Auf den Kompost – Tüten für den Biomüll

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Der BASF-Forschungsblog
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Die Biomülltonne ist eine ehrenwerte Sache: Salatblätter, Kaffeefilter, Teebeutel und Apfelgehäuse der vorschriftsmäßigen Kompostierung zuzuführen, erzeugt nicht nur Dünger, sondern sorgt auch noch für eine vorteilhafte Energiebilanz. Wie aber kommen Kaffeesatz und Kartoffelschalen in die Tonne – ohne dass z.B. die Zeitung zum Einwickeln aufreißt und sich der Inhalt im Hausflur verteilt? In Bad Dürkheim ist im April ein Pilotprojekt angelaufen, bei dem getestet wird, wie Mülltüten aus Ecovio® FS zu Kompost werden. Dafür wurden allein 65.000 Haushalte mit bioabbaubaren Mülltüten ausgestattet. Mit dem Chemiker Dr. Kai-Oliver Siegenthaler (32), in der Polymerforschung von BASF tätig, sprach ich über den Beitrag der Forscher zum Thema „unser Müll soll sauberer werden“.

Was vom Müll übrig bleibt: Feldforschung.Wie kommt man als Chemiker zum Thema Kompost?

Ich bin direkt nach der Promotion 2007 zur Polymerforschung bei BASF gekommen und arbeite seitdem an biologisch abbaubaren Kunststoffen. Bei meiner Forschungsarbeit habe ich schon einige industrielle Kompostieranlagen von innen gesehen – immer wieder ein Geruchserlebnis. Ein echtes Highlight war eine Kompostieranlage in Kanada. Dort haben wir im letzten Jahr untersucht, wie schnell sich unsere bioabbaubaren Kunststoffe unter realen Bedingungen kompostieren lassen.

Was genau passiert mit dem bioabbaubaren Kunststoff?

Kompostierung kann man sich am besten als Stoffwechsel vorstellen. Genau wie bei natürlichen Bioabfällen wie zum Beispiel bei Obstschalen oder Grasschnitt knacken die Mikroorganismen bei unseren Tüten die Bindungen des Kunststoffes und verstoffwechseln dann die Fragmente, setzen sie rückstandsfrei zu Energie, Biomasse und Kohlendioxid um. Dass das möglich ist, dafür sorgt die besondere chemische Struktur unseres Kunststoffs. Der Kompostierer muss die Mülltüte also auf dem Weg in die Anlage nicht mehr als Fremdstoff aussortieren, weil sie zusammen mit dem Biomüll verrottet.

Ist das auch eine Lösung für den eigenen Garten?

So einfach ist es leider nicht. Industrielle Kompostierung ist ein kontrollierter mikrobiologischer Abbauprozess. Das bedeutet, dass definierte und optimierte Bedingungen wie Feuchtigkeit, Temperatur und Sauerstoffgehalt technisch realisiert werden. Die Kompostieranlage in Kanada basiert zum Beispiel auf einem ausgeklügelten System, mit dem zusätzlich zu den genannten Bedingungen im Biomüll noch ein optimales Verhältnis von Kohlenstoff zu Stickstoff eingestellt wird – untergemischte Eierschalen sorgen außerdem für die nötigen Mineralien. Mit dem Komposthaufen im Garten, der meistens sich selbst überlassen wird und selten ideale Bedingungen hat, ist das qualitativ nicht zu vergleichen! Dort würde ein Abbau viel zu lange dauern.

Was sind die wichtigsten Forschungsziele?

Zeit und Qualität. Die Entsorger wollen sicher sein, dass der Verrottungsprozess dieser Materialien nicht länger dauert als der übliche industrielle Kompostierzyklus. Vor allem dürfen am Ende keine Kunststoffreste übrig bleiben, die die Qualität des Kompost mindern, denn der geht als biologischer Dünger wieder in die Landwirtschaft oder in den Gartenbau. In ersten, frühen Kompostierversuchen und in den verschiedenen Vorversuchen wie in Kanada konnten wir zeigen, dass sich die Materialien bereits innerhalb von vier Wochen zersetzen.

