Forschung und Medien – ein Teufelspakt?

BLOG: Quantensprung

Versuch einer Aufklärung
Quantensprung

Es ist ein Spiel von Geben und Nehmen. Forscher brauchen die Medien durchaus, um auf ihre Themen aufmerksam zu machen. Doch nicht selten knarzt es, kommt es zu Missverständnissen und manchmal haben Forscher selbst zu diesen falschen Verständnissen beigetragen. Davon berichtete heute auf sehr eindrückliche Weise mit zahlreichen Beispielen der DESY- und CERN-Forscher Prof. Dr. Thomas Naumann auf Einladung des Studiengangs WMK am KIT.

Von falschen Bildern

Das Gottesteilchen etwa. Es ist natürlich Unsinn, das Higgs-Boson als Gottesteilchen zu bezeichnen. Aber in die Welt gesetzt hat es – billigend – der amerikanische Experimentalphysiker Leon Lederman. Mit dem Buchtitel „The God Particle: If the Universe is the Answer, What is the Question?“.  Ursprünglich sollte angeblich der Titel „The goddamn particle“ lauten, aber Lederman lies sich wohl vom Verleger überreden. Jetzt ist das Gottesteilchen in der Welt und findet sich beständig in den Medien.

Dies ist nur eines von mehreren Beispielen, die Naumann in seinem mit Wortwitz gespickten Vortrag anführte, um zu warnen: „Man muss mit Metaphern gottverdammt vorsichtig sein“. Das Vereinfachen von komplexen Sachverhalten durch Metaphern habe nun mal seine Grenzen. Tatächlich wird man, ein falsches Bild, das einmal in die Welt geraten ist, nicht wieder einfangen können. Es wird sehr dankbar von Medien aufgenommen, selbst dann, wenn man in der jeweiligen Wissenschaftsredaktion durchaus um die verzerrte Darstellung weiß.

Das Schüren von Neugierde

Die Higgs-Verifizierung ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit theoretische Vorhersagen und deren experimenteller Nachweis auseinander liegen können: 50 Jahre waren es hier. Naumann sieht darin einen „großartigen Beweis für die theorienbildende Kraft in der Physik“. Doch ist es mit der Geduld der Menschen und den Investitionen in Grundlagenforschung so eine Sache. Wir wollen Ergebnisse.

„Noch nie in der Geschichte der Wissenschaft haben sich so viele Theorien über Generationen angestaut“, erläuterte Naumann – z.B. Superstringtheorie, Mehrdimensionalität. Zwar gingen laut Naumann durchaus Forscher mit diesen Themen bewusst in die Medien und zu den finanzierenden Ministerien. Aber seiner Ansicht nach seien solche „Shoppinglisten“ der zu erwartenden Beweise von Theorien der falsche Ansatz. Naumann betonte dagegen: „Eine wirkliche Entdeckung ist eine unerwartete Entdeckung“. Insofern könne das Schüren von Neugierde einen unnötigen Beweisdruck erzeugen und die freie Wissenschaft behindern.

Vulgarisation (franz. Für Popularisierung)

Eine weitere Falle in der Kommunikation über Forschung sieht Naumann in dem Bedürfnis nach Einfachheit. „Unsere Welt ist nicht einfach“, beharrt er.

Nun darüber hätte ich mich gerne noch weiter mit ihm ausgetauscht. Denn natürlich versuchen wir Journalisten Dinge so einfach wie möglich und dabei richtig darzustellen. Dass manchmal Vereinfachungen für Forscher zu weit führen, ist ein häufig vorgebrachter Vorwurf. Aber nicht jedes Detail, das aus Sicht von Wissenschaftlern wichtig ist, verbessert die Verständlichkeit, sondern behindert sie eventuell sogar so sehr, dass genau deshalb ein falsches Bild in den Köpfen der Leser, Zuhörer oder Zuschauer entsteht.

Positive Medienerlebnisse

Am Ende seines Vortrags setzte Naumann anstelle des vermeintlichen Teufelspakts auf ein „freundliches Geben und Nehmen“ zwischen Medien und Wissenschaft. Seiner Meinung nach sind Forschung und Medien gemeinsam gefordert an unserem Weltbild zu arbeiten, aufzuklären und Ängste zu nehmen.

