Religiosität, Spiritualität und die Frage nach Hirngespinsten

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Wissenschaftsbloggen macht Freude – und mehr. So haben einige sehr sachkundige Leser auf den Mutter-Natur-Beitrag hin eine inhaltlich hervorragende und ertragreiche Debatte geführt. Vielen, vielen Dank dafür! Und da die heutige ZEIT-Printausgabe einen Artikel von mir zu neueren Forschungen im Bereich der Spiritualität enthält, möchte ich nun auch einen lange gehegten Vorsatz in diesem Blog endlich wahrmachen: Die Begriffe zu (er-)klären.

Spiritualität

Vom lateinischen "spiritus" für Geist und Hauch abgeleitet, gibt es wahrscheinlich wenige so schillernd und kontrovers definierte Begriffe wie diesen. In der interdisziplinären Evolutionsforschung zum Phänomen beginnt sich jedoch langsam ein Konsens heraus zu schälen: Demnach sei Spiritualität die Fähigkeit zu Transzendenzerfahrungen, biologisch unterschiedlich stark veranlagt und kulturell ausprägbar (vgl. Biokulturelle Evolution). Unter Transzendenzerfahrung sind hierbei Erweiterungserfahrungen zu verstehen: Die Betreffenden erfahren sich als Teil eines "größeren Ganzen", in dem "keine Grenzen mehr sind", ja, "alles als Eines" erkannt werde. Hier ist auch an das Votum des Theologen Friedrich Schleiermacher zu erinnern, der das grundlegende "religiöse Gefühl" 1799 als "Sinn und Geschmack für das Unendliche" definierte.

Vor allem buddhistisch interessierte Forscher und schließlich der Neurobiologe Andrew Newberg (der Schwerpunkt meiner Promotion zur sog. "Neurotheologie" war) begründeten neurologische Meditationsforschungen. Dabei zeigte sich u.a., dass sich spirituelle Erfahrungen (nach Newberg der Zustand "Absoluten Einsseins") völlig analog etwa zur Musikalität im Gehirn beobachten und entsprechende Gehirnregionen auch "trainieren" ließen. Schon damals ging Newberg davon aus, dass entsprechende Erfahrungen durch ein Abdämmen des Orientierungsfeldes im Schläfenlappen erreicht würden – die dort konstruierten Ego-Grenzen würden aufgeweicht.

Auch die neuen, im Fachjournal "Neuron" veröffentlichten Befunde der klinischen Studie eines interdisziplinären Teams der Universität Udine stärken diese Annahmen. Demnach machten Krebspatienten, denen zur Therapie Teile des hinteren Schläfenlappen entfernt worden waren, häufiger Transzendenzerfahrungen. Die Läsionenanalyse verwies also vor allem auf diese Hirnbereiche:

Anders formuliert: Wie auch spirituell Begabte oder Übende die beständigen Ich-Konstruktionen unserer Gehirne überformen und abschwächen können, bewirkte hier bisweilen auch der chirurgische Eingriff – und dies übrigens auch ohne religiöse Vorprägung der Patienten. Jene, die spirituelle Erfahrungen machten, erlebten diese als hilfreich für ihr Wohlbefinden.

Religiosität

Nach Jahrzehnten heftiger, theologischer, religionswissenschaftlicher und philosophischer Debatten setzt sich im Bereich der Evolutionsforschung zur Religiosität derzeit wieder jene Arbeitsdefinition durch, die schon Charles Darwin in seiner "Abstammung des Menschen" von 1871 verwendete: Religiosität sei die Fähigkeit zur Glaubenserfahrung übernatürlicher Akteure (supernatural agents, oder – nach Darwin: supernatural beings). Die relevante Existenz von Ahnen, Geistern, Göttern, Bodhisatvas, Gott (u.a.) wird hierbei angenommen und wirkt sich auf die inneren Erfahrungen und das Verhalten aus. Auch hierbei wechselwirken biologische Veranlagung und kulturelle Tradition(en).

Und tatsächlich: In Hirnstudien wie z.B.

Schjoedt, U., Stodkilde-Jorgensen, H., Geertz, A., & Roepstorff, A. (2009). Highly religious participants recruit areas of social cognition in personal prayer. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience 2009

wurde während persönlicher Gebete eine verstärkte Tätigkeit sozial-kognitiver Hirnregionen in Stirn- und Scheitellappen beobachtet. Ritualgebete und Kinderlieder wirkten schon schwächer, Wünsche an den (nicht real geglaubten) Weihnachtsmann schnitten am schwächsten ab. Vorläufig lässt sich sagen, dass dies gut u.a. zum vergleichsweise "späten" Auftreten von Indizien für religiöses Verhaltens bei Homo sapiens und Homo neanderthalensis passen würde, die zur gleichen Zeit (mittlere Altsteinzeit) wachsende und sich ggf. weiter ausdifferenzierende Stirnhirne evolvierten.

Unterschiedlich – unverbunden?

Dass also Religiosität und Spiritualität sehr unterschiedliche Gehirntätigkeiten widerspiegeln, könnte so verstanden werden, als ob sie nichts miteinander zu tun haben. Und tatsächlich gibt es tief religiöse Menschen, die noch nie eine spirituelle Erfahrung gemacht haben und umgekehrt tief spirituelle Menschen, die ihre Transzendenzerfahrung strikt naturalistisch verstehen. So räumt der Religionskritiker Richard Dawkins durchaus spirituelle Begabungen ein: "Den Versuch der Religion, ein tieferes Verständnis des Lebens zu finden, habe ich immer respektiert. Auch ich reagiere quasi religiös, wenn ich zu den Sternen aufsehe, zur Milchstraße und mir das Universum vorzustellen versuche. Das Gefühl, dass ich dann empfinde, könnte man fast so etwas wie Anbetung nennen."

Tatsächlich aber scheinen Spiritualität und Religiosität durch mehr als nur statistische, sondern vielmehr funktionale Zusammenhänge verbunden zu sein: Erfolgreiche, religiöse und spirituelle Traditionen pflegen sich zu verbinden. Wo immer z.B. der tief spirituelle Buddhismus zu weiterer Verbreitung fand, adoptierte er übernatürliche Akteure wie Ahnen, Geister und Bodhisattvas. Und umgekehrt: Der intensiv monotheistische Islam nahm früh auch spirituelle Traditionen (v.a. auch christlicher, jüdischer und buddhistischer Vorprägung) auf und entwickelte sufische ("mystische") Traditionen.

Auch von den empirischen Befunden her scheint das Gesamtbild zu passen: Während der gemeinsame Glaube an übernatürliche Beobachter Kooperationen, Gemeinschaften und (biologisch entscheidend) Familien religiös unterfüttern kann, könnte die Spiritualität zur Überschreitung von Atavismen des Egoismus und der Fremdenfeindlichkeit beitragen. In der richtigen Dosis können sich die beiden Merkmale also wohl bestärken.

Gleichwohl bleiben Spannungen: Monotheistische Traditionen stehen vor dem Problem, dass "zuviel" Alleinheit die Gottheit in einem Pantheismus auflöst und damit ihrer Majestät und Handlungsrelevanz entkleidet. Entsprechend balancierten erfolgreiche Religionsgemeinschaften immer zwischen der Integration von Mystikern (z.B. in eigenen Orden) und deren Ausschluss oder Verfolgung. Umgekehrt wehren sich spirituelle Traditionen gegen das Anhaften an (auch übernatürliche) Identitäten, wie z.B. im berühmten Zen-Wort: "Wenn du dem Buddha begegnest, töte ihn". Demografisch erfolgreich waren und sind rein spirituelle Traditionen aber bislang nicht, auch die japanischen Zen-Klöster dienen heute vor allem der Ahnenverehrung.

Hirngespinste!?

Um über die Befunde zu reflektieren, finde ich den Begriff des "Hirngespinstes" sehr nützlich, der nach deutschem Sprachgebrauch etwas abfällig Phänomene beschreibt, die "nur im Kopf" konstruiert werden. Und so kann z.B. ein extremer Atheist sowohl religiöse wie spirituelle Erfahrung als "Hirngespinste" abtun, die doch nur (ggf. nützliche) Illusionen darstellen. Allerdings gilt dies dann natürlich auch für die Vorstellung eines unabhängigen Selbst – wie es z.B. der Evolutionsbiologe Franz Wuketits in der Universitas 02/2010, S. 137 ff. wieder betont. Man bemerke die Ironie: Wer behauptet, alles sei nur Gehirnkonstrukt, erklärt sich ja auch selbst nur zu einem illusionären Teil eines "eigentlichen" größeren Ganzen. Newberg vertrat daher die Auffassung, dass die spirituelle Erfahrung eben gerade Zugang zu einem höheren Verständnis der Realität ermögliche.

Und ebenso lässt sich natürlich zweifeln, ob das Universum selbst nur tote Materie oder Ausdruck eines lebendigen Willens ist. "Wir brauchen Gott zur Erklärung des Universums nicht!", ruft da der Kritiker. Ja, mag man da zustimmen – aber die Musik, die Liebe, ja das Leben und schließlich alle Existenz braucht es dafür auch nicht. In der deutschen Blogosphäre kann wohl niemand das existentielle Rätsel vom "sich ausbreitenden Schimmel Leben" so sprachmächtig in Worte fassen wie Helmut Wicht. Für die einen ist so Evolution nur zufällige und oft sinnlose Selbstorganisation (aber welches Selbst!?), für die anderen die größte (und andauernde) Schöpfungsgeschichte Gottes. Und so verkünden inzwischen auch Theisten "Dankt Gott für die Evolution!" – und zwar nicht mehr nur als Buch, sondern z.B. auch als Gemeinde-Song:

Die begrenzte Reichweite von Wissenschaft – Methodologischer Agnostizismus

Schon weil sich alle empirische Wissenschaft(en) qua Definition auf beobachbare und damit immer historische Ereignisse beziehen und diese Vergangenheit auch nie ohne Lücken aufklären können, halte ich – wie auch z.B. Richard Dawkins – die grundlegenden Fragen für wissenschaftlich zwar diskutier- aber letztlich unentscheidbar. Deswegen gilt im Rahmen der Evolutionsforschung zu Recht der methodologische Agnostizismus, der von der persönlichen Glaubenshaltung zu unterscheiden ist. Und sehr wichtig finde ich z.B. Einwände wie jene des Brainloggers Stephan Schleim, der auf die Vorläufigkeit aller (auch neuro-)wissenschaftlichen Erkenntnis verweist und auch vor zuviel Scan-Gläubigkeit warnt. Mit der Evolutionstheorie insgesamt lassen sich verschiedenste spirituelle und religiöse Haltungen ebenso vereinbaren wie atheistische. Die letzteren scheinen erkenntnistheoretisch sparsamer zu sein – die religiösen und spirituellen Traditionen aber biologisch und kulturell erfolgreicher.

Blogtip: Das Braincast-Team hat ein hervorragendes Interview zum Thema "Meditationsforschung" mit Dr. Ulrich Ott vom BION Gießen online gestellt. Ein Fest für Ohren, Augen und Gehirn!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

143 Kommentare

  1. Leserfrage

    Über die Redaktion hat mich ein erster Leserbrief zum ZEIT-Artikel erreicht, dessen Frage ich so gelungen finde, dass ich sie (auch) hier gerne beantworte. B. schreibt:

    Sehr geehrter Herr Blume,
    ich habe eine Frage zu Ihrem Artikel ‚Hirngespinste’ (ZEIT vom 11.2. 2010). Sie berichten dort über eine Studie, in der es um das verstärkte Erleben von Transzendenz nach Operationen im hinteren Scheitellappen bei Gehirntumoren geht. Unter anderem heißt es bei Ihnen: „Fand der Eingriff im hinteren Scheitellappen statt, berichteten die Betroffenen danach von einem deutlichen Anstieg transzendentaler Erfahrungen“; und später: „genau diese Trennung von Selbst und Kosmos verschwamm, wenn die Chirurgen einen Teil des Scheitellappens herausschnitten.“ Daraus muss der unbefangene Leser schließen, dass die Entfernung von Teilen des Gehirns die Fähigkeit zur Spiritualität stärkt. Andererseits sagen Sie im Schlussabschnitt Ihres Artikels, dass sich die Fähigkeit zur Spiritualität im betreffenden Teil des hinteren Scheitellappens im Laufe der Evolution herausgebildet habe. Könnten Sie mir diesen Widerspruch erklären?

    Ja, erfreulicherweise gibt es dazu schon Antworten. Im hinteren Scheitellappen werden u.a. Orientierungs- und Abgrenzungsprozesse bearbeitet, die (wie und verbunden z.B. mit Fremdenfeindlichkeit) schon evolutionär sehr alt sind. In der jüngeren Menschheitsgeschichte haben wir zusätzliche Fähigkeiten entwickelt, um mit diesem Erbe umzugehen. Wir können z.B. unsere Veranlagungen zu Fremdenfeindlichkeit oder auch Ego-Konstruktionen (bio-)kulturell überformen. Newberg beschrieb z.B., dass Meditierende durch bewusste Aktivität im Stirnhirn die Orientierungsfunktionen abschwächten. Diese (evolutionsgeschichtlich sicher “junge”) Fähigkeit zur Modulation von Gehirnfunktionen z.B. durch Meditation, Rituale o.ä. kann so zu ähnlichen Erlebnissen wie die direkte Beeinträchtigung der betreffenden Regionen im Scheitellappen beitragen. Zukünftige Studien dürften z.B. auch Einflüsse von Substanzen (z.B. Weihrauch, Peyote u.a.) erkunden, die ja bisweilen ebenfalls anstatt oder ergänzend zu spirituellen und religiösen Anstrengungen verabreicht werden.

    Mit herzlichem Dank für Ihre berechtigte und gute Frage!

    Michael Blume

  2. Das große Ganze dieses Blogs

    Dieser Beitrag fasst den gesamten Sinn des Blogs und der dahinterstehenden Forschung hervorragend zusammen. Ich empfehle stark, ihn dauerhaft irgendwo im Menü (z.B. zur Person) unterzubringen. Jeder zufällige Besucher sollte die Chance haben, diesen Artikel als Überblick zu lesen. Man wünscht sich immer, ein lesenswertes Blog würde neben vielen Einzelartikeln zu bestimmten Fragen einmal das große Ganze dahinter zeigen. Hier ist das wunderbar gelungen – so kurz und prägnant hätte ich das nicht für möglich gehalten.

    (P.S.: Ich komme kaum dazu, unter jeden Artikel, der mir gefällt, etwas Sinnvolles zu schreiben. Da wollte ich bei dieser Gelegenheit einmal Rundumschlags-Lob verteilen.)

  3. vor-Ich

    Wenn spirituell Begabte/Übende die Ich-Konstruktionen des Gehirns überformen und abschwächen können – dann denken sie beim Meditieren vieleicht bloß an die Erlebnisse der Vor-Ich-Zeit.
    Weil sich die Ich-identität etwa ab einem Alter von 1,5 Jahren entwickelt, dann würde die Vor-Ich-Zeit dem Zeitraum davor entsprechen
    D.h. beim Meditieren konzentriert man sich eventuel auf Erlebnisse aus dieser Zeit.

    D.h. man sollte vorsichtig sein, bei der vorschnellen Interpretation von Gehirn-Scans.

  4. Spiritualität und Wissenschaft – eine notwendige Einheit

    Danke für diesen Beitrag. Nichts finde ich in der heutigen Zeit wichtiger zu erwähnen, als dass sich Wissenschaft mit Spiritualität vereinen lässt. Materialismus ist ein Glaube und nicht Wissenschaft.

  5. Spirituelle und Fremdler

    Lieber Michael ,

    im Großen und Ganzen stimme ich Dir hier zu. Allerdings, wie Du selber schreibst „Entsprechend balancierten erfolgreiche Religionsgemeinschaften immer zwischen der Integration von Mystikern (z.B. in eigenen Orden) und deren Ausschluss oder Verfolgung.“ Ich glaube da liegt der Knackpunkt! Wenn man z.Z. die Geschichte der christlichen Religion betrachtet, so wird man feststellen, dass es den Amtskirchen nicht zuletzt um Macht ging. Für spirituelle Menschen, wie Giordano Bruno z.B., war da kein Platz. Man hat viele Menschen, die sich bemühten über den Tellerrand hinauszuschauen, verfolgt und getötet. Das ist sicher auch einer der Gründe warum die Kirche, bei vielen Leuten, einen schlechten Ruf hat.
    Vor einiger Zeit las ich den Aufsatz einer Psychologin, ich glaube sie war aus der Schweiz, in welchem es um spirituelle und nicht spirituelle Menschen ging. Sie beschreibt die beiden Kategorien folgendermaßen: Die Spirituellen sind Menschen, die manchmal „ozeanische Gefühle“ hätten, sowie ein starkes Gerechtigkeitsgefühl und die sich häufig in der Welt geborgen fühlten; nicht spirituelle Menschen sind oft sehr ordentlich, da sie sich mit ihrem oft stark ausgeprägten Ordnungssinn, die Dinge „zurechtlegen“ und dadurch ein Gefühl der Sicherheit erreichen. (Leider finde ich den Link dazu nicht mehr). Vor diesem Hintergrund ist es wohl auch nachvollziehbar, warum die „Ordentlichen“ in der Kirche, den „chaotischen Spirituellen“ keinen Platz einräumen konnten. Auch sehen spirituelle Gläubige, den Glauben wahrscheinlich anders. Al-Junaid (ein Sufi des 9. Jh.) unterschied 4 Stufen des Glaubens:
    http://www.demetrius-degen.de/fabeln/mystik1.htm

    Eingefleischte Atheisten lehnen den Begriff Spiritualität von Hause aus ab, da er ihnen wohl zu nahe bei Religion und Esoterik steht. Siehe hier:
    http://feuerbringer.com/…e-spirituell/#more-1528

    Dabei hat Spiritualität oft mit Religion oder Esoterik gar nichts zu tun. M.E. ist Spiritualität weitestgehend angeboren und jeder Mensch der nach Sinn sucht besitzt sie.

    KRichard schreibt hier: „Wenn spirituell Begabte/Übende die Ich-Konstruktionen des Gehirns überformen und abschwächen können – dann denken sie beim Meditieren vieleicht bloß an die Erlebnisse der Vor-Ich-Zeit.
    Weil sich die Ich-identität etwa ab einem Alter von 1,5 Jahren entwickelt, dann würde die Vor-Ich-Zeit dem Zeitraum davor entsprechen D.h. beim Meditieren konzentriert man sich eventuel auf Erlebnisse aus dieser Zeit.“

    Mir ist zwar nicht ganz klar wie das gehen soll, aber mir fällt in diesem Zusammenhang etwas anderes ein: Das sog „Fremdeln“, welches bei Babys in der Regel zwischen dem 4. und 8. Monat einsetzt, wird ja als wichtiger Entwicklungsschritt angesehen. Ob nun ein Baby stark „fremdelt“ oder kaum oder gar nicht, wird mit dem Charakter der Kinder und mit der damit verbundenen Angst erklärt.
    Kinder die stark „fremdeln“ sind demnach ängstlicher und vertrauen unbekannten Personen weniger bis gar nicht. Seit ich mit meinem Sohn vor 16 Jahren in der Krabbelgruppe war, konnte ich nun die Lebensläufe der Kinder hier am Ort verfolgen. Es ist frappierend, die Kinder welche damals nicht oder kaum „gefremdelt“ hatten haben sich zu eher spirituellen Jugendlichen entwickelt, der Rest eher nicht. Kann man spirituelle Charaktere also schon als Babys erkennen? Vielleicht sollte da mal geforscht werden.

    Hier ein guter Link, wo alles über das Fremdeln ausführlich erklärt wird:
    http://www.rund-ums-baby.de/…?stichwort=Fremdeln

  6. @Mona: fremdeln

    Beim Thema ´fremdeln´ muss man nicht die Kinder, sondern die Eltern betrachten.
    Kinder lernen von den Emotionen, welche von den Eltern ausgehen.
    Wenn z.B. Eltern zu den Erziehern in der Krabbelgruppe (und zu anderen Eltern) von Anfang an eine offene, fröhliche Beziehung aufbauen – dann lernen dies die Kinder sofort; und verhalten sich entsprechend.
    Sind die Eltern aber gehemmt/zurückhaltend, so wirkt sich dies auch auf die Kleinkinder aus.

  7. Fremdeln ist sehr wahrscheinlich angeboren @KRichard

    Irenäus Eibl-Eibesfeldt, ein Schüler des berühmten Verhaltensforschers Konrad Lorenz sagt, dass das Fremdeln angeboren ist, was nicht ausschließt, dass Kinder Emotionen, die von den Eltern ausgehen, übernehmen und weitervererben.

    „… Soziobiologen wie beispielsweise Irenäus Eibl-Eibesfeldt behaupten ebenfalls, es gebe eine dem Menschen angeborene “Fremdenfurcht”. Diese Xenophobie sei verantwortlich für ein “Urmißtrauen” zwischen einander fremden Menschen und Menschengruppen. Als Indiz führt er an, daß bei Säuglingen in einer bestimmten Phase zu beobachten sei, daß sie fremden Personen mißtrauisch bis ängstlich begegneten, auch dann, wenn sie zuvor keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht hätten. Dieses “Fremdeln” sei ein Indiz für die dem Menschen angeborene Xenophobie. Als weiteres Indiz führt Eibl-Eibesfeldt die Beobachtung an, daß Fremdenfurcht und Fremdenhaß keine Fiktionen von Wissenschaftlern seien, sondern alltägliche Realität. Eibl-Eibesfeldt sieht die Ursachen des Rassismus in der biologischen Disposition des Menschen verwurzelt, in der ihm eigenen Xenophobie.“
    Von hier: http://www.comlink.de/…/m.blumentritt/agr335.htm

  8. @ Hirngespinste

    Lob, lieber Micheal, hör’ ich freilich gerne, und sich zu freuen und zu danken ist des Gelobten Pflicht.

