Neu entdeckte Riesen-Schwarze-Löcher sind “zu groß”

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Eines der vorherrschenden Paradigmen in der Galaxienforschung wird mit dem Begriff “Koevolution” bezeichnet. Damit ist gemeint, dass die Masse der zentralen super-massereichen (nicht superschweren (1)) schwarzen Löcher erstaunlicherweise in einem engen Zusammenhang steht mit der Masse der gesamten Galaxie. Erstaunlich ist das deswegen, weil das Schwarze Loch sich zur Galaxie etwa so verhält wie ein Mohnsamen (1mm) zum Durchmesser der Erde (12 700 km). Die Schwarze-Loch-Masse folgt aber Eigenschaften der Galaxie wie der Geschwindigkeitsdispersion der Sterne (ein Maß für die Rotation der Galaxie) oder der visuellen Helligkeit des Bulge (dem kugelförmigen Zentralbereich von Spiralgalaxien) nach einem Potenzgesetz. So gilt für die Schwarz-Loch-Masse (ausgedrückt in Sonnenleuchtkräften) in etwa M = 10^(8.3) * sigma^5, wobei sigma die Geschwindigkeitsdispersion der Sterne als Vielfaches von 200 km/s ist. Die Verbindung zwischen diesen extrem unterschiedlichen Skalen (Mohnsamen – Erde) ist unklar und Gegenstand heftiger Debatte (2).

Coma cluster (Adam Block/NOAO/AURA/NSF)

NGC 4889 (der helle runde Fleck links oben) ist die hellste Galaxie im Coma-Galaxienhaufen in einer Entfernung von etwa 103 Millionen Parsec. (Bild: Adam Block/NOAO/AURA/NSF)

Nun berichtet ein amerikanisches Forscherteam um den Doktoranden Nicholas J. McConnell in der renommierten Fachzeitschrift “Nature” von einem neuen Massenrekord. In den (im Verhältnis zum gesamten beobachtbaren Universum) nahen Galaxien NGC 3842 und NGC 4889 wurden demnach schwarze Löcher von etwa 10 Milliarden Sonnenmassen gefunden. Damit sind diese Schwarzen Löcher zwei- bis fünfmal so massereich wie nach obiger Relation erwartet.
Die Entdeckung gelang mithilfe der so genannten “Integral Field Spectroscopy” an den Großteleskopen Keck und Gemini North sowie am Harlan J. Smith-Teleskop der Universität von Texas (Austin). Bei dieser Methode wird in jedem Pixel eines Bildes nicht nur das gesamte Licht (in einem Filter) aufgenommen, sondern ein Spektrum (Helmut Dannerbauer hat die Technik anlässlich einer Konferenz ausführlicher beschrieben). Findet man in den Spektren eine Linie deren Wellenlänge man kennt, kann man in jedem Bildpunkt die Doppler-Verschiebung bestimmen und so zum Beispiel Geschwindigkeitsprofile von Galaxienzentren erstellen. Genau solche Geschwindigkeitsprofile haben die Forscher um Nicholas McConnell erstellt, um die Masse der Schwarzen Löcher in den Galaxien zu bestimmen.

Interessant ist diese Entdeckung aus mehrfacher Hinsicht. Zunächst bestätigt die Entdeckung, dass es (in unserer kosmischen “Nachbarschaft”) so massereiche schwarze Löcher die Erwartungen. In weit entfernten Quasaren werden nämlich (über indirekte, weniger genaue Methoden) Schwarze-Loch-Massen von eben dieser Größe vermutet. Die Galaxien in denen die jetzt entdeckten Schwarzen Löcher gefunden wurden, könnten gut die Überbleibsel von Quasaren aus dem frühen Universum sein, denn sie sind die massereichsten Galaxien in ihrer Umgebung.Die Entdeckung ist aber auch interessant, weil die Massen von der bekannten Relation abweichen. Da diese Relation den Astronomen schon länger Kopfzerbrechen bereitet, könnte die nun gefundene Abweichung helfen, das Paradigma der “Koevolution” zu überdenken — sofern sie sich durch weitere Messungen bestätigen lässt.

Literatur

  • Nicholas J. McConnell, Chung-Pei Ma, Karl Gebhardt et al in Nature, 7376, 480 (2011), 215ff, Volltext (PDF, evtl. kostenpflichtig)
  • Nature News-Artikel

(1) Schwere (oder genauer Schwerebeschleunigung) ist etwas das eine kleine Masse in einem Gravitationsfeld einer anderen (größeren) Masse erfährt. Ein super-massives schwarzes Loch aber kann man kaum als kleine Masse bezeichnen — es dominiert das Gravitationsfeld um sich herum. Daher sollte man besser von “super-massereichen” schwarzen Löchern sprechen als von “superschweren”. Im Englischen ist der Begriff etwas griffiger (super-massive), aber leider direkt nicht ins Deutsche übertragbar: Massiv kann zwar ein guter Schrank sein, aber nicht ein Schwarzes Loch (jedenfalls wissen wir nicht, wie es innerhalb des Ereignishorizonts aussieht).