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Sehr gut gefallen hat Thomas Naumann der ironische Umgang der FAZ mit den Klagen gegen das CERN wegen der gemutmaßten potenziellen Erzeugung von schwarzen Löchern.

„Verschwinden wir im schwarzen Loch?“ titelte die Zeitung am 10.09.2008 zum geplanten Start des LHC.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 2 BvR 2502/08) am 10.03.2010 krönte dies die FAZ mit dem Titel „Weltuntergang ad acta“.

Solche Ironie gefällt Physikern wie Lesern!

 

Eine weitere Nachlese zum Vortrag gibt es in diesem Storify der Tweets.

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Veröffentlicht von

Beatrice Lugger ist Diplom-Chemikerin mit Schwerpunkt Ökologische Chemie. Neugierde und die Freude daran, Wissen zu vermitteln, machten aus ihr eine Wissenschaftsjournalistin. Sie absolvierte Praktika bei der ,Süddeutschen Zeitung' und ,Natur', volontierte bei der ,Politischen Ökologie' und blieb dort ein paar Jahre als Redakteurin. Seither ist sie freie Wissenschaftsjournalistin und schreibt für diverse deutsche Medien. Sie war am Aufbau von netdoktor.de beteiligt, hat die deutschen ScienceBlogs.de als Managing Editor gestartet und war viele Jahre Associated Social Media Manager der Lindauer Nobelpreisträgertagung, des Nobel Week Dialogue in 2012/2013 und seit 2013 berät sie das Heidelberg Laureate Forum. Kommunikation über Wissenschaft, deren neue Erkenntnisse, Wert und Rolle in der Gesellschaft, kann aus ihrer Sicht über viele Wege gefördert werden, von Open Access bis hin zu Dialogen von Forschern mit Bürgern auf Augenhöhe. Seit 2012 ist sie am Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation, NaWik - und seit 2015 dessen Wissenschaftliche Direktorin. Sie twittert als @BLugger.

5 Kommentare

  1. Mediales Interesse und Echo kann sich schon auszahlen, auch und sogar wenn sich die Forschung mit (Zitat) “aufgestauten Theorien” – also kurzum: Hypothesen -, beschäftigt.
    Der höchstdotierte Wissenschaftspreis überhaupt, der Fundamental Physics Prize wurde 2012, 2013 und 2014 an die Stringtheoretiker Edward Witten (M-Theorie), Alexander Polyakov, Michael Green und Henry Schwarz vergeben. Damit wurden Leute reich beschenkt, von denen etwa der Physiker Robert Bett Laughlin sagt, sie hätten noch nie etwas brauchbares geschaffen.
    Yuri Milner, der den Fundamental Physics Price gestiftet hat, hält wahrscheinlich die Stringtheorie selbst für bahnbrechend, aber ohne die Medien, die die Stringtheorie zu einem Begriff gemacht haben, der jeder kennt, wäre eine solche Preisvergabe für die Öffentlichkeit kaum verständlich gewesen.
    Forschung und Medien mögen ein Teufelspakt sein, aber einer, der sich hin und wieder auszahlt.

  2. Überlassen wir es den Lesern, was sie von „Wissenschaftlern“ halten, die populärwissenschaftlich dermaßen über die Stränge zu schlagen, um ihren persönlichen Glauben zum Ausdruck zu bringen. Mit Religion lässt sich halt vieles besser verkaufen.

    Da wird aus der Neurobiologie plötzlich eine „Neurotheologie“,
    aus wahrscheinlich genetischer Ursache plötzlich ein „Religiositäts-Gen“,
    aus per Definition nicht nachweisbar ein „über-empirisch“,
    aus einem Spektrum an Glaubensmöglichkeiten ein schwarz-weißes Theist vs. Atheist,
    und bei einem „In diesem Sinne kein Atheist“ wird ohne zu fragen „in welchem Sinne sich Charles Darwin denn für einen Atheisten hielt“ ein lapidares „er war kein Atheist“.

    Und wer als Wissenschaftler die Diskussion um die religiöse Gruppenselektion wiederbelebt wissen will, der sollte sich fragen, weshalb er geheiratet hat:
    Weil er eine Großfamilie, zum Aufpassen suchte?
    Weil er eine andere Religion heiraten wollte?
    Weil er eine Muslima für seine Karriere brauchte?
    Oder weil er seine Frau liebte und sie auch ohne wenn und aber, und auch ohne Gruppenzugehörigkeit geheiratet hätte?