    Letztendlich aber sind wir, so denke ich – nein: nicht “so denke ich”, sondern: “so glaube ich zu fühlen” – letztendlich sind wir im Dissens, auch wenn wir die Stilmittel und die Anstrengungen des jeweils anderen bewundern, auch wenn wir mitunter identische Gegner haben.

    Du – das ist das was ich zu fühlen glaube – strickst an einem Götterbeweis via Biologie. Es erinnert mich von ferne an Konrad Lorenz’ “evolutionäre Erkenntnistheorie” – die Kant’schen a priori seien de facto a posteriori, aus der Evolution gelernt, mithin erfolgreich, also wahr.

    Ich bediene mich einer Sprache, die ungeniert aus den Quellen des Sprituellen schöpft, ihre Metaphern in Mythologica und Theologica sucht und findet, aber ich will nichts beweisen. Ich will bestenfalls Nichts beweisen. Ich will einen Gott beweisen, der die Götter stürzte: den Buddha. Und habe ich ihm erstmal das Denkmal errichtet, dann soll alles fallen, sein Denkmal inclusive. Er hätte es so gewollt…

    Nur den Weg kenne ich nicht. Ich taste, ich stochere mit Stangen im Nebel.

    Ganz was anderes, weil ich nebenher auch noch exakte Wissenschaft machen möchte: das zweite Bild passt nicht zum Text. Die Hauptaktivierung ist dort definitiv im Parietallappen.

    Grüße
    Helmut Wicht

  9. Soziobiologen wie beispielsweise Irenäus Eibl-Eibesfeldt behaupten ebenfalls, es gebe eine dem Menschen angeborene “Fremdenfurcht”. Diese Xenophobie sei verantwortlich für ein “Urmißtrauen” zwischen einander fremden Menschen und Menschengruppen.

    Wer viel reist weiß wie schwierig zuverlässige Kommunikation ist: selbe Worte und Gesten mit anderem kultuellen Hintergrund haben verschiedene Konsequenzen: der Islam sieht vor, dass man Andersgläubige betrügen darf, der Buddhismus lehrt dass wer betrügt schadet sich selbst in erster Linie. Es ist kein Zeichen von Xenophobie, wenn man unbekannten Leuten zunächst vorsichtig begegnet, Fremdeln ist eine gesunde Überlebensstrategie. Und es ist erlaubt Menschen, ganz gleich woher sie kommen, nicht zu mögen und deren Verhalten zu kritisieren. Man sollte sich nicht gefallen lassen, das dies mit Fremdenhass beschrieben wird.

  10. @ Helmut

    Danke, geehrter Freund der sezierenden Künste und Sprache – es ist stets eine Freude, von Dir zu lesen, über das Gelesene zu sinnen und Dir zu antworten!

    Letztendlich aber sind wir, so denke ich – nein: nicht “so denke ich”, sondern: “so glaube ich zu fühlen” – letztendlich sind wir im Dissens, auch wenn wir die Stilmittel und die Anstrengungen des jeweils anderen bewundern, auch wenn wir mitunter identische Gegner haben.

    Ach, ich weiß nicht – da mich die Neugier treibt, kann ich am Ende keine Gegner finden. Mancher mag pöbeln, mancher auch stalken, aber selbst jene sind doch auch interessante Fälle, an denen sich innerlich und äußerlich reifen lässt. Wäre ich nur ein Wissender, ach, so könnte ich Dir sagen, wer falsch liegt – aber als Lernender kann ich stets nur vorläufig wägen, nie aber endgültig urteilen.

    Du – das ist das was ich zu fühlen glaube – strickst an einem Götterbeweis via Biologie.

    Oh nein, das sei mir ferne! Denn wie ich auch in diesem Text schrieb, halte ich einen solchen für unmöglich, mindestens aus empirischer Perspektive. Mir reicht es völlig, wenn Atheisten, Agnostiker und Theisten (in der Wissenschaft und ggf. auch darüber hinaus) respektvoll und methodologisch sauber zusammen arbeiten, sich Freiheiten zugestehen und an der großen Entdeckungsreise des Lebens teilnehmen.

    Es erinnert mich von ferne an Konrad Lorenz’ “evolutionäre Erkenntnistheorie” – die Kant’schen a priori seien de facto a posteriori, aus der Evolution gelernt, mithin erfolgreich, also wahr.

    Ich sehe nicht, wie man diesen Schritt machen sollte. Wurde Dinosaurier-Wahrheit widerlegt, als der Wallace-Asteroid (so er es denn war) ihren Erfolg beendete? Evolutionärer Erfolg ist immer zeitlich, situationsgebunden – was doch gerade für letzte Wahrheiten nicht gelten soll. Zwar würde ich annehmen, dass wir mit all unseren evolvierten Sinnen uns schon einer (der?) Realität annähern – aber selbst hierfür gibt es nur Plausibilitäten, keinen letzten Beweis. Also, nein, ganz so einfach kann man es sich m.E. mit “biologischen Wahrheitsbeweisen” nicht machen – und schon gar nicht im Bezug auf transzendente Fragen.

    Ich bediene mich einer Sprache, die ungeniert aus den Quellen des Sprituellen schöpft, ihre Metaphern in Mythologica und Theologica sucht und findet, aber ich will nichts beweisen.

    Und ich würde dem hinzufügen: Selbst wenn wir wollten, wir könnten es auch nicht! Am Ende des Tages werden uns immer nur Indizien verbleiben – vielleicht überzeugende, aber doch keine letzten Beweise.

    Ich will bestenfalls Nichts beweisen. Ich will einen Gott beweisen, der die Götter stürzte: den Buddha. Und habe ich ihm erstmal das Denkmal errichtet, dann soll alles fallen, sein Denkmal inclusive. Er hätte es so gewollt…

    Was aber käme danach, lieber Helmut? Das Absolute Nichts- oder Einssein? Oder doch eine liebende Personalität? Auch wenn ich Deine Hoffnung herauslese und spüre – “bestenfalls” – wenn wir streng zu uns sind, so wissen wir nicht, können vielleicht auch nicht wissen. All unsere Wissenschaft(en), gesammelte Erkenntnisse aus Jahrhunderten: Und doch bleiben wir Suchende, Zweifelnde, Hoffende wie alle anderen Menschen auch. Dem einen mag das ein Aufruf zur Verzweiflung sein, dem anderen zur Freiheit. Erlaube mir, trotz allem die lebensbejahende Neugier zu wählen, auch wenn ich sie nicht beweisen kann.

    Nur den Weg kenne ich nicht. Ich taste, ich stochere mit Stangen im Nebel.

    Ach, wären nur alle Biologen, Theo- und Philosophen so ehrlich! Hier hast Du einen Religionswissenschaftler, der Dir zuruft: Ich auch! Und doch, lass uns weiterstochern, gespannt auf jeden neuen, unsicheren Schritt! Wäre kein Nebel, was gäbe es zu entdecken!?

    Ganz was anderes, weil ich nebenher auch noch exakte Wissenschaft machen möchte: das zweite Bild passt nicht zum Text. Die Hauptaktivierung ist dort definitiv im Parietallappen.

    Wie wahr, hier irrte nicht das Bild und noch nicht einmal die Studie, sondern verkürzte mein Text. Überprüft & ergänzt, danke! 🙂

    Herzliche Grüße!

  11. @ Mona: Knackpunkt

    Liebe Mona,

    danke für Dein Benennen des “Knackpunktes”. Und, ja, ich sehe es auch so: Wir stehen als Menschen immer in der Spannung, einerseits für uns selbst grenzenlose Möglichkeiten einzufordern, andererseits aber die Annehmlichkeiten von Gemeinschaft (wie Wärme, Schutz etc.) haben zu wollen. Nicht erst Religionsgemeinschaften, sondern alle Formen menschlicher Gemeinschaft (inkl. Familien) kennen diesen Konflikt.

    Ganz sicher haben die Amtskirchen hier in ihrer Geschichte oft gravierende Fehler gemacht! Doch die gleichen Konflikte gab und gibt es auch z.B. in Islam, Judentum und auch Buddhismus. Auch hier gab es Auslegungsstreits, Spaltungen und teilweise gar kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Schulen. Auch heute noch gibt es z.T. gewaltförmige Konflikte und Proteste buddhistischer Mönche, die sich innerbuddhistisch unterdrückt wähnen:
    http://info-buddhismus.de/Shugden-und-NKT.html

    Und wenn wir jenseits der Religionen schauen, wird es nicht besser: Den oft mörderischen “Säuberungskampagnen” atheistisch-kommunistischer Parteien fielen binnen weniger Jahrzehnte Abertausende zum Opfer.

    M.E. können wir also diesen Konflikt zwischen entgrenzender Individualität und notwendiger Vergemeinschaftung nicht bei den “Amtskirchen” abladen. Jede menschliche Körperschaft muss immer neu nach der richtigen Balance zwischen Weite und Enge tasten. Und wird der Papst nicht derzeit auch kritisiert, weil er zu nachsichtig z.B. gegenüber Traditionalisten mit teilweise rechtsextremen Gedankengut sei?

    Also: Religionsgemeinschaften müssen, wenn sie Gemeinschaften bleiben wollen, auch abgrenzen und sogar ausschließen dürfen. Was jedoch m.E. dabei nie wieder zur Disposition gestellt werden sollte, sind die Menschenrechte – zu denen das Recht gehört, Gemeinschaften zu verlassen oder zu wechseln. Den großen, christlichen Kirchen und vielen anderen Traditionen und Körperschaften (z.B. demokratischen Parteien, diverse jüdische, islamische, buddhistische Gemeinden) gestehe ich zu, diese Lehre auch aus ihrer Geschichte gezogen zu haben und hoffe, dass immer mehr (religiöse & politische) Gemeinschaften ihnen darin folgen würden.

  12. @ Gerhard Höberth

    Vielen Dank für das freundliche Feedback!

    Sie schrieben: Nichts finde ich in der heutigen Zeit wichtiger zu erwähnen, als dass sich Wissenschaft mit Spiritualität vereinen lässt. Materialismus ist ein Glaube und nicht Wissenschaft.

    Dem würde ich soweit zustimmen, freilich ergänzt um einen Hinweis: Das Gleiche gilt dann für Spiritualismus auch. Wissenschaft ist nicht Alles und nicht Alles muss Wissenschaft sein. Gottesbeweise und Gotteswiderlegungen erscheinen mir gleichermaßen unmöglich, über Plausibilitätsdiskussionen kommen die empirischen Befunde m.E. nicht hinaus.

  13. @Kunar

    Wow, danke! Das ist eine wirklich ermutigende Rückmeldung und über die Anregung werde ich auf jeden Fall nachdenken. Bisher gibt es ja rechts im Balken die TOP 10 der meist-angeklickten Blogbeiträge – womit ich den Lesern die Priorisierung anvertrauen wollte. Einmal als Respekt ihnen gegenüber, aber auch als Rückmeldung, was und welche Themen denn überhaupt (besonders) interessieren. Das ist ja das Schöne am wissenschaftlichen Bloggen, dass es mit Dialog und Rückkoppelung gestaltet werden kann.

    Noch einmal vielen Dank für Dein Plädoyer!

  14. “Ganz sicher haben die Amtskirchen hier in ihrer Geschichte oft gravierende Fehler gemacht! Doch die gleichen Konflikte gab und gibt es auch z.B. in Islam, Judentum und auch Buddhismus. Auch hier gab es Auslegungsstreits, Spaltungen und teilweise gar kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Schulen. Auch heute noch gibt es z.T. gewaltförmige Konflikte und Proteste buddhistischer Mönche, die sich innerbuddhistisch unterdrückt wähnen”

    Ich wollte hier nicht auf einen Wettbewerb der Religionen hinaus. Ich erwähnte die christliche Religion, weil sie in unserem Kulturkreis am verbreitetsten ist. JEDE Ideologie hat ihre Schwächen, da gebe ich Dir recht.

    “Wir stehen als Menschen immer in der Spannung, einerseits für uns selbst grenzenlose Möglichkeiten einzufordern, andererseits aber die Annehmlichkeiten von Gemeinschaft (wie Wärme, Schutz etc.) haben zu wollen. Nicht erst Religionsgemeinschaften, sondern alle Formen menschlicher Gemeinschaft (inkl. Familien) kennen diesen Konflikt.”

    Ich weiß was Du meinst, trotzdem bin ich etwas anderer Meinung. In einer Familie z.B. sollen die Kinder wachsen, sich entwickeln. In einer Religionsgemeinschaft mit Dogmen und starren Regeln können das ihre Mitglieder jedoch nicht, mancher verzichtet da lieber auf “Annehmlichkeiten”. Ich respektiere wirklich jeden Gläubigen, doch vielfach geht es in Religionsgemeinschaften gar nicht um den Glauben, sondern eher um das Vertreten der jeweiligen “Firmenphilosophie”.

  15. Spiritualität und Atheismus

    Es ist natürlich immer schwierig, persönliche Erlebnisse zu verallgemeinern. Aber dennoch, wer einmal das Gefühl der Entpersonalisierung, der Einsseins mit allem erlebt hat, der weiß, das es keinen Gott gibt bzw. dass ein Gott von keinerlei Relevanz ist.
    Spiritualität und Religion zu verknüpfen ist denke ich dem Versuch geschuldet, das erlebte “rational” zu erklären.
    So würde ich auch den Zen-Satz verstehen, den Buddha zu töten, wenn man ihn sieht – als die Aufforderung, das Erfahrene zu akzeptieren, ohne es zu rationalisieren.
    Ich habe Spiritualität in diesem Sinne immer als einen guten Weg zum Atheismus gesehen und kann es nur empfehlen, sich diese Erfahrung zu erarbeiten.

  16. @Mona: Fremdenfurcht

    Angeborene Fremdenfurcht – ist ein Märchen aus dem letzten Jahrhundert. Feten trafen im Mutterleib nicht auf Fremde und konnten daher keine Furcht lernen.

    Furcht/Vertrauen zu anderen Personen wird schon im frühen Alter (3-5 Monate)von Babys erlernt.

    Heute geht man in Krippen wie folgt vor:
    Die Mutter (Vater) geht mit dem Baby zur Betreuerin und unterhält sich nett mit ihr (dabei lernt das Baby: diese Person wird von Mutter angelächelt, also ist sie eine Gute)
    Beim nächsten Schritt darf die Betreuerin das Baby im Beisein(!) der Mutter berühren, auf den Arm nehmen und dann sogar versorgen. (Hier lernt das Baby: das Berühren ist in Ordnung)
    Im dritten Schritt bleibt das Baby kurz allein bei der Betreuerin, die Mutter verlässt den Raum (ca. 1/2 Std) und kommt dann wieder (Hier lernt das Baby: Mutter verlässt mich nicht, sie kommt sicher wieder).
    Im nächsten Schritt bleibt die Mutter ca. 2 Stunden weg.

    Geht man so vor, dann fremdeln Babys nicht und haben keine Fremdenangst vor der Betreuerin in der Krippe.
    Aber dieses Beispiel zeigt sehr schön, wie schnell und intensiv Babys schon lernen können.

  17. Grau ist alle Theorie

    @KRichard

    Schade, dass Sie meinen Link vom 12.02.2010 | 10:48 nicht gelesen haben. Glauben Sie mir, es gibt Babys die fremdeln. Ob sich daraus später Fremdenhass entwickelt hängt sicher auch von der Erziehung und anderen Faktoren ab.

    @Diane de Reynier
    „Es ist kein Zeichen von Xenophobie, wenn man unbekannten Leuten zunächst vorsichtig begegnet, Fremdeln ist eine gesunde Überlebensstrategie. Und es ist erlaubt Menschen, ganz gleich woher sie kommen, nicht zu mögen und deren Verhalten zu kritisieren. Man sollte sich nicht gefallen lassen, das dies mit Fremdenhass beschrieben wird.“

    Es besteht natürlich ein gravierender Unterschied machen zwischen „vorsichtig begegnen“ und Fremdenhass – keine Frage.

  18. Die Frage nach Hirngespinsten

    Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für diesen Blog-Beitrag, lieber Michael. Ich finde, da haben Sie wieder mal jede Menge Diskussionsstoff geliefert. Lob haben Sie schon eingeheimst, jetzt folgt die Kritik 😉

    Spiritualität

    Es ist für die Forschung sicherlich sinnvoll, diesen Begriff eher eng zu definieren (Spiritualität als Fähigkeit zu Transzendenzerfahrungen).

    Wie sieht es aber dann mit Menschen aus, denen diese Erweiterungserfahrungen abgehen? Würde Dawkins Spiritualität auch noch unter diese Definition fallen (“Auch ich reagiere quasi religiös, wenn ich zu den Sternen aufsehe, zur Milchstraße und mir das Universum vorzustellen versuche. Das Gefühl, dass ich dann empfinde, könnte man fast so etwas wie Anbetung nennen.”)?

    Die Hirnstudie zeigt, dass Transzendenzerfahrungen quasi eine Fehlfunktion des Hirns sind. Ist Spiritualität dann die Fähigkeit, diese Fehlfunktion gezielt herbeiführen zu können?

    Religiosität

    Verstehe ich das richtig, dass die Hirnstrukturen, die zur Religiosität befähigen, erst in der mittleren Altsteinzeit evolviert sein sollen, also sagen wir vor 40-50.000 Jahren?

    Das würde ja bedeuten, dass sich in allen getrennt lebenden Menschenpopulationen der gleiche evolutionäre Wandel vollzogen hätte.

    Dass neben Homo sapiens auch H. neanderthalensis religiöses Verhalten entwickelt hat, könnte man doch auch damit erklären, dass bereits der gemeinsame Vorfahre H. heidelbergensis (?) diese Befähigung zur Spiritualität/Religiosität besaß. Was spricht überhaupt dagegen, dass sich in der Zeit des H. erectus diese spirituell-religiösen Fähigkeiten oder Vorstufen davon entwickelt haben (abgesehen von den fehlenden Funden)?

    Die Hirnstudie hat ergeben, dass beim persönlichen Gebet genau jene Hirnbereiche besonders aktiv sind, die auch beim persönlichen Gespräch aktiv sind (die sozio-kognitive Hirnregion). Was lernen wir daraus?

    Hirngespinste

    »Man bemerke die Ironie: Wer behauptet, alles sei nur Gehirnkonstrukt, erklärt sich ja auch selbst nur zu einem illusionären Teil eines “eigentlichen” größeren Ganzen. «

    Diese Ironie erschließt sich mir nicht. Ich dachte, es sei Common sense, dass unser Gehirn vor unserem “geistigen Auge” die Welt aus den Sinneseindrücken konstruiert (oder so ähnlich). Existieren Farben und Töne auch außerhalb unseres Gehirns?

    »Newberg vertrat daher die Auffassung, dass die spirituelle Erfahrung eben gerade Zugang zu einem höheren Verständnis der Realität ermögliche. «

    Macht ja nix. Hauptsache, er ist nicht der Meinung, spirituelle Erfahrungen ebneten den Zugang zu einer höheren Realität, denn wie wir gesehen haben, beruhen derartige Erfahrungen auf eingeschränkten Hirnfunktionen.

    »Und ebenso lässt sich natürlich zweifeln, ob das Universum selbst nur tote Materie oder Ausdruck eines lebendigen Willens ist. «

    Dieser Zweifel ist das evolutionäre Erbe, dem wir die Religionen verdanken. Was ist eigentlich “tote” Materie?

    »Für die einen ist so Evolution nur zufällige und oft sinnlose Selbstorganisation (aber welches Selbst!?), für die anderen die größte (und andauernde) Schöpfungsgeschichte Gottes. «

    Und der Rest der Gemeinde hält beide Sichtweisen für fragwürdig.

    Methodologischer Agnostizismus

    »Mit der Evolutionstheorie insgesamt lassen sich verschiedenste spirituelle und religiöse Haltungen ebenso vereinbaren wie atheistische. «

    Mehr noch, die Evolutionstheorie erklärt, wieso es diese unterschiedlichen Haltungen gibt.

    »Deswegen gilt im Rahmen der Evolutionsforschung zu Recht der methodologische Agnostizismus, der von der persönlichen Glaubenshaltung zu unterscheiden ist. «

    Das betrifft aber doch nur jene Evolutionsforscher, für die Evolution und Glaube nicht oder nur schwer zu vereinbaren ist.

  19. @ Mona

    Danke, aber ich würde es im Bezug auf Familie ganz genauso sehen.

    Du schriebst: Ich weiß was Du meinst, trotzdem bin ich etwas anderer Meinung. In einer Familie z.B. sollen die Kinder wachsen, sich entwickeln. In einer Religionsgemeinschaft mit Dogmen und starren Regeln können das ihre Mitglieder jedoch nicht, mancher verzichtet da lieber auf “Annehmlichkeiten”.

    Und ebenso gibt es ja sehr glückliche und sehr kalte oder sogar bedrückende Familien und eine Zeit lang (die teilweise noch nicht einmal vorbei ist) war es üblich, die eigenen Eltern für nahezu alles verantwortlich zu machen, Familie als “spießig” zu verachten. Aber ohne Gemeinschaft – die immer auch Freiheitsverlust bedeutet – ist menschliches Leben eben nicht möglich.

    Ich respektiere wirklich jeden Gläubigen, doch vielfach geht es in Religionsgemeinschaften gar nicht um den Glauben, sondern eher um das Vertreten der jeweiligen “Firmenphilosophie”.

