Starke Wirksamkeit, prächtiger Erfolg. Wie man wird, was man will

BLOG: Positive Psychologie und Motivation

Kognitives, affektives und psychosoziales Aufblühen in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung
Positive Psychologie und Motivation

Michaela Brohm

“Inbrunst!” sollte dieser Blog ursprünglich heißen. Inbrunst! Nichts sonst. Wie sich das schon anhört: Mit tiefer, rollender Stimme: “Inbrunst” – fand das aber dann zu martialisch. Aber im Grunde meine ich genau das: Wie wird man, was man will? Mit Inbrunst. Oder, um es neudeutsch zu sagen: mit solch einer kristallklaren Fokussierung, dass der Fokus tatsächlich zum Brennpunkt wird.

Verstehen wir Fokussierung als Konzentration von Energie, so finden wir auch physikalische Analogien hinsichtlich der Kraft von energetischen Konzentrationsprozessen. Meinen Studierenden zeige ich das manchmal anhand von einem Blatt Papier: Hält man das Blatt mit beiden Händen fest und ein anderer versucht es ohne viel Kraft mit der flachen Hand zu durchtrennen, passiert meist nicht viel. Versucht der Andere das aber mit einem Kugelschreiber oder besser noch einer aufgebogenen Büroklammerspitze oder Nadel, ist es sehr leicht, auf die andere Seite des Blatts zu gelangen.

Diese schlichte Demonstration dient dazu, die Wirkung der Konzentration von Energie zu thematisieren: Die gleiche Energie wird von der Hand auf die kleine Spitze der Nadel gelenkt und dadurch so schlagkräftig – viel schlagkräftiger, als wenn sie auf die ganze Hand verteilt bliebe. Das ist dasselbe Prinzip, wie beim Gartenschlauch, mit dessen vollem Strahl man Höhlen in den Vorgarten sprengen kann (zur Freude der/des Partner/in). Nutzt man den Gartenschlauch hingegen im lockeren Sprühmodus, verteilt sich das Wasser ebenmäßig im gesamten Vorgarten und es gibt keine schmucken Höhlen. Das entspricht dem gegenteiligen Prinzip: der Diffusion von Energie. Oder nehmen wir das Sonnenlicht und die Lupe…

Vielleicht denken Sie jetzt, ja, ja, alles bezaubernde Beispiele aus der Physik-Mottenkiste einer 9jährigen, aber für unser menschliches Verhalten gelten doch viel komplexere Maximen?

Ja, ja, ich weiß, nur die physikalischen Sperenzchen finden ihre lerntheoretische Entsprechung in der Wirksamkeitsforschung und der Expertiseforschung der letzten Jahre: Wie wird man wirksam, wie richtig gut, wie Experte auf einem Gebiet? Wirksam wird man, indem man sich selbst für wirksam hält, also hohe Selbstwirksamkeitserwartungen hat (vgl. https://scilogs.spektrum.de/positive-psychologie-und-lernen/das-wertvolle-geheimnis-wirksamer-menschen/), ins Handeln kommt und sich im besten Fall der Fälle als kompetent wahrnimmt. Optimal wäre nun, wenn es uns gelingt, im Zustand des Handelns den Brennpunkt genau auf das zu richten, was wir gerade tut (1) und diesen Zustand immer und immer wieder herzustellen (2) – uns also hinsichtlich der Intensität und der Kontinuität fokussieren.

Wie also wird man super fokussiert und letztendlich erfolgreich in dem Bereich, in welchem man möchte, dass „erfolgt“, was man möchte (das ist meine Definition von „Erfolg“ – es geht also nicht unbedingt um „mein Auto, mein Haus, mein Boot“)? Nehmen wir zum Beispiel die Schriftstellerei: Wie wird man ein erfolgreicher Autor? Der amerikanische Schriftsteller Elbert Hubbard hatte darauf eine klare Antwort: „The only way to learn to write is to write and write and write and write, and write and write.“ Wie lernt man Klavierspielen? Durch spielen, spielen, spielen, spielen. Wie Reden halten, rechnen, lesen, Besprechungen leiten, irgendwas was man will? Durch Reden halten, rechnen, lesen, Besprechungen leiten, irgendwas was man will – und zwar immer wieder und mit Vertiefung, mit Leidenschaft, Versunkenheit, Konzentration auf den Kern, den Brennpunkt, ja, mit Andacht könnte man sagen – wenn es nicht so salbungsvoll klänge.