Welche weiteren Forschungsarbeiten stehen auf dem Arbeitsgebiet derzeit an?

Wir suchen ständig weitere Anwendungsmöglichkeiten wie bioabbaubare Kunststoffbeschichtungen für Pappbecher und –teller. Oder auch kompostierbare Schäume, die Eigenschaften aufweisen wie Polystyrol und für Nahrungsmittelverpackungen geeignet sind. Dabei greifen wir auch aktuelle Trends im Markt auf. Unser Team arbeitet an Kunststoffen, die auch in Biogasanlagen abgebaut werden können.

Wie entsorge ich als Verbraucher aus der Rohstoff-Perspektive möglichst nachhaltig?

Um die Nachhaltigkeit zu beurteilen, muss man sich den gesamten Lebenszyklus eines Produktes anschauen, dazu gehören auch die Entsorgungsabläufe. Beispiel Biomüllbeutel: wird der Bioabfall stattdessen in einer ganz normalen Plastiktüte, z.B. aus Polyethylen, gesammelt, dann kann man die Tüte nicht zusammen mit dem Inhalt kompostieren, denn PE ist bekanntermaßen nicht biologisch abbaubar. Beim Verzicht auf das Kompostieren lautet die Alternative Müllverbrennung – das ist für Bioabfall aber die schlechtere Lösung.

Warum das?

In einer Müllverbrennung muss der immense Wassergehalt des feuchten Bioabfalles erst mal verdampft werden – unter Einsatz von Energie. Bioabfälle gehören also in den Biomüll und dann in die Kompostierung. Erleichtert man dem Verbraucher die saubere Biomüllsammlung, bleibt der Restmüll trocken – und der hat damit einen höheren Heizwert.

Also doch nur ein Thema für die Abfallwirtschaft?

Nicht nur. Auch eine Frage des gesunden Menschenverstands. Wir sind beim Thema Abfall heute schon sehr weit – Batterien wirft man nicht einfach auf die grüne Wiese. Wenn sich diese Erkenntnis mit einfachen Entsorgungsabläufen paart, profitiert am Ende die Umwelt, und damit auch der Verbraucher. Aber daran müssen alle arbeiten. Hersteller, Kommunen – und natürlich auch der Verbraucher selbst.

Anja Feldmann

Weiterführende Links:
Videodokumentationen zu den Kompostierversuchen unter www.ecovio.com oder www.bioplastics.basf.com

 

Veröffentlicht von

Anja Feldmann studierte Journalistik in Dortmund und Slawistik an der Ruhr-Universität Bochum. Nach längeren Auslandsaufenthalten in Russland und Japan arbeitete sie zunächst als Wirtschaftsredakteurin bei dpa und Reuters. 2002 wechselte sie nach China und war für den DAAD in einer Hochschulkooperation mit der Tongji Universität in Shanghai tätig. Nach ihrer Rückkehr schloss sie sich 2008 der neu gegründeten Forschungskommunikation der BASF SE an und beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz von Social Media in Wissenschaft und Forschung.

3 Kommentare

  1. Alternative Papier?

    Kompostierbarer Kunststoff ist sicher eine tolle Sache, aber was spricht für den hier genannten Zweck gegen simple Papiertüten?
    Sollte der Küchenabfall zu feucht sein, trägt man die Tüte halt mitsamt dem Eimer runter.
    Oder rechnet man mit ökologischen Vorteilen?

  2. Energie?

    Wie sieht es denn mit der Herstellungsenergie aus für der biologisch abbaubaren Plastiktüten aus? Bei mir zu Hause ist die Alternative zu ihnen keine klassische Plastiktüte, sondern altes Zeitungspapier. Und das dürfte doch sicher deutlich nachhaltiger sein, immerhin muss das sowieso entsorgt werden und wird dazu genauso gut biodegradiert wie das Bioplastik (oder gar besser?).

  3. Herstellung

    wie schon pikarl erwähnt, ist die zur herstellung notwendige energie nicht zu vernachlässigen. kompostieren sollte eigentlich auch ohen plastiktüten kein problem sein

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