    Dann werden, ganz evolutionär, auf Dauer eben andere an Stelle dieser erkalteten Gemeinschaften treten. 🙂

  20. @ Michael Kühnapfel

    Danke für Ihren schönen Beitrag, auf den ich gerne eingehe!

    Spiritualität und Religion zu verknüpfen ist denke ich dem Versuch geschuldet, das erlebte “rational” zu erklären.

    Hier bin ich mir nicht sicher. Denn warum sollte es “rationaler” sein, z.B. einen Theismus zu konstruieren als einen Pantheismus oder Atheismus? Schon Darwin selbst vermutete, dass Religiosität aus dem angeborenen Animismus erwächst, nach dem wir (und übrigens auch viele Tiere) dazu tendieren, Objekten Personalität zuzuschreiben.

    So würde ich auch den Zen-Satz verstehen, den Buddha zu töten, wenn man ihn sieht – als die Aufforderung, das Erfahrene zu akzeptieren, ohne es zu rationalisieren.

    Das Problem dabei ist, dass wir uns von Dingen “nichts sagen” lassen. Weltanschauliche Systeme ohne übernatürliche Akteure scheinen daher kaum in der Lage zu sein, erfolgreiche Gemeinschaften und Familien zu begründen. Sie tendieren dazu zu verfallen oder (wie der real existierende Buddhismus, Taoismus, Jainismus u.v.m.) übernatürliche Akteure zu “adoptieren”.

    Ich habe Spiritualität in diesem Sinne immer als einen guten Weg zum Atheismus gesehen und kann es nur empfehlen, sich diese Erfahrung zu erarbeiten.

    Wenn Spiritualität zu Ihrem Wohlergehen beigetragen – und dieser Blogpost Reflektion dazu mitausgelöst – hat, dann freut mich das sehr!

  21. voreilige, falsche Schlüsse

    Aus experimentell erzeugten Transzendenzerfahrungen herzuleiten, daß Transzendenzerfahrungen eingebildet sind, ist so intelligent, als würde man durch eine experimentelle Manipulation einen Probanden dazu bringen, daß er glaubt, Käsekuchen zu essen, um dann auf die Irrealität von Käsekuchen zu schließen!
    Die experimentelle neurophysiologische Datenlage ist ausgesprochen dünn. Bislang wurden wenig Hirnareale erfaßt, und meist wurden wenig Probanden untersucht. Herr Blume (u. Stephan Schleim, s.o.) wies im Artikel ja ausdrücklich auf die Vorläufigkeit dieser Beobachtungen hin.
    Voreilige und intellektuell zu kurz gesprungene Schlüsse zu ziehen, hilft hier so wenig wie bei der Diskussion, die hier gerade über die Vererbung der Religion geführt wurde. Es kommt einfach nichts dabei heraus.
    “Abwarten und weiterforschen” heißt die Devise.

  22. @ Balanus

    Na denn, frisch in die Debatte! 🙂

    Sie fragten:

    Wie sieht es aber dann mit Menschen aus, denen diese Erweiterungserfahrungen abgehen? Würde Dawkins Spiritualität auch noch unter diese Definition fallen (“Auch ich reagiere quasi religiös, wenn ich zu den Sternen aufsehe, zur Milchstraße und mir das Universum vorzustellen versuche. Das Gefühl, dass ich dann empfinde, könnte man fast so etwas wie Anbetung nennen.”)?

    Eindeutig ja – das habe ich ja oben im Post auch so und mit dem gleichen Beispiel geschrieben. Auch dem Beitrag von Herrn Kühnapfel können Sie entnehmen, dass Spiritualität nicht notwendig an Theismus geknüpft ist, sondern auch atheistisch und agnostisch gedeutet und gelebt werden kann.

    Die Hirnstudie zeigt, dass Transzendenzerfahrungen quasi eine Fehlfunktion des Hirns sind. Ist Spiritualität dann die Fähigkeit, diese Fehlfunktion gezielt herbeiführen zu können?

    Nein – es wäre die Fähigkeit, Gehirnfunktionen zu modulieren. Von der Fremdenfurcht bis zur Atmung haben wir ja viele Merkmale geerbt, die wir kulturell und individuell in gewissem Rahmen gestalten können. Dies ist nicht in jedem Einzelfall, aber in der Summe sicher oft erfolgreich.

    Verstehe ich das richtig, dass die Hirnstrukturen, die zur Religiosität befähigen, erst in der mittleren Altsteinzeit evolviert sein sollen, also sagen wir vor 40-50.000 Jahren?

    Nein, in der mittleren Altsteinzeit finden wir die ersten sicheren Indizien (z.B. Bestattungen ab ca. 120.000 Jahren). Das ist aber nur der jetzige Kenntnisstand, der sich hoffentlich noch vertiefen und erweitern wird!

    Dass neben Homo sapiens auch H. neanderthalensis religiöses Verhalten entwickelt hat, könnte man doch auch damit erklären, dass bereits der gemeinsame Vorfahre H. heidelbergensis (?) diese Befähigung zur Spiritualität/Religiosität besaß. Was spricht überhaupt dagegen, dass sich in der Zeit des H. erectus diese spirituell-religiösen Fähigkeiten oder Vorstufen davon entwickelt haben (abgesehen von den fehlenden Funden)?

    Das sehe ich ganz genau so! Mindestens Vorformen von Religiosität dürften wir bei gemeinsamen Vorfahren von Sapiens und Neanderthalensis erwarten, die sich dann über Jahrhunderttausende hinweg zur heutigen Universalität ausprägten. Wir dürfen dazu zukünftig durchaus auf Funde hoffen, ggf. aber auch auf stärkere Modelle, vielleicht gar genetische Studien. Und wer weiß z.B., ob sich nicht eines Tages z.B. noch Kultgegenstände von Homo floresiensis finden? *Spannung*

    Die Hirnstudie hat ergeben, dass beim persönlichen Gebet genau jene Hirnbereiche besonders aktiv sind, die auch beim persönlichen Gespräch aktiv sind (die sozio-kognitive Hirnregion). Was lernen wir daraus?

    Es spricht für die darwinsche These: Wir konstruieren übernatürliche Akteure auf Basis unserer animistischen Tendenzen und interagieren mit ihnen sozial. Glauben erweist sich in dieser Perspektive weniger als eine rationale Kalkulation, mehr als eine soziale Erfahrung. Dazu gibt es inzwischen eine ganze Menge Hirnstudien.

    Diese Ironie erschließt sich mir nicht. Ich dachte, es sei Common sense, dass unser Gehirn vor unserem “geistigen Auge” die Welt aus den Sinneseindrücken konstruiert (oder so ähnlich). Existieren Farben und Töne auch außerhalb unseres Gehirns?

    Woher haben Sie denn plötzlich ein “geistiges Auge”, lieber @Balanus? Genau hier steckt sie, die Ironie…

    Hauptsache, er ist nicht der Meinung, spirituelle Erfahrungen ebneten den Zugang zu einer höheren Realität, denn wie wir gesehen haben, beruhen derartige Erfahrungen auf eingeschränkten Hirnfunktionen.

    Ja – die eine Abgrenzung des Ich von der Umwelt vornehmen. Und damit nach manchem naturalistisch-deterministischen Weltbild rein illusionär wären, da es ja gar kein “selbstbestimmtes Ich” gebe… Insofern spielt Newberg hier den Ball zurück und meint, gerade auch der Nichtreligiöse müsse sich doch als völlig abhängiger Teil eines großen Ganzen erkennen und die Illusion eines Selbst aufgeben.

    Dieser Zweifel ist das evolutionäre Erbe, dem wir die Religionen verdanken.

    Ja. Und die erkenntnistheoretisch spannende Frage ist, ob uns auch spirituelle oder religiöse Erfahrungen etwas über das Universum mitteilen.

  23. @Katharina

    Da freut es mich doch, dass ich bei aller Übereinstimmung auch mal optimistischer sein kann!

    Voreilige und intellektuell zu kurz gesprungene Schlüsse zu ziehen, hilft hier so wenig wie bei der Diskussion, die hier gerade über die Vererbung der Religion geführt wurde. Es kommt einfach nichts dabei heraus.

    Ja, endgültige Antworten hat die empirische Wissenschaft alleine nicht zu bieten – aber doch Plausibilitätsargumente und vor allem Chancen, die jeweiligen, eigenen Positionen zu überdenken und ggf. zu erweitern. Schon jetzt erlebe ich zunehmend, dass statt der platten Streitereien z.B. zwischen biologisch und theologisch Argumentierenden viel bessere und respektvollere Debatten bei gegenseitigem Interesse erwachsen. Und das ist doch schonmal was! 🙂

    “Abwarten und weiterforschen” heißt die Devise.

    Ja, jede Forscherin und jeder Forscher auf diesem Gebiet sind derzeit ein echter Gewinn! Aber auch öffentliches Interesse hilft sehr, diese Arbeiten in Gang zu bringen. So beobachten nach meiner Erfahrung Verlage und auch Institute durchaus, worauf sie interessierte Resonanz erhalten. Deswegen bin ich sehr dankbar für alle, die sich im Bereich Evolutionsforschung zur Religiosität interessieren und ggf. einbringen.

  24. @M.Blume – Streitkultur

    Ach, Herr Blume,
    ein offener Streit und eine klare Position sind doch ehrlicher als mit herzlichen Grüßen garnierte Frechheiten à la “Sie haben wohl noch nicht gemerkt, wie albern Ihre Argumentation ist, herzlichst Ihr XY”. Aber, wie Hilsebein schon bemerkte: Das ist Geschmacksache. Chacun á son goût!

  25. @Katharina

    Also, ich fand Ihre Argumentation ganz und gar nicht albern, sondern konsistent und nachvollziehbar.

    Und was den “offenen Streit” angeht finde ich, dass dieser in die Politik gehört, wo es um Meinungen geht. In der Wissenschaft aber geht es um Erkenntnis und da sind Andere (und gerade auch Andersdenkende) eben stets Mit-Suchende.

  26. @M.Blume

    Das wird gerade in der Wissenschaft – und auch schon in der Philosophie der Antike – nicht anders gesehen: Wir sind Mitsuchende. Stimmt. Deshalb sollte jedes Streitgespräch konstruktiv, gradlinig und fair bleiben. Darauf können wir uns sicher einigen. Sagen Sie einfach bescheid, wenn es nicht gelingen sollte!
    🙂

  27. Bitte um Belehrung @Michael Blume

    In dem Link „Mehr Spiritualität nach Hirn-OP“ heißt es:
    „…dass sich das vermeintlich stabile Charaktermerkmal “Selbsttranszendenz” durch Eingriffe in diese Bereiche verändern kann.
    Die Neigung zur Selbsttranszendenz als Ausdruck einer spirituellen Weltsicht erfassten Urgesi und Kollegen mit Hilfe standardisierter Fragebögen zur Persönlichkeit, aus denen unter anderem dieses Charaktermerkmal hervorgeht.“ http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1021988

    Im Psychologie-Lexikon heißt es unter Selbsttranszendenz: Begriff der existenzanalytischen Anthropologie V. Frankls zur Bezeichnung des intentionalen Wesenszugs der Person: “der grundlegende anthropologische Tatbestand, daß Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweist, das nicht wieder es selbst ist – auf etwas oder auf jemanden: auf einen Sinn, den da ein Mensch erfüllt, oder auf mitmenschliches Sein, dem er da begegnet. Und nur in dem Maße, in dem der Mensch solcherart sich selbst transzendiert, verwirklicht er auch sich selbst: im Dienst an einer Sache – oder in der Liebe zu einer anderen Person … ganz er selbst wird er, wo er sich selbst – übersieht und vergißt.” Die Person genügt sich demnach von ihrem Wesen her niemals selbst, sondern ist auf die “Ergänzung durch andere(s)” angewiesen, was sie erst ganz (= “heil”) sein läßt. Selbst-Transzendenz ist daher die anthropologische Voraussetzung für Existenz (als “vollzogene” Selbst-Transzendenz). Selbst-Transzendenz hat als innere Voraussetzung die Selbstdistanzierung und als äußeren Referenzpunkt Werte, die in einem Sinn-Zusammenhang stehend Orientierung geben. Mit dieser intentionalen Konstitution der Person geht das Vermögen zum Dialog und zur Begegnung einher.
    http://www.psychology48.com/…st-transzendenz.htm

    Wenn ich das richtig verstanden habe, schneidet man diesen Menschen also einem Hirntumor weg und anscheinend noch etwas Hirn mit dazu und die Patienten werden spiritueller, gewinnen an Selbsttranszendenz. Wieso? Ist Selbsttranszendenz denn etwas Anormales?

  28. Verant-wort-ung für das Ganze

    Hallo Herr Dr. Blume,

    herzlichen Glückwunsch zu den “Hirngespinsten” in der ZEIT. Sie haben m.E. hier erneut deutlich gemacht, dass ein ganzheitliches Weltverständnis, in dem sich der Mensch als Teil es kreativen=schöpferischen Ganzen versteht, eine notwendige Leistung des menschlichen Gehirnkastens darstellt.

    Sicher gibt es hierzu verschiedene Wege, die im Rahmen der jeweiligen Zeit und Kutur zu gehen sind.

    Und ich denke, dass diese spirituelle Leistung durch ein aufgeklärtes christliches Historien- und somit neues Selbstverständnis im Rahmen heutiger ganzheitlicher Welterkärung durchaus im wachen Bewusstsein gelingen könnte.

    Wer bereis den Anfang des Monotheismus als Wandel von mystischen Götterbildern zur Vernunft bzw. einem Wort Gottesverstand im logischen Lebenfluss sieht, der wird seinen Glauben nicht mehr auf mystische Götterbilder beziehen, die immer noch als Erklärungsgrund für die Weltentstehung oder Unerklärlichkeiten missbraucht werden.

    Ich denke: Im rationalen Verständnis um die schöpferische=evolutionäre Sinnhaftigkeit bisheriger Gottesbilder muss der moderne Mensch weder sein naturalistisches Weltverständnis verdrängen, noch das bisherige Gottesverständnis verleugnen, sondern wird hieraus Verantwortung für das Ganze ableiten.

    So wie ich die Wuzeln des Monotheismus und insbesonderer dessen christlicher Neubegründung im griechischen Monismus verstehe, sollte der mündige Mensch die evolutionäre Welterkärung – incl. dessen, was sie über die Gehirnkonstruktion und die notwendige ganzheitliche Betrachtung beibringen – als schöpferisches Wort/Vernunft verstehen.

    Ich hoffe weiter, dass daraus eine Verantwortung für das Ganze im Rahmen der jeweiligen kulturellen Prägung entsteht, die in vollem Bewusstsein zu erreichen ist.

    Gerhard Mentzel

  29. @ Mona

    Wow, das ist ja eine schöne, deutende Umschreibung von Selbsttranszendenz. Im Kontext der Spiritualitätsforschung ist es etwas einfacher gefasst als erfahrene Überschreitung der Ich-Grenzen (wie “Ich fühlte, Teil eines größeren Ganzen zu sein.” – “Mir wurde klar, dass im Universum alles Eins ist.” etc.). Das ist schon deshalb wichtig, weil wir ja die Phänomene interkulturell erfassen sollten und z.B. eine chinesische oder Native-American Erfahrung ebenso erfassen sollten wie eine Selbstaussage westlicher Philosophie. Da liegt auch noch eine Studie eines chinesischen Kollegen bei mir im Regal, die ich schon länger mal vorstellen wollte… Mehr Blog-Zeit bräuchte man… *Seufz*

    Wenn ich das richtig verstanden habe, schneidet man diesen Menschen also einem Hirntumor weg und anscheinend noch etwas Hirn mit dazu und die Patienten werden spiritueller, gewinnen an Selbsttranszendenz. Wieso? Ist Selbsttranszendenz denn etwas Anormales?

    Nicht unbedingt. Es zeigt, dass wir unsere ererbten Gehirnfunktionen modulieren können. Im Vergleich zu uns sind unsere Primaten-Verwandten durschnittlich sehr ego-bezogen und fremdenfeindlich, das Besteigen eines Busses mit lauter Fremden wäre ihnen z.B. nicht möglich. Wir Menschen haben diese Ich-Grenzen bereits abgemildert und der Spirituelle weicht sie (kulturell & individuell) weiter auf. Sowohl individuelles Wohlbefinden wie auch die Fähigkeit zu Toleranz und Gemeinschaft könnten davon profitieren. Also “anormal” wäre es in dem Sinne, dass wir Menschen hier etwas versuchen (können), was wir so unter anderen Großsäugetieren bislang nicht kennen.

    Übrigens: In Avatar hat man diese Spiritualitäts-Sehnsucht künstlerisch so aufgegriffen, dass die Na’vi mit einigen Tieren, im Gebet miteinander und letztlich der ganze Planet untereinander Abgrenzungen aufheben können.
    http://www.chronologs.de/…n-fortschrittszynismus

  30. @ Gerhard Mentzel

    Vielen Dank für die nette Rückmeldung! Jene Teile Ihres Kommentars, die ich verstanden habe, fand ich schön. Heute ist im Tagesspiegel ein Essay von mir erschienen, der sich auch mit dem frühen Christentum beschäftigt – vielleicht gefällt er Ihnen!?
    http://www.tagesspiegel.de/…erung;art141,3029894

  31. @ Katharina

    Vielen Dank! Und nach den ersten Kommentaren zu urteilen, fühlen sich wieder einmal einige “Herren der Schöpfung” mächtig auf den Schlips getreten und sind entsprechend schnell im “Aburteilen”! Naja, dank der Blogerfahrungen bin ich das inzwischen ja immerhin schon gewöhnt. Sie sehen, ich habe viel Grund, allen (auch den kritischen) Blogkommentatoren aufrichtig dankbar zu sein! 🙂

  32. Schöpfung:Kreativität geht über Kinder hinaus

    Danke Herr Dr. Blume, für den Hinweis auf Ihren guten Beitrag im Tagesspiegel.

    Auch wenn ich denke, dass der Kindersegen nicht die einzigen Probleme waren, die zu Zeiten Augustus zu lösen waren. Und die im christlichen Gottesverständnis, das m.E. durch das damalige Verständnis der philosophisch erkärten realen schöpferischen Vernunft als Wort Gottes (in menschlicher Ausdrucksweise erneuter Josua=Jesus genannt), gelöst wurde.

    Und in diesem Sinne sehe auch Ihren Beitrag in der ZEIT als Hinweis auf die heutige Notwendigkeit, mit klarem Kopf ein ganzheitliches aufgeklärtes Welt- und Glaubensverständnis zu entwickeln, das die Welterklärung von Dawkins & Co. nicht ausschließt, sondern in aufgekärter Weise an den Wurzeln unsere Kultur anknüpft.

    Gerhard Mentzel

    Die Sache mit dem Kindersegen will ich dabei nicht kleinreden. Meine Kinder können ein Lied davon singen. Auch wenn ich kaum auf die Idee kommen würde, meinem Sohn erkären zu wollen, dass sich hinter meiner Freude über seine mir kürzlich verkündete frohe Botschaft die mir von Evolutionsbiologen als Lebenssinn erklärte biologische Bestimmung steht, die ich als Stimme bzw. lebendiges Wort Gottes (lt. aufgeklärtem Lesen des NT Jesus) verstehe.

  33. @M.Blume

    Die Meinungen zu teilen ist doch das höchste Lob – Einheitsapplaus dagegen ein Anlaß erneut nachzudenken.

  34. @ Katharina

    Genau! Deswegen sind die häufigen Dankesworte auch ehrlich gemeint! Denn ob konstruktiv-ermutigend oder kritisch-nachhakend – wache und faire Blogkommentatoren machen (auch) dem Wissenschaftler Beine! Und dafür ist das WWW ja mal gedacht gewesen! 🙂

  35. Eine dysfunktionale neuronale Aktivität

    scheint das veränderte spirituelle und religiöse Verhalten zu unterstützen. Sagt zumindest Dr. Urgesi.

    Ich sehe das im Wesentlichen so, wie @Mona es vermutet: Selbsttranszendenz ist im Kern ein “anormaler” Hirnzustand, bei dem eine für die Körperwahrnehmung wichtige Hirnregion gedämpft ist. Ist doch auch logisch: Wenn Areale, in denen die räumlichen Beziehungen zwischen den Körperteilen repräsentiert werden, beschädigt (nach OP) oder durch Training gedämpft oder blockiert werden, kommt es zu ganz merkwürdigen Wahrnehmungen (außerkörperliche Erfahrungen etwa).

    Ob in diesen Hirnarealen auch die Fremdenfeindlichkeit sitzt, ist mir unbekannt. Für die in der Studie beobachteten Phänomene dürfte das aber irrelevant sein.

  36. @ Balanus

    Ja, weitgehend einverstanden. Fremdenfeindlichkeit halte ich zwar für einen (eng verwandten) Aspekt der Ich-Abgrenzung und berufe mich auch hierbei auf Sarah Hrdys “Mothers and others”:
    http://www.chronologs.de/…sforscherin-sarah-hrdy

    Aber es gibt natürlich auch zahlreiche weitere Beispiele. Wenn wir tauchen oder sprechen, “dämpfen” bzw. modulieren wir via Stirnhirn unsere “normalen” Atmungsabläufe – und genau dies erlaubt uns und v.a. unseren Vorfahren ganz neue Möglichkeiten. Nun ist zumindest das Sprechen im Vergleich mit anderen Tieren “anormal” – dysfunktional ist es deswegen noch lange nicht, mindestens nicht generell. Und ganz genau so würde ich es im Bezug auf Spiritualität sehen: Die Fähigkeit zur Modulation erlaubt uns neue Erfahrungs- und Handlungsspielräume.

