildung bei TED über “militanten Atheismus“ predigen darf, finde ich es albern (bzw. weltanschaulich engstirnig), Sheldrake nachträglich ausgrenzen zu wollen. Lasst doch beide reden und ihre Ideen und Metaphern vorstellen.

        • Jetzt müsste man Dawkins anschauen um zu wissen ob er wirklich solchen Unsinn wie Sheldrake erzählt hat.

  8. Noch was, ich habe in den Naturwissenschaftlern folgendes Denken Theorien gelten solange bis sie wiederlegt werden, dies tut Sheldrake aber nicht.

    • Fast, @Zoran Jovic. Um überhaupt anerkannt zu werden, müssen Theorien erst einmal anerkannt werden. Niemand kann von uns z.B. verlangen, Dawkins Meme oder Sheldrakes morphologische Felder bis zu einer Widerlegung anzuerkennen. Aber wir können – und ich finde, sollten – ihnen die Chance geben, ihre Ideen vorzustellen.

  9. Randbemerkung: Gelegentlichen Schein-Dogmatismus in der Wissenschaft halte ich – auf die Reflexivität der Beteiligten vertrauend – für weniger problematisch als einen faktisch angenommenen Wissenschafts-Dogmatismus in der ‘Laienschaft’. (Daher sind Diskussionen wie diese hier auch wichtig. Danke.)

  10. Die Memtheorie scheint zu versuchen, informationstheoretisch erfassbare Bildungsprinzipien zu konkretisieren. Dabei ist die Kernthese (wie bei Wiki_Mem), dass das Nervensystem auf Umweltreize reagiert (hier Erstreaktion mit Bewusstseinsbeteiligung) der wissenschaftlich relevante Teil, nachdem sich für das Subjekt brauchbare Ergebnisse ergeben. Zu trennen seien Erstreaktionen ohne Bewusstseinsbeteiligungen (behavioristische Konditionierung), die eher einem Lamarkismus gleichen – aber dabei eine notwendige Ergänzungstheorie darstellen.

    Zitat Wiki_Mem:
    “Laut Csíkszentmihályi wird ein Mem geboren, „wenn das menschliche Nervensystem auf eine Erfahrung reagiert“”
    Das “Mem” ist dann offenbar eine neue virtuell oder real entstandene Vernetzung von Informationsbestandteilen in der Gehirnhardware/den Nervenverbindungen. Das ist in etwa Stand der Erkenntnis über neuronale Entwicklungsvorgänge.
    Das die Theorie nun scheinbar eingestampft wurde, wundert mich nicht, weil sie wohl auch weiter nichts erklären kann, was nicht schon anderweitig in einer Disziplin irgendwo bekannt ist. Ein Versuch einer Zusammenfassung und Visualisierung zum besseren Verständnis und Erkennens auf das subjektive Leben. Weshalb sie sich nicht besonders darin unterscheidet, was eine religiöse Theorie leistet. Dawkins also ein neues “Glaubenskonstrukt” entworfen hat – beim Versuch eine wissenschaftlich konkret sachorientierte Funktionstheorie aus gegenwärtigen Erkenntnissen zu entwerfen. Wer also Glaubenskonstrukte mit Glaubenskonstrukte ausstechen/ersetzen will, und sich derart abschätzig und dekadent über Glaubenskonstrukte äußert, hat ein Rechtfertigungsproblem.
    Andererseits es notwendig sei, Gott als Metapher einer grundlegenden Funktion zu ersetzen, da ein 2000 Jahre altes Erklärungsmodel heute beschränkend wirkt – einen zivilisatorischen Fortschritt unmöglich macht.
    Dawkins Theorie aber sich auch relativ einfach mit Theorien zur Virusausbreitung erklären ließe. Moderne Vernetzungstheorien sich hier nicht besonders unterscheiden, was Dawkins damals zu erklären versuchte – nur der Gegenstand selbst unterschiedlich gewesen…