Und worauf wir uns fokussieren, das entwickelt sich, das wächst, und was sich entwickelt, zieht immer mehr kognitive, emotionale und motivationale Energie auf sich. Und so wird der Intensive, Kontinuierliche nach und nach zum Experten (die Expertiseforschung spricht häufig von ca. 10.000 Stunden, die man braucht, um Spitzenleistungen in seinem Bereich zu vollbringen).

Denn mit jedem neuen Takt, mit jeder gelungenen Rede, Besprechung oder gelösten Aufgabe entwickeln wir uns weiter und fühlen uns durch das Kompetenzerleben wirksamer. So empfinden wir mehr und mehr, dass das Auftreten eines Ereignisses von unserem Verhalten abhängt (Locus of control).

Wir können also festhalten: Unsere Entwicklung hängt zu weiten Teilen von der Fokussierung ab, mit der wir etwas tun und zwar von der Intensität dieser Fokussierung (Konzentration) und der Kontinuität dieser Fokussierung (Häufigkeit/Zeit). Erfolg hat also tatsächlich eine Intensitäts- und eine Kontinuitätsdimension. Und so werden wir nach vielen Stunden der Fokussierung zum Experten für das, was wir wollen. Ein Hoch auf die Inbrunst!

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Michaela Brohm (Foto: privat)

Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry ist Lernforscherin an der Universität Trier mit den Schwerpunkten Motivation und Positive Psychologie, Autorin und Keynote Speaker. Sie ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF).

2 Kommentare

  1. Erfolg hat also tatsächlich eine Intensitäts- und eine Kontinuitätsdimension. Und so werden wir nach vielen Stunden der Fokussierung zum Experten für das, was wir wollen.

    Der Schreiber dieser Zeilen ist jedenfalls an der Kunst des Musizierens vor einigen Jahrzehnten grandios gescheitert, Verdacht: Es gibt noch eine “Talent”-Dimension.
    Was man braucht, bekommt man aucht.

    MFG
    Dr. W

  2. Ja, das liebe positive Denken und die Wirksamkeitsstrategien in der modernen kapitalistischen Verwertungsideologie.

    Wenn die Verwertung ihren psychopatischen Ansatz mit Maximal-Ego-Nutzen verfolgt, wird selten etwas wirklich brauchbares dabei heraus kommen.

    Sich entwickeln kostet Zeit. Die hat heute keiner mehr und deshalb werden immer mehr Verdichtungsprozesse verwendet um die eigene Enerige durch Konzentrationsprozesse gezielter für Zwecke einzusetzen. Dabei sind es oft fremdbestimmte Zwecke, nicht Selbst-Bestimmung. Dem entledigt sich das Fremd-Bestimmte Opfer, indem es in bester Stockholm-Syndrom-Manier der feindlichen Übernahme seines Selbst mit einer Vermischung seiner eigenen Identität und der des Aggressors zustimmt.

    Wenn Wachstum nur noch ein physikalischer Prozess ist, wenn der Autor das Schreiben nur noch als Produkt versteht, der Künstler nur noch Produkte für Kunden herstellt und die Musik nur noch als Kapitalerwerb und Karrieresprungbrett dient, wenn Forschung nicht mehr Forschung meint sondern Produktentwicklung und Kapitalrendite…

    Na dann sind wir am höchsten Leistungspunkt, dann sind wir im Brennpunkt und die Menschen verbrennen reihenweise.

    Deshalb heißt es ja auch Burnout. Hochfokussierte Leistung führt zum Überhitzen.

    Insofern gute Besserung und immer schön die Bremsen einbauen wie beim KFZ. Desto schneller, desto besser müssen die Bremsen und die Kühlung sein.

    MFG

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