  37. Die gesamte Hirnphysiologie funktioniert aktivierend UND dämpfend. Es wäre eine Katastrophe, wenn die dämpfenden Funtionen wegfielen wie z.B. bei der Epilesie. Dann könnten wir vieles nicht mehr.

  38. Ironie und Illusionen /@M.Blume

    »Woher haben Sie denn plötzlich ein “geistiges Auge”, lieber @Balanus? Genau hier steckt sie, die Ironie…«

    Und wenn ich auf diese Metapher verzichte, wo steckt sie dann, die Ironie?
    Ich sehe eine gewisse Ironie darin, dass neurobiologische Befunde helfen, die Natur des Glaubens ein kleines bisschen besser zu verstehen.

    So muss man keineswegs ein “extremer Atheist” sein, um spirituelle Erfahrungen als Leistungen des Gehirns zu begreifen, die rein gar nichts mit Illusionen zu tun haben. Selbsttranszendenz ist ein reales Phänomen, keine Sinnestäuschung. Etwas anderes mögen die konkreten Erlebnisse sein, die mit diesen Hirnzuständen einhergehen.

    Ebenso stellt der partielle und/oder temporäre Verlust des Körpergefühls m.E. keine Illusion dar. Das Gleiche gilt für die neuronale Erzeugung des Ich- bzw. Selbst-Bewusstseins.

    Eine Illusion wäre beispielsweise das Gefühl zu schweben, obwohl man auf dem Teppich sitzt.

  39. Tagesspiegel

    Zu dem Tagesspiegel-Artikel: Wahrscheinlich sind die meisten Erstleser auch einfach überfordert mit der Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse. Die üblichen Kritikpunkte haben wir schon dutzendfach unter früheren Artikeln gelesen. Erinnert mich an Diskussionen auf anderen Gebieten, bei denen der Artikelautor einige weitgehend unbekannte Wahrheiten und/oder unangenehme wissenschaftliche Erkenntnisse schildert, die dann sofort angegriffen werden.

    Dabei ist der Artikel gar nicht (so) negativ, wie er aufgefasst wird. Denn das Plädoyer lautet ja gerade nicht: “Werdet gefälligst wieder religiös, ihr säkulären Deppen!” Stattdessen lese ich heraus: Solche Auf- und Abbewegungen hat es schon immer gegeben. Unsere bisherigen Maßnahmen sind falsch. Wenn die Religion zurückgeht, muss der Staat entsprechende Einrichtungen schaffen, anstatt mögliche Eltern billig und durchschaubar bestechen zu wollen. Das ist doch eine Handlungsempfehlung statt (klischeehaft für Deutschland) Untergangsrhetorik.

    Dass auf lange Sicht die religiösen mehr und die säkulären weniger werden, scheint sich bisher immer zu bewahrheiten. Das muss einen aber nicht beunruhigen. Ganz wichtig, und das ist die Demarkationslinie zwischen Wissenschaftler und Ideologen, ist die Feststellung, dass es – trotz aller bisherigen Erkenntnisse, dass es nie geklappt hat – durchaus möglich sein kann, dass eine säkuläre Gesellschaft evolutionär erfolgreich ist und nicht innerhalb weniger Generationen zusammenklappt.

  40. »Sitzt die Spiritualität hinter dem Ohr?«

    Das, lieber @Michael, ist Ihre einleitende Frage im Zeit-Artikel.

    (http://www.zeit.de/…07/Forschung-Gehirn?page=all)

    Weiter unten im Text heißt es dann:

    »Dabei zeigte sich: Fand der Eingriff im hinteren Scheitellappen statt, berichteten die Betroffenen danach von einem deutlichen Anstieg transzendentaler Erfahrungen; sitzt hier also der Sinn für die Unendlichkeit?
    Für Urgesi und Fabbro ist das plausibel. Schließlich führt diese Gehirnregion alle Informationen von Bewegungen, Raum- und Körperwahrnehmungen zusammen; sie erzeugt so unser Selbstbild und hilft uns, das eigene Ich vom Rest der Welt abzugrenzen.«

    Ich frage mich, ob hinterm Ohr wirklich der Sinn für die “Unendlichkeit” sitzt. Ist es nicht vielmehr der Sinn für die “Endlichkeit”, also die Begrenztheit des eigenen Körpers, der dort sitzt? Denn wenn man diesen ausschaltet, erwacht doch erst der Sinn für die Unendlichkeit so richtig.

    Die ‘Abgrenzung des eigenen Ichs von Rest der Welt’ hatte ich zunächst nur auf das rein Körperliche bezogen. Erst später, durch Ihre Erwähnung der Fremdenfeindlichkeit hier im Blog, habe ich gemerkt, dass Sie das auch psychisch oder soziokulturell gemeint haben könnten.

  41. Transzendenz u. Wirtschaft

    Zum Übersteigen der Ich-Grenzen fallen mir die Ansichten des Wirtschaftsexperten Mario Conde ein. Er erklärte: Der Begriff Transzendenz hat zwei Dimensionen – eine spirituell-mystische und eine soziale, die sich ergänzen müssen. “Nur wenn wir unser Wirtschafts- u. Finanzleben von dieser sozial-spirituellen Transzendenz her erneuern, hat es und hat die Menschheit Zukunft.”
    Conde fordert ein sozial effizientes Wirtschaftssystem, in dem Entscheidungsträger die Konsequenzen ihrer Entscheidungen für andere Menschen, Nationen und die Welt bedenken, d.h., sich selbst und ihre kurzfristigen Profitinteressen transzendieren.
    Stunden der Stille und Kontemplation hält er dafür für notwendig, um die Tragweite eigenen Handelns zu erfassen, um zum Eigentlichen, einer an der christlichen Tradition anknüpfenden Reinheit des Herzens, zu finden. Denen, die hierfür keine Zeit zu haben meinen, dürfte seiner Meinung nach keine wirtschaftliche Verantwortung anvertraut werden. (Man sollte wohl ergänzen: auch keine anderweitige.)

  42. Verant-wort-lich wirtschaften

    Hallo Katherina,

    wenn ich nicht erkennen würde, dass Menschen zum nachhaltigen Wirtschaften eine Sinngebung für das Ganze sehen müssen, um nicht weiter nur der egoistischen Gier zu folgen, würde ich hier kaum schreiben. Doch zu dieser Wirtschaft gehören alle Beteiligte: Kapitalgeber, Konsumenten, Kapitäne und Mannschaft. “Gemeinorientierung” sei gefragt. Die Zeit der kurzfristigen Gier sei vorbei. Dies wurde gerade im Hinblick auf die Wirtschaftkrise gesagt. Doch wenn ich uns beobachte, habe ich als in einem per Gesetz zur gemeinorientierten Nachhaltigkeit verpflichteten Unternehmen mitverantwortlich, meine Zweifel. Ja, Menschen brauchen eine gemeinsame Sinngebung, die über politische Parolen hinausgeht. Das war auch im Zusammenbruch des Kommunismus als ursprünglich staatsverordneter Humanismus zu beochten.

    Doch ob diese gemeinsame Bestimmung durch religiöse Gefühle ausgelöst werden kann. Ob diese geistige Ganzheit sich durch bestimmte Techniken erzeugen lassen, auch daran zweifle ich. Zu wissen, wie unser Gehirkasten funktioniert, wo die Spiritualität, die Suche nach Ganzheit ihren Sitz hat und Techniken zu kennen, hier anzuheizen, ist sicher eine nützliche Sache.

    Doch ob das allein genügt, um den Menschen einen gemeinsamen schöpferischen bzw. kreativen Sinn zu geben, der sie im täglichen Bewusstsein als verantwortliche Teile des Ganzen ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig handeln lässt?

    Ich geb die Hoffnung nicht auf, dass mündige Menschen im Verlauf der Evolution wieder die Stimme hören, die unseren Väter Bestimmung gab, die nach meiner Auswertung des Anfangs unseren jüdich-christlichen Glaubens als schöpferisches Wort verstanden wurde, das Verant-wort-lich macht. Und wenn diese Bestimmung von Kultur-wesen auf menschliche Weise umzusetzen ist, dann ist dazu das Wissen um die Funktionsweise unseres Kopfes sicher sehr nützlich.

    Gerhard Mentzel

  43. @ Kunar: Tagesspiegel

    Ja, da haben wir am Artikel die gleiche Erfahrung gemacht! Und ist es nicht interessant, wie sich die “spontanen” Einwände mit all ihrer Emotionalität zunächst gleichen? Am Liebsten hätte ich auch dort gleich geantwortet – aber meine Zeit reicht halt auch einfach nicht, um sich in noch mehr Einzeldiskussionen zu begeben. So muss ich halt abwarten, ob und wie die Befunde durchsickern und sehe immerhin mit Freude, dass zahlreiche Tagesspiegel-Leser auf die Homepage zugegriffen und sich Informationen und Daten selbst heruntergeladen haben. Kommt Zeit, kommt Dat. 🙂

  44. @ Balanus

    Guter Einwand! Sie schrieben:

    Ich frage mich, ob hinterm Ohr wirklich der Sinn für die “Unendlichkeit” sitzt. Ist es nicht vielmehr der Sinn für die “Endlichkeit”, also die Begrenztheit des eigenen Körpers, der dort sitzt? Denn wenn man diesen ausschaltet, erwacht doch erst der Sinn für die Unendlichkeit so richtig.

    Ganz richtig hätte es also heißen müssen: Vorne im Stirnhirn sitzt die Fähigkeit, den Sinn für “Endlichkeit” im hinteren Scheitellappen so zu drosseln, dass ein Sinn fürs “Unendliche” entsteht. Aber ich verrate wohl nicht zuviel, wenn ich schreibe, dass die Redaktion schon zwei Vorversionen des Artikels zu kompliziert fand. Wir müssen uns ehrlich klar machen, dass wir auch hier auf dem Blog auf einem Niveau diskutieren, das nicht breitentauglich ist. Mehr und mehr Menschen an diese wissenschaftlichen Befunde heran zu führen bleibt harte Arbeit (die freilich Freude macht). 🙂

  45. Abgrenzung

    der hintere Scheitellappen ist für Orientierungs- und Abgrenzungsprozesse zuständig.
    Wenn man also ein Stück herausschneidet, dann funktioniert das Ganze nicht mehr so, wie üblich und man wird spirituell.

    Ähnlich ist es auch bei einsamen Menschen: Leute, die sehr oft allein sind, beginnen manchmal mit Tieren und Gegenständen zu reden und ihnen menschliche Charakterzüge zuzuordnen. D.h. die Abgrenzung ist aufgehoben – und sie neigen zur Spiritalität.

  46. Spiritualität als Krankheit?

    Hier wird öfter agumentiert, als ob die Drosselung des Orientierungsfeldes im Scheitellappen (und damit Transzendenzerfahrungen )etwas “Fehlerhaftes” oder “Krankhaftes” sei, das Funktionieren dieser Areale aber “gesund” und “normal”.
    Das mag für Spiritualitäts-Skeptiker so scheinen, aber man könnte es auch umdrehen: spiegeln uns die Orientierungsfelder und Abgrenzungsprozesse nicht eine einseitige und vereinfachte Wirklichkeit vor, die wir gleichwohl zum Überleben erwerben mussten? Vielleicht entwickelten sich Trancezustände seit frühesten Zeiten auch als Korrektiv, die wieder auf das Vernetzte und Prozessuale einer einheitlichen Wirklichkeit (hinter den festen Objekten) aufmerksam machten. Und vielleicht ist das auch immer noch eine wichtige Funktion von Spiritualität und Kunst: einen Blick hinter den Schleier zu werfen. Wie bereits die Membran einer einfachen Zelle die Balance zwischen Öffnen und Abgrenzen zum erfolgreichen Überleben halten muss, so vielleicht wir auch: erst im Wechselspiel von Verdichtung und Auflösung unserer grenzziehenden Begriffe erfahren wir das, was die ganze Wirklichkeit sein könnte.
    Goethe nannte das die Dialektik von “Verselbstung” und “Entselbstung”.

  47. Genau.

    Selbsttranszendenz ist natürlich nichts Anormales, sondern – verstanden als Fähigkeit, über sich selbst hinauszuschauen und Ichgrenzen zu überwinden (tanszendere=übersteigen)- DIE Voraussetzung für Zusammenleben.

    Diese Ichgrenzen variieren unter verschiedenen Bedingungen beim Einzelnen, und das ist sehr funktionell. Störungen dieser Funktion fallen im psychiatrischen Bereich besonders bei schizoiden Typen auf: Die haben chronische Angst vor Entgrenzung und schotten sich deshalb ab.

    Aber das Thema ist ein weites Feld und reicht aufgrund seines Bedeutungsumfangs weit über das Psychiatrische und Hirnphysiologische hinaus und in alle sozialen u. kulturellen Bereiche hinein.

  48. @theologie-der-vernuft

    Hallo, Herr Mentzel,
    wir haben sehr ähnliche Ansichten, soweit ich Sie verstanden habe, und soweit kann ich Ihnen nur zustimmen.

  49. Wirkliche Wirklichkeit /@R. Sünner

    1. Spiritualität ist selbstverständlich keine Krankheit.

    2. Der Verlust des Körpergefühls oder der Orientierung im Raum kann hingegen sehr wohl pathologisch sein. Bewusst herbeigeführt und vorübergehend ist dieser Zustand harmlos und mag für den Betreffenden eine angenehme oder lustige Erfahrung darstellen. Ein dauerhafter Verlust der Körperkontrolle ist sicherlich weniger angenehm.

    3. Es ist gewiss vernünftig anzunehmen, dass wir nur jenen Teil der Wirklichkeit erfassen, der überlebensnotwendig ist. Das ergibt sich aus unserer biologischen Herkunft. Das Erleben von Farben und Tönen könnte man als Vorspiegelung falscher Tatsachen auffassen, als eine Interpretation der wahren Wirklichkeit, die uns aus prinzipiellen Gründen verschlossen bleiben muss. Anhand welcher Kriterien könnten wir entscheiden, ob Trancezustände und Entgrenzungserlebnisse uns einen “tieferen” Einblick in die Wirklichkeit gewähren oder doch nur “Hirngespinste” sind, beruhend auf Fähigkeiten, die im Zusammenhang mit der Evolution unseres sozialen Gehirns entstanden sind?

  50. Entgrenzungserfahrungen

    Natürlich ist Spiritualität nichts Krankhaftes. Mir war bloß nicht klar wieso nach einer Gehirn-OP die Spiritualität ansteigen kann, aber Michael hat es ganz gut erklärt. Außerdem handelt es sich bei solchen Entgrenzungserfahrungen nicht um eine rein körperliche Erfahrung, sondern um ein Zusammenspiel zwischen Körper und Geist. Dieser „andere“ Bewusstseinszustand ist erlernbar, man muss sich vorher also keiner Gehirn-OP unterziehen.

    Ich weiß ja nicht, ob hier jemand Erfahrung mit Meditation hat, falls nicht, habe ich einige leichte Übungen herausgesucht. Am Anfang geht es darum „hören“ zu lernen, den Geräuschen in die Sille zu folgen, innerlich loszulassen, dann werden aus Geräuschen Klänge…

    Zweck dieser Übung ist es mit dem ganzen Körper zu hören, man schwingt sozusagen mit den Geräuschen oder den Tönen im Geiste mit, bis die Trennung zwischen dem Selbst und dem Ton aufgehoben ist, man wird sozusagen selbst zum Ton. Selbst Auto- oder Flugzeuggeräusche werden so nicht mehr als unangenehm störend empfunden, sondern sie verwandeln sich in Töne.

    http://video.aol.co.uk/…lenski-teil-11/999043528

    (Wenn das Video ganz zu Ende ist, erscheint am unteren Rand ein Band und man kann das jeweils nächste Video anklicken.)
    Viel Spaß :-))

    @Balanus
    Körper und Geist werden nicht getrennt wahrgenommen, sie bilden eine Einheit und dehnen sich grenzenlos aus. „Einsseins“ wird mit der gesamten Natur, dem ganzen Universum empfunden.

  51. Kriterien

    @Balanus
    Ihre Frage zu Kriterien bzgl. der Unterscheidung zwischen “Hirngespinsten” und “tieferer” Wirklichkeitserfahrung gehört zu den schwierigsten, die es überhaupt gibt. Wiegesagt sehe ich mich als Agnostiker mit einer grossen Offenheit für das Spirituelle, der aber auch skeptisch gegenüber vielen diesbezüglichen Erscheinungsformen ist.
    Der Psychiater Andrew Newberg beantwortet ihre Frage in seinem Buch “Der gedachte Gott” in erster Linie durch die Wirkungen von Einheitserfahrungen. Er führt Studien an, wonach diese oft zur geistigen und physischen Stärkung beitragen. Sie können Ängste und Depressionen wegnehmen, das Selbstwertgefühl steigern und eine positivere Einstellung zum Leben erzeugen.
    Ich sehe das etwas differenzierter: auch die Nazi-Parteitage waren riesige pseudoreligiöse Einheitsrituale, wo man sich in Lichterdomen selig in die “deutsche Volksseele” auflöste und fit machte für Welteroberung und Massenmord. Die Attentäter des 11. September flogen mit ihren Flugzeugen nicht nur ins World Trade Center, sondern – wie sie glaubten – auch zu Gott. Mystische Einheitserfahrungen können auch zu pathologischen, kriminellen und menschenverachtenden Taten führen, wie auch kollektive Sektenselbstmorde zeigen.
    Wo ist hier die Grenze? Ich denke, man muss den Kontakt zu seinem wachen und auch kritischen Selbst aufrechterhalten, es ist auch gut, sich nicht abzukapseln, sondern im Dialog mit anderen (auch Nichtgleichgesinnten) zu bleiben. Religion und Spiritualität müssen sich meiner Meinung nach heute dem öffentlichen Diskurs stellen, z.B. der Auseinandersetzung mit der Naturwissenschaft und humanistischen Wertediskussionen. Jede autistische Abkapselung und das Beharren auf dualistischen Weltbildern kann “mystische Erfahrungen” zu einem gefährlichen Brennsatz machen. Es ist gut, eigene Standpunkte auch immer wieder zu hinterfragen, sich nicht auf eine Sache zu versteifen, sondern beweglich und neugierig zu bleiben, in mehrere Richtungen zu denken und etwas dazulernen zu wollen. Das wollten Hitler, Charles Manson, Mohammed Atta nicht, auch viele Sekten- und Religionsführer nicht, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen.
    Meine Arbeit zur Zeit ist auch eine Prüfung für meine spirituellen Sympathien. Ich erlebe mich oft als “advocatus diaboli”, argumentiere mit Anthroposophen, Esoterikern und naivgläubigen Christen anders als mit Reduktionisten im Wissenschaftslager. Im Lager der spirituellen Menschen gelte ich zur Zeit als kalter Analytiker und Skeptiker und im anderen Lager vielleicht als romantischer Schwärmer. Ich lasse mich von beiden Stimmen berühren und warte, was sich dabei Neues bildet. Das ist ungemein erfrischend, erweitert meinen Horizont und bewahrt mich – hoffentlich – vor der Verhärtung in die eine oder andere Richtung.

  52. mystisch-religiöse Erlebnisse

    Mystisch-religiöse Erfahrungen werden im Vergleich zu Träumen, Tagträumen, Halluzinationen und anderen Trugwahrnehmungen mit ungleich größerer Realitätsdichte erlebt und führen oft dazu, daß anschließend wesentliche Lebensziele und Prioritäten ganz bewußt geändert werden.
    Kriterien, die das göttlich verursachte Erlebnis vom Hirngespinst unterscheiden lassen, beschäftigen diejenigen im Vatican, die damit betraut sind, die täglich anfallenden Wundermeldungen zu bearbeiten. Wär ganz interessant, deren Kriterien zu kennen.

  53. @Rüdiger Sünner

    „…auch die Nazi-Parteitage waren riesige pseudoreligiöse Einheitsrituale, wo man sich in Lichterdomen selig in die “deutsche Volksseele” auflöste und fit machte für Welteroberung und Massenmord.“
    Sie verwechseln hier etwas. Es geht nicht um Massenhysterie oder um einen anderen gefährlichen Wahn, sondern um „Entgrenzung“, welche ein Verschmelzen mit den Dingen beinhaltet. Wer sich mit der ganzen Welt eins fühlt hat mit Sicherheit keine Mordgelüste.

  54. Einssein

    @Mona
    So einfach ist es leider nicht, mir wäre es so auch lieber.
    Aber Mystik, Religion, Politik und Ideologie sind seit Hunderten von Jahren sowohl positiv wie auch negativ miteinander verschränkt. Die erhabensten, aber auch scheusslichsten Dinge wurden begangen, weil sich die entsprechenden “Visionäre” eins mit dem kosmischen Ganzen fühlten, im Auftrag höherer Mächte handelten etc. Hitler und die okkulten Interessen von Himmler und der SS sind nur ein besonders drastisches Beispiel. Aber bis heute wimmelt die Esoterik-Szene von durchgeknallten “Erleuchteten”, die alle möglichen Absurditäten und Psycho-Techniken mit der Einsicht in höhere Welten begründen – und auch williges Publikum dafür finden. Selbst im tibetischen Buddhismus gab es z.B. Ritualmorde im näheren Umfeld des Dalai Lama, die im Namen kosmischer Stimmen und transzendenter Einflüsse verübt wurden. Gerade auf diesem Gebiet ist Unterscheidungsvermögen besonders wichtig.

