Das wertvolle Geheimnis wirksamer Menschen

BLOG: Positive Psychologie und Motivation

Kognitives, affektives und psychosoziales Aufblühen in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung
Positive Psychologie und Motivation

Michaela Brohm

Ja, wertvoll ist es. Und so schlicht. Wirksam wollen wir sein. Wirkungsvoll. Neue Aufgaben angehen und dranbleiben – auch wenn es heikel wird. Nicht aufgeben. Sich auch von hohen Hürden nicht schrecken lassen. Dinge voran bringen. Und wie das?

Eine wichtige Antwort liefert unser Maß der „Selbst-Wirksamkeits-Erwartung“ (SWE). Sie zeigt sich darin, wie viel Vertrauen wir in die eigenen Fähigkeiten haben und wie sehr wir davon ausgehen, auch in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben. So weiß der Eine, dass er den Klettersteig zum Dorf auf der Anhöhe schaffen wird und der Andere, dass er besser das Auto dorthin nimmt. So weiß die Eine mit traumwandlerischer Sicherheit, dass sie die Hausarbeit noch bis zum Abgabetermin schafft und arbeitet beherzt vor sich hin, während die Andere stundenlang im Internet unter „Schreibblockaden“ recherchiert. So schleudert Hans-Franz seine Flinte beim geringsten Widerstand sonst wohin, während Karl-Gustav fidel den dritten Auftakt nimmt, um Lieselottes vereistes Herz zu wärmen (hoffe, Sie verzeihen mir den leicht pathetischen Touch an dieser Stelle).

Dennoch kann es sein, dass der muntere Karl-Gustav das Auto zur Geliebten nimmt, statt den Klettersteig zu testen, denn das Maß der Selbstwirksamkeitserwartung hängt von dem spezifischen Kontexten (Domänen) ab. So glaubt beispielsweise eine Schülerin, sie könne Mathematik sehr gut (hohe SWE für das Fach Mathematik), während sie im Fach Sachkunde nicht davon ausgeht, eine gute Arbeit schreiben zu können (niedrige SWE für das Fach Sachkunde). Gleichzeitig weiß sie aber, dass es ihr leicht fällt, neue Freunde zu gewinnen und diese auch zu halten (hohe soziale SWE).

Konsequenzen hat das. Massive Konsequenzen: Je höher die Selbstwirksamkeitserwartungen, desto höher ist die Bereitschaft sich auch in schwierigen Situationen einer Aufgabe zu stellen. Mangelnder Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit führt hingegen dazu, dass wir eine Aufgabe erst gar nicht in Angriff nehmen oder diese abbrechen, wenn erste Hindernisse auftreten. Was wir also über unsere Fähigkeiten glauben, hat ganz entscheidende Auswirkungen auf das, was wir wirklich tun und auch auf das, was wir wirklich erreichen. Denn wer glaubt, er können Lieselottes Herz erwärmen, fängt an, bleibt dran und hat eventuell auch Erfolg. Wer das nicht annimmt, wird nie Erfolg haben, weil er gar nicht erst die entsprechenden Interventionen unternimmt.

Also ist es wichtig, die Quellen eigener Selbstwirksamkeitserwartung zu nähren. Albert Bandura, der oft zitierte kanadische Psychologe, nennt vier Quellen der Selbstwirksamkeit (1994):

1. Gemachte Erfahrungen: Die erfolgreiche Bewältigung von Herausforderungen ist der effektivste Weg zur Steigerung der Selbstwirksamkeit. Misserfolge führen, wenn sie auf die eigene, bleibende Unfähigkeit zurückgeführt werden, dazu, niedrige Selbstwirksamkeitserwartungen zu entwickeln („Das kann ich nicht!“). Wir sollten also Herausforderungen suchen, die wir schaffen können. Und falls es mal nicht klappt, hat es eben heute mal nicht geklappt oder Lieselotte hat eben ein Herz aus Stein ;-)).