    Dass diese Wissenschaftler nicht nur sich selber outen, sondern auch der Wissenschaft langfristig großen Schaden zufügen, wenn sie so etwas zum besten geben, nehmen sie wohl billigend in Kauf.

  3. Vereinfachungen und Vulgarisierungen sind meiner Meinung nach in der Wissenschaftskommunikation meist unnötig und in Wirklichkeit wenig hilfreich. Wenn man etwas nicht erklären kann, dann soll man darüber schweigen. Anstatt einen komplizierten Sachverhalt zu vulgarisieren kann man statt dessen darauf verzichten, den Sachverhalt selbst zu erklären und statt dessen versuchen, die Auswirkungen und Bedeutungen dieses Sachverhalts zu vermitteln. Im Prinzip ist das doch genau die Art wie wir auch im Alltag mit Komplexität umgehen.Ein Automechaniker macht den Kunden vielleicht auf die Ölstandsanzeige aufmerksam, sagt ihm, wie oft er sie beobachten soll und was die Auswirkungen einer Ölleckage ist. Details wie die Reynolds-Zahl des idealen Öls teilt er dem Kunden nicht mit. Dieses Wissen würde ihm auch gar nichts bringen.
    Ein gutes Beispiel ist die Erklärung des Higgs-Bosons und des Higgs-Mechanismus über den bereits Markus Pössel in Higgs-Erklärungen und -Missverständnisse reloaded berichtet hat.
    Nach Markus Pössel ist “Immer noch am besten: Higgsteilchen auf der Cocktailparty”. Da bin ich anderer Ansicht. In dieser Erklärung erhält Margareth Thatcher zusätzliche Masse durch die Partygäste, die sich auf sie stürzen. Doch diese Analogie lädt zu Missverständnissen ein: Naheliegend ist beispielsweise die Annahme, die Partygäste entsprächen Higgsteilchen, was falsch ist, denn die Partygäste entsprechen der Wirkung des Higgsfelds. Selbst wenn man noch erklärt bekommt, nicht die Partygäste seien das Higgsteilchen sondern das Gerücht, dass sich diese Partygäste erzählen sei das Higgsteilchen, so ist doch offensichtlich, dass durch die Analogie selbst wieder Missverständnisse entstehen können über die man dann mehr reden muss als über die Analogie selbst.
    Dabei ist es einfach das Higgsfeld und das Higgsteilchen so zu erklären, dass jeder weiss um was es geht. Am besten macht man das ohne Analogie und erklärt es einfach durch Beantwortung der Fragen Wer, Was, Wo, Wann und ein oberflächliches Warum. Das würde dann bei der Erkärung des Higgs so herauskommen: “Jedes massenbehaftete Elementarteilchen (wer) spürt bei Bewegungsänderungen (wann) einen Widerstand (was), der seinen Ursprung in Eigenschaften des Raums hat (warum), denn jeder Punkt im Raum (wo) wirkt auf jedes massenbehaftete Teilchen in der beschriebenen Art bremsend ein. Ein Higgsteilchen ist eine Art Verkörperung dieses Mechanismus und steht für die dabei wirkende Kraft, denn Physiker haben herausgefunden dass jede Kraft durch Teilchen vermittelt wird.”
    Eine derart simple Erklärung müsste für mich der Ausgangspunkt für eine Erklärung für Laien sein. Mag sein, dass es in meiner Erklärung noch Fehler hat, doch die Form der Erklärung scheint mir OK.

  4. Martin Holzherr schrieb (13. Februar 2014 20:10):
    > Wenn man etwas nicht erklären kann, dann soll man darüber schweigen.

    Gewiss.
    Das sollte aber niemanden davon abhalten (und wird wohl auch kaum jemanden davon abhalten),
    eine Darstellung, die derjenige als “erklärend” ansieht, auch mitteilen zu wollen.

    Um den oben schon genannten bzw. vorgemachten Beispielen noch eines (ein klärendes!? 😉 hinzuzufügen:
    R. (Robert) B. (Betts) Laughlin, “Emergent Relativity”.

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