  11. Rupert Sheldrake ist Esoteriker, Was haben seine Aussagen in einem Wissenschaftsblog zu suchen – es sei denn kritisch hinterfragt.
    Was ist mit scilogs los? Erst Frau Wendeburg, die die Kritik an der Genmaisstudie als Shitstorm bezeichnet, dann soll einem Herr Shaldrake ‘untergejubelt’ werden?
    Auch wenn es wohl keine Sphäre gibt, die gegen Dogmatismus gefeit wäre, so liegt das nicht an der Wissenschaft, sondern an den Menschen, die sie betreiben. Herr Blume wird das sicher wissen und will wahrscheinlich nur ein bisschen provozieren.
    Den Unterschied zwischen Wissenschaft, Religion und Esoterik fasst im Übrigen Vince Ebert knackig zusammen. Wenn hier Sheldrake als ernstzunehmender Autor dargestellt wird, ist das die passende Antwort: http://m.youtube.com/watch?v=gIh6D1Dmlh8&desktop_uri=%2Fwatch%3Fv%3DgIh6D1Dmlh8

    • @Clemens

      Danke, dass Sie die Aussage dieses Blogposts so treffend unterstreichen: Auch Wissenschaftler neigen gerne dazu, Andersdenkende als “Ketzer/Esoteriker“ auszugrenzen – und sogar schon die Diskussion darüber unterbinden zu wollen. Dass Dawkins Memetik empirisch krachend gescheitert ist und er bei TED über “militanten Atheismus“ predigen durfte, sei dagegen völlig okay, weil… weil… Dawkins halt atheistisch, also “rechtgläubig“ ist. Unsere menschlichen Gruppendynamiken funktionieren halt immer verblüffend ähnlich…

      Ich sehe schon, dieser Blogpost hat ins Schwarze getroffen. 🙂

      • Stimmt der Blog trifft ins Schwarze.
        Nirgends kann man Dunning-Kruger besser studieren als beim Blogbetreiber 😀 Weiter so!

    • WItzig Herr Blume,

      ausgerechnet in der aktuell laufenden Debatte um Wohlstandszuwanderung einen aus der schwarzen Fraktion als Verfechter der Toleranz zu verwenden ist schon sehr absurd 😉

      • @Yves Escoffier

        Stimmt natürlich – auch Christdemokraten ist dringend jede Meinungsäußerung zu verbieten in jener schönen, neuen Welt… 😉 #Ironieoff

  12. Shaledrake zeigt sich auf seiner Homepage, in der man einen guten Einblick in sein Denken und seine Interessen erhält, als Esoteriker: Telepathie bei Tier und Mensch als eines seiner Forschungsschwerpunkte, Bewusstseinsäquivalente auch in unbelebter Materie, Rechtfertigung alternativer Medizin, weil Körper und Geist nicht rein materiell seien. Seine Hauptthese von den morphogenetischen Feldern, die über Raum und Zeit hinweg auf allen Skalierungs- und Organisationsebenen (Physik, Chemie, Biologie) Strukturbildungen begleiten und die auch eine Art kosmisches Gedächtnis darstellen, das allen Individuen zur Verfügung steht, auch wenn sie hunderte von Kilometern voneinander entfernt sind, ist im Kern esoterisch. Solche kosmischen Felder, Fernverbindungen und auf allen Ebenen nach dem Ähnlichkeitsprinzip (simila similibus …) wirkenden Kräfte findet man in vielen esoterischen Lehren und auch in der Homöopathie.
    Sein Weltbild ist ein mystisch Organisches, sein Bild der Naturwissenschaft entspricht dadegen noch dem Bild, das Descartes entworfen hat und in dem alles auf allen Stufen rein mechanisch abläuft und selbst Lebewesen und der Mensch nur Automaten sind. Damit konstruiert er die Naturwissenschaft als “unsympathischen” Gegenpol zu seiner eigenen “animierten” Welt.
    Die von ihm behaupteten Dogmen in der Naturwissenschaft gibt es so nicht. Vielmehr spricht alles was man heute weiss – als Resultat ungezählter wissenschaftlicher Arbeiten – dafür, dass z.B.
    – die Materie kein Bewusstsein hat – zumal der Begriff Bewusstsein unklar ist
    – das biologische Erbe über DNA und ähnliche Moleküle weitergegeben wird
    – das Gedächtnis ebenfalls in chemischen Verbindungen oder synaptisch gespeichert wird
    – es kein Denken ohne Gehirn gibt
    – die Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin allen zugute kommen können, nicht aber Verfahren für die ein Wirknachweis fehlt