  55. Ja @Rüdiger Sünner

    Natürlich gibt und gab es auf dieser Welt einen Haufen Durchgeknallte, Scharlatane und Spinner aller Art. Alle möglichen Verbrechen wurden im „Dienste“ einer höheren Macht verübt – unbestritten. Insofern kann man hier wohl auch kaum echte von falscher Innerlichkeit unterscheiden. Trotzdem muss man hier von echter Spiritualität ausgehen, sonst kann man sie kaum erforschen. Außerdem wollte ich mich auf die Definition von Selbsttranszendenz beziehen, wie ich sie in meinem Kommentar vom 13.02.2010 | 18:28 aus dem Wörterbuch der Psychologie entnommen habe.

  56. @H.G. Schuster

    Herzlich willkommen auf dem Blog! Schauen Sie sich ruhig ein wenig um, hier ist schon viel zum Thema geschrieben und auf überwiegend hohem Niveau diskutiert worden. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie sich hin und wieder einklinken und so ein Stück mithelfen, die Arbeiten rund um die Evolution von Religiosität und Religionen zu beleuchten und zu entwickeln.

    Herzliche Grüße!

  57. Selbsttranszendenz /@Mona

    »Außerdem wollte ich mich auf die Definition von Selbsttranszendenz beziehen, wie ich sie in meinem Kommentar vom 13.02.2010 | 18:28 aus dem Wörterbuch der Psychologie entnommen habe. «

    Wenn ich diese Definition richtig verstanden habe, dann hat sie nichts (oder fast nichts) mit der von den Studienautoren gemeinten Selbsttranszendenz zu tun (vermindertes Selbst-Gefühl und die Fähigkeit, das Selbst als integralen Teil des Universums zu erleben, oder so ähnlich).

    Welchen Effekt die Hirn-OP auf die von Ihnen gemeinte ST hat, ist meines Wissens nicht untersucht worden.

  58. Kriterien /@ R. Sünner

    Wenn uns trotz unseres fortgeschrittenen Alters etwas Ähnliches widerfahren sollte wie einst Saulus/Paulus, dann wird sich die Frage nach den Kriterien nicht mehr stellen. Das mag ein gewisser Trost sein.

    Ihre Ausführungen kann ich sehr gut nachvollziehen.

    (Jetzt haben Sie mich doch noch neugierig auf den Film gemacht, an dem Sie derzeit arbeiten 🙂

  59. “die Stimme hören”

    Ich möchte allen Beteiligten meine Hochachtung ausdrücken, die ich beim Lesen empfunden habe, sowohl für den Inhalt als auch für den vorsichtigen Umgang mit den unterschiedlichen Meinungen.

    Mein Beitrag knüpft an die Hoffnung von „Theologie der Vernunft“ an,
    „dass mündige Menschen im Verlauf der Evolution wieder die Stimme hören, die unseren Väter Bestimmung gab,“

    Für mich gibt es zwei verschiedene Formen der Religiosität: Zum einen die religiösen Gefühle unterm Sternenhimmel oder in der Meditation, das sind Realitäten mit hirnphysiologischem Hintergrund, schöne Gefühle, die unsere Verbundenheit mit dem All empfinden lassen. Ein allmächtiger „Herr“-„Vater“-„Gott“ ist dafür nicht nötig.

    Eine andere Form der Religiosität ist das Erbe von Abraham und Moses, das sich in den drei „Offenbarungsreligionen“ auf der ganzen Welt mit Waffengewalt durchgesetzt hat.

    Dieses geistige Erbe der Nomadenhäuptlinge Abraham und Moses vererbt bis in unsere Zeit das Dogma von einem sprechenden Gott, der von den Menschen stets unbedingten Gehorsam von der Genitalverstümmelung bis zum Kindsmord fordern kann. Nach diesem abrahamitischen Erbe sind die Worte Gottes heilig, an ihnen darf nicht gezweifelt werden.

    Abraham und Moses kamen zu der Meinung, daß es einen sprachfähigen Gott gibt, weil diese beiden „Propheten“ in großer Einsamkeit gelegentlich eine Stimme hörten, die sich als Gott ausgab und Ihnen großartige Versprechungen machte unter der Bedingung, daß sie mit ihrem Stamm immer brav Gottes Willen folgen.

    Das Hören von Stimmen ist bekanntlich Leitsymptom für die Diagnose „Schizophrenie“. Jeder Psychiater kann bestätigen, daß seine Patienten oft Geister, Dämonen, Gott oder Teufel hinter den Stimmen annehmen und ebenso häufig großartige Vorstellungen von der Errettung der Welt usw. von ihnen geäußert werden.

    Mit seinem blinden Gehorsam gegenüber der „göttlichen“ Stimme wurde Abraham beinahe zum Mörder seines Sohnes.

    Unter Moses Befehl wurden „im Namen des Herrn“ von den Hebräern ganze Stämme umgebracht und in einer Nacht sogar dreitausend der eigenen Leute, die mit Musik und Tanz das goldene Kalb gefeiert hatten. Mit strengen Rassengesetzen, dem Verbot der Mischehe, der Tötung Andersgläubiger usw. läßt sich ein Vergleich des Massenmörders Moses mit dem „Propheten“ A.Hitler nicht von der Hand weisen.

    Hitler, Himmler, Goebbels und die meisten Nazis hatten ein streng- christliches Elternhaus, sie hatten das geistige Erbe Abrahams und Moses von Kindheit an verinnerlicht, und derselbe rassistische Größenwahn (auserwähltes Volk) und derselbe abrahamitische bzw. militärische Kadavergehorsam war die Grundlage ihrer mörderischen Diktatur.

    Ich will damit sagen: religiöse Gefühle a la Einstein sind harmlos, aber eine religiöse Einstellung auf dem geistigen Fundament von Abraham und Moses ist verhängnisvoll und sollte heute nicht mehr unterstützt werden.

    Leider muß ich immer wieder feststellen, daß die Kirchen aller monotheistischen Religionen am Erbe Abrahams und Moses völlig unkritisch festhalten, am sprechenden, mörderischen Gehorsam fordernden Gott.

    Der Gehorsam Abrahams wird besonders im Islam hoch geachtet; zum Gedenken an seine knapp verhinderte Kindstötung wird jährlich das Opferfest Bairam als wichtigstes Fest der Muslime gefeiert, bei dem jede Familie ein Schaf schlachtet.

    Das Ergebnis sehen wir täglich in den Nachrichten: Krieg und Selbstmorde aus religiösem (abrahamitischem) Gehorsam.
    Es soll auch amerikanische Gewehre mit eingravierten Bibelsprüchen geben.

    S.R.

  60. @ Rehm

    “Mit seinem blinden Gehorsam gegenüber der „göttlichen“ Stimme wurde Abraham beinahe zum Mörder seines Sohnes.”

    Wenn Sie jetzt noch einen Schritt weitergehen und auch sehen, daß Abraham “vor dem Herren stehen blieb” und mit ihm um Sodom feilschte, dann haben Sie es. Die Entwicklung ist das Entscheidende! Es ging um die Mündigkeit des Menschen -und um die geht es auch heute noch!

  61. @Rehm: Lektüre empfohlen

    Lesen Sie doch mal die Bibel, da finden Sie auch unter den 10 Geboten : Du sollst nicht töten.

    Man kann sich in einen religiösen Wahn hineinsteigern – das ist die eine Seite.
    Man kann aber auch die Texte vollständig lesen und danach handeln – das ist die andere Seite.

    Und wenn sie die aktuellen Selbstmordattentate ansprechen – sie stimmen nicht mit der Lehre des Islam/Koran überein. Bloß weil Verbrecher den Koran für ihre Untaten mißbrauchen, kann man nicht diese Schrift dafür verantwortlich machen. Denn für manche Mörder reicht allein schon die Existenz eines Opfers aus, um es umzubringen.

  62. @ Steffen Rehm

    Danke für Ihren Beitrag. Mit Ihrer ersten Definition von Religiosität scheint mir Spiritualität (als Erfahrung von Entgrenzung, Einswerden mit dem Universum etc.) gemeint zu sein, mit der zweiten Religiosität als Dialog mit übernatürlichen Akteuren. Diese zweite finden Sie problematisch.

    Nun, wie wir gesehen haben, kann JEDE Fähigkeit des Menschen für Gutes oder Schlechtes mißbraucht werden: Mit der Sprache können wir aufbauen oder hetzen, mit der Musik zusammenführen oder ausgrenzen (& manipulieren), mit der Wissenschaft Medizin entwickeln oder Massenvernichtungswaffen. Ohne Religiosität hat es keine bedeutende Zivilisation gegeben – und jene Regime, die sich an der Abschaffung versucht haben (wie die Sowjetunion, Nordkorea, China, die “humanistische” DDR u.v.m.) haben innerhalb weniger Jahrzehnte unfassbares Leid über die Menschheit gebracht. Und auch die ersten Selbstmordattentate in Nahost wurden nicht von Religiösen verübt, sondern von der damals zutiefst sozialistischen PLO, die u.a. mit der deutschen RAF verbündet war. Erst später wanderte dieser Extremismus in die Religionen ein (vgl. ebenso Afghanistan vor und nach der “kommunistischen Befreiung”). Es gibt dagegen keine freiheitlichen Demokratien ohne auch demografisch aufblühende Religionsgemeinschaften.

    Sowohl Spiritualität wie auch Religiosität werden auch in Zukunft zum lebendigen Erbe der Menschheit gehören. Vielleicht kann wissenschaftliche Forschung und dialogische Reflektion dazu beitragen, dass positive Entwicklungen gestärkt und negative verhindert oder wenigstens gedämpft werden – das ist zumindest meine Hoffnung. Aber solange wir nicht einmal eine säkulare Population finden können, die sich auch nur zwei, drei Generationen hinweg demografisch stabil entfaltet, halte ich die Mär von einer religionslosen Welt für unbegründet.

  63. Moralempfinden @Balanus

    „Wenn ich diese Definition richtig verstanden habe, dann hat sie nichts (oder fast nichts) mit der von den Studienautoren gemeinten Selbsttranszendenz zu tun (vermindertes Selbst-Gefühl und die Fähigkeit, das Selbst als integralen Teil des Universums zu erleben, oder so ähnlich).
    Welchen Effekt die Hirn-OP auf die von Ihnen gemeinte ST hat, ist meines Wissens nicht untersucht worden.“

    M.E. ist diese Definition nur eine ausführlichere Beschreibung von Selbsttranszendenz, wie sie auch in vielen Berichten von Yogis und anderen Meditierenden beschrieben wird. Moralisches Empfinden wird dabei immer wieder als eine dem Menschen innewohnende Fähigkeit beschrieben, die es nur zu „entdecken“ gilt. Neuerdings schlisst sich diesem Gedanken auch die moderne Wissenschaft an. Religion könnte demnach auch ein Nebenprodukt eines angeborenen moralischen Empfindens sein.
    Siehe hier:
    http://science.orf.at/stories/1638692/

  64. Religion und Gewalt

    Auch ich finde Steffen Rehms Auslegung des Alten Testaments zu einseitig. Die heiligen Texte sind enorm vielschichtig und nicht auf einen Nenner zu bringen, auch nicht der von Rechten gerne gegen das Judentum vorgebrachte Begriff des “auserwählten Volkes”. Aber die heiligen Texte der monotheistischen Religionen und des Hinduismus und Buddhismus enthalten auch viel Gewalt und archaische Vorstellugen, die nicht mehr in unsere Zeit passen. Es gibt wahrscheinlich keine edle, echte, reine Spiritualität, die dann nur von irgendwelchen Halunken missbraucht wird.
    Deshalb müssen alle diese Texte durch den oft auch schmerzhaften Prozess von Aufklärung und Kritik hindurch, wo die Spreu vom Weizen getrennt wird – und wo buchstäbliche und absolute Auslegungen ad absurdum geführt werden.
    Ein Hauptproblem ist wohl, wie ich individuelle Freiheit und Transzendenzerfahrungen zusammenbringe. Denn wenn ich in der Entgrenzung ein ewiges, göttliches, weises Ganzes erfahre, kann dies leicht zur Autorität werden, der ich nur noch zu folgen brauche. Die Evolution hat aber unser Hirn auch mit der Fähigkeit zur Reflexion, Kritik, Selbstbestimmung und selbst Blasphemie ausgestattet. Auch diese Eigenschaften wären dann – um im Bild zu bleiben – gottgewollt. Ein “gottgefälliges” Leben wäre dann das ewige produktive Wechselspiel zwischen Transzendenzerfahrungen und rationaler Dekonstruktion. Warum auch nicht?

  65. Spiritualität in der Medizin

    Hier hat sich ein Medizinprofessor Gedanken zu Spiritualität und Religion gemacht. Er meint u.a. „Spirituelle Phänomene nach den Kriterien einer evidenzbasierten Wissenschaft zu bewerten, beinhaltet die Gefahr eines grundsätzlichen Kategorienfehlers.“

    Sehr lesenswert: http://www.linus-geisler.de/…litaet_medizin.html

  66. @Mona /noch einmal zur Selbsttranszendenz

    In der von Herrn Blume vorgestellten Studie geht es nicht um einen abstrakten Selbsttranszendenz-Begriff der „existenzanalytischen Anthropologie“, sondern um ganz konkrete Sinneswahrnehmungen. Läsionen in den betreffenden hinteren Hirnbereichen können bei den Patienten zu bestimmten pathologischen Wahrnehmungen (Autoskopie) führen. Diese haben wohl einen engen Bezug zu den in der Studie abgefragten Erfahrungen der Selbsttranszendenz.

    Dass dem Menschen die Moral in die Wiege gelegt ist, wird heute kaum noch bestritten.

  67. KRichhard: Genaue Lektüre ist wichtig

    Lesen Sie doch mal die Bibel genau, dann sehen Sie, daß das Gebot: „Du sollst nicht töten“ von seinem Überbringer Moses sofort tausendfach gebrochen wurde (3000 unschuldige Opfer in einer Nacht).
    Das nenne ich das „schizophrene Erbe“ des Massenmörders Moses, der von Juden, Christen und Islamisten heute noch als heiliger Religionsstifter verehrt wird:
    Das 5. Gebot gilt nur für die religiösen „Schafe“,
    die „Hirten“ dürfen im Namen Gottes zügellos morden.

    S.R.

  68. Linus Geisler

    …hat einen vorzüglichen Aufsatz zur Spiritualität verfaßt! (Siehe Monas Empfehlung) Unbedingt lesenswert.

  69. Ein möglicher evolutionärer Grund für Religion

    Ist es nicht so, dass wir alle ein Bedürfnis nach einem umfassenden Weltbild haben. Es ist dabei ein bisschen so, als ob wir in einem Raum nicht gern einen dunklen Winkel haben möchten in dem sich noch etwas Unbekanntes versteckt.Wir möchten ihn umfassend kennen. Also Angst als Basis der Religion. Religion hilft uns das Weltbild zu vervollständigen und möglichst kontrollierbar zu machen. Wenn der Regen von Göttern kommt können wir sie besänftigen und damit kontrollieren.Dies würde den evolutionären Druck erklären, der dazu zu führen scheint, dass überall wo Menschen sind sich auch religiöse Ideen und Rituale entwickelt haben. Die schöne-aber schwere und provokante- Frage wäre: Ab wann entwickelt eine Gruppe von künstlichen Computeragenten eine Religion?

  70. Alles erklären

    @Schuster
    Sie vermuten einen umfassenden Erklärungszwang für die Entstehung des Religiösen. Wie wäre dann das Moment von Verehrung zu erklären, das Religion und Spiritualität seit frühesten Zeiten auch besitzen? Der Schauer und die Andacht vor dem Grossen, Unerklärbaren und auch Dunklen?

  71. Antwort an Herrn Sünner

    Angst als eine mögliche Wurzel der Religion könnte schon zu Schauer und Vereehrung führen. Aber mein Ziel war nicht “alles zu erkläeren” sondern nur einen Hinweis auf eine mögliche Erklärung zu geben. Allerdings ist es schon so dass wir uns fragen sollten wo denn die Ursachen für religiöse Überzeugungen liegen Da diese Überzeugungen sehr stark sind müssen sie an menschlichen Urmotiven angreifen, die unsere Handlungen bestimmen, wie etwa Angst, Macht,Sehnsucht nach Geborgenheit in der Gruppe etc.

  72. Huldigung an das Ganze

    So sehr auch ich an die von ihnen genannten Urmotive glaube und immer wieder auch Skepsis gegenüber transzendenten Dingen hege, so will ich einfach mal einen spielerischen Gegenentwurf wagen. Könnte es nicht noch andere Urmotive geben, in die wir uns heute nur noch schwer hineindenken können?
    Ein beliebter Begriff in der heutigen Wissenschaft ist “Emergenz”, die Fähigkeit zu neuen Bildungen, die nicht mehr nur aus ihren Teilen zu erklären sind. Schon die Gestaltpsychologie um 1900 sprach davon, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Das Ganze ist also nicht aus tieferen Stufen herleitbar und besitzt eine eigene, nicht auflösbare Qualität. Deshalb spricht die amerikanische Biologin Ursula Goodenough auch von dem “Mysterium der Emergenz” und Einstein von der “höheren Vernunft” des Weltalls. Könnte es nicht sein, dass bereits frühe Völker diesem unerklärbaren Ganzen in Form von Kulten, Symbolen, Gesängen und Kunstwerken huldigten.
    Aus Motiven, die auch mit Demut und Dankbarkeit für die “Gaben des Kosmos” (Sonne, Licht, Wärme, Nahrung, Schönheit, Nachwuchs, Regenerationskräfte) zu tun hatten und nicht nur mit Angst, Erklärungszwang, Macht, Sicherheitsbedürfnis und Gruppenstabilität? Und könnten dies nicht auch Motive für heutige Spiritualität sein?

  73. ergänzend

    Gott ist “semper maior”, der je Größere, (entsprechend bei den Muslimen “Allahu akbar”, Gott ist größer), jedoch nicht herleitbar,
    er ist die Transzendenz, doch in der Immanenz,
    er ist ewig, aber in der Zeitlichkeit,
    er ist unermeßlich, aber im Raum,
    er ist das Absolute im Relativen,
    das Urgeheimnis in der Wirklichkeit von Welt und Weltgeschichte.
    (s. Hans Küng)

  74. Dankbarkeit

    Dankbarkeit ist sicher auch ein Urmotiv menschlichen Handelns und daher sicher eine mögliche Ursache für Religiosität. Emergenz tritt, wie Sie richtig sagten ,dann auf wenn etwas mehr ist als die Summe der Teile. Einfachstes Beispiel: Bei zwei Wassermolekülen kann sich keine Wasserwelle bilden, dazu braucht es sehr viele Moleküle und als neue kollektive Eigenschaft ist dann eine Welle möglich.
    Also Emergenz per se sagt nur, dass aus vielen Einzelelementen etwas völlig Neues entstehen kann, aber noch nicht wie das geschieht und was das Neue ist. Emergenz ist in dem Sinn keine vollständige Erklärung. Religion ist als soziales Phänomen, sie tritt ja gerne bei Gruppen auf, sicher eine emergente Erscheinung “nur” fehlen uns die Details. Sie ist auch eine emergente Erscheinnung in unserem Gehirn, also im Kollektiv der Nervenaktivitäten. Aber auch diese Aussage hat wenig Erklärungkraft solange wir keine Details kennen.Die Frage nach Wesen und Ursache der Religion geht also weiter.

  75. zum Thema Huldigung

    Prof. Jonathan Harvey vertont zur Zeit den Gedanken des Weltethos basierend auf den Leitgedanken aus “Der Anfang aller Dinge” von Hans Küng für die Berliner Philharmoniker.
    Vielleicht wird man in seiner Musik etwas von dem hören, worüber wir uns hier Gedanken machen.

  76. Musik

    “Vielleicht wird man in seiner Musik etwas von dem hören, worüber wir uns hier Gedanken machen.”

    Sicher: “Am Anfang war der Rhythmus” (Hans v.Bülow)

    S.R.

  77. Mehrere Faktoren

    Zu der spannenden Diskussion möchte ich nur anmerken, dass die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen und auch ich inzwischen von mehreren emotiven und intellektuellen Wurzeln von Religiosität und Spiritualität ausgehen. Es war (und ist!) sicher “auch” Angst, Dankbarkeit, soziales Bedürfnis etc., die sich dann (und heute!) zu neuen Formen bündelten (-> Emergenz). Auch schon Darwin selber ging davon aus:
    “Das Gefühl religiöser Ergebung ist ein in hohem Grade complicirtes, indem es aus Liebe, vollständiger Unterordnung unter ein erhabenes und mysteriöses höheres Etwas, einem starken Gefühle der Abhängigkeit, der Furcht, Verehrung, Dankbarkeit, Hoffnung in Bezug auf die Zukunft und vielleicht noch anderen Elementen besteht. Kein Wesen hätte eine so complicirte Gemüthserregung an sich erfahren können, bis nicht seine intellectuellen und moralischen Fähigkeiten zum mindesten auf einen mässig hohen Standpunkt entwickelt wären.”
    http://de.wikisource.org/…wahl_I/Drittes_Capitel

  78. Mutti war´s

    Eine wesentliche Quelle für spirituelles Erleben dürfte die Erinnerung an eigene frühkindliche Erlebnisse sein. Nach der Geburt ist ein Baby fast blind; kann hören, fühlen, schmecken.
    Wenn es von der eigenen Mutter(*) versorgt wird, dann empfindet es Geborgenheit, Wärme, Liebe und erstmals direkte Ansprache – bei einem hellen Licht.
    Die Mutter(*) kann aber mangels Sehfähigkeit noch nicht erkannt werden. D.h. diese Erfahrung wird als ´sprechendes Licht(wesen)´ im Gedächtnis abgespeichert. Wobei man berücksichtigen muss, dasss dies nur in Form von Emotionen/Gefühlen geschieht; da ein Baby noch keinen Wortschatz hat, um seine Erlebnisse zu benennen.
    (* = Mutter und andere Personen, die sich liebevoll um das Baby kümmern)

    Dieses Gefühlserleben haben alle Menschen – denn sonst könnte ein Baby nicht überleben.