2. Beobachtete Modelle/Vorbilder: Zeigt ein Mensch, welcher dem Betrachter ähnlich ist, ein erfolgreiches Verhalten, nimmt der Betrachter eher an, er könne dieses Verhalten auch zeigen. Umgeben uns Menschen, die eher ein wirksames oder primär ein wenig wirksames Verhalten zeigen? Gibt es Menschen, die das, was wir wollen schon erfolgreich bewältigt haben? Bietet deren Vorgehen einen Orientierungsrahmen für das eigene Verhalten?

3. Bestätigung durch andere: Bestärkt das Umfeld die Fähigkeiten des Menschen, nimmt dieser eher an, die Aufgabe bewältigen zu können. Freut sich meine Partnerin/mein Partner/meine Freunde an meinen Fortschritten? Wir wissen, dass materielle Belohnungen mit Vorsicht zu genießen sind, weil sie ein Verhalten nicht langfristig fördern – sondern tendenziell eher abschwächen (Geld für gute Noten ersetzt das Interesse an einer Sache). Aber sich freuen, anerkennen, loben wirkt oft Wunder. Ich werde nie vergessen, wie mein Vater sich voller Freude die Hände rieb, wenn einem von uns vier Kindern etwas geglückt war („Ich bin so stolz auf dich! Ich bin so stolz auf dich!“).

4. Und schließlich die körperlichen Signale: Stresssituationen (Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern usw.) werden als Angstsignale wahrgenommen und als mangelnde eigene Kompetenz gedeutet. Nimmt ein Mensch hingegen wahr, gelassen zu sein, wird dieses als Kompetenzerleben gedeutet. Atem- und Entspannungsübungen vor oder in Leistungssituationen tun ein Übriges zum „Ich schaffe das!“.

Zentrales Geheimnis ist also schlicht: „Ich schaffe das!“ – „Du schaffst das!“. Und wenn ich es nicht kann, kann ich es lernen!

Neue Untersuchungen haben übrigens gezeigt, dass Selbstgespräche in „Du-Form“ besser wirken. Wir sollten uns selbst nicht ich-zen, wir sollten uns selbst duzen. In diesem Sinne: Du schaffst das!

 

Literatur

Bandura, Albert (1994): Self-efficacy. In: Ramachaudran, V. S. (Hrsg.): Encyclopedia of human behavior. New York: Academic Press, S. 71–81.

Bandura, A./Ross, D./Ross, S. A. (1961): Transmission of aggression through imitation of agressive models. In: The Journal of Abnormal and Social Psychology 63, 3, S. 575–582.

Brohm, Michaela (2012): Motivation lernen. Das Trainingsprogramm für die Schule. Weinheim/Basel: Beltz.

Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry ist Lernforscherin an der Universität Trier mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie, Autorin und Keynote Speaker. Sie ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF).

5 Kommentare

  1. Michaela Brohm schrieb (28. August 2014):
    > […] vier Quellen der Selbstwirksamkeit

    > […] 2. Beobachtete Modelle/Vorbilder: Zeigt ein Mensch, welcher dem Betrachter ähnlich ist, ein erfolgreiches Verhalten, nimmt der Betrachter eher an, er könne dieses Verhalten auch zeigen.

    Zum Beispiel:
    die beiden ersten (und z.Z. einzigen) Kommentare zu diesem Scienceblogs-Artikel;
    der erste Kommentar als Orientierungsrahmen und Vorbild,
    der zweite Ausdruck meines entsprechenden eigenen erfolgreichen Verhaltens.

    > 1. Gemachte Erfahrungen: […]
    > 3. Bestätigung durch andere: […]
    > 4. Und schließlich die körperlichen Signale: […]

    Zum Beispiel:
    Die etlichen Kommentare, die ich (als Ph.D. mit besonderem Interesse und Ausbildungsschwerpunkt in Physik und Wissenschaftstheorie) mir dort verkneife, wo andere zu solchen Themen ihre Kommentare öffentlich abgeben (dürfen).