    TED würde zur Platform für Esoteriker, wenn sie einen Rupert Shaledrake als Referenz anbieten würde!

    • TED ist schon eine Plattform für Memetiker, die über “militanten Atheismus“ predigen dürfen. Entweder Freiheit oder nicht. Wer aber schräge Ideen je nach Weltanschauung sortiert handelt – dogmatisch…

      • Eine sehr enge Sicht, Dawkins auf seine Mem-Idee zu reduzieren, da war ja noch “so ein bisschen” mehr… Sheldrakes Ideen hingegen sind von Anfang an an Ockham gescheitert- und schlimmer noch, im Gegensatz zu Dawkins [naturwissenschaftlichen] pop-Büchern sind die von Sheldrake voll von, höflich formulert, “magischen Denken”.

        Sheldrakes TED-talk zu entfernen ist ungefähr so viel Zensur wie das Entfernen eines Däniken-Talks bei einer Archäologie-Veranstaltung,

      • @para

        Hätten sie Dawkins bei TED nur über ein seriöses evolutionsbiologisches Thema sprechen lassen, okay. Aber ihn über “militanten Atheismus“ sprechen zu lassen – das hat mit empirisch fundierter Wissenschaftlichkeit nun gar nichts mehr zu tun! Und Sie können ja auch mal reinhören, wie er da zur “Gemeinde“ gepredigt hat. Darüber würden sich Coyne, Myers und Co. aber nur deswegen nicht aufregen, weil er aus ihrer Sicht eben “rechtgläubig“ ist. Und vor dieser Doppelmoral kann ich nur warnen, denn dann wird es dogmatisch. (Und abgesehen davon hat ihre Aktion Sheldrake erst richtig stark gemacht.)

  13. @Balanus
    === schnipp ===
    Ob wir’s Meme nennen oder Ideen, das kommt am Ende aufs Gleiche raus.
    === schnapp ===
    sehe ich auch so, und das sehen andere so:

    “Im Lichte dieser Ausführungen wird deutlich, daß der Begriff des Mems, von Dawkins (1978) als Analogie zum Genbegriff eingeführt, nur eine Metapher ist sowie ein überflüssiges Synonym für ‘Idee’.”

    Mahner, M.; Bunge, M. (2000) ‘Philosophische Grundlagen der Biologie’ Berlin; mult., Springer, S. 63

    Ich bin kein Fan von Dawkins, aber er spielt auf jeden Fall in einer vollkommen anderen Liga als Sheldrake. Man kann sich streiten, ob es klug ist, Sheldrake eine Spielwiese nicht zu belassen.

    Dass Menschen aus Amiland wie Coyne (Michael könnte den Typo gelegentlich fixen …) oder Schreiber auf seinem Blog fundamentalistische Hardliner sind hat sich auch in Kreisen der Naturwissenschaften herumgesprochen. In diesem Kontext ist es amüsant, ab und an mal auf Morans Blog (http://sandwalk.blogspot.de/) vorbeizuschauen.

    • Ideen und Meme können schon deswegen nicht das Gleiche sein, weil sich Dawkins für seine teilweise pseudowissenschaftlichen Ideen verehren lässt, Meme aber negativ abwertet. Bestenfalls sind Meme eine teil-polemische Metapher, die noch dazu als empirisch haltbare These vermarktet wurde.