    Erinnert man sich später (z.B. als Erwachsener) an solche Erlebnisse, so werden sie als unbeschreibliches (spirituelle) Erfahrung empfunden – weil diese Erlebnisse mit dem aktuellen Verstand falsch neu beurteilt/bewertet werden.
    Dieses Erleben ist weltweit gleichartig und daher ähneln sich die spirituellen Wurzeln aller Menschen

    (Erlebnisse werden beim Erinnern immer neu bewertet; Buchtipp: Falsches Erinnern, Sina Kühnel, Hans J. Markowitsch, Spektrum-Verlag)

  79. noch ein Aspekt

    ..zur Religionsentstehung

    Oben wurde zurecht gesagt, daß man (aufgrund von Studien) nicht mehr daran zweifelt, daß ein moralisches Empfinden angeboren ist. Ich würde sogar behaupten, daß Vorstufen davon bei manchen Tieren vorhanden sind, z.B. Altruismus bei Delphinen, von denen man immer ´mal wieder hört, daß sie Menschenleben retten.(Die werden uns ja wohl nicht mit ihresgleichen verwechseln). Vorstufen der Moral wie des Bewußtseins gab es also vielleicht schon vor dem Menschen, bei dem sich beides dann weiterentwickelte.

    Einen anderen Aspekt des moralischen Empfindens, nämlich Gewissen und Scham wird man bei Tieren wohl vergebens suchen. (Der betretene Gesichtsausdruck eines Hundes, wenn man mit ihm schimpft, soll jedenfalls ein Anthropomorphismus sein).
    In der Bibel wird das erstmalige Auftreten von Gewissen und Scham in der Vertreibung aus dem Paradies metaphorisch beschrieben. Daß sich beides im männlichen und weiblichen Bewußtsein auch noch verschieden ausprägte (wie ich andernorts halb scherzhaft ausführte), bietet den Vorteil einer aus der Diversität resultierenden Herausvorderung, einer Förderung der Evolution des Bewußtseins.
    Und dazu diente auch das Bedürfnis, ein schlechtes Gewissen durch religiös eingebundene, vor allem rituelle Maßnahmen – die sind psychologisch nämlich sehr wirkungsvoll – wieder loszuwerden.

    Das ureigenste Gefühl einer menschlichen Seele, die Sehnsucht nach dem Guten, Reinen, kann man der mißratensten Persönlichkeit nicht absprechen; es ist zweifellos das Menschlichste überhaupt und hat eine immense kreative und soziale Kraft.
    Christen interpretieren es als Gottes Absicht, und um den Grad der Zugehörigkeit zur menschlichen Seele zu beschreiben und damit ihren Anteil an der göttlichen, gebrauchte Augustin den Ausdruck interior intimo meo, mir innerlicher als mein Innerstes.

  80. @Katharina

    Mit dem Begriff ´angeboren´ muss man vorsichtig umgehen.
    Denn ein Fetus hat schon eine Menge gelernt, bevor er als Baby auf die Welt kommt.

  81. @KRichard

    Ja, das stimmt wohl…aber beim moralischen Empfinden kann man sich das intrauterine Lernen so schwer vorstellen.

  82. Musik

    Musikalische Offenbarungen zu unserem Thema:
    J.S. Bachs H-Moll-Messe und Orgelwerke, Mozarts Requiem, Beethovens Missa solemnis und Bruckners Monumentalwerke,
    dazu aus dem letzten Jahrhundert noch Mahalia Jacksons Gospelsongs, all das kann mich in Kirchen oder Konzerthallen locken und meine religösen Gefühle aktivieren.

    Höre ich dagegen Rundfunkübertragungen der allsonntäglichen Gottesdienste, dann dreht sich mir musikalisch der Magen um.
    Diese zeitgenössische Kirchenmusik kommt passend zum „Pfaffengewäsch“ so kraftlos, unglaubwürdig, totkrank daher, egal, aus welcher Konfession oder Kirche, selbst die Trompeten und Posaunen oder kirchliche Rockbands wirken so jämmerlich, daß auch ein Gott sich mit Schaudern von solchen Lobpreisungen abwenden müßte, wenn er ein wenig musikalisch wäre.

    S.R.

  83. @Katharina

    Der Begriff ´angeboren´ klingt nach genetisch vorgegegeben – aus diesem Grund sollte man vorsichtig sein.

    An der Uni Würzburg fand man heraus, dass 5 Tage alte Babys im Rhythmus ihrer Muttersprache schreien
    Literatur: Gehirn&Geist 1-2/2010: Kleine Stimmenimitatoren.

    Feten (34-39. Woche) können schon Vokale und einfache Melodien unterscheiden
    Literatur: GEO kompakt Nr. 17, Die Welt des Ungeborenen

    Es wäre also gar nicht abwegig, dass Feten auch Emotionen (gute/schlechte Laune) schon empfinden. Auch wenn sie noch nicht wissen, was das ist – und der Begriff Moral hier noch nicht möglich ist; da dieser bewusstes Entscheiden voraussetzt.

  84. @KRichard

    Ich las heute, daß Neugeborene sogar zwei Sprachen unterscheiden können.

    Ein empathischen Mitschwingen mit Emotionen der Mutter kann ich mir auch vorstellen. Vielleicht geht das ja wirklich so weit, wie Sie meinen.

  85. @KRichard: Muttererfahrung

    Ja, der Vergleich religiöser Ur-erfahrungen mit der Geborgenheit im Mutterleib und den ersten Sozialbeziehungen wird immer wieder angeführt. Er würde ja auch ganz hervorragend zu Sarah Hrdys Buch & Thesen passen.

    Gleichwohl bin ich ein wenig skeptisch, weil mütterliche Bezugnahmen gerade in heno- und monotheistischen Systemen doch eher selten und randständig vorkommen. Stattdessen wird die Gottheit oft männlich konnotiert (Vater, König etc.), der Glaubende “fühlt sich geboren wie in Abrahams Schoß” etc. Ehrlich gefragt: Wie passt das zur Annahme einer erlernten, mütterlichen Urerfahrung?

  86. @ Steffen Rehm: Musikalität

    Der Vergleich von Religiosität und Musikalität ist nicht nur nützlich, viel deutet auch darauf hin, dass es eine zumindest teilweise Koevolution beider Merkmale gab und vielleicht noch gibt (Musik, Trancetänce, Rezitationen, Chorgesang etc. als Teil religiösen Rituals und religiöser Erfahrung etc.) Beide Merkmale entfalten sich in biokulturellen Evolutionsprozessen, im ständigen Wechselspiel des Vererbten und Gelernten.
    http://www.chronologs.de/…iokulturelle-evolution

    Im Buch haben wir dazu schon mal ein paar Stimmen gesammelt, aber es steht schon zu hoffen, dass es dazu noch weitere, grundlegende Forschungen geben wird.

  87. @Blume: Urerfahrung

    Ich nehme bei der Beschreibung des Lichtwesens den Begriff ´Mutter´ nur als Kürzel – stellvertretend für die Mutter und alle Personen, welche sich liebevoll nach der Geburt um das Baby kümmern.

    D.h. das sprechende Lichtwesen ist eine Urerfahrung von Liebe, Glück und Geborgenheit. Babys wissen noch nicht, was eine Mutter, ein Vater, Geschwister, … sind. Sie wissen vermutlich noch nicht einmal, dass sie eigenständige Lebewesen sind. Außerdem können sie noch nicht sprechen und ihre Erfahrungen mit Begriffen benannt im Gedächtnis abspeichern.
    Die erlebten Emotionen eines Babys werden aber dann beim Wiedererinnern durch den aktuellen Verstand (Neurologen sagen, das ´Selbstmodell´) neu interpretiert, bevor sie in das Bewusstsein kommen.

    Auch wenn Gottheiten oft neutral oder männlich betrachtet werden – so sollte man doch nicht übersehen, dass das weibliche Element eine sehr große Rolle spielt. Betrachten sie die kath. Religionspraxis: die größten Wallfahrtsorte (ausgenommen Rom), verehren Maria: Lourdes, Altötting, Montserrat, Tschenstochau, usw.

    (PS: Im neuen Heft von Spektrum der Wissenschaft befindet sich der Artikel ´Roboter mit Entdeckerlust´. Dort wird die Bedeutung des Selbstmodells im Experiment ersichtlich.)

  88. Akustisches

    “Die Sonne singt nach alter Weise in Brudersphären Weltgesang” (aus dem Faust). Das ist die Idee der Sphärenharmonie. Sie reicht (wikipedia) von den Pythagoreern bis zur Superstringtheorie, die im Grunde besagt, so der Physiker Brian Greene, daß unser Kosmos “nichts als Musik” sei (string=Faden=Saite).

    Das Akustische hat einen höheren Stellenwert als das Optische. Erstens ist es das Erste, was wir im Mutterleib von der Welt wahrnehmen: Töne, Geräusche, vor allem die Stimme der Mutter – sprechend (“Am Anfang war das Wort” hat hier auch seine Richtigkeit) und auch singend, wenn sie glücklich ist. Zweitens entwickeln Menschen, die ihr Gehör verlieren, eher Wahnvorstellungen als jene, die erblinden. Das Akustische hat die stärkste Lebendigkeit.
    Die Beziehung zu Gott beruht auch viel mehr auf dem Hören als auf dem Sehen. Hören, angehören, gehorchen sind bedeutungsvoll.

    Insofern ist es nur plausibel, daß unsere spirituelle Wahrnehmungsähigkeit im Gehirn in unmittelbarer Nähe zur akustischen liegt und eng mit ihr kooperiert.

  89. @ M. Blume

    Wie K.Richard sagt, fällt bei der ersten optischen Wahrnehmung des Babys Mutter und Licht zusammen.
    Der Tag, die Sonne wurden am Anfang menschlicher Deutungsversuche der Natur dem Weiblichen zu geordnet, die Nacht, das Dunkle, als Gegenpol dem Männlichen.
    (s. “Mythology Among the Hebrews and Its Historical Development” Ignaz Goldzieher, ein bedeutender Orientalist).
    Ich weiß nicht, ob das inzwischen überholt ist; Goldzieher verstarb 1921.

  90. Ist Gott männlich oder weiblich? @Michael Blume

    „Gleichwohl bin ich ein wenig skeptisch, weil mütterliche Bezugnahmen gerade in heno- und monotheistischen Systemen doch eher selten und randständig vorkommen. Stattdessen wird die Gottheit oft männlich konnotiert (Vater, König etc.), der Glaubende “fühlt sich geboren wie in Abrahams Schoß” etc. Ehrlich gefragt: Wie passt das zur Annahme einer erlernten, mütterlichen Urerfahrung?“

    Sehr gut! Schließlich stand am Anfang, auch der Menschheitsgeschichte (siehe Venus-Figurinen), die Mutter. Auch wenn man sich später an Königen und Herrschern orientierte, so ist die „Mutter“, z.B. im integralen Yoga, immer noch die Gottheit mit der der Yogi eine Vereinigung anstrebt. Gott ein Geschlecht zuzuordnen halte ich für ein Unding. Vorsichtshalber habe ich mir in dieser Frage Rat von einem ehemaligen ev. Pfarrer geholt. Siehe hier:

    http://www.heinrich-tischner.de/…ch/1cgt-m-w.htm

    Und: Die germanische Bezeichnung *guda- „Gott“ war ursprünglich ungeschlechtlich, neutral, ebenso wie andere germanische Bezeichnungen für Gott bzw. Gottheiten. Bei der Übertragung auf den christlichen Gott wurde das Wort zur Zeit der arianischen Christianisierung der Goten im 3. – 4. Jahrhundert im oströmischen Wirkungskreis und in der fränkisch-angelsächsischen römisch-katholischen Mission unter den Merowingern und Karolingern zum Maskulinum. Das Wort blieb im Gotischen als Bezeichnung der heidnischen Götter geschlechtslos aus der christlichen Ablehnung dieser Götter heraus. Der Übergang vom Neutrum zum Maskulinum vollzog sich im westgermanischen Bereich ca. vom eingehenden 6. Jahrhundert bis zum ausgehenden 8. Jahrhundert. Im skandinavisch-nordgermanischen Bereich erhielt sich das Neutrum länger, da dort das Wort für die persönliche Gottheit Ase (óss) lebendig blieb.
    Von hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Gott

  91. @Katharina: Wahrnehmung

    Wir können dann Erinnerungen haben, ab einem Zeitpunkt, zu dem die notwendigen Strukturen für speicherbare Erlebnisse vorhanden sind (Nervenleitungen, und Cortex, der damit verbunden ist) – dies ist etwa im 6. Schwangerschaftsmonat der Fall.

    Das Gehör arbeitet etwa ab der 24. Schwangerschaftswoche: d.h. wir Menschen können vorher schon Tempeatur-/Tastreize der Haut wahr nehmen.

    Ein Wiedererinnern dieses vorakustischen Zustandes (mit entsprechender Neubewertung, zum Zeitpunkt des Erinnerns) könnte man mit ´Frieden, Wohlbehagen bzw. vollkommener Ruhe´ beschreiben.

  92. Urerfahrungen /@KRichard

    Wäre demnach, zugespitzt formuliert, die “Glaubenserfahrung übernatürlicher Akteure” eine neuronale Fehlinterpretation frühkindlicher Urerfahrungen?

  93. @K.Richard, Vorsicht

    Hoffentlich haben Sie recht, und der Zustand des Friedens und der Ruhe ist uns aus der Zeit vor dem Wahrnehmen bekannt! Ein schöner Gedanke.
    Mit der Festlegung der Zeitpunkte muß man aber vorsichtig sein: Die Fähigkeit, etwas wahrzunehmen, z.B. Schmerz, und die, darauf reagieren zu können, z.B.zusammenzuzucken, sind zwei Dinge. Aus unerfindlichen Gründen wird angenommen, daß sie sich gleichzeitig entwickeln (abhängig von der Anwesenheit der nötigen neuronalen Strukturen)und häufig auch, daß sie gleichzeitig verloren gehen (unabhängig von der Anwesenheit derselben Strukturen). Die Folgen sind katastrophal:
    So operierte man früher Kleinkinder, indem man sie mit Muskelrelaxantien betäubte, in der Annahme, sie würden nun auch keinen Schmerz mehr verspüren. Kürzlich merkte man, daß viele (man schätzt ein Drittel) der Patienten mit der Diagnose “Wachkoma” bei Bewußtsein sind und überlegt nun, ob man sie mit Hilfe von Hirnscannern fragen sollte, ob sie Schmerzmittel benötigen. Illusorisch, denn die Hirnscanner sind für die Heime, in denen solche Patienten untergebracht sind, schlicht zu teuer, und die Kassen werden sie nicht bezahlen.
    Daß Embryos nicht zucken, wenn man ihnen Schmerzreize versetzt, legitimiert auch keine verbrauchende Embryonenforschung; eventuell empfinden sie Schmerz sehr wohl, können aber nicht darauf reagieren.
    Viel Qual durch voreilige Schlüsse.
    (Und die Erinnerung? Umso schlimmer, wenn man sich später daran erinnert; aber ohne Erinnerung bleibt Qual immer noch qualvoll.)

  94. Bestimmung bewusst machen statt Stimmen hören

    Mit Blick auf den Kommentar von Steffen Rehm, möchte ich Missverständnisse ausräumen:

    Denn ich denke, dass es schon ein ganz gewaltiger Unterschied ist, auf was wir hören.

    Und wenn ich die Hoffnung hege, dass mündige Menschen im Verlauf der Evolution selbst: In ihrem realen Dasein im großen Ganzen bzw. dem Weltenverlauf wieder eine Bestimmung erkennen, die einst als schöpferische Stimme bzw. Wort Gottes verstanden wurde, dann ist das genau das Gegenteil von dem, was Steffen Rehm befürchtet. Auch wenn ich denke, dass auf glaubensaufgeklärte Weise aus unseren kulturellen Wurzeln die Kraft erst zum Weiterwachsen kommt. Was dem ganz natürlichen Verlauf der Evolution entspricht, der auch für unsere Kultur gilt. Mit Angst vor einem Akteur, dessen vermenschlichtes Bild heute dem Verständnis einer natürlich-schöpferischen Bestimmung im Weg steht, hat das sicher wenig zu tun.

    Wenn mündige Menschen von Morgen dort eine “schöpferische” Bestimmung verstehen, wo ihnen Evolutionsbiologen einen externen Sinn nachweisen, in einer als zukunftsvernüftig erkannten, weltgerechten, schöpferischen Verhaltensweise das erkennen, was als göttlicher Wille galt, dann ist das allerdings auch mehr, als ein religiöses Gefühl unter dem Sternenhimmel.

    Auch wenn sich dann diese Bestimmung nicht aus traditionelle Glaubenstexten speist, sondern aus einer Begeisterung für das natürliche große Ganze, das offenbare Wunder allen Werdens, dann ist es mehr, als ein modern-pantheistisches Einswerden mit dem Universum oder eine Ganzheit, die nur durch bestimmte Gehirntechniken erzeugt wird.

    Alles Hören von Stimmen, religiösen Gefühlen… die nicht im Rahmen einer bewussten realen Bestimmung wahrgenommen werden, sehe ich als problematisch. Wozu ich allerdings auch die hier vorgestellten Praktiken zähle, die nur religiöse Gefühle erzeugen, wie ich sie als Pfälzer auch mit zwei Flaschen Wein erzeuge. (Gleichwohl mir unlängst bei einer Veranstaltung an der Uni Landau ein Religionswissenschafter bei “Gott und die Neuronen” erklärte, dass ich neben bestimmten Meditationstechniken, Atemübungen, LSD… auch Weingenuss nutzen könne, um Bruderschaftserlebnisse, Hochgefühle, Ich-Auflösung… zu erleben, und was sonst noch allgemein so als religiös bezeichnet wird.)

    So wenig ich mich auf alte Texte, Gerüchte von einem übernatürlichen Akteur verlassen möchte oder meinen Rausch, so sehe ich auch in sonstigen Techniken, die nur meine persönliche Stimmungen nach außen kehren, ein Problem.

    Wenn ich denke, dass mündige Menschen wieder dort anknüpfen können, was einst dem Monotheismus als Wort galt, dann geht es nicht um einen übernatürlichen Akteur, dessen Stimmen von Vorgesetzten verkündet oder auf schizophrene Weise gehört werden, sondern die bewusste Wahrnehmung eines schöpferischen Sinnes im großen Ganzen des Evolutionsverlaufes.

    Gehirntechniken können hierbei helfen. Aber ersetzen können sie es nicht. Denn sonst kommt m.E. nur eine unbestimmte Religiösität heraus, die nicht wirklich weiterhilft.

    Gerhard Mentzel

  95. Rausch @Gerhard Mentzel

    „Wozu ich allerdings auch die hier vorgestellten Praktiken zähle, die nur religiöse Gefühle erzeugen, wie ich sie als Pfälzer auch mit zwei Flaschen Wein erzeuge. (Gleichwohl mir unlängst bei einer Veranstaltung an der Uni Landau ein Religionswissenschafter bei “Gott und die Neuronen” erklärte, dass ich neben bestimmten Meditationstechniken, Atemübungen, LSD… auch Weingenuss nutzen könne, um Bruderschaftserlebnisse, Hochgefühle, Ich-Auflösung… zu erleben, und was sonst noch allgemein so als religiös bezeichnet wird.)“

    Ich fürchte hier hat kein Fachmann gesprochen. Meditation ist höchste Konzentration im Gegensatz zum Rausch, wo man ja buchstäblich nicht mehr bei Sinnen ist. Es gibt zwar Schamanen, die Drogen zur Bewusstseinserweiterung verwenden, die meinten Sie aber nicht, oder?

  96. @Balanus

    Wenn Sie den Begriff ´Glauben-´ weglassen, dann stimmt der Satz: ´Erfahrungen übernatürlicher Akteure sind Fehlinterpretationen frühkindlicher Urerfahrung´ recht gut.

    Unser Gehirn arbeitet so, dass wir ein aktuelles Selbst (Selbstbild/Selbstmodell) im Gehirn abgespeichert haben. Wenn das Gehirn Erinnerungen durchsucht oder wenn wir Sinneserfahrungen machen, dann werden diese Eindrücke immer mit dem aktuellen Selbst abgeglichen, bevor sie in das Bewusstsein kommen. Die Aufgabe des Gehirns ist es u.a. ein Zukunftsmodell zu entwerfen = ein Vorschlag, wie wir auf die aktuelle Situation reagieren sollen.
    Dabei werden z.B. auch fetale und frühkindliche Erfahrungen mit dem aktuellen Selbst neu bewertet: dann wird z.B. aus gesehenem Licht und gehörten Sprachgeräuschen ein sprechendes Lichtwesen.

    Unser Gehirn arbeitet immer so, denn wir machen Erfahrungen zu einem Zeitpunkt X, aber wir entwickeln uns körperlich/geistig weiter; z.B. bis zum Zeitpunkt Y. Wenn wir dann dabei alte Erfahrungen erinnern, dann nützt uns dieses Wissen nichts, wenn wir es nicht an unsere aktuelle Lebenssituation anpassen.