(2) Diese Analogie — auch wenn oft vorgetragen — ist eigentlich etwas übertrieben. Denn was für den Einfluss des Schwarzen Loches auf die Galaxie zählt, ist nicht so sehr der Ereignishorizont des Schwarzen Loches, sondern vielmehr dessen Einflussradius. Das ist der Radius innerhalb dessen das Gravitationsfeld vom Schwarzen Loch dominiert wird. Er beträgt typischerweise etliche Parsec, womit sich das Verhältnis der Radien von Ereignishorizont und Galaxien von etwa 1:10^9 zu 1:10^4 verschiebt.

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Nach dem Studium der Physik in Würzburg und Edinburgh, habe ich mich in meiner Diplomarbeit mit der Theorie von Blazar-Spektren beschäftigt. Zur Doktorarbeit bin ich dann im Herbst 2007 nach Heidelberg ans Max-Planck-Institut für Astronomie gewechselt. Von dort aus bin ich mehrere Male ans VLT nach Chile gefahren, um mithilfe von Interferometrie im thermischen Infrarot die staubigen Zentren von aktiven Galaxien zu untersuchen. In dieser Zeit habe ich auch den Blog begonnen -- daher der Name... Seit Anfang 2012 bin ich als Postdoc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Norden von München. Dort beschäftige ich mich weiterhin mit Aktiven Galaxien und bin außerdem an dem Instrumentenprojekt GRAVITY beteiligt, das ab 2015 jeweils vier der Teleskope am VLT zusammenschalten soll.

2 Kommentare

  1. Fragen an den Experten

    Ist im Zentrum einer Galaxie genau ein schwarzes Loch?

    ‘ Die Schwarze-Loch-Masse folgt aber Eigenschaften der Galaxie wie der Geschwindigkeitsdispersion der Sterne ‘
    Ist die simple Vorstellung richtig: Je dynamischer die Sterne in der Galaxis umherwirbeln, desto schneller fallen Sie in das schwarze Loch?

    So gilt für die Schwarz-Loch-Masse (ausgedrückt in Sonnenleuchtkräften) in etwa M = 10^(8.3) * sigma^5, wobei sigma die Geschwindigkeitsdispersion der Sterne als Vielfaches von 200 km/s ist.
    Wird durch die neue Entdeckung die Formel komplett in Frage gestellt oder muss die Formel lediglich modifiziert werden?
    Kann das Auswirkungen auf die vermutete Menge dunkler Materie haben?

  2. Schwarze Löcher in Galaxien

    Hallo RD,
    in den Zentren der meisten Galaxien gibt es in der Tat genau ein super-massereiches Schwarzes Loch, also mit Massen von ein paar Millionen (wie im Zentrum der Milchstraße) bis zu mehreren zig Milliarden Sonnenmassen. Einige wenige Galaxien sind mittlerweile bekannt, in denen es im “Zentrum” (wobei dieser Begriff sehr vage definiert ist) zwei solche Schwarze Löcher gibt. Ein Szenario, das man aufgrund von Galaxienverschmelzungen eigentlich noch viel öfter erwarten würde. Daneben gibt es in allen Galaxien natürlich noch jede Menge stellare schwarze Löcher (von wenigen Sonnenmassen).

    Je größer die Geschwindigkeitsdispersion, desto größer ist die Masse (des schwarzen Loches), um die diese Sterne umherwirbeln, denn für gebundene Orbits muss die Gravitationskraft des schwarzen Loches die Zentrifugalkraft kompensieren. Das hat aber keinen Einfluss darauf, ob und wie schnell Sterne ins schwarze Loch fallen. Man vermutet, dass Sterne (und vor allem Gas) dann weiter ins Zentrum einfallen können, wenn es etwa so genannte “nicht-axialsymmetrische Strukturen” gibt, wie z.B. Balken in Galaxien (z.B. NGC 253). Bestätigt ist das aber noch nicht.

    Was die so genannte “black hole mass – bulge mass”-Beziehung angeht, so muss man wohl noch abwarten, welchen Einfluss diese Entdeckung darauf haben wird. Sollte sich bestätigen, dass sehr massereiche Galaxien noch massereichere schwarze Löcher haben als gemäß der Beziehung erwartet, müsste man die Formlen in der Tat korrigieren (zumindest für sehr massereiche Galaxien).

    Viele Grüße,
    Leonard Burtscher

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