      @Balanus, ich halte die Bezeichnung “Memetiker“ für persönlich abwertend, zumal ich mehr als genug Debatten mit Dawkins-Jüngern aushalten musste. Bitte unterlassen Sie so etwas.

      • @Michael Blume
        === schnipp ===
        Hätten sie Dawkins bei TED nur über ein seriöses evolutionsbiologisches Thema sprechen lassen, okay. Aber ihn über “militanten Atheismus“ sprechen zu lassen – das hat mit empirisch fundierter Wissenschaftlichkeit nun gar nichts mehr zu tun!
        === schnapp ===
        wäre es nicht sinnvoll, die *Inhalte* der beiden Vorträge zu vergleichen? Wenn ich die bisherigen Postings richtig interpretiere werden eigentlich nur Vorurteile ausgetauscht und es geht um Formalia.

        Anbetrachts der Situation in Amiland macht es möglicherweise durchaus Sinn, Menschen wie Sheldrake keine Plattform zu gewähren. Taktisch unklug ist es natürlich, das erst zu tun und dann die Dokumentation zu löschen. Ich kann wirklich nicht verstehen, welches Bohei im Sheldrake gemacht wird. Ich kann mich noch an sein erstes Buch erinnern und an sein Konzept der Morphogenetischen Felder (ein geschickter Schachzug, einen durchaus relevanten Begriff der Entwicklungsphysiologie zu verwenden und mit anderem Gehalt zu füllen) und vor allem daran, dass er konkrete Experimente vorschlug. Das war aber schon Ende der 1970er Jahre und bei den Experimenten scheint nichts herausgekommen zu sein, was das Wasser hält. Wissenschaftskritik aus der Eso-Szene ist nun wirklich nichts, was man unbedingt unterstützen müsste.

        • Ja, gerne vergleichen! Dawkins TED-Talk hat die Form einer weltanschaulichen Predigt und es gab keine Kampagne, ihn mangels Empirie nachträglich zu “zensieren“. Hätte ich im Übrigen für ebenso unklug gehalten, sowohl Dawkins wie Sheldrake haben halt ihre Jüngerschaften, die man durch Märtyrerspiele nur anstachelt…

  14. @Michael Blume
    === schnipp ===
    Ideen und Meme können schon deswegen nicht das Gleiche sein, weil sich Dawkins für seine teilweise pseudowissenschaftlichen Ideen verehren lässt,
    === schnapp ===
    andere lassen sich für Ideen verehren, so what?

    BTW, du schreibst ja auch

    === schnipp ===
    Ständig werden neue Hypothesen vorgestellt (Variation), diskutiert und getestet (Selektion) und schließlich unterschiedlich erfolgreich weiter gegeben (Reproduktion).
    === schnapp ===
    Diese Übertragung von Begriffen aus der Selektionstheorie auf andere Bereiche haben doch schon Lorenz, Popper und andere gemacht, das Konzept nun mit ‘Mem’ zu benamsen ist doch wirklich nichts, worüber man sich aufregen müsste. Dass Dawkins ein Händchen für ‘catchy phrases’ sollte man ihm neidlos anerkennen.

    • @Thomas – Und genau das meine ich mit Doppelmoral: Bei “militantem Atheismus“ sind “catchy phrases“ okay (höhö), aber bei Esoterik-Verdacht wird nach nachträglicher “Zensur“ gerufen. Ich finde, der wissenschaftliche Diskurs kann Typen wie Dawkins oder Sheldrake gut vertragen, solange nicht einer kanonisiert und der andere verketzert wird. Erst dann würde es m.E. dogmatisch und gefährlich.

  15. So, jetzt aber allen Danke für die anregende Debatte, die ich hiermit gerne schließe, bevor sie sich nur noch wiederholt. Als nächsten Aufreger dann nächste Woche einen Blogpost über den neuen Papst. 🙂

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