    Die ganz spezielle Liselotte, an die ich dabei denke, hat aber ein Herz aus $latex \mathbb
    R^4$-Staub.
    Und ja: das juckt mich nahezu körperlich.

    p.s.
    > Neue Untersuchungen haben übrigens gezeigt, dass Selbstgespräche in „Du-Form“ besser wirken. Wir sollten uns selbst nicht ich-zen, wir sollten uns selbst duzen. In diesem Sinne:
    Du schaffst das!

    Trotzdem denke ich mir gerne

    “Ei kenn duh sis!”

    wenn ich mich in die (geheimnisvolle?) Lage der (alten) Meister (Bethe, t’Hooft, …) zu versetzen versuche, von denen diese Aussage gleichermaßen überliefert ist.

  2. Der letzte Absatz (ich/du-form) ist subtil. Und bedarf eigendlich mal der Erklärung, warum das so ist.
    Neulich las ich einen Bericht, der darüber handelte, wie eine Patientin damit fertig wurde, das sie Stimmen hört. Dabei war ihr der übliche Psychiater nicht behilflich. Die Lösung bestand offenbar darin, einen inneren Dialog mit den Stimmen einzugehen und sich dadurch nicht von denen demütigen zu lassen.
    Angesichts dieser Idee und dem Ratschlag bei der Affirmation/Zuspruch sich selbst mit “Du” anzusprechen, anstatt mit “ich”, könnte man doch eine Linie ziehen?

  3. Vielen Dank !
    Zufällig habe ich heute auch über Selbstwirksamkeit gebloggt. Mir ging es einerseits um positive Momente bzw. Erfahrungen. Aber noch stärker darum, wie man diese dann über Innere Bilder bzw. Imaginatiosverfahren nutzt bzw. auch generalisiert.

    Unser Gehirn verarbeitet ja die Erfahrungen in der Nacht. Über das Nachahmen von REM-Schlaf kann man therapeutisch sehr sinnig bzw. psycho-logisch aus einzelnen Glücksmomenten bzw. positiven Erfahrungen eine Generalisierung erreichen.

    Dann kann man auch aus negativen Erfahrungen zu positiven Neuerfahrungen kommen. So eine Art Sorgenfresser ….

    Mehr unter http://www.seelenklempnerei.wordpress.com

  4. Darf ich mich auch siezen? Ich finde, das klingt seriöser. 😉

    Spaß beiseite. Ich denke,

    “Wir sollten also Herausforderungen suchen, die wir schaffen können.”

    das ist ein ganz wichtiger Punkt bei der Weiterentwicklung. Manche setzen sich zu hohe Ziele und bestätigen dadurch nur ihr “Versagertum”.

    • @ Herr Huhn :

      Spaß beiseite. Ich denke,

      “Wir sollten also Herausforderungen suchen, die wir schaffen können.”

      das ist ein ganz wichtiger Punkt bei der Weiterentwicklung. Manche setzen sich zu hohe Ziele und bestätigen dadurch nur ihr “Versagertum”.

      Es geht auch sich Ziele zu setzen, die absehbarerweise nicht persönlich “geschafft” werden können, eigentlich scheint dies auch der Ansatz, der Erfolg bringen könnte bis muss, entsprechende Ansprüche vorausgesetzt.

      Sich selbst von außen zu sehen versuchen, wie es sich bspw. in dem im WebLog-Artikel verwendeten ‘Du’ ausdrückt, kann hier beihelfend wirken, sofern nicht die Motivation oder inneren Antrieb killend, natürlich nur.

      Die im d-sprachigen Gebrauch und allgemein seltene Anrede in der dritten Person Plural dagegen wäre eher kollektivistischer Art und womöglich schädlich, individuell angestrebte Ziele meinend.

      MFG
      Dr. W (der sich demzufolge erzt, wenn auch nicht konsequent)

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