    Wir sollten aber nicht vergessen, dass dies nur eine Quelle von Spiritualität ist. Auch das Betrachten des Sternenhimmels, Musik, das Studium der Heiligen Schriften (um nur ein paar zu nennen) können spirituelle Erlebnisse auslösen.

  97. @Mona, Meditatation kein Rausch

    Danke für den Hinweis.

    Wenn ich fälschlicherweise Meditation mit den religiösen Praktiken jenseits der Sinne auf eine Ebene gestellt habe, dann würde ich sicher auch PD Dr. Torsten nicht gerecht, der im Dienst der Ev. Akademie der Pfalz in Landau über das Verhältnis von Religiösität und Neurobiologie sprach. Er hat dort mehr von seiner empirschen Forschung mit verschiedenen neubiologischen Praktiken und anschließendem Fragebogen gesprochen. Mir ging es auch nicht darum, einzelne Praktiken, die ich für die westliche Kultur unterschiedlich geeingnet halte, zu beurteilen.

    Doch gerade bei dieser Verantstaltung wurde mir wieder bewusst, dass mystische Erlebnisse – ob sie mit dem Persinger-Helm, durch Tanz oder auf sonstige Weise erzielt werden, zwar sicher gute Handwerkszeuge sein können, um religöse Gefühle, letztlich ein ganzheitliches Verständnis im Kopf zu bekommen. Auch dass mir im Laufe der Evolution zu diesem Zweck bestimmte Gehirnlappen gewachsen sind, halte ich für einen Beleg, der die Natur des Glaubens mit bezeugt.

    Doch ob ich jenseits des bewussten Denkens meinen natürlichen Sinn im großen kreativen=schöpferichen Ganzen des Weltgeschehens wahrnehmen kann, da hab ich meine Zweifel. Auch wie ich diesem schöpferischen Sinn auf mündig-menschliche Weise gerecht werde. Und warum mir hierzu neben den teilweise fremden Techniken auch die auf zeitgemäße Weise in ihrem Sinn neu zu verstehenden Praktiken meiner kulturellen Vorpägung helfen können. Warum ich mich auch bei Orgelklängen in der Kirchenbank, mit feuchten Augen auf glaubensaufgeklärte Weise von Jesus als Herrn oder Wort/Vernunft der Welt singend, für die offenbare Logik allen natürlichen Lebensflusses bzw. eine schöpfungsvernünftige Lebensweise begeistern kann. Das alles können mir allein Persinger-Helm oder Trancetanz… nicht beibringen.

    Gerhard Mentzel

  98. Glaubenserfahrungen, Urerfahrungen /@KRichard

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Definition für Religiosität den Begriff ‚Glauben’ einfach weglassen kann, dass also die Religiosität die Fähigkeit zur Erfahrung übernatürlicher Akteure sei.

    Worin besteht überhaupt der entscheidende Unterschied, ob wir nun von Glaubenserfahrungen oder einfach nur von Erfahrungen sprechen, insbesondere im Zusammenhang mit „übernatürlichen Akteuren“?

    Könnte es sein, dass die Fähigkeit zur Erfahrung übernatürlicher Akteure als ein Aspekt der Spiritualität aufzufassen ist, wobei diese Erfahrung auch als eine Glaubenserfahrung erlebt werden kann und dann unter ‚Religiosität’ einzuordnen ist?


    Wenn das Gehirn Erinnerungen durchsucht, kann es natürlich nur solche finden, die zuvor auch „abgespeichert“ wurden. Die Fähigkeit, Erinnerungen zu speichern, muss also erst einmal vorhanden sein, bevor Wahrnehmungen zu Erinnerungen werden können.

    Manche behaupten ja, dass Erinnerungen frühestens mit der Entwicklung des deklarativen Gedächtnisses möglich sind, also ab etwa drei Jahren, nachdem es gelernt hat, Sinneseindrücke richtig einzuordnen.

    Für mich ist es keine Frage, dass das Gehirn in dem Moment anfängt zu lernen, wo die ersten dafür notwendigen Strukturen vorhanden sind. Und das dürfte sehr, sehr früh sein. Doch steht all dieses Gelernte später als Erinnerung zur Verfügung, in welcher Form auch immer?

  99. Anmerkung

    Diverse Kommentare in diesem blog zeigen, daß das Bedürfnis, Gott und Religion abzuschaffen, keine Alternativen hervorbringt, die dem ewig Suchenden auch ´mal ein gelegentliches Finden bescheren.
    Da stellt sich natürlich die provokant klingende Frage, ob das etwas mit der persönlichen Reife zu tun hat oder ob es sich generell ausschließt, da kein anderer erkenntnistheoretischer Gedanke hinlänglich dem Menschenmaß entspricht und sich so klar wertorientiert umsetzen läßt.
    Außerdem ist das Bemühen, dafür wissenschaftliche Erkenntnisse heranzuziehen, überflüssig, denn es war schon immer eine der einfachsten Übungen, Gott argumentativ abzuschaffen. Man mußte nur die entsprechenden Fragen stellen, auf die es keine befriedigenden Antworten gibt; und das bleibt auch so.

  100. letzter Absatz des Artikels

    Danke, Mona. Ein lesenswerter Artikel.

    Wer sollte aber die Wahrheit des Gottesgedankens so klären, daß sich keine Gegenpositionen finden lassen? Und wäre das wirklich wünschenswert oder gar gottgewollt? Wären wir dann nicht längst so weit?

  101. @Balanus

    Der Begriff ´Glaube´ wurde weggelassen, weil Erfahrungen mit solchen scheinbar übernatürlichen Akteuren aus Sicht der christlichen Theologie keine(!) spirituellen Erlebnisse sind – allerdings wird eingeräumt, dass sie zu spiriuellen Erkenntnissen führen können. (Das ist ein wichtiger Unterschied)

    Das Gehirn lernt etwa ab dem 6. Schwangerschaftsmonat, sobald die notwendigen Strukturen vorhanden sind (Nervenleitungen, Cortex). Im 7. Monat kann ein Fetus die Stimme der eigenen Mutter von anderen Stimmen unterscheiden – das wurde im Experiment herausgefunden (Vergleichen ist ein echter Denkprozess).
    Deshalb beginnt der Lebenslauf eines Menschen zu diesem Zeitpunkt!
    Die Geburt ist lediglich ein Übergang vom symbiotischen zu selbstständigen Leben.
    Persönliche Erinnerungen können dann allerdings erst dann abgespeichert werden, sobald man sich als eigenständige Person empfindet (ab dem Alter von ca. 1,5 Jahren).

    Das Gelernte steht das ganze Leben lang zur Verfügung.

  102. Denkprozesse /@KRichard

    »Im 7. Monat kann ein Fetus die Stimme der eigenen Mutter von anderen Stimmen unterscheiden – das wurde im Experiment herausgefunden (Vergleichen ist ein echter Denkprozess). «

    Da haben Sie nach meinem Dafürhalten einen sehr weitgefassten Begriff von dem, was ‘Denken’ ist. Schon die Amöbe vergleicht Informationen aus der Umwelt, um zu “entscheiden”, in welche Richtung sie kriecht.

    Dass ein Fetus im 7. Monat die Stimme seiner Mutter erkennen kann, bedeutet nicht notwendigerweise, dass bereits in diesem frühen Stadium alle Sinneseindrücke zu Erinnerungen werden. Aber sei’s drum, das ist hier nicht das eigentliche Thema 🙂

  103. Psychologische Religionstheorien

    Auf die vielen, durchaus spannenden Religionstheorien mit psychologischem Hintergrund wollte ich zunächst mit einem längeren Kommentar eingehen. Dann aber fiel mir ein und auf, dass dazu ohnehin schon länger mal etwas Grundsätzlicheres fällig war. Nun habe ich neu als Blogpost eingestellt:
    http://www.chronologs.de/…eorien-und-ihr-problem

    Sie sehen also, wie aufmerksam hier Ihre Blogkommentare nicht nur gelesen, sondern auch aufgegriffen werden! 🙂

  104. Hirngespinste /@Mona: Gott im Gehirn

    In der Tat, ein interessanter Text, informativ, sachlich und sehr passend zum Thema dieses Threads.

    Natürlich gibt es auch Einiges kritisch anzumerken.

    Thomas M. Schmidt schreibt:

    Alle diese Erlebnisse erscheinen nun verständlich und erklärbar als Resultat einer durch Meditation selbst induzierten Deaktivierung des Orientierungsfeldes im posterioren superioren Parietallappens. Der Beweis scheint erbracht, dass es sich bei mystischen Erlebnissen nicht um Halluzinationen, sondern um biologisch nachweisbare Tatsachen handelt.

    Was mich hier verwundert, ist diese Unterscheidung von Halluzinationen und “mystischen Erlebnissen” (als da sind: “ozeanische Gefühle der Versenkung, Entgrenzung und Aufhebung des Ich und des eigenen Körpers, Erfahrungen der Einheit mit einer größeren, umfassenden Wirklichkeit”). Halluzinationen wie z.B. Doppelgängerphänomene und außerkörperliche Erfahrungen wären demnach keine biologisch nachweisbaren Tatsachen, das Erlebnis der Entgrenzung des eigenen Körpers aber sehr wohl.

    Die neurobiologische Befunde einer Biologie der Glaubens scheinen also methodisch agnostisch zu sein, sie erlauben eine anti- und eine proreligiöse Deutung. Der pro-religiösen Deutung zufolge kann gezeigt werden, dass religiöse Erfahrungen real sind. Es handelt sich bei den Berichten der Mystiker und anderer religiöser Virtuosen nicht um Hirngespinste, sondern um biologisch verankerte Tatsachen des Bewusstseins.

    “Hirngespinste”! Wohl im Sinne von Halluzinationen.

    Nach meinem Empfinden hat Schmidt nicht deutlich gemacht, nach welchen Kriterien er die beiden Phänomene ‘Halluzinationen’ und ‘religiöse Erfahrungen’ unterscheidet. Real sind sie beide für den, der sie erlebt. Natürlich werden sie anders bewertet. Halluzinationen sind eine Heimsuchung, während mystische Erfahrungen (von manchen) gesucht werden. Aber beides wird real erlebt und findet im Gehirn statt (wo auch sonst?).

    Spiritualität als das generelle Gefühl der Selbsttranszendenz und der mystischen Einheit ist allerdings zu unterscheiden von Religiosität. Letztere ist als theoretische Einstellung durch spezifische Inhalte der religiösen Lehren und als praktische Haltung durch Teilhabe an bestimmten Ritualen bestimmt.

    Ja, das sehe ich inzwischen auch so. Je länger ich über die Begriffe Spiritualität und Religiosität im Zusammenhang mit der Evolutionsgeschichte nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass nur Ersteres sinnvoll in evolutionstheoretische Überlegungen integriert werden kann.

  105. @ Balanus

    Gegen Ende Ihres sehr guten Kommentars war ich jäh überrascht. Sie schrieben:

    Je länger ich über die Begriffe Spiritualität und Religiosität im Zusammenhang mit der Evolutionsgeschichte nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass nur Ersteres sinnvoll in evolutionstheoretische Überlegungen integriert werden kann.

    Wie das? Schon Darwin dachte schließlich über die Evolution der Religiosität als “belief in supernatural beings” nach? Und heute haben wir ja sehr starke Belege z.B. für den höheren Reproduktionserfolg gerade auch in diesem Bereich. Warum sollte das also nicht möglich sein?

    Ein -frei abrufbarer- Artikel dazu z.B. hier:
    http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/982255

  106. @Michael Blume

    Um es kurz zu machen:

    Ich sehe Religionen als soziokulturelle Entwicklungen. Religiosität ist eine “theoretische Einstellung” (Thomas M. Schmidt), gerichtet und bezogen auf eine Religion. Religiös wird man, indem man in eine Religion hineinwächst und sie annimmt.

    Grundlage von Religion und Religiosität ist die Spiritualität. Diese bringt man mit auf die Welt. Was wir evolutionstheoretisch unter dem Label Religiosität abhandeln, ist, wenn man genauer hinschaut, letztlich Spiritualität.

    Ich fürchte, ich muss (für mich) beide Begriffe neu definieren 🙂

    Das sind aber alles nur erste, spontane Überlegungen, inspiriert durch Thomas M. Schmidt. Vielleicht sehe ich das morgen schon wieder anders…;-)

  107. Meditation und Halluzinationen @Balanus

    „Was mich hier verwundert, ist diese Unterscheidung von Halluzinationen und “mystischen Erlebnissen” (als da sind: “ozeanische Gefühle der Versenkung, Entgrenzung und Aufhebung des Ich und des eigenen Körpers, Erfahrungen der Einheit mit einer größeren, umfassenden Wirklichkeit”). Halluzinationen wie z.B. Doppelgängerphänomene und außerkörperliche Erfahrungen wären demnach keine biologisch nachweisbaren Tatsachen, das Erlebnis der Entgrenzung des eigenen Körpers aber sehr wohl.“

    Zwischen Halluzinationen und mystischen Erlebnissen sehe ich schon einen Unterschied. So sind „ozeanische Gefühle der Versenkung, Entgrenzung und Aufhebung des Ich und des eigenen Körpers, Erfahrungen der Einheit mit einer größeren, umfassenden Wirklichkeit“ m.E. keine Halluzinationen, ich habe das an den von mir als Link eingestellten Meditationsvideos zu erklären versucht. Außerdem können diese Phänomene von ALLEN Meditierenden wahrgenommen werden. Unter Halluzinationen würde ich Heiligenerscheinungen etc. einordnen, also Dinge die nur der Einzelne sieht und die nicht mit irgendwelchen Techniken im Gehirn aller Menschen erzeugt werden können. Bei der Meditation steuern Sie ja ihre Gedanken, nicht so beim Rausch oder bei krankhaften Halluzinationen, da passieren die Dinge eben. Vielleicht stellt man sich hier eine „Entgrenzungserfahrung“ auch zu dramatisch vor. Falls Sie Musikliebhaber sind, ist es ihnen sicher schon einmal passiert, dass Sie sich mit der Musik eins fühlten, oder?

    „Nach meinem Empfinden hat Schmidt nicht deutlich gemacht, nach welchen Kriterien er die beiden Phänomene ‘Halluzinationen’ und ‘religiöse Erfahrungen’ unterscheidet. Real sind sie beide für den, der sie erlebt. Natürlich werden sie anders bewertet. Halluzinationen sind eine Heimsuchung, während mystische Erfahrungen (von manchen) gesucht werden. Aber beides wird real erlebt und findet im Gehirn statt (wo auch sonst?).“

    Ich weiß jetzt nicht ob man Halluzinationen, genauso wie spirituelle Erfahrungen, im Gehirn „sieht“ oder ob Schmidt diese beiden Phänomene einfach in einen Topf schmeißt.

    „Grundlage von Religion und Religiosität ist die Spiritualität. Diese bringt man mit auf die Welt. Was wir evolutionstheoretisch unter dem Label Religiosität abhandeln, ist, wenn man genauer hinschaut, letztlich Spiritualität.“

    Nike Wagner, die direkte Nachfahrin des Komponisten Richard Wagners sagte: „Religion entzweit die Menschen – Spiritualität ist etwas ganz anderes. Das bedeutet nicht, dass man keine Gefühle hat. Aber es meint, dass man nicht auf ihnen besteht.“
    http://media.sikorski.de/…n_0409_deutsch_web.pdf

  108. Glaube @Katharina

    “Wer sollte aber die Wahrheit des Gottesgedankens so klären, daß sich keine Gegenpositionen finden lassen? Und wäre das wirklich wünschenswert oder gar gottgewollt? Wären wir dann nicht längst so weit?”
    Es ist nur eine Religion, aber es kann vielerlei Arten des Glaubens geben. Immanuel Kant

  109. @Balanus: Zwei Merkmale

    Vorsicht, ein Rückfall! 🙂

    Wir sprechen hier über zwei unterschiedliche Merkmale. So hat Religiosität eine soziale Komponente (Interaktion mit übernatürlichen Akteuren), die die Spiritualität nicht (notwendig) hat. Beide Merkmale können sich verbinden und verstärken, tun dies im Alltag auch häufig – das heißt aber nicht, dass sie identisch sind. Auch wenn Sie ein völlig unspiritueller Amish wären, so würden Sie sich dennoch (durchschnittlich) sehr erfolgreich fortpflanzen und Ihre religiösen Begabungen wie auch spirituellen Kaum-Veranlagungen an kommende Generationen weitergeben.

  110. Meditation und Halluzinationen /@Mona

    Ihre Einwände sind berechtigt, zwischen Halluzinationen und mystischen Erlebnissen sehe auch ich Unterschiede. Aber ich sehe auch das Gemeinsame, was Thomas M. Schmidt m.E. übersehen hat, nämlich dass es sich jeweils um spezifische neuronale Prozesse handelt, die in bestimmter Weise bewusst wahrgenommen werden. Beides ist—zumindest im Prinzip—biologisch erklärbar.

  111. Zwei Merkmale /@M. Blume

    Vorsicht, ein Rückfall! 🙂

    Ich nenne es Weiterentwicklung.

    Die evolutionäre Religionswissenschaft muss die Begriffe Spiritualität und Religiosität wohl neu definieren, wenn sie weiterkommen will. Ich weiß, das klingt hart, aber man muss den Realitäten ins Auge sehen. 😉

    Ein „völlig unspiritueller“ Mensch wäre einer, der überhaupt keinen Sinn für Transzendenz hätte. Wie sollte der zu „religiösen Begabungen“ kommen? Der kann sich allenfalls streng an die Sitten und Gebräuche seiner Religion halten, aber diese hätten für ihn keinen Bezug zum wahrhaft „Göttlichen“.

  112. @ Balanus

    Wir haben den Spiritualitäts-Test aus GGG schon mal auf einer Pfarrerstagung gemacht. Die meisten lagen in der Mitte, einige hoch- und kaum-Spirituelle waren aber auch dabei.

    Wir haben da zwei verbundene, aber eben auch eigenständige Merkmale, die man ebensowenig verrühren sollte wie Sprachfähigkeit und Musikalität (obwohl auch diese unbestritten verbunden sind).

  113. Spiritualitäts-Test /@M. Blume

    Wer einen Test entwickelt, hat eine bestimmte Vorstellung von dem, was er testen will.

    Mein Spiritualitäts-Begriff reicht vom bloßen Vorstellungsvermögen (über was auch immer) bis hin zur konkreten Glaubensgewissheit bezüglich übernatürlicher Akteure. Irgendwo dazwischen verorte ich die mit Meditationstechniken assoziierten Phänomene. Ein Bezug zur Religion kann dabei vorhanden sein oder auch nicht. Besteht ein Religionsbezug, kann die Spiritualität unter Umständen als Religiosität beschrieben werden.

    Sie schrieben ja selbst, dass es wahrscheinlich wenige so schillernd und kontrovers definierte Begriffe [gibt ]wie diesen. Mein weit gefasster Spiritualitäts-Begriff bringt all die vielen unterschiedlichen Auffassungen unter einen Hut.

  114. @Mona

    Was meinte der Mann: “nur EINE Religion” oder “NUR eine Religion”? Im ersten Fall stimmt´s, und so meinten Sie es auch.

  115. Halluzinationen

    Mona hat den Unterschied zwischen Halluzinationen und “mystischen Erlebnissen” in Versenkungssituationen gut beschrieben. Tritt aber auch ´mal beides zusammen auf.
    Zu ergänzen wäre, daß es sehr wohl Halluzinationen bei Gruppen gibt, zu verstehen als ein Phänomen des Gruppenbewußtseins oder als Erkrankung der Kollektivseele im Sinne einer Massenpsychose. Halluzinationen lassen sich u.a. durch Hirnstimulation und Drogen auslösen, haben aber wie andere geistige Phänomene eine multifaktorielle Ätiologie. Sie beruhen primär auf einer Störung des Ich-Welt-Kontaktes, der unterschiedlichste Gründe haben kann.

  116. Psychose @Balanus

    „Ihre Einwände sind berechtigt, zwischen Halluzinationen und mystischen Erlebnissen sehe auch ich Unterschiede. Aber ich sehe auch das Gemeinsame, was Thomas M. Schmidt m.E. übersehen hat, nämlich dass es sich jeweils um spezifische neuronale Prozesse handelt, die in bestimmter Weise bewusst wahrgenommen werden. Beides ist—zumindest im Prinzip—biologisch erklärbar.“

    Handelt es sich bei bewusst herbeigeführten Meditationserlebnissen um paranormale Phänomene? M.E. sind spirituelle Erlebnisse, wie sie z.B. bei einer Psychose auftreten, doch etwas anderes. Allerdings gibt es Überschneidungen. Den Unterschied sehe ich darin, dass bei einer psychischen Erkrankung der Betroffene keine Kontrolle über sich selber hat und dem Erleben hilflos ausgeliefert ist, er kann das Erlebnis also auch nicht stoppen.
    Es gab darüber einmal einen Artikel in der „Psychologie Heute“:
    http://www.blockfrei.net/…a/03e75eb9_PsyHeu6.pdf

  117. @Mona

    Ja, genau; hier war die Halluzination olfaktorisch.
    Anderes Beispiel: die im 14. Jhh. in verschiednen Teilen Europas auftretende Tanzwut, bei der szenenhafte Halluzinationen bei orgiastischen Tänzen entstanden, die als Besessenheit von Dämonen interpretiert wurden.
    Die Interpretationen von Halluzinationen von der Antike bis heute sind “wahnsinnig spannend” 🙂

  118. Paranormal /@Mona

    »Handelt es sich bei bewusst herbeigeführten Meditationserlebnissen um paranormale Phänomene?«

    Wohl eher nicht! 😉

    Aber was heißt bewusst herbeigeführt, gerade auch im Unterschied zu Halluzinationen und Psychosen?

    Thomas M. Schmidt spricht in seinem Text ein „Trilemma“ an („Es ist üblich geworden, das Leib-Seele bzw. Körper-Geist-Problem als ein Trilemma zu beschreiben.“).

    In diesem Sinne frage ich mich, was es bedeutet, wenn in einer physikalisch geschlossenen Welt ein bestimmter Hirnzustand (Meditation) „bewusst“ herbeigeführt wird.

    Punkt 2 des Trilemmas beschreibt Schmidt so:

    „2. Zugleich erscheint es ebenso zwingend, anzunehmen, dass mentale Phänomene bestimmte Erscheinungen in der Natur kausal hervorrufen.“

    Also, mir erscheint diese Annahme keineswegs zwingend. Wie sehen Sie das?

  119. Nachtrag zu: Spiritualitäts-Test /@M. Blume

    @Mona hat an anderer Stelle eine Buchkritik verlinkt, in der der französische Philosoph Andre Comte-Sponville folgendermaßen zitiert wird:

    „Spiritualität ist so gesehen beinahe gleichbedeutend mit Ethik oder Weisheit und betrifft weniger unsere Beziehung zum Absoluten, zum Unendlichen oder zur Ewigkeit, als unsere Beziehung zum Menschlichen, zum Endlichen und zur Zeit. Wenn ich jetzt das Wort Spiritualität im strengen Sinne nehme, muss man weiter gehen oder höher: Ihre höchsten Spitzen reichen in die Mystik hinein.“

    Das passt zu meinen Vorstellungen.

  120. @ Balanus: Spiritualität

    Das ist wirklich eine schöne Definition von Spiritualität. Allerdings vermischt sie die deskriptive und die normative Ebene, was m.E. im Hinblick auf empirische Forschungen problematisch ist.

    Stellen Sie sich z.B. vor, ich würde Religiosität definieren als “Glauben an übernatürliche Akteure, die Liebe, Freiheit und Gewaltlosigkeit lehren”. Das wäre vielleicht sympathisch und ich hätte damit große Schattenseiten der Religionsgeschichte einfach aus der Religion “ausgelagert”. Ich nehme aber an, dass dies gerade deswegen zu Recht zu Protesten (auch von Ihnen?) führen würde.

    M.E. ist die Aufgabe empirischer Wissenschaft zunächst deskriptiv, die Normativität ist dann Aufgabe philosophischer bzw. theologischer Reflektionen. Willkürlich vermischen würde ich beide Ebenen lieber nicht.

  121. Mentales Training @Balanus

    „Aber was heißt bewusst herbeigeführt, gerade auch im Unterschied zu Halluzinationen und Psychosen?“

    Durch mentales Training kann sich ein Meditierender in einen Zustand der Entgrenzung versetzen. Im Unterschied zu Menschen, die an Halluzinationen oder Psychosen leiden und denen solche Zustände unwillkürlich passieren.

    „Thomas M. Schmidt spricht in seinem Text ein „Trilemma“ an („Es ist üblich geworden, das Leib-Seele bzw. Körper-Geist-Problem als ein Trilemma zu beschreiben.“).
    In diesem Sinne frage ich mich, was es bedeutet, wenn in einer physikalisch geschlossenen Welt ein bestimmter Hirnzustand (Meditation) „bewusst“ herbeigeführt wird.
    Punkt 2 des Trilemmas beschreibt Schmidt so:
    „2. Zugleich erscheint es ebenso zwingend, anzunehmen, dass mentale Phänomene bestimmte Erscheinungen in der Natur kausal hervorrufen.“
    Also, mir erscheint diese Annahme keineswegs zwingend. Wie sehen Sie das?“

    Ich finde diesen Punkt auch etwas widersprüchlich. Wenn ich es richtig verstanden habe, meint Thomas M. Schmidt, dass bestimmte mentale Zustände die Grenzen zwischen Körper und Geist verwischen können. Körper und Geist müssen also sozusagen eine Einheit bilden um diese Phänomene hervorrufen zu können, z.B. lösen heftige Gefühle, körperliche Reaktionen aus. Normalerweise läuft so etwas ja unwillkürlich ab. Allerdings kann man diese Zustände auch bis zu einem gewissen Grad trainieren, ich will jetzt nicht wieder die Meditation ins Spiel zu bringen, sondern möchte einmal auf das mentale Training von Sportlern hinweisen, welches im Prinzip ebenso funktioniert. Hier werden bestimmte Trainingsziele mental „eingeschliffen“ schon bevor sie der Körper ausführt. Dies ist besonders wichtig, um z.B. tief verankerte, jedoch ungeeignete Abläufe zu ändern. Mit Hilfe des mentalen Trainings nimmt der Sportler schneller die richtigen Gewohnheiten an und kann sich so ein schwieriges und langwieriges Training ersparen.
    http://www.uni-flensburg.de/…ntales_Training.pdf

  122. »Schon weil sich alle empirische Wissenschaft(en) qua Definition auf beobachbare und damit immer historische Ereignisse beziehen und diese Vergangenheit auch nie ohne Lücken aufklären können, halte ich – wie auch z.B. Richard Dawkins – die grundlegenden Fragen für wissenschaftlich zwar diskutier- aber letztlich unentscheidbar. Deswegen gilt im Rahmen der Evolutionsforschung zu Recht der methodologische Agnostizismus, der von der persönlichen Glaubenshaltung zu unterscheiden ist.«

    Dass der Mensch mehr Fragen stellen als beantworten kann, liegt in der Natur des Menschseins. Woher nehmen wir die Antworten die Natur betreffend? Wir leiten sie ab aus unseren Beobachtungen. Was machen wir, wenn (noch) keine Beobachtungen existieren? Wir lassen die Frage offen und belassen es bei einer Hypothese, die nur auf dem basieren kann, was als gesichertes Wissen angesehen wird.

    Im Zuge einer wissenschaftlichen Diskussion kann eine bestimmte Hypothese als die plausibelste angesehen werden, aber es bleibt eine Hypothese, die durch neue Befunde gestützt oder widerlegt werden kann.

    In diesem Prozess der wissenschaftlichen Hypothesenbildung zu (noch) ungeklärten und auch grundlegenden Fragen sehe ich keine Notwendigkeit, von einem methodologischen Agnostizismus (Atheismus/Naturalismus) zu sprechen.

    In diesem Zusammenhang ist es mir eine besondere Freude, mal einen Theologen zitieren zu können. Karl Barth hat zur Trennung von Naturwissenschaft und Theologie folgendes gesagt:

    Die Naturwissenschaft hat freien Raum jenseits dessen, was die Theologie als das Werk des Schöpfers zu beschreiben hat. Und die Theologie darf und muß sich da frei bewegen, wo eine Naturwissenschaft, die nur das und nicht heimlich eine heidnische Gnosis und Religionslehre ist, ihre gegebene Grenze hat.

    Ich lese daraus, dass es keine methodischen Überschneidungen zwischen Naturwissenschaft und Theologie gibt. Da in der naturwissenschaftlichen Fragestellung Gott ohnehin nicht vorzufinden ist, ist die Rede von einem methodologischen Agnostizismus oder Atheismus unnötig.

    Was ich mich nun frage, ist, ob der methodologische Agnostizismus fordert, dass auch Geist und Bewusstsein kein Gegenstand der Naturwissenschaften sein können.

  123. Mentales Training /@Mona

    Meiner Auffassung nach besagt der zweite Punkt des Trilemmas, dass rein geistige Entitäten (wie z. B. Gedanken) materielle Wirkungen haben können, dass also die Welt physikalisch offen ist (es gäbe demnach kein durchgängiges Kausalitätsprinzip, sondern Phänomene, die prinzipiell nicht aus Ursachen und Motiven heraus erklärbar wären).

    Ich fragte deshalb nach Ihrer Ansicht, weil Sie mal geschrieben haben, dass Sie keine dualistische Weltsicht vertreten. Dualisten könnten sagen, wenn ich eine Handlung oder einen mentalen Zustand bewusst herbeiführe, dann setzen rein geistige Phänomene (Gedanken, Bewusstsein) als Erstauslöser eine Kausalreihe in Gang.

    Aber inzwischen denke ich, dass Ihr Ansatz ohnehin ein ganz anderer ist und darauf hinausläuft, dass Materie und Geist eins sind und dass sich von daher bestimmte (dualistische) Fragen gar nicht erst stellen. Oder so ähnlich 😉

    Wäre mal interessant zu wissen, ob die Flensburger Sportwissenschaftler von einer physikalisch geschlossenen oder offenen Welt ausgehen (auch wenn es letztlich egal ist, das mentale Training funktioniert so oder so, ganz unabhängig vom Weltbild).

  124. Weltbild @Balanus

    Mir war nicht klar, dass Sie auf mein Weltbild hinauswollten 😉

    Ich vertrete kein dualistisches Weltbild, zumindest nicht in moralischer Hinsicht.

    „Ich fragte deshalb nach Ihrer Ansicht, weil Sie mal geschrieben haben, dass Sie keine dualistische Weltsicht vertreten. Dualisten könnten sagen, wenn ich eine Handlung oder einen mentalen Zustand bewusst herbeiführe, dann setzen rein geistige Phänomene (Gedanken, Bewusstsein) als Erstauslöser eine Kausalreihe in Gang.“

    Wirklich?

    Das herrschende dualistische Weltbild als Variationen einer Münchhauseniade
    Skizzen einer philosophischen Komödie in vier Akten
    von Friedrich Seibold

    Historische Vorlage: Baron Münchhausen, reitend in einen Sumpf geraten, gibt vor, sich am eigenen Schopf mitsamt dem Pferd aus dem Sumpf gezogen zu haben.

    Erste Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne sich aus dem eigenen Denken herausdenken, indem dieses eine ‘bewußtseins- d.h. denkunabhängige Welt’ und damit ein ‘außerhalb des Denkens’ denkt.

    Zweite Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne denkend das notwendigerweise immer subjektive Denken verlassen, indem dieses die Bedeutung ‘objektiv’ denkt und sich damit in eine als solche nicht-gedankliche ‘objektive Welt’ zu versetzen vorgibt.

    Dritte Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne Wahrheit aus dem Denken herausnehmen, indem sie nicht zuletzt in nicht-gedanklichen ‘objektiven’ Tatsachen erkennbar sei, obwohl sie immer nur ein Denkresultat und damit im Denken ist.

    Vierte Variation: Das herrschende Weltbild gibt vor, man könne frei wollen, wodurch ein freier Wille, notwendigerweise frei von allem, auch frei vom Denken sein, sich also aus dem Denken gedanklich herausnehmen lassen müßte, obwohl ‘freier Wille’ gedacht wird.
    So wie Münchhausen an sich selbst ansetzend sich aus dem Sumpf heben will, so will das Denken in den vier Variationen, an sich selbst ansetzend, sich in ein Nicht-Denken heben, indem es ‘außerhalb des Denkens’, ‘nicht-gedankliches Objektives’ und ‘frei vom Denken’ seiner Bedeutung nach zu denken vorgibt.
    Und was ist die Moral von der Geschichte? – Man lasse beim Philosophieren das Denken nicht außer acht, damit es sich nicht aus sich selbst heben will.

    Von hier: http://www.philosophia-online.de/…-3/Sei-Kom.htm

  125. Münchhauseniade /@Mona

    Interessanter Fund, aber was soll mir das sagen?

    Ich schrieb: “Dualisten könnten sagen, wenn ich eine Handlung oder einen mentalen Zustand bewusst herbeiführe, dann setzen rein geistige Phänomene (Gedanken, Bewusstsein) als Erstauslöser eine Kausalreihe in Gang.”

    Sie fragten: “Wirklich?” und zitieren die philosophische Münchhauseniade zum herrschenden dualistischen Weltbild.

    Liebe Mona, Sie sehen mich ratlos 🙂

    Ist nun meine Annahme über das, was Dualisten sagen könnten, falsch, oder ist nur das dualistische Weltbild falsch, oder beides, oder wie?

  126. Plausible Sicht der Dinge @Balanus

    „Ich schrieb: “Dualisten könnten sagen, wenn ich eine Handlung oder einen mentalen Zustand bewusst herbeiführe, dann setzen rein geistige Phänomene (Gedanken, Bewusstsein) als Erstauslöser eine Kausalreihe in Gang.”

    Verzeihung, ich wollte Sie nicht in Verwirrung stürzen. Natürlich ist diese Annahme plausibel. Aber ich wollte anhand des mentalen Trainings von Sportlern zeigen, dass es auch zu Überschneidungen kommen kann. Außerdem gibt es ja körperliche Phänomene, wie Schmerz, welche auch den Geist oder die Psyche in Mitleidenschaft ziehen. Umgekehrt kann sich auch geistiger Stress usw. körperlich bemerkbar machen.

  127. @ Balanus

    Oh, interessant! Sie schrieben:

    Ich lese daraus, dass es keine methodischen Überschneidungen zwischen Naturwissenschaft und Theologie gibt. Da in der naturwissenschaftlichen Fragestellung Gott ohnehin nicht vorzufinden ist, ist die Rede von einem methodologischen Agnostizismus oder Atheismus unnötig.

    Wir dürfen also annehmen, dass Sie wortmächtig protestiert haben, als z.B. der Naturwissenschaftler Richard Dawkins vom “Gotteswahn” geschrieben hat? Weil er sich ja als Nicht-Theologe gar nicht dazu äußern durfte, zumindest nicht auf naturwissenschaftlicher Basis?

    Also, ich sehe da – bei aller Übereinstimmung in der grundlegenden Unterscheidung – schon buchstäblich fließender Grenzen und begrüße es, wenn sich Naturwissenschaftler einerseits und Philosophen und Theologen andererseits im gerne auch strittigen Dialog austauschen. Zumal, wenn sie Religionswissenschaftler hinzu ziehen.
    🙂

  128. Dawkins /@M. Blume

    »Wir dürfen also annehmen, dass Sie wortmächtig protestiert haben, als z.B. der Naturwissenschaftler Richard Dawkins vom “Gotteswahn” geschrieben hat? Weil er sich ja als Nicht-Theologe gar nicht dazu äußern durfte, zumindest nicht auf naturwissenschaftlicher Basis? «

    Natürlich habe ich nicht protestiert. Dafür fand ich die ganze Aufregung über das Buch viel zu amüsant. Außerdem, und das ist entscheidend, war es ja kein naturwissenschaftlicher Text.

    Ich kenne Dawkins “Gotteswahn” nicht. Hat er tatsächlich naturwissenschaftliche Studien angeführt, die belegen, dass in der beobachtbaren Natur Gottes Wirken nicht nachweisbar ist?

    Aber Sie haben schon Recht, es gibt da einen Grenzbereich, da könnte man, je nach Perspektive, gewisse Überschneidungen sehen. So könnte man beispielsweise naturwissenschaftlich sauber untersuchen, ob Gebete oder Fürbitten objektiv etwas bewirken. Aber in Nature könnte man die Ergebnisse wohl nicht publizieren 😉

  129. gute arbeit.

    nur lassen sich bestimmte dinge nicht auf diese art vereinfachen, z.b wie bei diesem zitat:

    “Wer behauptet, alles sei nur Gehirnkonstrukt, erklärt sich ja auch selbst nur zu einem illusionären Teil eines “eigentlichen” größeren Ganzen.”

    genauso hält es sich mit der astrologie,
    die eine illusion ist und trotzdem soll sie echt sein???

    ich denke man darf da nicht verallgemeinern, dawkins schrieb, dass es einen atheismus in der wissenschaft fordere, weil der mensch sonst falsche schlüsse ziehen würde.

    nur hier sehen wir wieder diese gott oder gottlose perspektive.

    wir sollten in der lage mit und ohne gott denken zu können.
    dass der glaube einen einschränkt sehe ich als anwendungsbedingt.die religion kann stark beschränken, wenn sie naiv angewendet wird
    so ist es mit dem atheismus, wer sich aufs gottlose beschränkt, grenzt sich auch ein. denn der glaube gibt dem menschen nur eine weitere option des freien denkens.
    jeder vernünftige mensch der an gott glaubt hat auch seine zweifel,
    das wird vom atheisten zu selten mit einbezogen.

    jedoch sucht der gläubige mensch nach
    rechtfertigungen für seinen instinkt.
    was nicht immer leicht ist, aber mit angenehmen gefühlen belohnt wird.

    um auf den punkt zu kommen, die wissenschaft verlangt eine vernunft.
    und nicht eine a- / religiösität.

  130. @Tim: Klar! 🙂

    Da mag ich gar nicht widersprechen: Blogbeiträge sind natürlich immer nur verkürzte Ausschnitte. Alleine schon zur evolutionären Erkenntnistheorie samt Begrifflichkeiten wie Illusion und Erkenntnis ließe sich leicht ein ganz eigener Blog aufmachen.

    Sie schrieben interessanterweise: um auf den punkt zu kommen, die wissenschaft verlangt eine vernunft. und nicht eine a- / religiösität.

    Wenn Sie erlauben, würde ich dazu gerne nachfragen, wie Sie “eine Vernunft” definieren?

  131. @michael blume

    wenn es um die vernunft geht, meine ich die logik die wir besitzen.
    meine eltern haben mich katholisch erzogen und doch immer eine skeptische haltung zu vielen dingen gehabt und besitzen sie immer noch.

    ich versuche dabei an einem beispiel aus meiner kindheit zu denken. das testen wie gutgläubig (intelligent) ich war, begann ja schon bei der frage nach dem weihnachtsmann.
    durch erfahrungen wie zum beispiel, dass er immer anders aussah hat mich als kind dann zweifeln lassen.

    das war dann die logik die mitgespielt hat, aus einer zeit wo wir diese logik gebraucht haben um zu überleben.

    diese vernunft besitzt jeder, jetzt bleibt nur noch die frage warum schalten wir sie manchmal für einen kurzen zeitraum aus?

    beispiel: aberglaube

    kann es sein, dass der geist auch einmal geschützt werden muss?
    vor dem was er nicht zuordnen, verstehen kann?

    mir ist aufgefallen das es einfach nur charakterbedingt ist, wie reiligiös jemand ist, sensible menschen neigen eher zu religiösen verhalten als die, die einen hohen testosteronspiegel haben oder zumindest danach aussehen. 😛

    ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wenn man menschliches verhalten vorrauschauen kann und dass die psychologie sich immer wieder mit den selben verhaltensmuster beschäfigt.

    das deutet doch sehr stark auf ein regelwerk hin, der gipfel des unwahrscheinlichen. 🙂

    …nicht ganz zum thema vernunft:
    hawking hat ein neues buch raus gebracht es nennt sich das universum in der nussschale, als ich im buchladen neugierig durchblätterte stoss ich auf folgenden satz:

    “Ich könnte in eine Nußschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermeßlichen Gebiete halten…”

    auf welchen das ganze buch sich stützt.

    ich meine der autor ist atheist, so weit ich weiß, und trotzdem
    hat dies doch einen religiösen touch oder nicht??? 🙂

    um endlich zum schluss zu kommen,
    das anschaffen von wissen ist die arbeit der glaube eine art belohnung. 😉

    viele grüsse!

  132. @Tim: Ja…

    Ja, von einer genetisch-biologischen und darauf aufbauend dann auch psychologischen Grundlage von Religiosität ist aus heutiger Sicht auszugehen:
    http://www.chronologs.de/…-der-verhaltensgenetik

    Ob man Religion aber mit “logisch” oder “rational” in Bezug setzen kann, sehe ich so direkt nicht. Auch viele andere Veranlagungen des Menschen (wie Liebe, Fremdenfeindlichkeit oder Musikalität) entfalten ihre Wirkung auch außerhalb und manchmal gegen Vernunft, Ratio oder Logik – aufgrund ihres (früheren oder auch noch heutigen) evolutionären Erfolges.

  133. Es wird soviel um den heißen Brei herumgeredet

    Es gibt das Kreuz mit der X-Achse der Zeitlinie, die durch die Vertikale Achse in Zukunft und Vergangenheit geteilt wird die Vertikale Achse zeigt die Zeitlosigkeit, dort ist NULL = Unendlich, Die horizontale Achse zeigt ab NULL in die Zukunft. Wenn ich eine Kartoffel einpflanze erhalte ich minimal 0 Kartoffeln, doch durch die gedachte Schuld gibt es die Minuskartoffel, sie wird mir vom Kreditnehmer entzogen, so ist das mit jeder Religion auch. Weil ich nicht erkenne, alles ist im Augenblick in mir gehe ich in die Vergangenheit und bin an meiner Schuld oder die von mir scheinbar getrennten verhaftet, Religion ist wie ein innerer Kapitalismus und wer verdient daran?

  134. @axel tigges

    Wäre Religion nur ein Mechanismus der Ausbeutung, hätte sie evolutionär aussterben müssen. Stattdessen erblühte sie – übrigens seit Jahrzehntausenden und schon in Gesellschaften, die noch keinerlei Staatlichkeit, Priestertum oder Geld (Kapital) kannten.
    http://www.chronologs.de/…auch-der-neandertaler.

    Auch der heute beobachtbare Reproduktionsvorteil religiös vergemeinschafteter Menschen widerspricht ja der Annahme purer Manipulation und Ausbeutung:
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…n.pdf

    Und wären wir denn wirklich glücklicher, wenn das Universum oder auch nur der Mensch darin weniger rätselhaft wären? Ich finde es schön, dass wir uns als evolvierte und (hoffentlich) zukunftsfähige Wesen noch lange erforschen können und uns zugleich einfachen Ideologisierungen entziehen.

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